Ein Drittes Deutschland (Trias)?

jschmidt

Aktives Mitglied
Ein Teilstrang des Themas http://www.geschichtsforum.de/f58/w...teilung-deutschlands-1848-a-24893/#post387853 befasst sich mit einer Frage, die eine eigene Diskussion tragen könnte, zumal die Fokussierung auf 1848 ihr nicht gerecht wird.

In Drittes Deutschland ? Wikipedia wird recht gut dargestellt, wie sich der "Trias"-Gedanke im 19. Jh. entwickelte. Der Artikel stützt sich z. T. auf Siemann (Vom Staatenbund zum Nationalstaat. München: Beck 1994), den ich hier im Zusammenhang zitiere (S. 35):
Seitdem Preußen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur zweiten deutschen Großmacht in Europa aufgestiegen war, verdichtete sich im Laufe des 19. Jahrhunderts der Wunsch nach einem "Dritten Deutschland", in dem sich die mittleren und kleineren Staaten zu einer eigenständigen, engeren Verbindung zusammenschließen sollten. Mit wechselnder Energie förderten nach den Freiheitskriegen zunächst Württemberg, nach der Revolution 1848/49 verstärkt Bayern und Sachsen dieses Konzept, das den Namen "Trias" erhielt. Die vielfältigen Sonderinteressen überwogen jedoch stets die Gemeinsamkeiten, so daß selbst in der Phase des territorialen Umbruchs 1866 der von Österreich und Frankreich unterstützte Plan eines "Südbunds" der deutschen Staaten südlich der Mainlinie letztlich scheiterte.
Mich würde interessieren, welche Art von "Verbindungen" tatsächlich in Rede standen und welche Räume sie umfassen sollten.

Am weitgehendsten wäre wohl die Schaffung einer Art von Zwischenreich, ein sozusagen "lotharingisches" Staatengebilde gewesen, dass tatsächlich alle deutschen Territorien mit Ausnahme der beiden Großmächte umfasst hätte.

Treitschke (Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Leipzig: Hirtel 6/1897, S. 690 f.) berichtet z. B. über eine bestimmte Phase des Wiener Kongresses (Ende 1814):
Der Boden war frei für willkürliche Pläne jeder Art; Gagern [niederländischer Vertreter] und Plessen [mecklenburg-schwerinscher Vertreter] sprachen bereits von einem Bunde der Mittel- und Kleinstaaten ohne Oesterreich und Preußen, aber mit Dänemark und den unvermeidlichen Niederlanden.
Wer weiß mehr und präziseres über solche Pläne im 19. Jh.?
 
Tolles Thema!

Mich würde interessieren, welche Art von "Verbindungen" tatsächlich in Rede standen und welche Räume sie umfassen sollten.
Das würde mich auch interessieren. In diesem Zusammenhang sollte aber auch noch erwähnt werden, daß die einzelnen Territorien letztlich auch noch nicht abgesteckt waren, beispielsweise beanspruchten einige Staaten linksrheinische Gebiete. Zur postnapoleonischen Situation vor Neuordnung durch den Kongreß findet sich auch eine schöne Karte bei der Uni Mainz: IEG-MAPS

(...) sprachen bereits von einem Bunde der Mittel- und Kleinstaaten (...) mit Dänemark und den unvermeidlichen Niederlanden.
:eek: Außerordentlich interessant!
 
Auf dem Kongress werden eine Menge Stammtischphantasien besonders der kleinen Staaten erörtert worden sein. Am Ende mussten sie froh sein, politisch überlebt zu haben. Eine ernsthafte Option auf Umsetzung gab es m.E. nicht, auch wenn manche Bajuwaren noch heute davon träumen.
 
Ich hätte vielleicht noch zum Einstieg erwähnen sollen, dass der Rheinbund auf seinem Höhepunkt (1812) bereits jenes "Dritte Deutschland" realisierte (siehe http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c0/Rheinbund_1812.png) - aber den dürfen wir eigentlich nicht zählen.

