Aufklärung - ihr eigenes Opfer?

MeisterMatze

Neues Mitglied
Hallo Zusammen,

Der Name ist Programm. Ich bin Gymnasiast in der 12 Klasse und mein GFS Thema lautet wie oben ersichtlich. Da ich in Deutsch auf 13 Punkten stehe, sollte meine GFS mich natürlich nicht nach unten ziehen. Ich erwähne meinen Notenstand aber auch aus dem Grund, dass ersichtlich wird, dass ich keiner dieser hilfesuchenden Vollidioten bin, der meint, er bekommt hier seine Antworten auf dem Silbertablett serviert. Das "sapere aude"-Gedöns ist Schnee von Gestern, das haben wir schon in Klasse 11 durchgekaut. Ich bin aber mehr als genug informiert, da meine GFS Thema letztes Jahr "Die Aufklärung" (anhand eines Textes von Kant) war.

Lange Rede, kurzer Sinn. Ich finde das Thema ist an sich schon interessant genug zu diskutieren. Was ich mir von dem Thread hier erwarte sind Stichworte, Denkanstöße, et cetera, da ich mir bisher noch nicht genau im Klaren bin, wie ich dieses Thema am besten fassen könnte.

Meine ersten Ideen waren, es auf der Dialektik der Aufklärung aufzubauen, allerdings war mein Lehrer der Meinung, dass meine GFS nicht auf Uni-Niveau basieren sollte (worüber ich froh bin). Also auch als Hinweis für euch, 12 Klasse ;) .

Deshalb schlussendlich meine Frage an alle interessierten Leser:

Was fällt euch zu meinem Thema (spontan) ein? Welche (Grund-)Gedanken der Aufklärung führten zu ihrem "scheitern"? Ist die Aufklärung gescheitert? Haben sich gewisse Aspekte der Aufklärung ins Gegenteil verkehrt? Etwaige contraproduktive Gedanken begünstigt oder erst entstehen lassen?

Ich brauch viel, viel Input, lasst alles raus, denn momentan stehe ich noch extrem auf dem Schlauch. Dankeschön!
 
der Aufklärung führten zu ihrem "scheitern"? Ist die Aufklärung gescheitert? Haben sich gewisse Aspekte der Aufklärung ins Gegenteil verkehrt? Etwaige contraproduktive Gedanken begünstigt oder erst entstehen lassen?

Die Aufklärung hat doch wunderbar funktioniert, die Menschen haben endlich gemerkt, dass jeder Mensch gleich ist und nicht von Geburt aus besser. Folgen waren dann die Franz. Revolution u.a., die zwar ausuferte, aber ohne die Aufklärung nicht möglich gewesen wäre.
Das vorerst, ich denk drüber nach (ist ja wirklich ne denkaufgabe).
 
(a) Was hat die Aufklärung alles "zerstört"? Hat sie es ersetzt? Durch was?

(b) Ist die Aufklärung vielleicht nur eine Durchgangsstation: Humanismus -> Aufklärung -> Romantik/Biedermeier -> Ökologisches Denken?

(c) Ist Aufklärung mehr als "Rationalismus"?

(d) Was bedeutet "aufgeklärter Absolutismus"?
 
Das "sapere aude"-Gedöns ist Schnee von Gestern


...das glaube ich nicht! Zum einen dürfte man durchaus in Zweifel ziehen, dass selbst über 200 Jahre nach Kant der Großteil der Zeitgenossen wirklich den Mut beweist, sich seines Verstandes unabhängig zu bedienen.

Und wer sich zum anderen seines Verstandes dennoch unabhängig zu bedienen weiss, der weiss oft nicht zwischen instrumenteller, egoistischer Vernunft und moralischer Vernunft zu unterscheiden.

Kurz: Die Aufklärung hat den Gebrauch der Vernunft als gesellschaftliches Selektionskriterium durchgesetzt (gegenüber dem Recht der Geburt z. B.). Das bedeutet nicht, dass die Vernunft im Sinne der Ideen der Aufklärung benutzt wird.


