Herzog ohne Herzogtum

tela

Aktives Mitglied
Ich hätte da mal eine Frage.

Im Deutschen Reich ab dem 12. Jh. finden sich - soweit ich das sehe - drei verschiedene Arten von Herzögen.

(1) Die Herzöge der alten Stammesherzogtümer, also Sachsen, Schwaben, Bayern und Franken.

(2) Herzöge in neugeschaffenen Herzogtümern, also z.b. Österreich, Kärnten, Steiermark.

(3) Herzöge mit dem Titel Herzog aber ohne ein Herzogtum, so z.b. die Herzöge v. Zähringen.

Und die Herzöge von Zähringen bemühten sich stark echte Herzöge zu werden. Ihre ganze Energie setzten sie im 12. Jh. in Richtung Burgund, in dem sie ja seit dem Erbe Rudolfs v. Rheinfelden und dem Rektorat über Burgund einiges an Macht angesammelt haben.

Die Frage: Wie hätte aus der zähringischen Herrschaft über Burgund ein Herzogtum werden können? Hätte es einfach eines königlichen Aktes bedurft, um aus der Grafschaft Burgund ein Herzogtum zu machen? Oder: Worin unterschied sich die Herrschaft eines Herzogs über eine Grafschaft von der Herrschaft eines Herzogs über ein Herzogtum?
 
Worin unterschied sich die Herrschaft eines Herzogs über eine Grafschaft von der Herrschaft eines Herzogs über ein Herzogtum?

Wenn ich es lt. Wilhelm Volkert "Adel bis Zunft: ein Lexikon des Mittelalters" - C.H. Beck - München, 1991 richtig verstanden habe, dann bzgl. der mit der Herrschaft verbundenen Rechte und Privilegien wohl gar nicht.
Ich hatte die Darlegung von Volkert an anderer Stelle schon einmal zu umreißen versucht: http://www.geschichtsforum.de/228877-post2.html
Anm.: Ich hatte diesen etwas älteren Beitrag gerade eben erst wiedergefunden...
 
tela schrieb:
Hätte es einfach eines königlichen Aktes bedurft, um aus der Grafschaft Burgund ein Herzogtum zu machen?

timotheus schrieb:
Ausgehend vom Fall leopold_4_der_friedfertige_markgraf_von_oesterreic h_+_1141 würde ich es bejahen; allerdings ist dies lediglich eine Vermutung meinerseits.

Ich bejahe es mit aller Deutlichkeit, dass die Schaffung eines neuen Herzogtums auf einem königlichen Spruch beruhen muss. Allerdings wird mir nicht ganz klar, warum du Leopold IV. strapazierst, timo. Vielmehr wurde doch erst zur Zeit Heinrich Jasomirgotts 1156 durch das Privilegium Minus ein neues Herzogtum auf Spruch Barbaraossas hin geschaffen.

Zum Problem der Zähringer:

Die Zähringer hatten ja zuvor ein Herzogtum, dass ihnen weggenommen und den Staufern übertragen wurde. Danach waren sie Herzöge ohne ein Herzogtum (worüber sich Otto von Freising übrigens auf sehr ironische Weise lustigmacht). Deshalb wird es verständlich, dass man sich bemühte, ein Äquivaltent zu bekommen.
 
Allerdings wird mir nicht ganz klar, warum du Leopold IV. strapazierst, timo. Vielmehr wurde doch erst zur Zeit Heinrich Jasomirgotts 1156 durch das Privilegium Minus ein neues Herzogtum auf Spruch Barbaraossas hin geschaffen.

Ähem; mir ging es dabei gar nicht um das Privilegium Minus, sondern darum:
LexMA schrieb:
König KONRAD III. verlieh das dem WELFEN Heinrich den Stolzen aberkannte Herzogtum Bayern seinem Halbbruder Leopold IV...
Von leopold_4_der_friedfertige_markgraf_von_oesterreich_+_1141

Aber Du hast Recht; wenn ich mir schon einen Babenberger vornehme, dann eignet sich heinrich_2_jasomirgott_markgraf_von_oesterreich_+_1177 natürlich viel besser.
 
Ich habe die Frage von tela so verstanden und verstehe sie noch immer so, dass sie auf die Schaffung eines Herzogtums abzielte, nicht auf eine Aberkennung und Neuvergabe des Hergzogsamts.

