Veränderung und Kontinuität bei Volksmusik

Diesen Seitenpfad möchte ich doch noch ein Stück verfolgen.

Hyokkose hat meine erste Aussage nicht verstanden. Wenn ich schreibe es kann keine längere Entwicklung hinter dieser Melodie stecken, bedeutet dass nur, dass diese Melodie nicht am Ende sondern eher am Anfang einer musikalischen Evolution steht. Zu sagen die Melodie zu dem Lied sei 1981 entstanden, nur weil es da irgendjemand aufgeschrieben hat, ist wie zu behaupten, dass der Neandertaler von uns abstammt.

Zwar geht Musikentwicklung nicht immer notwendigerweise von einfach nach kompliziert, aber einfachere Melodien wurden sicherlich früher entdeckt, für jeden der ein Instrument erlernt hat liegt dass auf der Hand: Man lernt erst leichte Lieder, später komplizierte! Die Menschheit als ganzes dürfte diesen Lernprozess nicht anders durchlaufen haben als es der einzelne Musiker tut => Erst "Alle meine Entchen", dann ein Requiem von Mozart.

Bei deiner Behauptung von der schnellen Veränderlichkeit von Musik bist du allerdings selbst nicht konkret und definierst nicht was wichtige und was oberflächlische Veränderungen sind. Ich mache dieses jedoch jetzt an einem Beispiel: Die ganze Vielfalt der Rockmusik ist eine oberflächlische Täuschung. Wenn man den Verzerrer abdreht klingen Metal Lieder nicht anders als Rock'N Roll, Blues oder gar irische Volkslieder (wenn sie nicht dies tun haben sie aus der Klassik oder gar der orientalischen Musik übernommenen Motive). Musik verändert sich verhältnismäßig langsam und dafür gibt es zich Grunde, es ist nicht nur die Neigung der Menschen zum Konservativismus und Traditionalismus, sondern auch die einfache Tatsache, dass unser Gehirn nur eine begrenzte Anzahl an Lautkombinationen überhaupt als musikalisch empfindet. Rate mal warum es die Harmonielehre gibt und warum sich keiner ein Stück anhört wo das eine Instrument A-Moll und das andere F-Dur und das dritte C-Phrygisch spielt... weil wir angeborene Parameter zum erkennen von Melodien und Harmonien haben und diese natürliche Begrenzung stellt auch unseren Möglichkeiten Musik zu erfinden Grenzen. Alle Melodien die heute gebraucht werden sind wahrscheinlich bereits in den ersten Tausend Jahren der Menschheitsgeschichte entstanden. Alles andere ist Rhytmus und Klangfarbe Variation die sich aber auch langsam ausschöpfen...
 
Wenn ich schreibe es kann keine längere Entwicklung hinter dieser Melodie stecken, bedeutet dass nur, dass diese Melodie nicht am Ende sondern eher am Anfang einer musikalischen Evolution steht.
Und das ist doch nun wirklich unlogisch. Das Lied hat einen Verfasser und ein Entstehungsjahr, und eine große musikalische Evolution hat sich seither nicht ereignet.
Ob der Verfasser die Melodie irgendwo abgeschrieben (ich sage mal: "geklaut") hat, wie Du offenbar unterstellst, müßte erst noch bewiesen werden. Der Wikipedia-Artikel weist auf Smetanas berühmtes "Moldau"-Thema hin, das ist allerdings nicht dieselbe Melodie. (Smetana: Moll - Eskuche: Dur. Smetana: auftaktig - Eskuche: volltaktig. Smetana: ungerader Takt - Eskuche: gerader Takt, von weiteren Unterschieden zu schweigen. Die Smetana-Melodie ist übrigens im Wikipedia-Artikel falsch wiedergegeben.)

Falls Eskuche wirklich "geklaut" haben sollte, wäre ein näherliegender Kandidat in dem Lied "Fuchs, du hast die Gans gestohlen" zu vermuten. Auch dieses Lied hat einen Autor, es wurde 1824 von Ernst Anschütz geschrieben: Fuchs, du hast die Gans gestohlen ? Wikipedia
Nun könnte man ja noch behaupten, Anschütz hätte die Melodie irgendwo "geklaut", nur sollten Behauptungen auf Fakten basieren und nicht völlig aus der Luft gegriffen sein.