PS.: Das so spontan. Wäre natürlich wichtigt, zu wissen, welche Definition der Aufklärung dem Thema zugrunde gelegt ist. Eine rein historische scheinbar nicht, denn - wieder mit Kant - dass wir im Zeitalter der Aufklärung leben ist fraglos. Fraglich ist, ob wir jemals in ein wahrhaft aufgeklärtes Zeitalter eintreten werden.
 
...das glaube ich nicht! Zum einen dürfte man durchaus in Zweifel ziehen, dass selbst über 200 Jahre nach Kant der Großteil der Zeitgenossen wirklich den Mut beweist, sich seines Verstandes unabhängig zu bedienen.

Meine Aussage war auch darauf bezogen, dass wir das "sapere aude"-Gedöns schon behandelt haben, sprich, mir keiner mehr die Grundzüge der Aufklärung auflisten muss. "Gedöns" klang vllt. etwas negativ. Ich sehe es in keinem Falle so, dass der Ausspruch "sapere aude" heute keine Gültigkeit mehr hat, im Gegenteil, ich sehe es genauso wie du.
 
Ich denke die Aufklärung ist wie jede Bewegung so schwach gewesen wie ihr schwächstes Glied. Da bestimmte Autoren der Aufklärung in der Folgezeit (Revolution) besonderes Gehör fanden, kamen manche modernere Gedanken vielleicht nicht zur Ausführung, während nach tieferer Prüfung konservative Überlegungen eher fruchteten.

Worauf ich hinaus will ist, ob die Aufklärung so ganz eine Aufklärung war? War das Menschenbild der führenden Aufklärung das von gleichen Menschen oder ist dies eher die Quintessenz, die uns durch die Forderungen der Revolution oder zumindest einige von ihnen vorgegaukelt wurde?

Persönlich war mancher Aufklärer wie Voltaire natürlich darauf scharf in der schon bestehenden Gesellschaftsordnung aufzusteigen. So freute er sich durchaus, vielleicht auch ein Zeichen seiner Eitelkeit, dass er Kammerherr des Königs von Frankreich und somit adelig wurde. In seinen rationalen Überlegungen war also ein Aufstieg in diesem System der Ungleichheit, welche bei allen Aufstiegschancen der Mittelschicht (z.B. der Umkreis von Mme. de Pompadour aus der Riege der bürgerlichen Financiers etc.) eine Elite des Adels vorsah, extrem erstrebenswert.

Zum anderen haben wir Rousseaus Kritik an der Beteiligung von Frauen an der Politik und an der Geisteswelt an sich, was dann etwas arg wörtlich später vom Unbestechlichen geteilt wurde. Ob solche Überlegungen dann nach unserer modernen Vorstellungswelt als aufgeklärt gelten dürfen und ob die Aufklärung nicht in ihren Auswirkungen letztlich auch einen Rückschritt bedeutete, ist schwer zu sagen. Zu sehr prägte sie unsere heutige Welt und unsere Weltanschauung, um sich zu einer weitreichenden Verurteilung manchen Flügels der Aufklärung durchringen zu können.

Teilweise würde ich aber Deine Frage bejahen. Eine Frage nach einer Alternative wäre aber wohl schwer zu beantworten und etwas gemein.
 
@ Brissotin: Interessanter Ansatz, den ich mal weiter recherchieren werde.

@ all: Ich weiß nicht in wie weit ihr mit der Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer vertraut seid, deshalb (da ich zu meiner Einstellung dazu ein wenig feedback brauche) hier eine (äußerst) grobe Zusammenfassung:

Die Dialektik der Aufklärung geht davon aus, dass die Aufklärung eng im Zusammenhang mit dem Totalitarismus (wohl dem Faschismus) sowie dem Kommunismus steht, bzw. mehr noch, zu beidem geführt hat. Die These (und gleichzeitige Begründung (was die Schwachsinnigkeit der D.d.A. zeigt)) lautet wie folgt:

-Aufklärung ist von Anfang an mit dem Fehler der Herrschaftsdienlichkeit und Gewaltsamkeit belastet. Eine unkontrollierte ("unreflektierte") Aufklärung hat deshalb selbstzerstörerischen Charakter und führt in den Totalitarismus.


Stehe ich mit der Meinung alleine da, dass dies totaler Schwachsinn ist? Meiner Meinung nach ist (v.a.) der Faschismus nicht die Folge, sondern eine Gegenbewegung zur Aufklärung. Die Grundlegenden Gedanken der Aufklärung wurden vom Faschismus mit Füßen getreten (rationale Begründungen, Kritik, Autonomie des Menschen, Freiheit, Gleichheit, etc.). Im Kommunismus wurde zwar theoretisch die Gleichheit und Freiheit des Menschen propagiert, allerdings wissen wir alle, dass im Kommunismus weder Freiheit, Autonomie noch Kritik (um nur einige Punkte zu nennen) gegeben ist. Somit kann doch auch der Kommunismus keine Folge der Aufklärung sein. Sprich die Aufklärung ist auch sofern nicht ihr eigenes Opfer, da (würde man so argumentieren wie Adorno und Horckheimer) die Aussage "Die Aufklärung ist ihr eigenes Opfer, da sie zum Fachismus und Kommunismus geführt hat, und dadurch ihre Grundzüge verloren gingen" falsch ist.

Ich hoffe man kann mir folgen. Ich denke ich habe hiermit begründet, dass die Aufklärung (zumindest in Verbindung zum Faschismus, Kommunismus, Totalitarismus, etc.) nicht ihr eigenes Opfer ist. Allerdings fehlen mit langsam weitere Ansätze, inwiefern die AUfklärung ihr eigenes Opfer sein könnte (?). Brissotins Ansatz ist etwas, mit dem ich mich auseinander setzen werde, allerdings hab' ich das Gefühl, dass ich etwas prägnantes Übersehe.
 
Die Aufklärung ist nicht gescheitert, allerdings hat das Denken auf ein bestimmtes Gleis geführt, das zwar viele Möglichkeiten eröffnet, aber andere verschließt. Wir sind durch die Aufklärung "betriebsblind" auf hohem Niveau geworden.

Interessant ist, dass die Grundannahme eines vernunftgesteuerten, rational handelnden Menschen nicht der biologischen Realität entspricht. Das ist sozusagen die "Erbsünde" der Aufklärung.

Roberto Damasio ("Descartes Irrtum") zeigt nämlich, dass auf eine Situation (z.B. Auftauchen eines Wolfes) zuerst der Körper reagiert, indem chemische und elektrische Impulse ausgelöst werden, dann erst wird dieses Muster von Körperzuständen in den ältesten (animalischsten) Hirnteilen interpretiert (z. B. als Angst) und dann erst wird der Impuls an das Großhirn weitergeleitet, das dann seinen rationalen Senf dazugeben darf, wohlgemerkt oft erst, nachdem Taten ausgelöst wurden.

Die Vorstellung, dass die Ratio an erster Stelle kommt, ist also eine Wunschvorstellung. Vielleicht entsteht ja gerade aus diesem auf Sand gegründeten Weltbild gerade unsere fatale Irrationalität, z.B. autofreundliche aber kinderfeindliche Städte (ist das rational ?), Dienst nach Vorschrift (das ist rational !) und die Begradigung des Rheins (die war rational aber nicht vernünftig), also alles irgendwie wie gewollt und nicht gekonnt.

Aber gescheitert ist sie nicht, die Aufklärung. Schließlich verdanken wir ihr die Demokratie, die Mondlandung und das Auto mit lackierter Stoßstange.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ all: Ich weiß nicht in wie weit ihr mit der Dialektik der Aufklärung von Adorno und Horkheimer vertraut seid, deshalb (da ich zu meiner Einstellung dazu ein wenig feedback brauche) hier eine (äußerst) grobe Zusammenfassung:

Die Dialektik der Aufklärung geht davon aus, dass die Aufklärung eng im Zusammenhang mit dem Totalitarismus (wohl dem Faschismus) sowie dem Kommunismus steht, bzw. mehr noch, zu beidem geführt hat. Die These (und gleichzeitige Begründung (was die Schwachsinnigkeit der D.d.A. zeigt)) lautet wie folgt:

-Aufklärung ist von Anfang an mit dem Fehler der Herrschaftsdienlichkeit und Gewaltsamkeit belastet. Eine unkontrollierte ("unreflektierte") Aufklärung hat deshalb selbstzerstörerischen Charakter und führt in den Totalitarismus.


