Rhetorik zu Zeiten der Weimarer Republik, speziell in Deutschland und Österreich

Balduin

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Hallo,

ich habe, wie wahrscheinlich viele hier, die Reportage über den Anschluss von Österreich ans Deutsche Reich gesehen. Mir ist dabei aufgefallen, dass der Österreichsche Kanzler Schuschnigg bei Reden fast in Raserei geriet. Die Stimme überschlug sich, es kam nur so ein Kräzchen, doch die Menge war hingerissen. Ähnlich war ja auch der Stil von Hitler, wenn man in Reden reinhört. War das allgemein in Europa zu dieser Zeit so, dass die Rhetorik in dieser Art und Weise umgesetzt wurde, oder war es nur eine Rafinesse von diesen beiden Politikern (bzw. der restlichen NSDAP).
Ist mir am Rande aufgefallen und hat mir diese Frage aufgedrängt
 
Die meisten anderen Politiker der Weimarer Republik von denen ich Reden gehört habe - oder Ausschnitte gesehen - waren eher "einschläfernd". Für mich war das immer ein Mosaikstein zur Erklärung, warum Hitler angeblich ein so "toller" Redner gewesen sein soll - er verstand es (auch mit der Brüllerei), Abwechslung in seine Reden zu bringen und die Leute nahmen ihm sein Engagement und seine "Begeisterung" für eine Sache ab ...

(und erst die Rede Himmlers, wo er die SS rühmt, die "schwierige Aufgabe" anständig gelöst zu haben, aber gleichzeitig zur Verschwiegenheit mahnt ... rhetorisch schlafen einem da die Füße ein ... vielleicht haben die Zuhörer die Ungeheuerlichkeit der Rede gar nicht mitbekommen, weil sie abgeschaltet haben?)
 
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Die meisten anderen Politiker der Weimarer Republik von denen ich Reden gehört habe - oder Ausschnitte gesehen - waren eher "einschläfernd". Für mich war das immer ein Mosaikstein zur Erklärung, warum Hitler angeblich ein so "toller" Redner gewesen sein soll - er verstand es (auch mit der Brüllerei), Abwechslung in seine Reden zu bringen und die Leute nahmen ihm sein Engagement und seine "Begeisterung" für eine Sache ab ...

(und erst die Rede Himmlers, wo er die SS rühmt, die "schwierige Aufgabe" anständig gelöst zu haben, aber gleichzeitig zur Verschwiegenheit mahnt ... rhetorisch schlafen einem da die Füße ein ... vielleicht haben die Zuhörer die Ungeheuerlichkeit der Rede gar nicht mitbekommen, weil sie abgeschaltet haben?)

Es gab ja vor ein paar Jahren im Frernsehen das "Himmler Projekt" zu sehen, wobei Manfred Zapatka nur Himmlers Posener Rede vorlas, es gab keinerlei Einblendungen oder Einschübe historischer Dokumentationen.

Ich muß sagen, dass ich diese Rede durchaus nicht einschläfernd fand. Stilistisch und vom Aufbau war die Rede durchaus nicht schlecht, und statt Langeweile überkam mich dabei eher das Grauen. Sie gibt sehr tiefe Einblicke in die Psychologie des Redners und seines Publikums, wobei es schon verblüffend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit da von Mord und Totschlag geredet wird, wobei man sich fragen muß, wie diese Gruppenführer, von denen einige buchstäblich mit blutigen Händen nach Posen kamen, allen Ernstes glauben konnten, ehrenhafte Menschen zu sein.

Dabei fällt generell auf, dass sich bei vielen Naziführern im Verlauf des Krieges eine Tendenz auch zur sprachlichen Fanatisierung festzustellen ist, wobei dann auch durchaus Anleihen in der Vulgärsprache gemacht wurden. Etwa Hitler, der feststellte, aus der Wolfsschanze brächte ihn "keine Sau" mehr raus.

Himmlers Stil zeichnete sich durch äußerste Kaltschnäuzigkeit und Zynismus aus, etwa wenn er findet, dass es durchaus nicht schlimm ist, wenn beim Bau eines Panzergrabens 10.000 "Russenweiber" an Entkräftung sterben. Gleichzeitig ist aber auch eine Schwäche für rührseligen Kitsch unverkennbar, etwa wenn Himmler Wehrbauernphantasien nachhängt und konstatiert, dass die Luftangriffe auch etwas Gutes hätten, da die anonymen Millionenstädte zerstört wurden. Auch beklagt er, dass er so viele Leute zum Tode verurteilen müsste. Die Vernichtung der Juden glorifiziert er als "ein niemals genanntes oder zu nennendes Ruhmesblatt der SS" "Von euch (das Gruppenführerkorps) werden die meisten wissen, wie es ist, wenn 50 Tote da liegen, wenn 100 oder 500 da liegen. Das durchgestanden zu haben und dabei, mit Ausnahme menschlicher Ausnahmeschwächen anständig geblieben zu sein, hat uns hart gemacht und ist ein niemals zu nennendes und niemals genanntes Ruhmesblatt".
 