Aber insoweit sehe ich dein Beispiel als anschaulich, dass der von dir angesprochene Dynastiewechsel von den Welfen auf die Babenberger ein weiteres Zeichen dafür ist, dass dem König als oberstem Lehensherrn sämtliche reichsrechtlichen Entscheidungen bezüglich der Herzogtümer zustand.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe die Frage von tela so verstanden und verstehe sie noch immer so, dass sie auf die Schaffung eines Herzogtums abzielte, nicht auf eine Aberkennung und Neuvergabe des Hergzogsamts.

Obwohl ich die Frage zitiert hatte, habe ich sie wohl nicht genau genug gelesen :rotwerd::red::rotwerd:
Anm.: So etwas passiert einem wohl, wenn man kurz vor dem Weg nach Hause noch eine Antwort tippt...
 
Jetzt schon (und auch schon beim Nachtrag um 22:19 Uhr); bei meinem Beitrag um 20:32 Uhr war ich kurz vorm Gehen.

Aber wir sollten den Thread nicht als Pseudochat mißbrauchen; sonst müssen wir uns noch gegenseitig zur Ordnung rufen... =)
Ja genau! Oder noch besser: Die einfachen Mitglieder müssen die Mods ermahnen...
:rofl:
 
(3) Herzöge mit dem Titel Herzog aber ohne ein Herzogtum, so z.b. die Herzöge v. Zähringen.
M. E. waren die Zähringer rein juristisch keine Herzöge.
Es war mehr eine höfliche Geste, sie immer noch mit dem Titel anzureden, den sie eigentlich verloren hatten.
Nach Reichsrecht waren es wohl weiterhin Grafen, und sie mußten sich um die Verleihung eines alten oder neuen Herzogtums bemühen, um wieder echte Herzöge zu werden.
 
M. E. waren die Zähringer rein juristisch keine Herzöge.
Es war mehr eine höfliche Geste, sie immer noch mit dem Titel anzureden, den sie eigentlich verloren hatten.
Nach Reichsrecht waren es wohl weiterhin Grafen, und sie mußten sich um die Verleihung eines alten oder neuen Herzogtums bemühen, um wieder echte Herzöge zu werden.


Fällt mir der Fall der Herzöge von Urslingen ein. Die waren bei den Staufern eine Zeitlang Herzöge von Spoleto. Konnten das Herzogtum dann aber natürlich nicht mehr halten.
Nannte man sie bis zum ihrem Aussterben "Herzöge von Urslingen" nach ihrer Stammburg Irslingen über der wunderschönen Schlichemklamm wo die Schlichem in den Neckar mündet.

Ebenfalls aus dem Hause Zähringen gab es die Herzöge von Teck, ein Titel den später eine württ. Seitenlinie trug. Die Großmutter von Königin Elisabeth II hieß eigentlich Marie von Teck, auch ein Name der im 1. WK geändert wurde. Mit anderen Worten, Elisabeth II von England steht auch der Titel einer Herzogin von Teck zu.
 
Bei diesen "Titeln" fällt mir immer ein uralter schwarzweiß Film mit Hans Moser ein.
Hans Moser spielte einen Friseur, und gab seinen Kunden ausschließlich die höchsten Titel, Hofrat, Geheimrat usw.
Sagt die Chefin zu ihm, er soll doch nicht so übertreiben.
Antwortet Hans Moser: "Wieso denn, die freuts, und mi, mi kost´s nix"


Was es wohl bei diesen "Titular-Herzögen" voll trifft.
Die hats gefreut, und gekostet hat es keinen etwas.
 
Ich meine, es ist sehr gewagt, einem Terminus wie "rein juristisch" auf das Hochmittelalter anwenden zu wollen.
Guter Punkt.
In der Tat ist zu diesem Zeitpunkt das Reichsrecht noch recht vage und beruht im wesentlichen auf Konvention.
Man müßte also mal nachschauen, ob der Herzogstitel der Zähringer irgendwo praktische Relevanz hatte, d.h. irgendwelche Rechte begründete.
 
Was es wohl bei diesen "Titular-Herzögen" voll trifft.
Die hats gefreut, und gekostet hat es keinen etwas.
Hm, ich bin ja so ein HRR-Narr und würde sagen, gekostet hat es schon was, den Wert des Herzogtitels. Ich finde dieser wird nämlich geschmälert, wenn auch Grafen sich aufgrund einer sich einbürgernden Duldung und einer verworrenen Sachlage Herzöge nennen durften.

