Eumolp
Aktives Mitglied
Ich finde Geschichte am spannendsten in den Lebensbeschreibungen einzelner Personen, weniger im Säbelgerassel oder Jüngerschen Stahlgewitter. Aber das ist wohl eine Geschmacksfrage.
So möchte ich daher den Arzt, Physiologen, Poeten und Philosophen Julien Offray de La Mettrie (oder einfach: Lamettrie) vorstellen und vor allem auf seine untergründigen Gedanken eingehen mit ihrer Wirkung auf das Denken der Moderne: ein Mann, der zeit seines Lebens schief angesehen wurde, ein enfant terrible, der sich immer geweigert hatte, seine Ideen der Zensur zu opfern und daher lieber geflüchtet ist statt seine Feder aus der Hand zu legen, der auch keine Verbeugungen machte - selbst nicht vor den anerkannten Dissidenten seiner Zeit wie Voltaire oder Diderot. Letzterer fühlte sich kurz vor seinem Tode sogar verpflichtet, einen "so verdorbenen Menschen aus der Gemeinde der Philosophen auszuschliessen." (Essay über Seneca) Und der Marquis d'Argens, wie Voltaire Höfling in Potsdam, nannte ihn "einen Wahnsinnigen", "einen Trunkenen der Seele", ja "die Stimme der Demenz". Trotzdem: im Gegensatz zu diesen Dissidenten hat er eine geistige Wühlarbeit in Gang gesetzt, die bis heute noch andauert. Er hat wesentliche Elemente der Moderne vorgedacht. Auch wenn sein Name kaum bekannt ist.
In neuester Zeit (2004, um genau zu sein) hat Lamettrie eine gewisse Popularität durch Martin Walsers Roman Der Augenblick der Liebe erhalten. Dessen Alter Ego Gottfried Zürn wird darin mit der Studentin Beate konfrontiert, die sich mit der Biographie des Franzosen auseinandersetzt, und Unversehens gerät der Roman in einen quasi-philosophischen Diskurs des verfemten Philosophen. Natürlich gab es bei Erscheinen der Geschichte einige Stimmen, darunter die von Günter Zehm, den die Auseinandersetzung "gerade" mit Lamettrie befremdete. Bernd Laska kommentiert eine dieser Stimmen: "Günter Zehm, ein bis dahin 'unverbesserlicher Bewunderer' Walsers, verfiel angesichts dieses Werks in Ratlosigkeit und sah sich gezwungen, Zuflucht zu umständlichen psychologischen Analysen des Autors zu nehmen, um sich halbwegs zu erklären, 'wieso Zürn und Beate und mit ihnen Walser selbst sich ausgerechnet in La Mettrie, einen wahrhaft trostlosen Kurzdenker, vergaffen.'" Martin Walser hingegen schätzte den Franzosen als "natürlichster aller Denker" ein, "ein Genie der Lebendigkeit" und "grossen Befreier". Wie sehr sich Urteile doch unterscheiden können!
Beginnen möchte ich diese Biographie mit einem typischen Spruch des Protagonisten:
So möchte ich daher den Arzt, Physiologen, Poeten und Philosophen Julien Offray de La Mettrie (oder einfach: Lamettrie) vorstellen und vor allem auf seine untergründigen Gedanken eingehen mit ihrer Wirkung auf das Denken der Moderne: ein Mann, der zeit seines Lebens schief angesehen wurde, ein enfant terrible, der sich immer geweigert hatte, seine Ideen der Zensur zu opfern und daher lieber geflüchtet ist statt seine Feder aus der Hand zu legen, der auch keine Verbeugungen machte - selbst nicht vor den anerkannten Dissidenten seiner Zeit wie Voltaire oder Diderot. Letzterer fühlte sich kurz vor seinem Tode sogar verpflichtet, einen "so verdorbenen Menschen aus der Gemeinde der Philosophen auszuschliessen." (Essay über Seneca) Und der Marquis d'Argens, wie Voltaire Höfling in Potsdam, nannte ihn "einen Wahnsinnigen", "einen Trunkenen der Seele", ja "die Stimme der Demenz". Trotzdem: im Gegensatz zu diesen Dissidenten hat er eine geistige Wühlarbeit in Gang gesetzt, die bis heute noch andauert. Er hat wesentliche Elemente der Moderne vorgedacht. Auch wenn sein Name kaum bekannt ist.
In neuester Zeit (2004, um genau zu sein) hat Lamettrie eine gewisse Popularität durch Martin Walsers Roman Der Augenblick der Liebe erhalten. Dessen Alter Ego Gottfried Zürn wird darin mit der Studentin Beate konfrontiert, die sich mit der Biographie des Franzosen auseinandersetzt, und Unversehens gerät der Roman in einen quasi-philosophischen Diskurs des verfemten Philosophen. Natürlich gab es bei Erscheinen der Geschichte einige Stimmen, darunter die von Günter Zehm, den die Auseinandersetzung "gerade" mit Lamettrie befremdete. Bernd Laska kommentiert eine dieser Stimmen: "Günter Zehm, ein bis dahin 'unverbesserlicher Bewunderer' Walsers, verfiel angesichts dieses Werks in Ratlosigkeit und sah sich gezwungen, Zuflucht zu umständlichen psychologischen Analysen des Autors zu nehmen, um sich halbwegs zu erklären, 'wieso Zürn und Beate und mit ihnen Walser selbst sich ausgerechnet in La Mettrie, einen wahrhaft trostlosen Kurzdenker, vergaffen.'" Martin Walser hingegen schätzte den Franzosen als "natürlichster aller Denker" ein, "ein Genie der Lebendigkeit" und "grossen Befreier". Wie sehr sich Urteile doch unterscheiden können!
Beginnen möchte ich diese Biographie mit einem typischen Spruch des Protagonisten:
Was die andern betrifft, die freiwillig Sklaven der Vorurteile sind - ihnen wird es genausowenig gelingen, die Wahrheit zu erreichen, als den Fröschen zu fliegen.
Zuletzt bearbeitet: