Marxistische Lehre

Mal eine kurze Zwischenfrage, wird das hier jetzt ein Ideologiepläuschchen zur Verbreitung der Marxschen Idee oder gibt es eine konkrete historische Fragestellung zu dem Thema?
 
Mal eine kurze Zwischenfrage, wird das hier jetzt ein Ideologiepläuschchen zur Verbreitung der Marxschen Idee oder gibt es eine konkrete historische Fragestellung zu dem Thema?


Das Thema lautet "Marxistische Lehre" und ist konkret historisch. Die Diskussion hier ist sehr spannend und es sind auch einige neue Gesichtspunkte zur Diskussion gestellt, die in älteren Threads zum Thema nicht waren. Leider habe ich wenig Zeit, kann die Diskussion nur verfolgen, aber dies mit Interessen.
 
@ Tekker: Man sollte eine Theorie (oder wie du es nennst; "Ideologie") auch in ihrem historischen Kontext bewerten.
Außerdem wollten wir ja die Frage klären, warum der Umsturz nicht stattgefunden hat. Dazu muss man sich aber erstmal vergegenwärtigen, was diese Theorie war und vorallem was sie nicht war.
Und schließlich halte ich die marxsche Theorie für gutes Hilfsmittel, um bestimmte historische Prozesse zu erklären.
 
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Marx ging wie seine Vorgänger Smith und Ricardo davon aus, dass menschliche Arbeit ökonomischen Wert (d.h. Tauschwert) schafft und zwar nur menschliche Arbeit.

Wenn du David Ricardo als Vorgänger Karl Marx' siehst, dann war Karl Marx ein liberaler Nationalökonom. Ricardo wurde mit 21 Jahren von seinem Vater enterbt und spekulierte erfolgreich an Börsen um zu Einkommen und Wohlstand zu gelangen. Er war Abgeordneter im britischen Parlament und beeinflusste die Wirtschaftspolitik sehr stark. Hier und da wird er als Theoretiker gefeiert. Das war er keineswegs.
Nette Vorstellung, das Marx ein Nachfolger Ricardos sei.
http://politik-gesellschaft-europa.suite101.de/article.cfm/david_ricardo_1772_1823
 
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Das Denken von Marx speisste sich aus drei Quellen: Deutscher Idealismus (Kant, Hegel, Feuerbach), französischem Frühsozialismus (Proudhon, Babeuf, Blanqui, etc.) und der britischen Sozialökonomie (Adam Smith, David Ricardo, John Stuart Mill). Alle diese Traditionen hat Marx aufgegriffen, aber auch kritisiert.

Die Theorie, dass der Wert durch die Arbeit bestimmt wird, stammt ursprünglich von Ricardo. Marx hat diese Vorstellung übernommen, aber auch ihre Widersprüche kritisiert. Kann man direkt im "Kapital" nachlesen. Marx kritisierte an Ricardo, dass wenn die Arbeit den Wert bestimmt, paradoxerweise der langsamste Arbeiter auch den größten Wert schafft. Deshalb kam er darauf, dass nur die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit wertbildend ist. Außerdem kritisierte er, dass Ricardo glaubte den Wert objektiv festlegen zu können. Marx wiess nacht, dass der Wert das Verhältnis einer Ware zu allen anderen Waren auf der Welt ist und daher absolut chaotisch. Das Geld sei lediglich das Mittel, in dem "sich dieser Widerspruch bewegen kann".

Marx war also Kritiker, nicht Nachfolger Ricardos.
 
Mal eine kurze Zwischenfrage, wird das hier jetzt ein Ideologiepläuschchen zur Verbreitung der Marxschen Idee oder gibt es eine konkrete historische Fragestellung zu dem Thema?
Wenn ich frage warum die Vorhersagen einer bestimmten Theorie nicht eintrafen, ist es der erste Schritt darzulegen, welche Vorhersagen überhaupt in der Theorie liegen und welche ihr vielleicht nur zugeschrieben sind. Ebenfalls ist es hilfreich zu fragen, wie die jeweiligen Theoretiker zu ihren Schlüssen liegen, denn dort lässt sich vermutlich der Fehler oder Vernachlässigung von bestimmten Tatsachen finden.
Überdies ist der historische Materialismus und die marxsche Kapitalismusanalyse ein Zweig der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Geschichte (wenngleich von Ökonomen, aber die Historiker dieser Zeit interessierten sich nunmal fast nur für politische Geschichte und überließen große Felder anderen Wissenschaften) und dass in einem Geschichtsforum über eine solche diskutiert wird (die überdies historische Auswirkungen hatte, die über die des Historismus oder der Bielefelder SChule weit hinaus gehen), ist imho durchaus angebracht

