Arminius' Lebensdaten nach Tacitus' "Annalen"

Berserkr

Neues Mitglied
Tut mir wirklich sehr Leid, falls ein Thema in dieser Art schon besteht aber ich habe eine Frage zu Tacitus' Annalen. Ich konnte auf die schnelle keine ausreichende Erklärung finden, wie genau man durch Tacitus Werk den Tod und den Geburtszeitpunkt des Arminius bestimmen kann.
Was dies anbelangt habe ich lediglich Quellenverweise zu Annalen 2, 88 gefunden. Dort steht etwas darüber wie alt Arminius geworden ist. Wie können historiker (oder noch besser ich) jetzt sagen wann Arminius geboren und gestorben ist?

Danke schonmal im vorraus und entschuldigung wenn dieses Thema an anderer Stelle besser gewesen wäre.
 
Da steht doch: "septem et triginta annos vitae, duodecim potentiae explevit".
Also: "Er wurde siebenunddreissig Jahre alt und übte zwölf Jahre die Macht aus".
Bedenkt man jetzt die Teilnahme des Arminius am pannonischen Aufstand und dass er erst danach (bzw. in der Spätphase davon) die Macht übernommen haben kann, also unmittelbar im Zusammenhang mit der Varusschlacht, dann muss man von 9 n. Chr. zwölf Jahre addieren. Man kommt also zu dem Todesdatum 21 n. Chr. Dann muss man die 37 Jahre, die er alt wurde, abziehen und kommt dann, wenn man nicht vergisst, dass es das Jahr 0 nicht gibt, auf 17 v. Chr. als Geburtsdatum.
 
17 v. u. Z. bis 21. u. Z. ist Stand der Forschung.

Gruß
 
Bedenkt man jetzt die Teilnahme des Arminius am pannonischen Aufstand...

Ist denn überhaupt gesichert, dass Arminius am Pannonischen Aufstand teilnahm? Welchen Feldzug des Tiberius meint Vell. Paterculus? Könnte es auch jener der Jahre 4/5 n.Chr. in Germanien gewesen sein?

Was wissen wir denn überhaupt über das Leben des Arminius vor der Varusschlacht? Weshalb wurde er in den Ritterstand erhoben? :grübel:
 
Sollte Arminius tatsächlich an der Niederwerfung des pannonischen Aufstands mitgewirkt haben, würde das jedenfalls ein bezeichnendes Licht auf seinen Charakter werfen. Wenn er für die Römer fremde Völker unterwarf, stellt sich schon die Frage, ob es ihm bei seinem eigenen Aufstand wirklich um die Befreiung ging, oder ob er nicht vielmehr die Gelegenheit nutzen wollte, um seine eigene Position unter den Germanen auszubauen.
 
Ist denn überhaupt gesichert, dass Arminius am Pannonischen Aufstand teilnahm? Welchen Feldzug des Tiberius meint Vell. Paterculus? Könnte es auch jener der Jahre 4/5 n.Chr. in Germanien gewesen sein?

Guter Einwand. Die Frage wird auch heiß diskutiert.

Sollte Arminius tatsächlich an der Niederwerfung des pannonischen Aufstands mitgewirkt haben, würde das jedenfalls ein bezeichnendes Licht auf seinen Charakter werfen. Wenn er für die Römer fremde Völker unterwarf, stellt sich schon die Frage, ob es ihm bei seinem eigenen Aufstand wirklich um die Befreiung ging, oder ob er nicht vielmehr die Gelegenheit nutzen wollte, um seine eigene Position unter den Germanen auszubauen.

Nur wenn man in ihm den strahlenden Helden sieht, den Nationalromantiker aus ihm machen woll(t)en.
 