Es gab ja vor ein paar Jahren im Frernsehen das "Himmler Projekt" zu sehen, wobei Manfred Zapatka nur Himmlers Posener Rede vorlas, es gab keinerlei Einblendungen oder Einschübe historischer Dokumentationen.

Ich muß sagen, dass ich diese Rede durchaus nicht einschläfernd fand. Stilistisch und vom Aufbau war die Rede durchaus nicht schlecht, und statt Langeweile überkam mich dabei eher das Grauen. Sie gibt sehr tiefe Einblicke in die Psychologie des Redners und seines Publikums, wobei es schon verblüffend ist, mit welcher Selbstverständlichkeit da von Mord und Totschlag geredet wird, wobei man sich fragen muß, wie diese Gruppenführer, von denen einige buchstäblich mit blutigen Händen nach Posen kamen, allen Ernstes glauben konnten, ehrenhafte Menschen zu sein.

Dabei fällt generell auf, dass sich bei vielen Naziführern im Verlauf des Krieges eine Tendenz auch zur sprachlichen Fanatisierung festzustellen ist, wobei dann auch durchaus Anleihen in der Vulgärsprache gemacht wurden. Etwa Hitler, der feststellte, aus der Wolfsschanze brächte ihn "keine Sau" mehr raus.

Himmlers Stil zeichnete sich durch äußerste Kaltschnäuzigkeit und Zynismus aus, etwa wenn er findet, dass es durchaus nicht schlimm ist, wenn beim Bau eines Panzergrabens 10.000 "Russenweiber" an Entkräftung sterben. Gleichzeitig ist aber auch eine Schwäche für rührseligen Kitsch unverkennbar, etwa wenn Himmler Wehrbauernphantasien nachhängt und konstatiert, dass die Luftangriffe auch etwas Gutes hätten, da die anonymen Millionenstädte zerstört wurden. Auch beklagt er, dass er so viele Leute zum Tode verurteilen müsste. Die Vernichtung der Juden glorifiziert er als "ein niemals genanntes oder zu nennendes Ruhmesblatt der SS" "Von euch (das Gruppenführerkorps) werden die meisten wissen, wie es ist, wenn 50 Tote da liegen, wenn 100 oder 500 da liegen. Das durchgestanden zu haben und dabei, mit Ausnahme menschlicher Ausnahmeschwächen anständig geblieben zu sein, hat uns hart gemacht und ist ein niemals zu nennendes und niemals genanntes Ruhmesblatt".

Der Text der Rede mag stilistisch interessant sein - Himmlers eigene Art, ihn vorzutragen war langweilig - und darum ging es mir. Es ging bei dem Thema hier ja weniger um Inhalte sondern um die "Art der Präsentation" - Stimm-Modulation, "Brüllen" usw.
 
Viele Zeitzeugen, die Himmler persönlich kennenlernten, haben berichtet, dass er immer oberlehrerhaft und pedantisch wirkte. Unter SS Führern war er durchaus nicht beliebt, und viele sprachen nur vom "Reichsheini" statt vom Reichsführer SS. Auch Hitlers Reden wirken heute meist ermüdend. Oft fehlte ihnen der logische Aufbau und manche von Hitlers Metaphern waren geradezu unsinnig. Rhetorisch sind sie sicher kein Meisterstück, im Gegensatz etwa zu Goebbels, der wohl vermutlich der beste Redner unter der Nazi- Prominenz war. Seine Sportpalastrede vor einem ausgewählten Publikum Anfang 1943 kann bis heute als ein Meisterstück der Demagogie gelten.
 
Dabei fällt generell auf, dass sich bei vielen Naziführern im Verlauf des Krieges eine Tendenz auch zur sprachlichen Fanatisierung festzustellen ist, wobei dann auch durchaus Anleihen in der Vulgärsprache gemacht wurden. Etwa Hitler, der feststellte, aus der Wolfsschanze brächte ihn "keine Sau" mehr raus.

Goebbels baute ja gerne religiöse Aspekte ein, manch eine Rede kam fast wie ein Gebet rüber, was dann auch diese totale Hingabe während manch Rede begründet. Paradebeispiel diese bekannte "Wollt ihr den totalen Krieg" Rede.
 
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