Übernahme von Sprachen, Widerstand, Macht

rena8

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Heute morgen las ich von den Demonstrationen in Tibet. Inzwischen ein Minderheiten-Konflikt, wie es einige gibt, bei dem der Erhalt der Sprache, als Teil/Ausdruck der eigenständigen Kultur eine Rolle spielt. Dabei fiel mir der Thread über die gälische Sprache in Irland ein, den ich kürzlich im GF gelesen habe oder auch die Ausbreitung der europäischen Sprachen in der Kolonialzeit.
Gibt es Untersuchungen über die Mechanismen bei der Übernahme einer Sprache? Wird Sie eher übernommen, wenn kein politischer Druck oder invasorische Gewalt ausgeübt wird oder ist es umgekehrt?
Wie kann man die sog. isolierten Sprachen, wie baskisch, sumerisch erklären?
Sind das vielleicht Gruppen, die sich zumindest einige Zeit der Übernahme durch andere mächtigere Sprachen erfolgreich widersetzt haben und ihre Sprache als Ausdruck ihrer eigenständigen Kultur bewußt bewahrt haben?
 
Heute morgen las ich von den Demonstrationen in Tibet. Inzwischen ein Minderheiten-Konflikt, wie es einige gibt, bei dem der Erhalt der Sprache, als Teil/Ausdruck der eigenständigen Kultur eine Rolle spielt.

Im Tibet sind die Tibeter keine Minderheit. Nur in der Provinz Qinghai sind etwas mehr Chinesen durch die Großstadt Xining und dem Regierungsbezirk Haidong.
Quelle: Volkszählung durch China im Jahr 2000
Die tibetische Exilregierung sieht das allerdings aus tibetischer Sicht anders und negativer.
 
Mag sein, dass die Tibeter noch keine Minderheit sind, ich habe das eher als Einstiegsbeispiel gemeint, weil mir dabei auffiel, dass es auch in der Vergangenheit den Versuch gegeben hat, mit Sprachverboten eine unterlegene Volksgruppe einzugliedern, das muß keine Minderheit gewesen sein. Ein anderes Beispiel ist für mich die fast vollständige Übernahme der indoeuropäischen Sprachen, die von einer Minderheit auf die ansässige Mehrheit übertragen wurde, jedenfalls wenn man die genetischen Mehrheitsverhältnisse als Hinweis zuläßt.
 
In diesem Forum diskutieren wir nicht über die aktuellen Vorkommnisse in Tibet. Bitte konzentriert euch bei euren Antworten auf die Frage von rena8

Danke
 
Es gibt kein festes Schema oder Gesetz nachdem Sprachwandel und Übernahme erfolgten. Hartnäckiges Beharrungsvermögen allen Assimilationsversuchen zum Trotz (Basken, Albaner) kam eben so vor wie das Aufzwingen der neuen Sprache durch eine kleine Erobererschicht (Ungarn, Lateinamerika). Kleine Sprachinseln mit wenigen Sprechern haben gegenwärtig, zum Teil bedingt durch die modernen Massenmedien ohnehin schlechte Karten, so z.B. die Sorben in der Lausitz. Mit ein paar Alibisendungen im Radio/Fernsehen und wenigen Druckerzeugnissen ist es eine Sprache auf Dauer nicht lebendig zu erhalten.
Neben kulturellen Aspekten spielt auch die Topographie des betreffenden Landstriches eine Rolle. Abgelegene Berggegenden sind nicht so schnell vom Wandel betroffen wie Gegenden mit großen Flüssen, Küsten und Heerstraßen.
 