Ein frohes neues Jahr an Alle! :winke:

Und nun zum Thema:

Hätte Arminius an der Niederschlagung des Pannonischen Aufstandes (6-9n.Chr.) teilgenommen, so stellt sich die Frage, wann er das dortige Heer verließ und nach Germanien zurückkehrte. Kurz vor der Varusschlacht kann es wahrscheinlich nicht gewesen sein, da Arminius sonst kaum Zeit gehabt hätte, das persönliche Vertrauen des Varus zu gewinnen, das für die Durchführung des Verrats offensichtlich von großer Bedeutung war.
Es ist ebenfalls zu bedenken, dass ein erst vor kurzem zurückgekehrter Arminius auch für die meisten Germanen ein weitgehend Fremder gewesen wäre, dem man kaum die Gefolgschaft bei einem so riskanten Unternehmen wie dem Aufstand gegen Varus übertragen hätte. Jemand, der jahrelang abwesend ist, ist nicht gerade vertrauenswürdig.

Ich halte es deshalb für möglich, dass Arminius bereits zum Feldzug des Tiberius 4/5 n.Chr. nach Germanien zurückgekehrt war (also etwa im Alter von 20 Jahren) und unter dessen Kommando ein Aufgebot von Bundesgenossen führte. Ob er beim folgenden Aufmarsch gegen Marbod beteiligt war, ist ungewiss. Nach Pannonien wurde er wahrscheinlich nicht verlegt, sondern blieb während der Statthalterschaft des Varus in Germanien und festigte dort seinen Einfluss sowohl bei den Römern als auch bei den Germanen.

LG Nicole
 
Ein schönes neues Jahr wünsche ich auch Dir!

Varus kam erst 7 n. Chr. nach Germanien. Der pannonische Aufstand dauerte von 6-9. Bis zu dessen endgültiger Niederschlagung kann Arminius also ohnehin nicht dabeigewesen sein. Wenn er 6-7 dabei war, kann er immer noch rechtzeitig nach Germanien zurückgekehrt sein, um Varus' Vertrauen zu gewinnen.
 
Das reduziert die Teilnahme des Arminius an der Niederschlagung des Pannonischen Aufstandes auf die Anfangsjahre des Konfliktes.
Vell. Paterculus schreibt jedoch, dass Arminius „im letzten Feldzug beständig auf unserer Seite“ gekämpft hat.

Damit könnte er folglich auch den letzten Feldzug des Tiberius in Germanien gemeint haben. Der Zusatz „beständig auf unserer Seite“ impliziert geradezu die Möglichkeit, dass Arminius auch eine andere Wahl gehabt hätte, nämlich die Teilnahme auf Seiten der aufständischen Germanen. Er gehörte jedoch zu dieser Zeit noch offenbar zu den zuverlässigeren Bundesgenossen.
 
Der Brillanz Deiner Schlussfolgerungen ist nichts entgegenzusetzen!

(Sofern die Übersetzung dieser Stelle unzweideutig ist. Hast Du das lateinische Original dieses Satzes?)
 
Das reduziert die Teilnahme des Arminius an der Niederschlagung des Pannonischen Aufstandes auf die Anfangsjahre des Konfliktes.
Vell. Paterculus schreibt jedoch, dass Arminius „im letzten Feldzug beständig auf unserer Seite“ gekämpft hat.

Damit könnte er folglich auch den letzten Feldzug des Tiberius in Germanien gemeint haben. Der Zusatz „beständig auf unserer Seite“ impliziert geradezu die Möglichkeit, dass Arminius auch eine andere Wahl gehabt hätte, nämlich die Teilnahme auf Seiten der aufständischen Germanen. Er gehörte jedoch zu dieser Zeit noch offenbar zu den zuverlässigeren Bundesgenossen.


Bei Übersetzungen wäre ich immer vorsichtig mit den Interpretationen. Besonders bei Worten, die im Deutschen mehrdeutiger sind, als in der Urspungssprache. Der lateinische Nebensatz lautet:
"adsiduus militiae nostrae prioris comes,"
Ich werde aus dem Satz nicht ganz schlau. Bei unserem Feldzug (militiae nostrae, eigentlich 'Kriegsdienst') war er [uns] als Begleiter (comes) beigestellt (adsiduus). Oder ist comes ein Titel ('Graf')? Aus dem Adverb prioris werde ich auch nicht ganz schlau. War er einer der ersten, also ein ranghoher Offizier? Jedenfalls ist die Übersetzung, wie sie auf der HP der Uni Osnabrück angeboten wird, allem Anschein nach recht frei. Aber das soll jemand entscheiden, der Latein besser kann.
 
Die Verwendung von "comes" für Graf gehört ins Mittelalter. Auch bei den Römern wurde der Ausdruck erst im späteren Kaiserreich zu einem Titel. Ich bin mir daher ziemlich sicher, dass er bei Velleius tatsächlich bloß "Begleiter" bedeutet.
"Prioris" ist doch der Genetiv von "prior" und bezieht sich meiner Meinung nach eindeutig auf "militiae nostrae".
Demzufolge müsste die Stelle also "beigestellter Begleiter eines früheren Feldzuges" lauten. Also nix "beständig auf unserer Seite".
 
Hier noch mal der ganze Absatz:
"Tum iuvenis genere nobilis, manu fortis, sensu celer, ultra barbarum promptus ingenio, nomine Arminius, Sigimeri principis gentis eius filius, ardorem animi vultu oculis praeferens, adsiduus militiae nostrae prioris comes, iure etiam civitatis Romanae decus equestris consecutus gradis, segnitia ducis in occasionem sceleris opprimi, quam qui nihil timeret, et frequentissimum initium esse calamitatis securitatem."
 
Für mich lässt sich der Stelle somit nur entnehmen, dass Arminius in einem früheren Feldzug auf römischer Seite gekämpft hat. Wo der war, wann er war und wie lange Arminius dabei war, darüber sagt die Stelle überhaupt nichts. Es kann also ebenso gut der pannonische Aufstand wie ein Germanienfeldzug gewesen sein.
 
Demzufolge müsste die Stelle also "beigestellter Begleiter eines früheren Feldzuges" lauten. Also nix "beständig auf unserer Seite".

Dein Übersetzungsvorschlag könnte ebenso darauf hindeuten, dass V. Paterculus hier von einem Feldzug in Germanien schreibt.

Wenn man betreffende Passage bei V.P. liest, bekommt man den Eindruck, er meine den Pannonischen bzw. Dalmatischen Aufstand, über den er gerade recht ausfürlich berichtet hatte. Betrachtet man den Bericht über den Pannonsichen Aufstand jedoch als Einschub, kann es sich bei betreffendem Unternehmen auch um den letzten Feldzug des Tiberius in Germanien gehandelt haben.

Worauf ich hinaus will:
Arminius brauchte nicht nur Zeit, um das Vertrauen des römischen Statthalters zu gewinnen. Das wird ihm als römischem Ritter recht leicht gefallen sein.
Viel schwieriger muss es für ihn gewesen sein, das Vertrauen der Germanen zu gewinnen, d.h. die Gefolgschaft der Krieger der Brukterer, Marser und Chatten.
Arminius muss von den aufstandswilligen Stämmen trotz seiner Romtreue akzeptiert worden sein.

Das Vertrauensverhätnis wäre umso schwieriger gewesen, wenn er gerade erst von einem Feldzug im Ausland heimgekehrt wäre.
 
Auf diesem früheren Feldzug diente er aber nicht allein, sondern als Führer eines ganzen Hilfstruppenkontingents, das mit ihm heimgekehrt sein wird und wohl herum erzählt hat, dass er ein fähiger Anführer ist, unter dem man eine Menge Beute machen kann. So etwas wird die Germanen schon beeindruckt haben.
Was das Vertrauen Gewinnen betrifft: Bis zum Ausbruch des Aufstands gab sich Arminius als loyaler Anhänger der Römer aus, die Germanen mussten ihn also ohnehin dafür halten und ihm daher eher misstrauen. In seine Verschwörung kann er nur einige wenige eingeweiht haben, aber nicht die Massen der Stämme, sonst hätten sich sicher Verräter gefunden. Ein Vertrauensverhältnis kann also eh nicht bestanden haben. Die Führer der Stämme allein hingegen kann er auch in kurzer Zeit für sich gewonnen haben.
 