Interessant daran finde ich, dass der Fall der Herzöge von Zähringen mir wie ein Markstein einer Entwicklung erscheint, an deren Ende dann Markgrafen und dergleichen zu Dutzenden im HRR zu zählen waren und auch an Herzögen kein Mangel bestand.:devil:
 
Hm, ich bin ja so ein HRR-Narr und würde sagen, gekostet hat es schon was, den Wert des Herzogtitels. Ich finde dieser wird nämlich geschmälert, wenn auch Grafen sich aufgrund einer sich einbürgernden Duldung und einer verworrenen Sachlage Herzöge nennen durften.

Naja, es durfte sich ja nicht jeder Graf so nennen, sondern bei den genannten Beispielen handelt es sich um Familien, die vormals ein Herzogtum innehatten. Insofern sehe ich da keine nennenswerte Schmälerung des Titels, sondern eher eine Duldung aufgrund ehemaligen Anspruchs. Da könnte man nun darüber streiten, ob ein Titel nun mehr an eine Dynastie oder an ein Territorium gebunden ist. Für beides wird man Beispiele finden, die wir uns dann gegenseitig um die Ohren hauen können. Freilich tendiere ich wie Du zu Zweiterem, doch denke ich nicht, dass wir aus dem Hochmittelalter recht viele Beispiele finden können, wo nach Aberkennung eines Herzogtums auch der Titel weg war. Spontan fällt mir da nur Heinrich der Löwe ein, aber hier war das Verhältnis zum König dann doch zu erhitzt, als dass man hier tatsächlich noch Zugeständnisse seitens Barbaraossas erwarten konnte. Auch Heinrich hatte sich damit abgefunden und auf seiner Grabplatte ist er ohne Herzogsinsignien dargestellt.

(Beispiele, dass das auch bei Zweit- oder Drittherzogtümern, die eine Familie innehatte, selbst dann noch der Titel geführt wurde, wenn dass Herzogtum nicht mehr zur Verfügung stand und vielleicht nie gestanden hatte, gibt es genügend. Man denke nur an die bayerischen Herzöge und die Pfalzgrafen bei Rhein, die beide den Titel "Pfalzgraf bei Rhein und Herzog von Ober- und Niederbayern führten, obwohl jeder nur über sein eigenes Territorium Herrschaft ausübte; oder vielleicht eine skandalträchtigere Geschichte: Der bretonische Brautraub, wo Anna de Bretagne den Habsburgern "flöten ging", aber dennoch der Titel "Herzöge von der Bretagne" an den Familienchef des Hauses Habsburg ging.)
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich erlaube mir, mich dazu selbst zu zitieren bzw. auf meine Wiedergabe des Volkert zu verweisen:
Seit dem 11. Jh. kam es mehrfach vor, daß Angehörige der Dynastien, welche Herzogtümer innegehabt und diese wieder verloren hatten, den Titel weiterführten (Bsp. Welfen, Zähringer). Dadurch wurde der Herzogstitel zum Kennzeichen der obersten Dynastenschicht unter dem Königtum, womit er im 12. Jh. zum Merkmal für die Zugehörigkeit weltlicher Fürsten zur besonderen Rangklasse der Reichsfürsten in der Heerschildordnung wurde. (Titelherzogtum)
Aus dem von mir bereits in Beitrag #3 verlinkten Beitrag: http://www.geschichtsforum.de/228877-post2.html
 
Die Frage: Wie hätte aus der zähringischen Herrschaft über Burgund ein Herzogtum werden können? Hätte es einfach eines königlichen Aktes bedurft, um aus der Grafschaft Burgund ein Herzogtum zu machen? Oder: Worin unterschied sich die Herrschaft eines Herzogs über eine Grafschaft von der Herrschaft eines Herzogs über ein Herzogtum?

Allein dem König bzw. Kaiser stand es zu, z.B. eine Grafschaft zum Herzogtum zu erheben. In der Regel gab es zunächst eine Standeserhöhung des Fürsten z.B. zum Herzog, wonach dann auch das von ihm regierte Land ein Herzogtum wurde. Selbiges erfolgte z.B. im Jahr 1156, als Kaiser Friedrich I. auf einem Hoftag in Regensburg Österreich zum Herzogtum erhob, oder 1495, als Kaiser Maximilian I. auf einem Reichstag zu Worms die Grafschaft Württemberg zum Herzogtum erhob und die vormaligen Grafen damit zu Herzögen wurden. 1380 wurde auch die Grafschaft Berg durch König Wenzel zum Herzogtum erhoben und Wilhelm II., Graf von Berg und Ravensberg, ein frisch gebackener Herzog. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Burgund hätte also formell durch den König bzw. Kaiser des Heiligen Römischen Reichs zum Herzogtum erhoben werden müssen, denn der Zähringer Herzogstitel machte es keineswegs dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben