Von der Brutpflege zur Gesellschaftsbildung

Klaus

Aktives Mitglied
Ich lese gerade das Buch "Biologie des menschlichen Verhaltens" von Irenäus Eibl-Eibesfeldt. Den folgenden Punkt fand ich besonders interessant und möchte ihn hiermit im Forum zur Diskussion stellen.

Der Autor sieht im Verlauf der Evolution eine Weiterentwicklung des für die Brutpflege entwickelten biologischen Instrumentariums zu Liebe und Partnerschaft und von dieser zur Bildung von menschlichen Gesellschaften. Unsere menschliche Gesellschaft baut sich demnach aus Elementen auf, die aus der Brutpflege entstanden sind.

Zum ersten Schritt zitiert er eine Studie mit verschiedenen Vogel- und Säugetierarten:
Heterosexuelle Partnerbindung entwickelt sich immer dort, wo das Bedürfnis der Mutter, Nahrung zu erwerben, mit der Notwendigkeit der Kindesbetreuung interferiert.
...
Vergleichen wir Form und Ursprung bindender (freundlich-zärtlicher) Verhaltensweisen in einem weiteren Rahmen, dann stellen wir fest, dass überall dort, wo Brutpflege entwickelt wurde, auch Zärtlichkeit zwischen Erwachsenen beobachtet werden konnte, wobei als bindende Verhaltensweise grundsätzlich solche dienen, die primär in der Mutter-Kind-Beziehung entwickelt wurden. Abgewandelte Verhaltensweisen aus dem Mutter-Kind-Bereich sind es also, die bevorzugt in den Dienst der Erwachsenenbindung gestellt werden : Kindliche Appelle und betreuende Handlungen. Wirbt ein Sperlingsmännchen um ein Weibchen, dann zittert es mit den Flügeln wie ein bettelndes Jungtier und löst so Füttern aus. Die Rollen wechseln, auch das werbende Weibchen bettelt und wird dann seinerseits gefüttert.
Der zweite Schritt :
Mit ihr [der Brutpflege] wurden Mutter-Kind-Signale als Voranpassung für eine höhere Geselligkeit verfügbar. Es handelt sich um eine Schllüsselerfindung, ohne die unser kooperatives menschliches Zusammenleben nie möglich gewesen wäre; denn was wir an Verhaltensweisen der Bindung und des Beistands besitzen, leitet sich vom Repertoire elterlicher Betreuungshandlungen und der sie auslösenden infantilen Appelle ab. Selbst unser Gruppenethos ist ein erweitertes Familienethos.
Für uns Menschen war die entscheidende weiterführende Erfindung die zusätzliche Entwicklung der individualisierten Bindung zwischen Mutter und Kind. Sie steht am Ausgangspunkt der individualisierten Gruppe. Mit ihr erst kam die Liebe, definiert als persönliche Bindung in die Welt.
Ein Beispiel von den Himba, einem Hirtenvolk aus Namibia
Rinder sind begehrter Besitz, und man muss sie verteidigen können... Eine solche militante Bereitschaft kann man aber nicht erst dann kurzfristig wecken, wenn man sie braucht. Einsatzbereitschaft und Gefolgsgehorsam müssen im Alltag gepflegt werden. Gehorsam gegenüber dem Häuptling wird nun täglich durch das sogennannt Milchritual ("Okumakera") geübt. Wenn die Angehörigen der Kralgemeinschaft die Milch bestimmter "heiliger" Kühe gemolken haben, dann dürfen sie nicht sogleich davon genießen. Sie müssen vielmehr mit der gemolkenen Milch beim Häuptling antreten, der offiziell als der Besitzer aller Kühe gilt. Sie reichen dem Häuptling das Milchgefäß, und er nimmt einen Schluck davon oder taucht nur symbolisch den Finger ein, und erst nach diesem Akt ist die Milch zum Verbrauch freigegeben. Der Häuptling demonstriert auf diese Weise sein Besitzrecht und verschenkt anschließend gewissermaßen symbolisch die Milch.
Die Evolution der individualisierten Brutpflege war zweifellos ein Schlüsselereignis in der Stammesgeschichte des sozialen Verhaltens der Wirbeltiere. Ohne dieses Ereignis gäbe es bei uns Menschen keine Mitempfindung, kein Mitleid, keine Liebe und damit auch keine höheren Formen der Geselligkeit.
Was meint ihr dazu ?
 
@Flo, halt lieber die Klappe. Ich will ja nicht bösartig werden, aber wenn du über Verhaltensbiologie diskutieren möchtest...
Eibl-Eibesfeldt als Schüler von Konrad Lorenz hat viele Dinge auf den Punkt gebracht.
 
Zum ersten Schritt zitiert er eine Studie mit verschiedenen Vogel- und Säugetierarten:

Zum ersten Schritt zitiert er eine Studie mit verschiedenen Vogel- und Säugetierarten:

Zitat:
Heterosexuelle Partnerbindung entwickelt sich immer dort, wo das Bedürfnis der Mutter, Nahrung zu erwerben, mit der Notwendigkeit der Kindesbetreuung interferiert.

Als einer der ersten Schritte folgerichtig, da es der Arterhaltung dient.
Die Vögel haben diese Strategie entwickelt, da durch teilweise unentwickelten Nachwuchs die Brutpflege von beiden Partnern notwendig ist, was z.B. bei den Schwänen zu lebenslangen Bindungen führt.
Bei den Säugetieren kommt es eher darauf an, wie hilflos der Nachwuchs bei der Geburt ist und inwieweit die Mutter bei der Nahrungsbeschaffung eingeschränkt ist.
Es gibt aber hilflosere / unterentwickelter geborene Säugetiere als Menschenjunge und trotzdem wurde die paarweise Kinderaufzucht nicht bei allen Arten zum Erfolgsmodell.
Bären, Kängurus und Füchse zB. haben andere Möglichkeiten als heterosexuelle Langzeitbeziehungen gefunden, also führt der erste Schritt nicht zwangsläufig zu Schritt 2.
Wie begründet Eibl-Eibesfeld das?


Der zweite Schritt :
Ein Beispiel von den Himba, einem Hirtenvolk aus Namibia

Das Himba-Beispiel ist für mich nur eines von vielen zu Schritt 2. Anführer und Gefolgsleute-Verhaltensweisen sind Ausdruck von Hierarchien und finden sich überall und jederzeit.
Ob das ohne den Weg über die Brutpflege nicht hätte entwickelt werden können, sollte untersucht worden sein.

Aber wahrscheinlich müßte ich das Buch vollständig lesen, um die Zusammenhänge zu erkennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Für uns Menschen war die entscheidende weiterführende Erfindung die zusätzliche Entwicklung der individualisierten Bindung zwischen Mutter und Kind. Sie steht am Ausgangspunkt der individualisierten Gruppe. Mit ihr erst kam die Liebe, definiert als persönliche Bindung in die Welt.

Hmmhmmhmm. Unsere Säugetier-Nestmütter sind bei weitem nicht so liebevoll wie man uns weismachen will. Wenn der Wurf zu groß ist oder die Nahrungsbeschaffung zu anstrengend wird, lässt Nestmutter eines der Jungtiere verhungern, schmeisst es raus oder frisst es selbst auf. Ob dies aus Liebe geschieht? Ebenso entmutigend sind Verhaltensweisen von vielen Männchenarten, die nur zum Geschlechtsverkehr die Nähe von Weibchen suchen. Kann natürlich sein, dass Weibchen hier keine Männchen dulden, weil Weibchen allein aufziehen und dabei weder gestört werden wollen noch Hilfe annehmen möchten. Dies klingt allerdings sehr nach Weibchenemanzipation im Tierreich und würde Natur auf den Kopf stellen.

Lieber Klaus,
schreibt Eibl-Eibesfeldt nichts über die Milch der Mutter und dessen Relevanz bei Nahrungsaufnahme und großen Bindungsqualität der männlichen Jungtiere zur Mutter bei der Brutpflege?
 
Nachdem ich noch mal nachgedacht habe, kann ich den Eibl-Schritten immer mehr abgewinnen, wahrscheinlich fehlte mir zwischen Schritt 1 und 2 der Zwischenschritt zur Arbeitsteilung.

Ganz schlicht ausgedrückt, will ich jemand dazu bringen, etwas für mich nützliches zu tun, habe ich wenigstens 2 Möglichkeiten.
1. ich mache dem andern klar, dass er es besser kann und stelle mich dumm in der Hoffnung, dass er mir hilft. Das wäre das bettelnde Flügelschlagen der Vögel.
2. ich befehle dem anderen mir zu helfen, das setzt klare Machtverhältnisse, also eine Hierarchie voraus, die ist bei einer Eltern-Kinderbeziehung zwar bis zu einem gewissen Punkt gegeben aber in umgekehrter Hierarchiefolge, so dass die 2. Moglichkeit ohne Bindung nicht funktionieren würde.
 
Lieber Klaus,
schreibt Eibl-Eibesfeldt nichts über die Milch der Mutter und dessen Relevanz bei Nahrungsaufnahme und großen Bindungsqualität der männlichen Jungtiere zur Mutter bei der Brutpflege?
Er schreibt über Ausschüttungen des "Bindungshormons" Oxytozin beim Säugen des Babys (und erst dann !), sowie beim Orgasmus.
(Ob politische Führer auch eine solche Ausschüttung bewirken können, habe ich (noch) nicht gelesen).

Im übrigen argumentiert er nicht, dass brutpflegende Eltern liebevoll sein müssen, sondern nur, dass sie über das Repertoire verfügen, und dass dies dasselbe ist, das man zur Bildung einer Gesellschaft (miss)brauchen kann - aber nicht muss.
 
Für uns Menschen war die entscheidende weiterführende Erfindung die zusätzliche Entwicklung der individualisierten Bindung zwischen Mutter und Kind. Sie steht am Ausgangspunkt der individualisierten Gruppe. Mit ihr erst kam die Liebe, definiert als persönliche Bindung in die Welt.
Ich finde das ganze zwar im Prinzip interessant, aber der Autor argumentiert nur evolutionsbiologisch.
Insbesondere die Brutpflege mit individualiserter Bindung findet sich ja auch bei anderen Säugetieren, u.A. unseren nächsten Verwandten den Schimpansen, aber auch z.b. bei dem Adler etc.
Meiner Meinung nach ist zwar die Entwicklung einer engeren Bindung im Sinne der obig zitierten Aussage ein wichtiger Schritt zur Entwicklung von Sozialität innerhalb der Menschwerdung, aber nicht unbedingt der entscheidente.
Was in der ganzen Argumentation wirklich fehlt ist die Verbindung zur "Kulturellen Entwicklung" der Vormenschenformen.
Insbesondere die Werkzeugkultur gehört zu einem treibenden Motor der Menschwerdung. Gerade die verschiedenen Werkzeuge können als Indiez für eine beginnende Arbeitsteilung gesehen werden und damit ist natürlich auch erst die Möglichkeit geschaffen worden, Personen für andere Aufgaben frei zu stellen, u.A. die intensivere Versorgung der Nachkommmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Vollständigkeit halber ein wenig über den Tellerrand:
Auch manche Insekten und Spinnen betreiben Brutpflege. Nicht immer erfolg daraus Staaten und Schwarmbildung. Heuschrecken betreiben trotz ausgeprägter Schwarmbildung keine Brutpflege.
Kraken gelten als die mit Abstand intelligentesten Weichtiere. Trotzdem sind sie weder sozial, noch betreiben sie Brutpflege.

Ansonsten assoziiere ich mit der Theorie irgendwie die christlichen Pelikan-Allegorie.:rolleyes:
 
Der Vollständigkeit halber ein wenig über den Tellerrand:
Auch manche Insekten und Spinnen betreiben Brutpflege. Nicht immer erfolg daraus Staaten und Schwarmbildung. Heuschrecken betreiben trotz ausgeprägter Schwarmbildung keine Brutpflege.
Kraken gelten als die mit Abstand intelligentesten Weichtiere. Trotzdem sind sie weder sozial, noch betreiben sie Brutpflege.

Ansonsten assoziiere ich mit der Theorie irgendwie die christlichen Pelikan-Allegorie.:rolleyes:

Den totalen Altruismus meint Eibl wahrscheinlich nicht bei der Brutpflege-Arbeitsteilung-Gesellschaftsbildungs-Theorie.
Bei Altruismus + Fortpflanzung fallen mir immer die Lachse ein, zwar instinktgesteuert aber extrem.

Die Arbeitsteilung beim Menschen von der Brutpflege / Kinderaufzucht mit den dadurch erlernten Verhaltensmustern abzuleiten, finde ich noch plausibel.
Dabei muß man keinen Altruismus unterstellen, der wäre als nicht arterhaltend bei den Hominiden ausgestorben.

Interessant im Hinblick auf Gesellschafts- und soziale Hierarchiebildung wäre für mich unterschiedliche Bewertung von Tätigkeiten.
Arbeitsteilung sollte doch zuerst wertneutral gewesen sein, iSv wenn du die Suppe kochst, teile ich den Hasen mit dir?
War also das klassische "Eine Hand wäscht die andere"-Prinzip zuerst?
 
Hmmhmmhmm. Unsere Säugetier-Nestmütter sind bei weitem nicht so liebevoll wie man uns weismachen will. Wenn der Wurf zu groß ist oder die Nahrungsbeschaffung zu anstrengend wird, lässt Nestmutter eines der Jungtiere verhungern, schmeisst es raus oder frisst es selbst auf. Ob dies aus Liebe geschieht?

Nach Jane Godall bieten Schimpansenmütter auch ein Repertoire an gefühlsbedingten Verhaltensweisen wie dies Menschenmütter tun, genauso bieten Menschenmütter ein Repertoire von kalten Verhaltensweisen.
Man kann ebenso Fragen ob Menschenmütter ihre Neugeborenen aus Liebe töten, oder ihre Kinder vernachlässigen.
Bei Schimpansen- wie Menschenkinder kommen die am besten mit der Umwelt klar, die behütet und liebevoll aufwachsen.

Was mir zum Vergleich noch einfällt, dass Schimpansenmütter allein für ihre Jungtiere verantwortlich sind: Sie beschaffen Nahrung und lehren deren Beschaffung, lehren den Werkzeugumgang, und lehren zu töten und dies über einen Zeitraum von mehreren Jahren, selbst 8 Jährige kommen regelmässig zur Mutter zurück. Die Mütter haben dadurch nur eine geringfügige Behinderung, können sich und ihre Kinder relativ erfolgreich vor Rautieren schützen und sind was die Maskulinen betrifft recht promiskuitiv.
Menschenmütter sind körperlich, wie auch umgebungsmässig, wohl anderen Voraussetzungen ausgesetzt gewesen, doch dadurch das Schimpansen und Menschen die gemeinsame Vorfahren haben, werden die Maskulinen anfangs kaum den Familienvater perfekt drauf gehabt haben um eine Überlebungshilfe geboten zu haben, wenn man davon absieht dass man ansich schon gesellig war, es muss also eine "Lehrzeit" stattgefunden haben.
Es werden wohl andere Frauen, wie Schwestern und Mütter, in Phasen wie Geburt und Kinderbetreuung während der Nahrungssuche, unterstützend gewesen sein, wie man dies ansatzweise schon bei den Schimpansen beobachten kann.
 
Die eigentliche Fragestellung für mich ist, ob unsere gesellschaftlichen Mechanismen sich aus Elementen aus dem Brutpflege-Repertoire zusammensetzen. Siehe das Beispiel der Himba, wo der Häuptling die formale Position des Ernährers einnimmt, und die Niederrangigen ihn - pro forma - um Nahrung bitten müssen Durch dieses Selbstverständnis wird ein Zusammenhalt aufgebaut, der letztlich die Identität dieser Gesellschaft ausmacht.