* * *

Sogar wenn die Melodiefassung von 1891 nicht von einem Autor festgelegt worden wäre, sondern tatsächlich aus dem Volkmund stammen würde, würde das keinesfalls bedeuten, daß es sich um eine wesentlich ältere (z. B. älter als 1824) Version handeln müßte. Im Gegenteil: Bei mündlich überlieferten Liedern tritt oft nachweislich eine Vereinfachung ein, als Beispiel fällt mir gerade das Weihnachtslied "Stille Nacht" ein, dessen "volkstümlich zurechtgesungene", heute allgemein geläufige Version an mehreren Stellen die Originalversion vereinfacht:
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/e/eb/Stille_nacht.jpg/800px-Stille_nacht.jpg

Zwar geht Musikentwicklung nicht immer notwendigerweise von einfach nach kompliziert
Korrekt. Die Tendenz beim Volkslied ist sogar gegenläufig, nicht nur bei der Melodie. Das sieht man sogar bei einem so einfachen Lied wie "Alle meine Entchen". Die Melodie läßt sich dort zwar kaum noch vereinfachen, aber der Text: Wer kann denn alle vier Strophen des Lieds auswendig?


Zu sagen die Melodie zu dem Lied sei 1981 entstanden, nur weil es da irgendjemand aufgeschrieben hat, ist wie zu behaupten, dass der Neandertaler von uns abstammt.
Der Sinn dieses Vergleichs erschließt sich mir nicht.

=> Erst "Alle meine Entchen", dann ein Requiem von Mozart.
Das Requiem von Mozart ist keine Volksmusik. Es gibt nirgends ein Stück Volksmusik, das annähernd so komplex wäre wie Mozarts Requiem.


Bei deiner Behauptung von der schnellen Veränderlichkeit von Musik bist du allerdings selbst nicht konkret und definierst nicht was wichtige und was oberflächlische Veränderungen sind.
Warum soll ich mir eigentlich die Mühe machen, nachdem Du trotz mehrfachen Nachfragens nicht imstande bist, zu erläutern, was genau unter "Liedstrukturen" verstehst?

Jede Veränderung kann wichtig sein. Um mal nur bei der Gattung "Lied" zu bleiben (Instrumentalbegleitung und Text lasse ich mal außen vor), fallen mir folgende Parameter ein:
- Veränderung des Modus (z. B. aus Moll wird Dur oder umgekehrt)
- Veränderung der Form (Teile fallen weg oder werden hinzugefügt)
- Veränderung der Satzstruktur (z. B. aus einstimmig wird zweistimmig oder umgekehrt)
- Veränderung des Metrums (z. B. aus Dreiertakt wird Vierertakt oder umgekehrt)
- Veränderung des Rhythmus (z. B. aus gleichen Notenwerten werden Synkopen/Punktierungen oder umgekehrt)
- Veränderung des Tempos
- Veränderung einzelner Noten bzw. Notengruppen (z. B. Melismen werden hinzugefügt oder geglättet)

"Oberflächlich" sind Veränderungen dann, wenn nur einzelne Parameter und einzelne Takte betroffen sind. Die Summe der Veränderungen macht es dann, ob eine Melodie noch erkennbar ist oder nicht. Wird pro Generation nur ein Parameter geändert oder ein Takt ausgetauscht, ist das Lied nach wenigen Jahrhunderten nicht mehr wiederzuerkennen.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich kann dieser Diskussion nicht mehr so richtig folgen; vielleicht weil ich stark mit Jazz verseucht bin und auch Giovanni Palestrina, Carlos Gesualdo, Alban Berg, Eric Satie und John Cage nicht ablehnend gegenüberstehe.....

Obwohl Dr. Iotchev mir antwortete "Melodie sei ja nicht so eng gemeint", scheint sich doch alles auf die Melodie zu Hänschenklein zu reduzieren. Es gehört nicht zum "American Song Book" und darüber wird vielleicht deswegen so selten improvisiert. Ich bin aber sicher, Friedrich Gulda hat das mal gemacht :)

Vielleicht könnte man "Melodie" mit einer Raga Skala in Verbindung bringen?

