Rovere: Ich habe in der Verknüpfung des Prozentsatzes der SS-Mitarbeit und Bayern und Österreich ein Fragezeichen gesetzt. Weil es eine Frage war, weil ich es nicht weiß, nicht weil ich was behaupten wollte.
Hier nochmals zur Erinnerung und bei solchen Vorwürfen mit der Bitte um das genauere Lesen:
Aber die eigentlichen möglichen Gründe, für die Prozentzahlen österreichischer SS und KZ-Leute sind vielleicht wirklich in einem Extra Thread aufzuzählen, wenn es denn viel zu besprechen gibt. (Sind die Zahlen bei Bayern eigentlich ähnlich? grobes Süd-Nord-Gefälle feststellbar? Mentalitätsfrage?)
Simple Analogieschlüsse der Mentalität sind natürlich unzulässig, wenn z.B. der öffentliche Widerstand gegen die sogenannten "
Stolpersteine" auf einige regionale Unterschiede hindeuten soll, dann reicht es eben nicht aus für eine generelle Aussage.
Ich habe meine Kenntnisse über den Umgang mit der Geschichte, im Falle der Beutekunst, ja vorwiegend von den Dokus, und obigen Links, und z.B. der "Standard" scheint doch eine reputable Zeitung zu sein?
Natürlich weiß ich auch, dass je nach Zeitungs-Kommentator eine unterschiedliche Sicht auf den Grad der Beschäftigung mit der Vergangenheit stattfindet.
Jedoch wenn es um ständige und bis in die 90er und sogar darüber hinaus getätigte Verweigerung der Behörden um Rückgabe der Beutekunst geht, wenn juristische Winkelzüge gemacht werden, dann hört es bei mir auf, Verständnis zu haben, selbst wenn alle Österreicher passionierte aktive Antifaschisten wären und die Aufarbeitung abgesehen von der Rückgabe von Beutekunst vorbildlich wäre (wobei in diesem Fall sicher eine andere Regierung gewählt geworden wäre, die eben entsprechend gehandelt hätte).
Zur Kartause Mauerbach: Ich habe leider keine andere offizielle Seite gefunden, und es kam mir so vor, als wenn z.b. in den Seiten der Alsterdorfer Anstalten in Hamburg kein Piep zu ihrer Vergangenheit während des 3. Reiches gesagt würde, so wie es jedoch getan wird, im Gegensatz zu Mauerbach:
evangelische stiftung alsterdorf: NS-Zeit 1933 - 1945
oder
Stadt Hamburg: Gedenkstein für die Euthanasie-Opfer in den Alsterdorfer Anstalten
Wenn also eine offizielle Seite nix über erwähnenswertem, auch wenn es marginal scheint, erwähnt, dann finde ich es schade, auch wenn diese kleine Infos vielleicht nicht so wichtig scheint, wie in diesem Beispiel:
Stadt Hamburg: Gedenkplatte für die jüdischen Lehrerinnen Martha Behrend und Gretchen Wohlwill
Nun kann es aus irgendwelchen Gründen sein, dass dieses Nichterwähnen der Nazi-Vergangenheit auf der Denkmalsseite in Hamburg unmöglich ist, in Österreich aber bei Mauerbach als unnötig erachtet wird. Warum auch immer. Es fügt sich jedoch gut in die bisherige 60jährige Verschleierung der dort eingelagerten Werke, findet ihr nicht auch?
Ich möchte mich nicht mit der österreichischen Geschichtsschreibung intensiv auseinandersetzten, ich glaube euch ja, dass es Historiker gibt, die dieses intensiv tun. Ich verlange auch nicht, wenn ihr eine Frage zum Osmanischen Reich habt, die türkische Historiographie des 20. Jh. zu rezipieren. Ich antworte einfach, sofern ich was weiß. :scheinheilig: Ansonsten ist es erfreulich, dass 1998, nach einem halben Jahrhundert, anscheinend die Vergangenheit der Beutekunst in vernünftiger Weise aufgearbeitet wurde. Umso trauriger das Verhalten einiger Politiker danach. Komisch, dass offenbar erst der Schock mit den konfiszierten Egon Schieles extern erfolgen musste, um so richtig in Fahrt zu kommen. Peinlich...
Und das Gutachten der Wiener Professoren interessiert mich auch nicht so besonders in seiner Detailliertheit, trotzdem Danke. Darauf kommt es mir jedoch nicht an, nicht um "Winkeladvokaten":
Nun mal Tacheles: Ich bin Jude, lebe gemütlich in Wien, vermache im Testament meine Gemälde dem Museum, dann kommen die Nazis, ich denke aber, wird schon nicht so schlimm werden, plötzlich erkenne ich, es geht um mein Leben, ich kann noch gerade einige Habseligkeiten zusammenraffen und flüchten, habe dabei aber mein Testament im Tresor des Notars nicht mehr rausnehmen können. (Oder ich muss meine Sachen zurücklassen, damit mich die Nazis rauslassen, wenn legale Flucht noch möglich war) Nach dem Krieg möchte ich (oder mein Sohn) mein Besitz zurückhaben, man sagt mir, das ginge nur, wenn ich die Picassos im Museum lasse. Ich willige fast mittellos zerknirscht ein, um in der Nachkriegszeit überhaupt was zu beißen zu haben.
Später werden alle weiteren Bitten jahrzehntelang abgelehnt, ja, man ignoriert mich gar! Ich müsste schon klagen sagt man mir, das könnte aber jahrelang gehen, und ich müsste dafür das nötige "Kleingeld" haben, sagt man mir.
Ist das vereinbar mit eurem Rechtsempfinden? Selbst wenn ich ein Testament ausgestellt hätte, aber im KZ umgekommen wäre, wäre es dann rechtens, als Museum darauf zu bestehen? (Das davon ausgegangen wird, dass ich mein Testament nicht geändert hätte, um den Nazis nicht meine Gemälde nach der Vergasung zu vermachen?)
Darum geht es, und der jahrzehntelangen Unfähigkeit der Besitzer dieser seeeehr preiswert oder gar umsonst erworbenen Kunst sich in die Opferrolle einzufühlen.
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang noch an eine Doku, wie es in Hamburg abging, als nämlich die jüdischen Habseligkeiten gestohlen wurden, kamen sie (oder das von den Nazikadern als weniger wertvoll angesehene) auf Güterwagons an der Elbe, und wurde dort massenhaft versteigert oder verschenkt. Wochenlang. Kein Hamburger fragte nach der Herkunft, alle freuten sich über die riesige Zahl an "Schnäppchen". :motz:
Hätte mein Opa sowas erstanden, und ich es in der Vitrine des Wohnzimmers gefunden, und würde ich die Provinenz (
www.lostart.de) wissen, ich hätte es zurückgegeben oder zerschlagen, wenn meine Großeltern sich geweigert hätten.
Ich möchte nicht wissen, was in anderen deutschen/österreichischen Vitrinen noch so lagert... mir wird schon übel...
Kollektivschuld ist vielleicht übertrieben, aber bei uns und bei Österreichern (und Schweizern?) sind mir mehr Unschuldslämmern in den 60 vergangenen Jahren aufgefallen, als Menschen die zu ihrer Verantwortung stehen. Zitat: "
Dies stösst mir auch auf."
Ich habe in meiner ("bildungsfernen") Familie sogar noch in der Nachkriegsgeneration (bei Onkeln und Mutter) unreflektiertes Naziwissen tradiert von meinen Großeltern ("Weltjudentum", Verschwörungstheorien, etc.) Ich bin sicher nicht repräsentativ, aber die Verdrängung ist stark ausgeprägt, wie ich auch in einer Doku einer bildungsnahen Familie und ihren Umgang mit ihrem offensichtlichen Nazi-Vater entsetzt feststellen musste:
3sat.online
Aufstieg in den Untergang: Das faschistische Subjekt: Malte Ludin erforscht den Vater auf ZEIT
Shoa.de - 2 oder 3 Dinge, die ich von ihm weiß - von Malte Ludin
Die Kultur der Lüge: ZEIT
Natürlich, nur ein weiterer Fall von vielen. Erstaunlich nur, dass hier der Fall so offensichtlich ist, die Protagonisten aus dem Establishment kommen, gebildet sind, und immer noch sich nicht die Wahrheit eingestehen können und Rechtfertigungen für ihren Vater suchen. Wenn es Gott und Hölle geben sollte, dann wird er sicher in der Hölle schmoren, ebenso wie meine mitlaufenden Großväter.
Also, meine Fragen stehen noch im Raum:
1.
Österreich machte zwar nur 8% der Bevölkerung des Deutschen Reiches aus, es stellte hingegen 14% der Waffen-SS, und sogar 40% des Wachpersonals von KZs!
Gibt es Erklärungen für diese hohe Zahl?
(Vielleicht gibt es ja auch keine, oder niemand ist mal drüber gestolpert, dann ist es auch gut)
2. Die zweite Frage schenke ich mir, habe in meinem
obigen Post inzwischen genügend Quellen gefunden.