Sind unsere Politiker bzw. Chefs auch unsere Väterchen/ Mütterchen, von denen wir erwarten, dass sie uns ernähren? Macht ein Diktator die Menschen zu Kindern - und die genießen es, nicht erwachsen sein zu müssen ? Basieren unsere moralischen Vorstellungen auf denselben Gesetzen des Gebens und Nehmens, die für einen Wurf Kaninchen gelten ? Sind wir in der Werbung empfänglich für "Kindchen"-Signale? Ist die christlche Religion vielleicht der Versuch, die Gesetze der individuellen familiären Bindungen auf Mitglieder einer größeren, anonymen Gemeinschaft auszuweiten?

Lässt sich das alles überhaupt mit dem Ideal einer demokratischen Gesellschaft vereinbaren?
 
Die eigentliche Fragestellung für mich ist, ob unsere gesellschaftlichen Mechanismen sich aus Elementen aus dem Brutpflege-Repertoire zusammensetzen. Siehe das Beispiel der Himba, wo der Häuptling die formale Position des Ernährers einnimmt, und die Niederrangigen ihn - pro forma - um Nahrung bitten müssen Durch dieses Selbstverständnis wird ein Zusammenhalt aufgebaut, der letztlich die Identität dieser Gesellschaft ausmacht.

So viel ich weiß, gibt auch andere Möglichkeiten sich mit einer Gesellschaft zu identifizieren. Flexibilität macht den Menschen aus, nicht Einseitigkeit. Gesellschaftformen entstehen und erhalten sich aus dem Konsenz der Mehrheit.

Sind unsere Politiker bzw. Chefs auch unsere Väterchen/ Mütterchen, von denen wir erwarten, dass sie uns ernähren?

Das tun sie doch nur in den seltesten Fällen.
Eltern versuchen doch meist ihre Kinder zu Selbstständigkeit zu erziehen, und Kinder kämpfen für ihre Selbstständigkeit. Es fängt an sich alleine anziehen zu wollen und geht weiter die Arbeiten seiner Eltern machen zu wollen.

Macht ein Diktator die Menschen zu Kindern - und die genießen es, nicht erwachsen sein zu müssen ?

Menschen sind Individuen mit verschiedenen Persönlichkeiten. Vielleicht gibt es tatsächlich ein paar die es genießen, vielleicht fehlen aber auch nur die Möglichkeiten. Außerdem gibt es Menschen die darunter leiden.

Ansonsten würde es sowas wie Emanzipation gar nicht geben, vielleicht noch nicht mal das Wort.
Auch gäbe es keine Menschen die sich Selbstständig machen, die Firmen gründen, die ihr Land bestellen.

Basieren unsere moralischen Vorstellungen auf denselben Gesetzen des Gebens und Nehmens, die für einen Wurf Kaninchen gelten ?

Moralische Vorstellungen haben etwas Erziehung zu tun, und sind nicht genormt.

Sind wir in der Werbung empfänglich für "Kindchen"-Signale?

Ja, sind wir. Das Fürsorge- und Kümmerungsverhalten welches durch das Kindchenschema ausgelöst wird, spricht übrigens dagegen, das wir alle "geführt" werden wollen.

Ist die christlche Religion vielleicht der Versuch, die Gesetze der individuellen familiären Bindungen auf Mitglieder einer größeren, anonymen Gemeinschaft auszuweiten?

Religion hat bestimmt was mit Erziehung zu tun.

Lässt sich das alles überhaupt mit dem Ideal einer demokratischen Gesellschaft vereinbaren?

Klappt das nicht im Großen und Ganzen?
 
Die eigentliche Fragestellung für mich ist, ob unsere gesellschaftlichen Mechanismen sich aus Elementen aus dem Brutpflege-Repertoire zusammensetzen. Siehe das Beispiel der Himba, wo der Häuptling die formale Position des Ernährers einnimmt, und die Niederrangigen ihn - pro forma - um Nahrung bitten müssen Durch dieses Selbstverständnis wird ein Zusammenhalt aufgebaut, der letztlich die Identität dieser Gesellschaft ausmacht.