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Die Sorben sind ein Superbeispiel, die sprachlichen Exoten im eigenen Land. Heute haben sie zweisprachige Ortsschilder usw, alles was die aufgeklärte Demokratie so hergibt, ähnlich wie in Wales. Bei Wales und Irland, ist Isolation im Randgebiet eine Erklärung von mehreren.
Die heutigen Basken leben aber in einem Durchzugsgebiet, wie konnten sie sich über Zehntausende von Jahren ihre Sprachstruktur erhalten, wenn man der These folgt, das baskisch auf die vor 40000 Jahren eingewanderten Cro Magnon zurüchgeht.
Ich könnte mir vorstellen, dass ab einem bestimmten Punkt des Drucks zur Sprachübernahme der Widerstand einsetzt.
Ich muß mich erst mit der Geschichte der Sorben beschäftigen, um da was zu finden aber m.W. sind die Slawen viel weiter in den Westen gewandert bis Schleswig-Holstein als heute die Verbreitung der slawischen Sprachgruppe ist.
 
@rena8: Sieh dir in einem Autoatlas einfach die Verbreitung slaw. Ortsnamen an. Die Sorben sind aber nicht identisch mit den Stämmen, die weiter nördlich in Holstein und Mecklenburg siedelten.

Bloß weil sie den guten Roland erschlagen haben, würde ich das Baskenland nicht als Durchzugsgebiet bezeichnen. Warst du mal dort? Es ist eigentlich ein ziemlich unzugängliches Bergland, bis hinunter an die Küste, kaum geeignete Flächen für Ackerbau und dazu ein für spanische Verhältnisse ziemlich ungemütliches Klima. Die strategisch wichtigen Pyrenäen-Pässe mit Stoßrichtung Mittelmeer und Zaragoza sind weiter östlich.
 
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Die strategisch wichtigen Pyrenäen-Pässe mit Stoßrichtung Mittelmeer und Zaragoza sind weiter östlich.
*räusper* Somport und Roncesvalles führen direkt ins Baskenland! Auch die Germanen und Alanen sind 409 über Roncesvalles in die hispansichen Provinzen eingefallen, die Westgoten sind dagegen über die Narbonensis gekommen. Man sollte aber den Weg zum Teutonengrill der sechziger und siebziger Jahre mit dem Auto nicht mit den historischen Reisen auf die iberische Halbinsel verwechseln: da ging es zunächst nach Santiago und dazu benutzte man normalerweise Roncesvalles oder Somport. Die wenigsten reisten über Barcelona oder Zaragoza.
Was die Romanisierung angeht, stimmt natürlich der andere Weg die Via Domitia/Augusta entlang (die Via Augusta ist die Verlängerung der Via Domitia durch Frankreich bis Sevilla und Cádiz). Nordspanien, insbesondere das Baskenland und die kantabrische Kordilliere gelten eigentlich - bis zum Zusammenbruch des Westreiches - als nur äußerst schwach romanisiert.

Das Baskische war aber in der frühen Neuzeit meines Wissens schon stark zurückgedrängt und hat seit dem 19. Jahrhundert eine starke Renaissance durchgemacht. Trotzdem kann nicht jeder Baske, ja nichte einmal jeder Etarra heute Baskisch sprechen.
 
Ich gebe unserem Iberien-Experten natürlich recht. Der Jakobsweg führt durchs Baskenland nach Galicien. Pilger pflegen sich freilich nicht auf halben Wege anzusiedeln und die Vandalen und Alanen haben sich gleichfalls beeilt, für sie attraktivere Gegenden zu erreichen. Wie dem auch im Detail sei, die Basken blieben bis in unsere Zeit weitgehend unter sich. Mich verwundert nur, dass sie sich nicht auch in Asturien und Galicien hielten. Oder waren diese Landschaften nie baskisch?

Mir persönlich ist in Bilbao aufgefallen, dass die Durchschnittsgröße der Bevölkerung recht klein ist, auch Männer meist unter deutlich 1.70 Meter. Mit zwei deutschen Kollegen dort, kamen wir uns alle drei vor allem im Bus und den Geschäften wie Thunfische in einem Heringsschwarm vor.
 