Ich weiß nicht so recht, was Dur und Moll sein soll... Da konnte man um 1800 drüber diskutieren.....

Musik ist in erster Linie eine soziale Veranstaltung; verschiedene Leute treffen sich, und machen ZUSAMMEN "Musik", die Besetzung ist oft konventionell (wie in einer Jazzcombo oder in klassischer Kammermusik), besitzt aber einen weiten Spielraum. Bevor im Jazz der gezupfte Bass die Hamoniebasis bildete war es die Posaune.

Der Klangteppich, den Musik darstellt, wird sehr stark durch die Instrumentierung bestimmt. In "Kunstmusik" kann ein "Komponist" oder "Arrangeur" dies in gewissem Ausmaß bestimmen, bzw. die Musik- und "Klangkörper"-Entwicklung geht einen gemeinsamen Weg, wie es das klassische Symphonieorchester von Karl Theodors Combo in Mannheim bis zu den Mahler oder Wagner Happenings getan hat.

In der "Holzklasse" macht man, was gerade da ist: Eine Violine, ein Bass? Und - oh Gott! - ein Akkordeon? Kann jemand singen? Wie heißt Du denn? Carlos Gardel? Na, dann spielen wir einfach mal Tango...

Auch wenn das Arrangement etwas konventioneller ist: Ein kleiner Kirchenchor? Bass, Sopran? Hoffentlich auch was dazwischen :) Vierstimmig wäre einfach gut.

Klangfarbe, Instrumentierung, Harmonik, Phrasierung, formaler Aufbau.... Meiner persönlichen Meinung nach ist allerdings der Rhythmus das wichtigste Element von Musik. Und vergiss die "Melodie" :)

---
Edit: In der Volksmusik sind allerdings Kanons verbreiteter als man denkt. Dies stellt harte Anforderungen an die "Melodie", die aber durch die angestrebte Harmonik kommen - nicht umgekehrt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielleicht könnte man "Melodie" mit einer Raga Skala in Verbindung bringen?
Das funktioniert allerdings nur bei manchen Musikstilen. In der koreanischen Musik gibt es Modi/Modelle, die sich mit einem Raga vergleichen lassen, allerdings nicht in dieser Vielzahl und Bedeutung wie in der indischen Musik.

Ich weiß nicht so recht, was Dur und Moll sein soll... Da konnte man um 1800 drüber diskutieren.....
Dur und Moll sind die wesentlichen (um nicht zu sagen: nahezu einzigen) Modi der mitteleuropäischen Volksmusik, und zwar nicht nur um 1800, sondern von ca. 1600 bis heute. Ich nehme Dur und Moll hier nur als Beispiele, vielleicht hätte ich lieber "Skalen" als "Modi" sagen sollen. (Da ich die koreanischen Modi immer im Hinterkopf habe, die als "Skalen" nur unzulänglich beschrieben sind, bevorzuge ich den Begriff "Modi", das kann natürlich zu Mißverständnissen führen).

Meiner persönlichen Meinung nach ist allerdings der Rhythmus das wichtigste Element von Musik. Und vergiss die "Melodie" :)
Ich weiß, was Du meinst, aber so generell kann man das nicht sagen. Es hängt immer vom Musikstil ab. Bei der koreanischen Nongak ist Melodie überflüssig, nur Rhythmus und Klangfarbe sind wichtig. Aber laß mal beim Gregorianischen Choral die Melodie weg und beschränke Dich auf den Rhythmus, da wird dann schon was fehlen...
 
Eine Veränderung ist für mich dann unbedeutend, wenn das veränderte Lied immernoch demselben Stil zugeschrieben werden kann wie das Original. Das Arrengement, um genau zu sein, ist das was mir unbedeutend ist. Wie ich schon schrieb, wenn man den Verzehrer ausstellen würde, würde man in manchem Metal-Geschmättere alte Stile wiedererkennen.