Auf diesem früheren Feldzug diente er aber nicht allein, sondern als Führer eines ganzen Hilfstruppenkontingents, das mit ihm heimgekehrt sein wird und wohl herum erzählt hat, dass er ein fähiger Anführer ist, unter dem man eine Menge Beute machen kann. So etwas wird die Germanen schon beeindruckt haben.
Was das Vertrauen Gewinnen betrifft: Bis zum Ausbruch des Aufstands gab sich Arminius als loyaler Anhänger der Römer aus, die Germanen mussten ihn also ohnehin dafür halten und ihm daher eher misstrauen. In seine Verschwörung kann er nur einige wenige eingeweiht haben, aber nicht die Massen der Stämme, sonst hätten sich sicher Verräter gefunden. Ein Vertrauensverhältnis kann also eh nicht bestanden haben. Die Führer der Stämme allein hingegen kann er auch in kurzer Zeit für sich gewonnen haben.

Verräter gab es. Sein Onkel verriet ihn:
"Id Varo per virum eius gentis fidelum clarique nominis, Segesten, indicatur. Postulabat etiam [Textlücke]" (Velleius Paterculus)
"Cum interim tanta erat Varo pacis fiducia, ut ne prodita quidem per Segestem unum principum coniuratione commoveretur." (Florus)
 
Das ist mir bekannt, wobei Segestes allerdings nicht sein Onkel, sondern sein Schwiegervater in spe war. (Der Zeitpunkt von Arminius' Heirat ist meines Wissens nicht bekannt, aber da sie bei ihrer Gefangennahme erst mit ihrem ersten Kind schwanger war, werden sie wohl erst einige Jahre nach der Varusschlacht geheiratet haben.) Dieser Segestes war ebenfalls ein bedeutender Mann und nicht jemand aus dem einfachen Volk. Außerdem warnte er Varus erst kurz vor der Schlacht. Natürlich muss Arminius bei den Vornehmen für seine Sache geworben haben, die mussten ja schließlich ihre Truppen herbeischaffen. Aber das ging kurzfristig, dafür musste Arminius nicht schon wieder Jahre lang in seiner Heimat weilen, wie Nicole meint.
 
Ral-Peter Märtin

Ich habe mir auch das Buch "Die Varus-Schlacht" von Märtin durchgelesen. Märtin meint, dass die Varus-Legionen hauptsächlich von den Auxiliar-Truppen angegriffen wurden, welche unter dem Kommando von Arminius standen. Die Krieger der germanischen Stämme wären weder diszipliniert noch genug ausgebildet gewesen um die taktischen Absichten von Arminius umzusetzen. Die "Bauernkrieger" wären also lediglich Hilfstruppen der Auxiliare gewesen. So gesehen bedurfte es kein Erringen des Vertrauen durch Arminius. Er war römischer Ritter und aufgrund seiner Herkunft Führer der germanischen Hilfstruppen. Die Krieger der ortsansässigen Stämme hätten sich dann im Laufe der Schlacht Arminius angeschlossen. Nun ja, bei einer drei- bis viertägigen Schlacht ist dieses Scenario bei den damaligen Kommunikationsverbindungen und Wegenetz angreifbar.
 
Hallo Ihr Lieben :winke:

Diese Art der Darstellung hat viel zur Glorifizierung des Arminius beigetragen: Er kehrt als Kriegskundiger mit einer Schar Getreuer nach Hause zurück, erkennt die Grausamkeit des römischen Statthalters, lehrt seinen Landsleuten rasch das Kämpfen und besiegt an ihrer Spitze den Feind.

Fest steht:
Arminius stand in römischen Diensten und führte eine Hilfstruppe. Allerdings war er ganz sicher nicht der einzige, der dieses tat. Auch sollte man seinen Einfluss bei seinen Landsleuten vor der Varusschlacht nicht überschätzen. Heute ist er natürlich der gefeierte Held, der Befreier Germaniens. Im Jahre 8 n.Chr. war er jedoch einer von Vielen; der Sohn einer Führungsfamilie, der nach einer römisch geprägten Erziehung im römischen Heer Kriegsdienst leistete. In den Augen von aufstandswilligen Germanen war er nichts anderes als ein Kollaborateur.

Außerdem:
Zur Durchführung der Varusschlacht bedurfte es keiner besonderen Kenntnisse in römischer Taktik. Der Guerillakampf in unwegsamen Gelände war genau das, was die Germanen beherrschten, auch ohne die Anweisungen des Arminius.

LG Nicole
 
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