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Nach Baskische Sprache - Wikipedia war und ist, teilweise noch heute, die baskische Sprache auch in Frankreich, Aquitanien und früher der Normandie verbreitet. Natürlich enthält sie viele Lehnwörter und die heutigen Sprecher sind alle zweisprachig. Auffällig finde ich auch, dass sich an der europäischen Atlantikküste mehrere Sprachinseln, auch gälisch, keltisch behaupten.
Vielleicht ist die Geografie doch der entscheidende Faktor.
Interessant finde ich auch die kompliziert erscheinende Sprachstruktur des baskischen, beim gälischen und sorbischen weiß ich es nicht, was eine hohe Motivation zum Erlernen voraussetzt, womit ich wieder bei der Eingangsfrage bin: Warum haben einige isolierte Sprachen bis heute überlebt und viele andere nicht?
Ich habe gelesen, kann es aber jetzt nicht belegen, dass die früheren Sprachen generell kompliziertere Strukturen hatten und der Trend eher zur Vereinfachung geht. Ich bin kein Sprachwissenschaftler aber wenn ich z.B. englisch mit deutsch und französisch vergleiche, scheint da was dran zu sein.
 
Mir persönlich ist in Bilbao aufgefallen, dass die Durchschnittsgröße der Bevölkerung recht klein ist, auch Männer meist unter deutlich 1.70 Meter. Mit zwei deutschen Kollegen dort, kamen wir uns alle drei vor allem im Bus und den Geschäften wie Thunfische in einem Heringsschwarm vor.

Vom heutigen Aussehen der dortigen Einwohner herleiten zu wollen, ist m.E. schwierig sogar gefährlich. Auch wenn es Untersuchungen an Blutgruppen von Scafalli-Svorza gibt, die dort eine kleine Abweichung von der europäischen Verteilung aufzeigen. Aber die Blutgruppe hat ja nichts mit der Körpergrösse zu tun.
 
Es gibt Gegenden, in denen noch heute eine verwirrende Vielfalt verschiedener benachbarter nicht näher verwandter Sprachen vorkommt, zum Beispiel der Kaukasus oder das Hochland von Papua-Neuguinea. Immer haben Isolation durch geographische und auch kulturelle Besonderheiten ihren Erhalt erst ermöglicht. Zu letzteren zählten sehr eingeschränkte Kontakte zum Nachbarn wegen Blutrache, Fremdenfeindlichkeit oder gar Kannibalismus. Dass auf Neuguinea eine hochentwickelte Kultur steinzeitlicher Pflanzer existiert, erfuhr die restliche Welt erst 1930.

Kompliziertere Strukturen für frühere Sprachen? Würde ich so generell nicht unterschreiben, bin auch kein Linguist (Einmal mehr, wo ist @hyo?). Jede Sprache hat Eigenheiten, die sie für Außenstehende kompliziert machen kann. Bring mal einem Holländer den richtigen Gebrauch der Artikel (der, die, das) bei! Und auch Englisch ist nicht ohne, denk mal an die nicht vorhandene einheitliche Aussprache gewisser Laute (z.B. -a, -e, -i,-o,-u).

Noch kurz zu den Basken: Was auch immer Cavalli-Sforza (!) untersucht hat (Häufung von Blutgruppe 0, Rh- bei Basken), hat nichts direkt mit dem Aussehen zu tun, richtig. Aufgefallen ist es uns trotzdem.
 
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Nach Baskische Sprache - Wikipedia war und ist, teilweise noch heute, die baskische Sprache auch in Frankreich, Aquitanien und früher der Normandie verbreitet. Natürlich enthält sie viele Lehnworte und die heutigen Sprecher sind alle zweisprachig. Auffällig finde ich auch, dass sich an der europäischen Atlantikküste mehrere Sprachinseln, auch gälisch, keltisch behaupten.
Nicht zufällig genau die europäischen Randgebiete... Sagst du ja selbst:
Vielleicht ist die Geografie doch der entscheidende Faktor.

Ich habe gelesen, kann es aber jetzt nicht belegen, dass die früheren Sprachen generell kompliziertere Strukturen hatten und der Trend eher zur Vereinfachung geht. Ich bin kein Sprachwissenschaftler aber wenn ich z.B. englisch mit deutsch und französisch vergleiche, scheint da was dran zu sein.