Wenn mans klein karriert sieht, kann man jede Entwicklung als schnell betrachten. Man könnte zum Beispiel jede neue Komposition in dem Zeitalter der Klassik als eine dramatische Veränderung in der klassischen Musik sehen, was, obwohl vielleichtberechtigt, nichts an der Tatsache ändert, dass diese Stücke alle als Klassik erkennbar sind. Sie folgen alle groben, aber stilcharakteristischen Regeln, sei es die Instrumentierung, die bevorzugte Harmonie oder was weiß ich.
 
Eine Veränderung ist für mich dann unbedeutend, wenn das veränderte Lied immernoch demselben Stil zugeschrieben werden kann wie das Original. Das Arrengement, um genau zu sein, ist das was mir unbedeutend ist.

Gerade durch das Arrangement läßt sich der Stil eines Volksliedes total verändern. Man kann zu einem vorgegebenen Volkslied ein Pop-, Jazz- oder Rockarrangement schreiben. "Hänschen klein" läßt sich so arrangieren, daß es von einem Schlager der 1950er Jahre nicht zu unterscheiden ist. Oder es läßt sich zu einem vierstimmigen Chorsatz im Stil von Johann Sebastian Bach mit Barockorchester arrangieren.

Man könnte zum Beispiel jede neue Komposition in dem Zeitalter der Klassik als eine dramatische Veränderung in der klassischen Musik sehen, was, obwohl vielleichtberechtigt, nichts an der Tatsache ändert, dass diese Stücke alle als Klassik erkennbar sind. Sie folgen alle groben, aber stilcharakteristischen Regeln, sei es die Instrumentierung, die bevorzugte Harmonie oder was weiß ich.

Es bringt wenig, den Stil von klassischen Kompositionen zu erörtern, solange wir über Volksmusik diskutieren.
hyokkose schrieb:
Das Requiem von Mozart ist keine Volksmusik.

* * *

Wenn mans klein karriert sieht, kann man jede Entwicklung als schnell betrachten.
Wenn Du meine Beiträge aufmerksam liest, wirst Du feststellen, daß ich nirgends von einer "schnellen Entwicklung" geschrieben habe. Es reichen wenige kleine Veränderungen pro Generation, und ein Musikstück ist nach ein paar Jahrhunderten nicht mehr wiederzuerkennen.

Hier geht es aber sogar um Jahrtausende. Und meine (durch einige Beispiele belegte) These lautet: Es ist (falls keine historischen Belege vorliegen) verfehlt, von heutiger Folklore auf jahrtausendealte Bezüge zu schließen.
 
Dann lautet mein neuer Beleg: Schau nach der Folklore der Insel-Kelten und vergleich sie mit den Bretonen in Frankreich.

Außerdem benutzt du Aussagen von mir aus dem Zusammenhang gerissen, ich habe das Stück Mozarts als ein Beispiel für Komplexität und nicht für Volksmusik verwendet, vielleicht solltest du meine Beiträge aufmerksamer lesen.
 
Ohne Aussagen zur Folklore machen zu wollen: Die Bretonen sind Inselkelten. Die alte Bezeichnung für die Bretagne war Aremorica, die seit dem Mittelalter gebräuchliche Bezeichnung leitet sich von aufs Festland übergesiedelten Inselkelten ab. Kontakte hat es wohl immer gegeben, zumal sowohl die Bretagne, als auch das nächstgelegene keltische Gebiet Cornwall nahe beieinander sind, als auch traditionelle Fischfangregionen.
 
Dann bestehen aber auch noch Parallelen zwischen der keltischen und der deutschen, skandinavischen und ungarischen Volksmusik. Ich kenne sogar ein irisches Volkslied, dass absolut wie ein deutsches klingt ich werde dieses aufsuchen und posten.
 