Stehe ich mit der Meinung alleine da, dass dies totaler Schwachsinn ist? Meiner Meinung nach ist (v.a.) der Faschismus nicht die Folge, sondern eine Gegenbewegung zur Aufklärung. Die Grundlegenden Gedanken der Aufklärung wurden vom Faschismus mit Füßen getreten (rationale Begründungen, Kritik, Autonomie des Menschen, Freiheit, Gleichheit, etc.). Im Kommunismus wurde zwar theoretisch die Gleichheit und Freiheit des Menschen propagiert, allerdings wissen wir alle, dass im Kommunismus weder Freiheit, Autonomie noch Kritik (um nur einige Punkte zu nennen) gegeben ist.
In Deinen Augen mag Deine Kritik stimmen, aber sind nicht diese ganzen Werte von Gleichheit BIS Freiheit eine extreme Auslegungssache. Man kann wohl postulieren, dass die Aufklärung tiefgreifend das Weltbild der Menschen änderte. Benötigte nicht vielleicht mancher Apologet der kantschen Überlegungen, musste der Wortführer eines Totalitarismus nicht selbst zumindest den Verstand gebrauchen und gewisse Traditionen (christliche Moral im positiven Sinne zählt wohl dazu) ausschalten, um selbst den gangbaren Weg hin zur eigenen Macht zu erkennen?

Ließen sich nicht gerade die Ideale der Aufklärung ausgezeichnet instrumentalisieren und für propagandistische Zwecke entlehnen? Nicht von ungefähr haben wir in der Robespierristischen und Napoleonischen Diktatur gewisse Züge, die uns noch heute sehr modern vorkommen und nicht umsonst gern als beispielhaft auch für den Kampf gegen Diktatur, wo damals auftretend (Büchners "Danton" wird immer wieder gern aufgeführt.), hergenommen? Ich denke die Begriffe und selbst Gedanken einiger Aufklärer waren sehr dehnbar. Ob der die totalitären Systeme, die auf die Frühe Neuzeit folgten ohne die Aufklärung denkbar wären, lässt sich natürlich nicht erraten. Die Aufklärung markiert ja selbst zusammen mit der Revolution das Ende der Frühen Neuzeit und dies sicherlich nicht von ungefähr.

Manchmal frage ich mich, ob man Deine Frage, die man sich gelegentlich stellen kann, nicht auch von einer anderen Seite aufgezäumt werden kann. Wie kann man die Romantik begreifen, wie den Wunsch ein Gegenmodell zur Aufklärung zu entwickeln. Die Früchte der Aufklärung, welche sich in der Revolution offenbarten, waren für viele Geistesgrößen der Zeit (Das Standartbeispiel ist wohl Schiller, aber auch Burke.) verheerend, so schrecklich, dass man dieses Fass am liebsten postwendend wieder geschlossen hätte. Aber wie konnte man diese neuen Gedanken ersetzen, was konnte die scheinbar so schrecklich aufkeimende Saat bekämpfen? Klar ist man rasch bei der Frage, ob nicht die Aufklärung letztlich dauerhafter in der Wirkung war, als die dagegen gerichtete Bewegung. Welcher Romantiker war nicht selbst infiziert? Musste deren Verstand oder Geistesgröße ihnen nicht geradezu gebieten, das Wissen und Denken der Aufklärung aller Ablehnung zum Trotze in sich aufzusaugen?

Für mich ist auch interessant, wie weit im Falle der Aufklärung die Verwirklichung oder scheinbare Verwirklichung der Ideale und der Schreck dannach auseinander lagen. Deswegen finde ich die Zeitzeugenberichte aus der Revolutionszeit auch so faszinierend.
 
In Deinen Augen mag Deine Kritik stimmen, aber sind nicht diese ganzen Werte von Gleichheit BIS Freiheit eine extreme Auslegungssache. Man kann wohl postulieren, dass die Aufklärung tiefgreifend das Weltbild der Menschen änderte. Benötigte nicht vielleicht mancher Apologet der kantschen Überlegungen, musste der Wortführer eines Totalitarismus nicht selbst zumindest den Verstand gebrauchen und gewisse Traditionen (christliche Moral im positiven Sinne zählt wohl dazu) ausschalten, um selbst den gangbaren Weg hin zur eigenen Macht zu erkennen?

Ließen sich nicht gerade die Ideale der Aufklärung ausgezeichnet instrumentalisieren und für propagandistische Zwecke entlehnen? Nicht von ungefähr haben wir in der Robespierristischen und Napoleonischen Diktatur gewisse Züge, die uns noch heute sehr modern vorkommen und nicht umsonst gern als beispielhaft auch für den Kampf gegen Diktatur, wo damals auftretend (Büchners "Danton" wird immer wieder gern aufgeführt.), hergenommen? Ich denke die Begriffe und selbst Gedanken einiger Aufklärer waren sehr dehnbar. Ob der die totalitären Systeme, die auf die Frühe Neuzeit folgten ohne die Aufklärung denkbar wären, lässt sich natürlich nicht erraten. Die Aufklärung markiert ja selbst zusammen mit der Revolution das Ende der Frühen Neuzeit und dies sicherlich nicht von ungefähr.

Deine Ausführung ist so naheliegend, dass ich sie zuerst gar nicht verstanden habe. Es ist doch wohl klar, dass beispielsweise ein totalitärer Herrscher sich seines Verstandes bedienen musste. Selbiges gilt für einen Kommunisten. Es geht doch aber darum, ob die Grundgedanken der Aufklärung zu einem neuen Weltbild geführt haben, welches nichts mit eben diesen Grundgedanken zu tun hat, nämlich Faschismus, Kommunismus. Und das denke ich eben nicht, wie im letzten Beitrag begründet. Dein Ansatz ist natürlich richtig, doch ist es (überspitzt gesagt) falsch zu sagen: "Im Faschismus trifft man auf die Grundgedanken der Aufkärung, da sich die Faschisten ihre Sache ganz genau überlegt haben mussten".

Ich denke mal du verstehst was ich sagen will ;-)
 
Die Idee totale Herrschaft erreichen zu können, kommt nur dem, der die Möglichkeiten des Menschen sehr hoch einschätzt.
Wie könnte ein Mensch uneingeschränkt herrschen, wenn er selbst abhängig von größerem (z.B. Gott) ist?

Wovon wollten sich die Aufklärer oder vielmehr sie ihren Geist den emanzipieren? Wenn Klaus sagt, dass es falsch ist den Geist an erster Stelle zu setzen, weil unser Bewusstsein erst nach Reflexen und Instinkten handelt und die Aufklärer nicht daran gedacht haben, dann stellt sich doch die Frage woran sie dann dachten. Wen hat den der Ration in der Rangfolge quasi überholt?
 
Kants aufklärerische Gedanken waren jetzt auch nur ein Beispiel. Aber ich würde die aufklärerischen Gedanken schon durchaus als Rüstzeug zur Bildung von Vorreitern jedweder Ideologie ansehen.