Ich habe das letzthin schon im Forum beschrieben (ich habe mir erlaubt die Beiträge zu kürzen):

Zum Vergleich: Sanskrit hatte sieben (oder acht) Kasus. Latein hatte sechs Kasus (Nominativ, Vokativ, Genitiv, Ablativ, Akkusativ, Dativ), Griechisch hatte fünf Kasus, hat heute nur noch vier (Wegfall des Dativ). Die Romania haben drei Kasus (Nominativ, Akkusativ, Dativ), Deutsch hat vier Kasus (Nominativ, Genitiv, Akkusativ, Dativ).
Die slawischen Sprachen haben aber sieben Kasus (Nominativ, Vokativ, Genitiv, Ablativ, Akkusativ, Dativ, Instrumental, Lokativ), wie das Sanskrit, also eine sehr alte indoeuropäische Sprache. Wenn man davon ausgeht, dass aus sprachökonomischen Gründen die Kasus zusammenfallen, was eben dazu führt, dass aus den sechs Kasus des Lateinischen in den Romania nur 3 Kasus erhalten sind, dann dürften die slawischen Sprachen grammatisch einen sehr alten Sprachstand konserviert haben. Zum Vgl.: Das Gotische hat schon nur noch die Kasus, die wir im Deutschen auch kennen. Ergo: Das Slawische dürfte sich als eigenständige indoeuropäische Sprache recht früh entwickelt haben.

Leider muß ich Dir widersprechen, lieber Kollege... :sorry:

Russisch bspw. hat derer auch nur sechs: Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Instrumental, Präpostitiv.

Nun gut... hat das Russische halt nur sechs Kasus. Sind aber immer noch mehr, als die meisten anderen lebenden indoeuropäischen Sprachen, ist also kein Widerspruch zu der These, dass die slawischen Sprachen in der Kasusflexion einen alten Sprachstand bewahrt haben. Allerdings scheint es auch slawische Sprachen mit nur einem Kasus bzw. keinem zu geben:

[Hier steht dann im Originalbeitrag ein Zitat aus der folgenden Literaturangabe.]
Powerpointpräsentation Einführung in die Slavische Sprachwissenschaft
[SIZE=-1]www.uni-potsdam.de/u/slavistik/wsw/thielemann/powerpoint/vlsprawikosta.ppt[/SIZE]

Man kann das so verallgemeinern:
Sprachwandel ist das Ergebnis des ewigen Widerstreits aus dem Prinzip der größtmöglichen Differenziertheit und dem Ökonomieprinzip. (Frei nach Linke, Nussbaumer, Portmann: Studienbuch Linguistik.
Mann kann aber, gerade was die Grammatik angeht, ein Zusammenfallen der grammatischen Differenzierung feststellen.

Gibt es Untersuchungen über die Mechanismen bei der Übernahme einer Sprache? Wird Sie eher übernommen, wenn kein politischer Druck oder invasorische Gewalt ausgeübt wird oder ist es umgekehrt?

Ich habe hier schon einmal versucht, Begrifflichkeiten einzuführen:
http://www.geschichtsforum.de/153366-post61.html
 
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danke bes. El Quijote und balticbirdy das hat mich weitergebracht.
Ich bin nun auf die Sorben gestossen Sorben - Wikipedia, da gab es ja abwechselnd alles was @el Quijote definiert: Verbote, Ausgrenzung, Aufstände, Förderung von oben, Toleranz durch Kirche und Staat.
Ich wollte mich schon lange mit den Sorben beschäftigen, hat doch meine verstorbene Tante immer behauptet, ein Zweig unserer Vorfahren seien Sorben gewesen, daher
Es gab sicher schon ein Thema über die Sorben, oder?
 
Zitat Dieter aus "deutsche Ostexpansion:
Bedeutende slawische Siedlungen waren das nur selten und städtischen Charakter hatte wohl kaum eine. Zur deutschen Siedlung und zum Schicksal der slawischen Sprache sagt das "Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands":


Zitat:
Besondere Vorrechte erhielten diejenigen, die in bisher unkultiviertes Land vorstießen. Dies gilt besonders für die Hagensiedlungen ... Sie sind gekennzeichnet dadurch, dass sie u.U. kilometerlang sind und auf der einen Straßenseite die Höfe, auf der anderen die Felder haben. Diese Siedlungsform wurde offenbar von den Schaumburgern, den Grafen von Holstein, die ihren Stammsitz an der Weser hatten, nach Ostholstein übertragen. Sie wurde dann an der mecklenburgischen Ostseeküste weitergeführt und von dort bis nach Pommern ...

Nach Schwerin und Rostock wurden zwischen 1218 und 1250 Gadebusch, Güstrow, Parchim, Plau, Wismar, Bützow, Wittenburg, Malchow, Malchin, Boizenburg, Neustadt-Glewe, Goldberg und Kröpelin gegründet. In den nächsten 25 Jahren folgten die Städte Ribnitz, Altkalen, Sternerg, Gnoien, Dömitz, Neubukow, Röbel, Grevesmühlen, Sülze, Penzlin, Stavenhagen, Teterow, Waren, Crivitz und Krakow ...

Dieser Zugang von deutschen Siedlern machte Mecklenburg zu einem deutschen Land. Schriftsprachen waren wie in ganz Norddeutschland Latein und Mittelniederdeutsch. Dieses war auch die Sprache in den Städten und in den deutschen Siedlungen.

Das Slawische war wirtschaftlich und kulturell von so untergeordneter Bedeutung, dass aus Mecklenburg kein einziges slawisches Wort überliefert ist. Lediglich anhand der Orts- und Personennamen kann man sich ein Bild von der wendischen Sprache machen. Das Slawische erlosch mit der Zeit, wahrscheinlich gerade deshalb, weil es keinen Sprachenkampf gegeben hat. In abgelegenen Gebieten wie der Jabelheide wurde es noch bis zur Reformationszeit (!) gesprochen. Die deutsche Predigt verdrängte es auch hier

(Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, Band 12 Mecklenburg/Pommern, Stuttgart 1996, S. XVII f.)

das ist sicher nur ein Beispiel und dafür mag es noch andere Gründe geben aber ich möchte noch mal versuchen zur Eingangsfrage zurückzukehren, weil ich sie aktuell wichtig finde, ohne die Tagespolitik hier diskutieren zu wollen.
 
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Es gibt auch in den lokalen ostdeutschen Dialekten viele slawische Wörter, wenngleich einige davon den Umweg über das Jiddische genommen haben. In den meisten Gegenden verschwand das Slawische sehr rasch, auf Rügen z.B. im 14. Jahrhundert. Das hannoversche Wendland und einige Heidegegenden waren die letzten Sprachinseln. In der Kirche, den Kanzleien und vor Gericht galten nur Latein und Deutsch. Die Städte waren gleichfalls deutschsprachig. Eine wendische Bäuerin, die ihre Produkte auf dem Markt anbot, kam mit ihrer Muttersprache demzufolge nicht weit. Dazu saßen deutsche und slawische Siedler meist im selben Dorf - in Einzelfällen kam es vor allem auf Klosterland zu sogar Vertreibungen. Kurzum, es herrsche ein hoher Assimilationsdruck, der nach 2-3 Generationen seine volle Wirkung gezeigt hatte.
 
Gibt es Assimilationsdruck in jedem Fall oder nur wenn sich eine Bevölkerungsgruppe zahlenmäßig oder sonstwie überlegen fühlt und ist dieser zielführend?
In den germanisch-slawischen Beispielen ging es ja nicht in erster Linie um die Sprache, sondern mithilfe der Sprache wurde zwangsassimiliert oder auch nicht. Die wendländische Bäuerin, die ihre Eier auf dem städtischen Markt verkauft, wurde nicht gezwungen sondern handelte aus Einsicht in die Notwendigkeit bzw. schickte ihre Kinder zum Markt, die schon deutsch konnten und in der nächsten Generation hatte sich das Problem erledigt.
 
das ist sicher nur ein Beispiel und dafür mag es noch andere Gründe geben aber ich möchte noch mal versuchen zur Eingangsfrage zurückzukehren, weil ich sie aktuell wichtig finde, ohne die Tagespolitik hier diskutieren zu wollen.