Ich mische mich einfach mal ein:
Volksmusik ist schwierig zu definieren, lässt sich aber zu artifizieller Musik nach dem mir vorliegenden Brockhaus Riemann Musiklexikon, hg. von Dahlhaus u. Engelbrecht Bd. 4 "nach formalen und funktionalen Kriterien abgrenzen." So wird diese einprägsame, oft formelhafte Musik mündlich tradiert und auch durch Tanz vermittelt und ist so leicht aufzunehmen. Ihre Verbreitung erfolgt schriftlos.
Durch die aufgeführten Merkmale "resultiert das Prinzip der freien Variabilität der Tradierung: Die Struktur der volksmus. Objektivation ist im Prozeß der Aneignung und Weitergabe ständigen Veränderungen unterworfen." (S. 324)

Bitte an dieser Stelle nicht Volksmusik mit dem Volkslied als der Ende des 18. Jahrhunderts üblichen Bezeichnung für Lieder verwechseln und vermischen, die in ihrer Machart leicht verstanden und wiedergegeben werden können.
Nehmen wir als Beispiel Schuberts Kunstlied: "Das Wandern ist des Müllers Lust", das es als vereinfachte Volksliedversion gibt.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zudem definiere ich Volksmusik, als ein oder mehrere Stile die für ein Land bzw. einer Kultur typisch sind.
Das ist unter dem nur in Deutschland mit einem negativen Beigeschmack behafteten Begriff "Folklore" zu verstehen. "folk" für Volk und "lore" u.a. für Überlieferung. (vgl. Brockhaus Riemann Bd. 2, S. 67) Allerdings sind Volksmusik und Folklore auch nicht sauber zu trennen. Mir ging es in meiner Definition in Beitrag 53 schlicht und einfach um formale Kriterien als Abgrenzung zur Kunstmusik und die dadurch bedingten Veränderungen in der Folklore/ Volksmusik.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Typisches Seemannslied. Shanty. Seeleute sind eine recht internationale Gesellschaft, Liedgut wird entsprechend weitergegeben, gemeinsame Traditionen sind also nicht notwendig. Im Übrigen ist BBs Link tatsächlich ein irisches Lied, auch wenn TPF Klaus&Klaus' An der Nordseeküste interpretiert: I've been the wild rover.
 
Ein recht bekannter "Song" ist der "Moonshiner", ein Trinklied, das gerne zur "irischen Folklore" gerechnet wird. Das ist sicherlich nicht richtig. Er stammt wahrscheinlich aus Kanada, und hat "allgemein europäische" Wurzeln. Sein irischer Charakter entsteht in der Regel durch die instrumentale Begleitung und den "Akzent" des Sängers.

Die Harmonien sind elementar, Melodie und Form ist - ein alpenländischer "Schnaderlhüpferl". Waren da wohl Kelten am Werk :)

Es ist seit einigen Jahren nicht mehr so einfach, freie Musikstücke zu in Web zu finden... Hier - nicht schrecklich irisch - Marc Gunn.

Lied Nummer 4
SoundClick's music store
(Lied Nummer 10 sind die schon von BB zitierten "Nordseeküste" :) )
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ich das Gefühl habe dass man sehr schnell sehr viel an einander vorbei schreiben wird unternehme ich jetzt ein Versuch zur präziseren Konkretisierung des Themas:
Unser Ziel ist es der Frage nachzugehen, ob man von heutiger Musik auf Jahrhunderte oder Jahrtausende zuvor schließen kann.

Es ist wohl klar, dass man für die Beantwortung dieser Frage nicht darauf angewiesen ist, dass die Musik über Jahrhunderte absolut identisch bleibt, aber die Gemeinsamkeiten die eventuell bestehen dürfen auch nicht irgendwelche sein, sondern es muss nachweisbar sein, dass diese Gemeinsamkeiten keinen anderen Grund haben können als eine Kontinuität zwischen früher und jetzt. Für mich steht es außer Frage, dass es eine Kontinuität gibt, aber ich bin mir selbst nicht sicher wie umfassend sie ist. Sie könnte sich auf sehr grobe Elemente wie z.B. bevorzugte Tonleiter beziehen, aber in manchen Fällen könnte sie auch detalliertere musikalische Erscheinungen betreffen.