Es geht doch aber darum, ob die Grundgedanken der Aufklärung zu einem neuen Weltbild geführt haben, welches nichts mit eben diesen Grundgedanken zu tun hat, nämlich Faschismus, Kommunismus.
Ich würde nicht sagen, dass grundsätzlich der Faschismus oder Kommunismus eine Folgerichtigkeit aus der Aufklärung war, das wäre wohl auch zu weit aus dem Fenster gelehnt. Dass die Aufklärung für die eigene Argumentation instrumentalisierbar war, ist aber kaum von der Hand zu weisen.
Leider kann ich zum Faschismus wenig sagen. Moderne Historiker haben zumindest untersucht, ob nicht gewisse nationale Gedanken von Aufklärern (bzw. Revolutionären der Gr. Franz. Rev., teilw. ja auch Aufklärer) wunderbar für die eigenen Zwecke einsetzbar waren. Überhaupt wird verschiedentlich die Problematik für die französischen Nationalisten im Umgang mit der Revolution verdeutlicht, welche zum einen einen ausgeprägteren Nationalismus begründete, zum anderen aber stark von den Klassenkämpfen mit "linkem" Argumentationshintergrund (Jacques Roux z.B.) geprägt war. In dem hier http://www.geschichtsforum.de/331560-post27.html von Arcimboldo verlinkten Text findest Du auch einen Hinweis auf eine unter den franz. Aufklärern verbreiteten ablehnenden Haltung gegenüber dem Judentum z.B..

Bei den Kommunisten ist die Sache noch schwieriger. Die entsprechenden Diktaturen vereinnahmten ja rundweg die Aufklärung (bzw. die Autoren, welche man sich herraus gepickt hatte) für sich. Eine Argumentationsfolge ist wohl, ganz billig zusammen geschustert: Rousseau war Leitbild von Robespierre, Robespierre war Lichtgestalt/Hoffnungsträger des Proletariats (Marat wahlweise), Karl Marx etc. beschäftigten sich mit Revolution usw..
 
Wie könnte ein Mensch uneingeschränkt herrschen, wenn er selbst abhängig von größerem (z.B. Gott) ist?
Das Gottesgnadentum diente ja nicht nur dazu, einen Herrscher - auch ohne eine demokratische Grundlage - zu legitimieren, sondern erlegte ihm auch die Verpflichtung auf, im Sinne seines "Gönners" zu handeln, also in den Grenzen der christlichen Ethik. Ich denke durchaus, dass die Könige selbst an an diese Verpflichtung glaubten und sich zumindest bemühten, moralische Grenzen nicht zu überschreiten.

Spätere Herrscher mussten sich durchaus irdischer Mechanismen bedienen, um an die Macht zu gelangen, dafür entfiel aber oft die Überzeugung, irgendwelche moralischen Gebote einhalten zu müssen.

Ich habe so meine Zweifel, ob das einen Fortschritt darstellt.
 
tiefgreifend das Weltbild der Menschen änderte. Benötigte nicht vielleicht mancher Apologet der kantschen Überlegungen, musste der Wortführer eines Totalitarismus nicht selbst zumindest den Verstand gebrauchen und gewisse Traditionen (christliche Moral im positiven Sinne zählt wohl dazu) ausschalten, um selbst den gangbaren Weg hin zur eigenen Macht zu erkennen?

Spätere Herrscher mussten sich durchaus irdischer Mechanismen bedienen, um an die Macht zu gelangen, dafür entfiel aber oft die Überzeugung, irgendwelche moralischen Gebote einhalten zu müssen.

Ich habe so meine Zweifel, ob das einen Fortschritt darstellt.
Das ergänzt vielleicht einander.:grübel:
 
Ich weiss nicht, ob es in diesem Fall nur genug ist, die sogenannten Grundgedanken zur Aufklärung heranzuziehen. Das kommt mir so vor, als würde man anhand der 10 Gebote die Kirchengeschichte erklären (oder so ähnlich). Es geht ja im Grunde nicht darum, was von Philosophen, Dichtern, Denkern usw. zu dieser Zeit verfasst wurde (oder nicht nur darum), sondern wie sich diese Ideen konkret in der Gesellschaft niederschlugen. Was sie z.B. gerade in Deutschland für das sog. Bürgertum, deren Familienbildung, überhaupt die Individualisierung der modernen Kernfamillie usw. bedeutete, und wie solche Funktionseinheiten später auch zu tragenden stategischen Zielen der nationalsozialistischen oder kommunisitischen Politik wurden.
 
Das ergänzt vielleicht einander.:grübel:

Vielleicht so:
Die Aufklärung hat den Gebrauch der Vernunft als gesellschaftliches Selektionskriterium durchgesetzt (gegenüber dem Recht der Geburt z. B.). Das bedeutet nicht, dass die Vernunft im Sinne der Ideen der Aufklärung benutzt wird.