In diesem Zusammenhang sollte aber auch noch erwähnt werden, daß die einzelnen Territorien letztlich auch noch nicht abgesteckt waren, beispielsweise beanspruchten einige Staaten linksrheinische Gebiete. Zur postnapoleonischen Situation vor Neuordnung durch den Kongreß findet sich auch eine schöne Karte bei der Uni Mainz: IEG-MAPS

Völlig richtig: Eines der wichtigsten Charakteristika der 1814/15er Verhandlungen war ja das wüste Geschacher um die Territorien, bei dem alle Mächte eine mehr oder weniger ruhmlose Rolle spielten und das erst 1816, in Teilen sogar noch später, ein Ende fand.

PS: Vielen Dank für die Mainzer Karte. Aus Sorge um die saarländisch-pfälzische Identität - und für Dich als Kartenfan - noch ein Hinweis dazu: Die Bezeichnung "unter österreichischer Verwaltung" für meine Gegend ist etwas mißverständlich. Das betreffende Gebiet wurde seit dem Ersten Pariser Frieden von der sog. "K.K. Österreichischen und K. Baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrationskommission" verwaltet mit Sitz in Kreuznach.
 
Also wenn ich an einen Staatenbund im Süden Deutschland denke, dann habe ich die viel spätere Aufteilungsfrage der Alliierten in den 1940iger Jahren.
So stellte sich die Briten den Südlichen Bereich vor:
 

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Vielen Dank für die Mainzer Karte. Aus Sorge um die saarländisch-pfälzische Identität - und für Dich als Kartenfan - noch ein Hinweis dazu: Die Bezeichnung "unter österreichischer Verwaltung" für meine Gegend ist etwas mißverständlich. Das betreffende Gebiet wurde seit dem Ersten Pariser Frieden von der sog. "K.K. Österreichischen und K. Baierischen Gemeinschaftlichen Landes-Administrationskommission" verwaltet mit Sitz in Kreuznach.
Vielen Dank für die Ergänzung. Um so mehr schmerzt es mich, an deinem Kartenlink etwas aussetzen zu müssen.
Die Karte ist in einigen Details leider nicht korrekt! Vgl. bitte diese Karte. :)
 
So stellte sich die Briten den Südlichen Bereich vor:
Ist zwar thematisch ein wenig weiter weg,:winke:
aber da bleibt natürlich der Piroschka das Gulasch im Halse stecken: ein Süddeutscher Staat mit Österreich und Ungarn?

Aus welcher Quelle stammt das? Ich kenne nur den etwas bescheideneren Vorschlag aus: Webb, Britain and the Future of Germany, 1979, S. 55 - ohne Ö und U.
 
Die vielfältigen Sonderinteressen überwogen jedoch stets die Gemeinsamkeiten, so daß selbst in der Phase des territorialen Umbruchs 1866 der von Österreich und Frankreich unterstützte Plan eines "Südbunds" der deutschen Staaten südlich der Mainlinie letztlich scheiterte.
Mich würde interessieren, welche Art von "Verbindungen" tatsächlich in Rede standen und welche Räume sie umfassen sollten.

Am weitgehendsten wäre wohl die Schaffung einer Art von Zwischenreich, ein sozusagen "lotharingisches" Staatengebilde gewesen, dass tatsächlich alle deutschen Territorien mit Ausnahme der beiden Großmächte umfasst hätte.

Planten die Staates des Dritten Deutschlands jemals einen seperaten Staaten?
Ich glaube nicht; das Ziel der Trias war eine güstigere und stärkere Stellung innerhalb Deutschlands und nicht die Separation wie das Scheitern des Südbunds zeigt.
 
@ Köbis17, Tekker, balticbirdy

Entschuldigt, dass ich zunächst zweifelte. In Donauföderation ? Wikipedia steht, dass sich Winston Churchill und Otto von Habsburg zusammengetan hatten - da wird sich Stalin aber verlacht haben in Teheran...
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf dem Kongress werden eine Menge Stammtischphantasien besonders der kleinen Staaten erörtert worden sein. Am Ende mussten sie froh sein, politisch überlebt zu haben. Eine ernsthafte Option auf Umsetzung gab es m.E. nicht, auch wenn manche Bajuwaren noch heute davon träumen.


Na ja, unseren König Wilhelm haben zuerstmal die Bajuwaren sitzen lassen mit seiner Trias-Idee. Nachdem sie Anfangs durchaus Interesse hatten.