Wo, Hyokkose, meiner Meinung nach einen Fehler macht, ist dass er von der Geschichte einzelner Lieder auf alle Musikstücke schließt. Schließlich kann es auch sein, dass manche Lieder sich schneller verändern als andere. Diese Behauptung ist von mir auch nicht aus der Luft gegriffen: Ich beziehe mich auf heutige Parallelen, denn es gibt Lieder, wie die von den Beatles, die lange im kollektiven Gedächtnis bleiben, und Eintagsfliegen wie Zlatko (denn eh keiner hier mehr kennen dürfte^^).
Der Punkt ist, dass jedes Lied seine individuelle Geschichte hat, und es nicht unrealistisch ist anzunehmen, dass manche Melodien vielleicht so alt wie die Welt sind.

Das älteste gefundene Musikinstrument war eine Flöte deren Löcher so angeordnet waren, dass man wohl damit sehr einfach eine Pentatonik spielen konnte. Angenommen, sie wurde dann auch tatsächlisch für pentatonische Melodien verwendet. Wenn man jetzt überlegt wie begrenzt die Kombinationen für Fünf Töne sind in Vergleich zur Zeit die der Mensch schon auf der Erde rumwandert, dann muss man sich wohl fragen, ob nicht die eine oder andere heute populäre pentatonische Melodie (oder sei es auch nur ein Motiv, ein Fragment einer ganzen Melodie) schon in dem ersten Jahrtausend der Menschheitsgeschichte entstanden ist? Manchmal passiert es, dass Melodien aus zwei vollkommen verschiedenen Kulturen sich zufällig ähneln, weil die Menschheit ihre Tonkombinationen längst erschöpft hat. Warum soll es dann unrealistisch sein anzunehmen, dass manche vorallem simple Melodien über eine längere Zeit erhalten geblieben sind? Das komplexe Stücke schneller Veränderung unterworfen sind bezweifle ich ja nicht.
 
@Dr. Iotchev
Ich verstehe Dein Anliegen schon; ich habe ja meinen Standpunkt, dass ich einen Zugang zur Musik über so etwas wie "Melodie" (oder "Motiv") für höchst fragwürdig halte bereits gepostet.

Möglicherweise ist ein "Lied" ursprünglich an "Worte" gebunden. Die ältesten Formen von "Rezitation" (= Aufsagen aus der Erinnerung) sind "melodie-gestützt", möglicherweise als Mnemotechnik; Sprachen mit ausgeprägter Sprachmelodie und Tonhöhenphonemen unterstützen dies. An einem Phrasenende wird möglicherweise improvisiert (Melismen usw.)
Es ist natürlich nur Spekulation, inwieweit sich die Natur von Musik, "rhythmisch" zu sein, mit metrischer Strophendichtung verbunden hat; sbeides hat sich sicherlich gegenseitig beeinflusst, was auch heißt, dass es einen äußerst starken Einfluss der Sprachmustern auf musikalische Melodiebildung geben haben wird...
 
Ich weiß nicht ob es in Widerspruch steht zu deiner Theorie, aber ich bin Anhänger der Evolutionstheoretischen Erklärung für Musik, die das machen von Musik als einen angeborenen Trieb des Menschen sieht, den es auch bei einigen Tieren gibt. Sogar ist von Wahlen bekannt, dass sie "Lieder" mit Strophen und Kehrvers haben und diese zum Zwecke des Partnererwerbs, aber auch des Gruppenzusammenhalts "singen". Ähnlich das Wolfsgeheul, dass alle vier Motivationen zu haben scheint die man auch in menschlicher Musik findet: Ausdruck starker Emotion, Ausdruck von Gemeinschaftlichkeit wenn in der Gruppe gesungen/geheult, Partnerlocklied, Zeitvertrieb.

Aus dieser biologischen Perspektive betrachtet wird fragwürdig inwiefern Sprache ein notwendiger Begleiter von Musik ist. Eine eigene Theorie von mir, möge sie noch so unbeweisbar sein, vielleicht besteht Interesse sie zu erwägen lautet, dass die aller ersten Musikinstrumente von Stummen erfunden wurden, die sich ihrer Umwelt emotionell mitteilen wollten oder die einfach mitsingen wollten wenn gesungen wurde.
 
Zurück
Oben