Dazu noch dieser Gedanke: Die Aufklärung hat die Vernunft gegenüber der Religiön als handlungslegitimierende Instanz abgelöst. Im Glauben daran, mittels der Vernunft das Ziel einer besseren Welt zu erreichen, liegt aber schon die Kehrseite der Aufklärung verborgen. Der Mensch setzt sich (seine Vernunft) an die Stelle Gottes. Das kann dann zu so grauenhaften Experimenten mit der Menschheit führen, wie sie sich z. B. in diversen Totalitarismen gefunden haben. Schon Kant war wenig zuversichtlich, ob man in der Aufklärung das "Prospekt zu einem künftigen glücklicheren Menschengeschlecht" sehen dürfe. (Vgl.: Erziehung zum besseren Menschen)
 
Ich weiss nicht, ob es in diesem Fall nur genug ist, die sogenannten Grundgedanken zur Aufklärung heranzuziehen. Das kommt mir so vor, als würde man anhand der 10 Gebote die Kirchengeschichte erklären (oder so ähnlich). Es geht ja im Grunde nicht darum, was von Philosophen, Dichtern, Denkern usw. zu dieser Zeit verfasst wurde (oder nicht nur darum), sondern wie sich diese Ideen konkret in der Gesellschaft niederschlugen. Was sie z.B. gerade in Deutschland für das sog. Bürgertum, deren Familienbildung, überhaupt die Individualisierung der modernen Kernfamillie usw. bedeutete, und wie solche Funktionseinheiten später auch zu tragenden stategischen Zielen der nationalsozialistischen oder kommunisitischen Politik wurden.

Guter Ansatz, der mir sehr viel helfen würde.

Nun was denkt ihr, wie hat sich die Aufklärung letztendlich in der Gesellschaft niedergeschlagen? Floxx78 Hat das in seinem letzten Posting schon etwas vertieft.

Allerdings, finde ich, steht es in jedme Fall zur Disposition ob sich die Menschen in Folge der Aufklärung wirklich (übertreiben wir mal) gottgleich gesehen hat. Ich denke in der Aufklärung ging es weniger darum, Gott zu spielen, sondern vielmehr darum, die Natur und "Gottes Werk" zu verstehen. Aufklärerische Gedanken schließen keinesfalls Religionsglauben aus auch wenn die Aufklärung den Menschen aufruft, Dinge zu hinterfragen. Natürlich sind Dinge wie der Urknall inzwischen mehr oder minder bewiesen (nächste Diskussion, was bedeutet "wissen" ... ^^), ... Naja, das führt jetzt zu weit.

Was ich meine ist, Aufklärung führt zur Ratio, aber Ratio führt nicht dazu sich über Gott zu stellen. Zumindest ist es das nicht, was die Aufklärung anstrebte. Was einige daraus gemacht haben, ist zwar Folge der Aufklärung, aber keine zwingende.
 
Das deutsche Wort "Aufklärung" ist vielleicht etwas schulbuchhaft... Unsere Nachbarn nennen es "Zeitalter des Lichts und der Erleuchtung"!

Nach 1725 nimmt die "interne Kritik" an einer vorurteilslosen Begeisterung zu (Empfindsamkeit, dann Romantik). Kant (in der deutschen Aufklärung) ist seht spät, ganz zweifelsohne zur Aufklärung gehörend, aber eigentlich ein gutes Beispiel für diesen Threadtitel!

Tendenzen im Zeitalter des Lichts sind
- Rationalismus
- Empirismus
- Liberalismus.

Vielleicht ist es sinnvoller, die Encyclopedie zu lesen statt Kant, um dieses Zeitalter zu verstehen....

Wir haben eigentlich kein besonderes Recht, die "Fortschrittsgläubigkeit dieser Zeit zu kritisieren; das gab es im gleichen Umfang Ende des 19. Jh. und Mitte de 20. Jh ebenfalls :)
 
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