Die regierenden Häuser nach 1815 waren ja auch alle zumindest mit einer der europäischen Großmächte versippt, wo sie sich im Konfliktfall meist erfolgreich anlehnten. Siehe Kurpfalz-Affäre.
Echten Handlungsbedarf sah man wohl nicht.

Den 1866 angestoßenen Südbund, eigentlich das einzig wirklich ernsthafte in dieser Richtung, hat Napoleon III mit seinem Versuch Luxemburg zu kaufen vor der Geburt schon wieder gemordet.

Aber die Zeit des Deutschen Bundes ist so voller politischer Projekte aus denen nichts wurde, da könnte man vermutlich ein paar Dutzend Dissertationen drüber schreiben.

OT: Bei mir "ums Haus rum" hat Thurn&Taxis in den 1820er Jahren einiges an Herrschaften zusammengekauft, wollten wieder "reichsunmittelbar" werden, der Deutsche Bund hat auch seine Zustimmung gegeben, dann wurde das Projekt aber sangundklanglos begraben. Die "Nester" wieder an Hzl-Sig zurück verhauft. Warum? Nun die Lokalhistoriker hier konnten den Grund nicht finden. Vielleicht sollte man unsere Regensburger Schönheiten mal bei Gloria vorbeischicken, nachfragen.;)
 
Na ja, unseren König Wilhelm haben zuerstmal die Bajuwaren sitzen lassen mit seiner Trias-Idee. Nachdem sie Anfangs durchaus Interesse hatten.

Die regierenden Häuser nach 1815 waren ja auch alle zumindest mit einer der europäischen Großmächte versippt, wo sie sich im Konfliktfall meist erfolgreich anlehnten. Siehe Kurpfalz-Affäre.
Echten Handlungsbedarf sah man wohl nicht.

Armer König Wilhelm.
Zur Zeit des Wiener Kongresses und denn unmittelbar daraufolgenden Jahrezehnten waren zu viele der deutsche Mittelstaaten nicht bereit ihre politische Handlungsfreiheiit freiwillig einzuschränken.
Erst nach der Etablierung des Deutschen Zollvereins und den 48er Revolutionen wurden sie kompromissbereiter.
 
Ach wir trösten uns damit, dass es Preußen nicht mehr gibt, Bayern schon :yes:.

Sorry fürs offtopic, aber manchmal kann ich nicht anders. ;)

Bajuwariche Grüße,

Bernd
Pöööh!

Aber dafür gibt es Brandenburg, das sich in der Tradition Preußens sieht.

-> Mußte einfach mal gesagt werden... :D

LG aus Brandenburg
:friends:
 
Ist zwar thematisch ein wenig weiter weg,:winke:
aber da bleibt natürlich der Piroschka das Gulasch im Halse stecken: ein Süddeutscher Staat mit Österreich und Ungarn?

Warum auch nicht? Dass (Deutsch-)Österreich einem süddeutschen Staat angehören sollte, ist ja wohl keine Verwunderung und auch nichts Unnatürliches. Mich wundert nur, dass es tatsächlich eine Donauföderation unter Einschluss des eindeutig nichtdeutschen Ungarns hätte geben sollen.

Der Plan, Ungarn mit ins Boot zu nehmen, wäre aber darüber hinaus ohnehin ohne echte Erfolgschancen gewesen, denn wie 1919 der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn unterging, so wäre auch der Vielvölkerstaat (Süd-)Deutschland-Ungarn untergegangen.

Ansonsten wäre ich Churchills Plan aber gar nicht abgeneigt, muss ich als persönliche Notiz noch anfügen: lieber drei deutsche Staaten mit Österreich und einem Teil der Ostgebiete als nur einen deutschen Staat, der an der Oder und bei Passau endet.
 
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Ansonsten wäre ich Churchills Plan aber gar nicht abgeneigt, muss ich als persönliche Notiz noch anfügen: lieber drei deutsche Staaten mit Österreich und einem Teil der Ostgebiete als nur einen deutschen Staat, der an der Oder und bei Passau endet.

Wie bitte? *räusper*
 
Ich stimme Simplicius zu.
Lieber ein deutlich größeres, aber staatlich getrenntes Deutschland als ein staatlich geeintes, aber ärmeres (nicht unbedingt im ökonomischene Sinne zu verstehen) und kleineres Deutschland.
Ersteres ist bei der deutschen Geschichte passender und richtiger als letzteres.
 
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