Sind unsere Politiker bzw. Chefs auch unsere Väterchen/ Mütterchen, von denen wir erwarten, dass sie uns ernähren?

Es gibt immer Führer und Gefolge. Die Ursippe hat nicht nach parlamentarischer Beratung und Abstimmung die nächsten Massnahmen beschlossen sondern der nahrungbeschaffendste, mutigste und schlaueste Urmensch. Dieser Führer schafft einen lebenssicheren Raum um und für die Brutpflege, aber die Brutpflege selbst hat es nicht inne.
Kann der Führer nicht mehr diesen lebenssicheren Raum kontrollieren/verantworten, kommt ein neuer Führer. Und ist ein junger Sippenabkömmling der Meinung, er wäre besser geeignet als der Führer, dann wird man die Keule gegeneinander geschwungen haben.

Und zu den Väterchen/Mütterchen hole ich mein liebstes Zitat:
Man soll auf Politiker nicht hören, sondern auf sie achten.
Dieter Hildebrandt, Denkzettel, DroemerKnaur 1994

Auch hier gilt wieder die Vielfalt. Es gibt welche, die geführt werden wollen, es gibt welche die führen wollen und es gibt welche die beides dosiert vereinen.
 
Es gibt immer Führer und Gefolge.

Das nehme ich auch an, zumindest "fast" immer. Es könnte aber auch von der jeweiligen Gruppengröße abhängen. Da für die Frühzeit aber keine Belege vorhanden sind, wird man nur spekulieren können. Evtl. kann man noch "aktuelle Steinzeitvölker" (ich kann das jetzt gerade nicht besser ausdrücken, aber ich glaube man kann erkennen, was ich meine) zum Vergleich heranziehen, wobei auch da Vorsicht geboten ist.

Die Ursippe hat nicht nach parlamentarischer Beratung und Abstimmung die nächsten Massnahmen beschlossen sondern der nahrungbeschaffendste, mutigste und schlaueste Urmensch.

Wenn die Gruppe klein genug ist, wäre auch eine Abstimmung durch Beratungen denkbar. Man wird aber wohl zumindest von temporären Führungspersonen in bestimmten Situationen ausgehen müssen. Z. B. wäre eine erfolgreiche Jagd "im Rudel" ohne entsprechende Koordination nicht erfolgversprechend. Und da ist es von Vorteil, wenn eine "Instanz" das sagen hat.

Möglicherweise war auch nicht immer der mutigste etc. der Führer, sondern der, der für die Religion zuständig war, also der Schamane, der mit den Göttern kommunizierte und dem ggf. übernatürliche Fähigkeiten zugesprochen wurden.

Bestimmt gab es auch matriarchalisch strukturierte Gemeinschaften, in denen mag das wieder anders ausgesehen haben.

Und ist ein junger Sippenabkömmling der Meinung, er wäre besser geeignet als der Führer, dann wird man die Keule gegeneinander geschwungen haben.

Das Faszinierende an einer Führungsbeziehung ist ja, dass eigentlich nicht der Führer diese definiert, sondern die Gefolgsleute. Nur wenn diese den Führer als solchen akzeptieren, kann der Führer führen und darauf vertrauen, nicht sabotiert zu werden (ein Problem, an dem auch viele der heutigen Führungskräfte scheitern, weil sie sich nicht bewusst sind, dass sie für ihre Mitarbeiter eben keine Führungspersönlichkeit, sondern nur ein normaler Vorgesetzter sind. Aber ich schweife ab... :pfeif:).

Der junge "Keulenschwinger" muss also nicht nur den bisherigen Führer besiegen, sondern auch entsprechenden Rückhalt in der Gruppe haben oder gewinnen.

Denn wie heißt es schon bei der EAV:
...Führer werden nicht geboren
und ein Führer ohne Massen,
ist nur ein brauner Ar... mit Ohren

(Quelle: EAV: Eierkopf-Rudi)

Viele Grüße,

Bernd
 
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