Die Ausgangsfrage war, wie sich das unterschiedliche Schicksal von Sprachen erklären lässt, deren Sprecher einer Invasion zum Opfer fallen.

Die Frage ist oben bereits mehrfach korrekt beantwortet worden. Es gibt keine einheitliche Gesetzmäßigkeit, nach der solche Vorgänge ablaufen, denn die Situation ist stets sehr verschieden. So könnte man vermuten, dass große Völker mit starker Identität trotz einer Eroberung ihre Sprache bewahren.

Doch gibt es zahlreiche Beispiele aus der Geschichte, auf die das nicht zutrifft. So hat das alte Volk der Etrusker, nachdem es im 3. Jh. v. Chr. von den Römern erobert worden war, spätestens zur Zeitenwende seine Sprache aufgegeben, da es etwa 250 Jahre nach Verlust seiner Selbstständigkeit gänzlich romanisiert war. Ebenso gaben die Kelten in Gallien und die Iberer in Spanien ihr angestammtes Idiom auf.

Die Ägypter und zahlreiche andere Staaten Vorderasiens und Nordafrika haben ebenfalls nach Eroberung durch die Araber im 7. Jh ihre angestammten Idiome zugunsten des Arabischen aufgegeben und zwar zuweilen - wie in Ägypten - in überraschend kurzer Zeit.

Die Basken hingegen haben ihre Sprache bewahrt, auch wenn das baskische Gebiet im frühen Mittelalter noch erheblich ausgedehnter war. Das mag daran liegen, dass ihr Siedlungsland eben kein Durchzugsgebiet war und die Basken am Rande der zentralen Staaten und Ereignisse ihre Sprache und Gebräuche in die moderne Zeit hinüberretten konnten.

Aus dem gleichen Grund mögen auch die Sorben ihre Sprache bewahrt haben, denn noch bis zur Industrialisierung war ihr Siedlungsgebiet in der Ober- und Niederlausitz relativ abgeschlossen und wegen fehlender Bodenschätze und schlechter Böden wenig begehrt. Das trifft übrigens auch auf die Slawen im Wendland an der Unterelbe zu, die aber dennoch ihre Sprache und Identität spätestens um 1700 verloren hatten, als ein Pfarrer letzte Sprecher des Wendischen besuchte und ihre Sprache niederschrieb.

Aus all dem geht hervor, dass es keine Formel gibt, nach der man das Überleben einer Sprache bemessen könnte. Wir haben ja sogar den Fall, dass eine seit vielen Jahrhtausenden tote Sprache wie das Hebräische, die nur noch in der Liturgie fortlebte, zu neuem Leben erweckt wurde. Das ist den Iren leider nicht gelungen, wo trotz enormer Anstrengungen nur noch etwa 53 000 Iren angeben, Irisch täglich als Muttersprache zu sprechen (Zensus von 2006). Da haben es die Engländer doch geschafft, ihre Sprache im Lauf der langen Besetzung Irlands durchzusetzen.
 
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Die Sorben (...) Heute haben sie zweisprachige Ortsschilder usw, alles was die aufgeklärte Demokratie so hergibt
Diesen Kausalzusammenhang solltest du unbedingt noch einmal überprüfen! (Wobei ich den hervorgehobenen Teil als wertendes Element äußerst überflüssig und störend empfinde.) :S

Es gibt Gegenden, in denen noch heute eine verwirrende Vielfalt verschiedener benachbarter nicht näher verwandter Sprachen vorkommt, zum Beispiel der Kaukasus oder das Hochland von Papua-Neuguinea.
Zur Sprachenvielfalt hier mal eine sehr interessante Weltkarte. :)
 
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