Wenn du David Ricardo als Vorgänger Karl Marx' siehst, dann war Karl Marx ein liberaler Nationalökonom.
Schon Aristoteles hat seinem Lehrer und Vorgänge Plato in vielen Dingen widersprochen. Bloß weil Leute ähnliche Themen bearbeiten, müssen sie nicht gleiche Sichtweise oder Ergebnisse haben.
 
Das Denken von Marx speisste sich aus drei Quellen: Deutscher Idealismus (Kant, Hegel, Feuerbach), französischem Frühsozialismus (Proudhon, Babeuf, Blanqui, etc.) und der britischen Sozialökonomie (Adam Smith, David Ricardo, John Stuart Mill). Alle diese Traditionen hat Marx aufgegriffen, aber auch kritisiert.

Ich habe in der DDR im Fach Staatsbürgerkunde unter dem Titel "Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus" in meiner Berufsausbildung nur die ersten drei Herren gelehrt bekommen. :devil:
 
@Hurvi: Ich habe in der DDR im Fach Staatsbürgerkunde unter dem Titel "Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus" in meiner Berufsausbildung nur die ersten drei Herren gelehrt bekommen.
Kannst du auch in der Berufsausbildung auch nur. "Dialektisch historischer Materialismus" war nur einer von 3 Eckpfeilern (jeweils 2 Semester) der ML-Ausbildung, verbindlich für alle Hochschulstudenten, selbst Theologie. Der Rest war "Politische Ökonomie" (PolÖk) und ""Wissenschaftlicher Kommunismus" (WiKo). Die restlichen von @caliban erwähnten Herren kamen speziell in Teil 2 durchaus vor.
 
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Der Rest war "Politische Ökonomie" (PolÖk) und ""Wissenschaftlicher Kommunismus" (WiKo). Die restlichen von @caliban erwähnten Herren kamen in Teil 2 durchaus vor.

Ich bin ja sehr wißbegierig - in welcher Form kamen denn zb die in Rubrik 2 genannten Herren Proudhon, Baboeuf und Blanqui in jenem zweiten Teil vor?
 
@Ingeborg: Ich bin ja sehr wißbegierig - in welcher Form kamen denn zb die in Rubrik 2 genannten Herren Proudhon, Baboeuf und Blanqui in jenem zweiten Teil vor?
Jetzt hast du mich aber erwischt. Die Bücher dazu existieren lange schon nicht mehr in meinem Besitz, ich müsste mich auf dem Flohmarkt neu eindecken. Die Namen fielen, zumindest Proudhon und Baboeuf. Ich erinnere mich auch an Saint-Simon und Robert Owen. Da ich aber fast nix im Studium dafür machte (Ich schrieb ab, dafür durften unsere Damen meine Zoologie- und Botanik-Ausarbeitungen sehen), sollte ich mich besser doch zurückhalten. :still:
 
Ja, der gute Student arbeitet mit dem Mut zur Lücke.... :D (und das hüben wie drüben :devil: ). Ich hoffe dann mal weiter auf Aufklärung, denn es würde mich sehr interessieren, da zumindest einer der genannten Herren ja auch noch von einer anderen politischen Strömung requiriert wird, der Marx weniger positiv gegenüberstand.
 
Ich bin ja sehr wißbegierig - in welcher Form kamen denn zb die in Rubrik 2 genannten Herren Proudhon, Baboeuf und Blanqui in jenem zweiten Teil vor?

@ Ingeborg
wenn Du etwas Geduld hast, kann ich Dir die Frage am Wochenende beantworten, dann tauche ich mal in die Tiefen meiner Bücherregale und suche Dir etwas. Allerdings habe ich Ökonomie studiert und alles etwas gründlicher behandeln dürfen und unser Prof in PolÖk war ein sehr alter (ich glaube, der lebte schon zu Zeiten von Owen :rofl:), der auch viel Wert auf umfassende Bildung legte, obwohl er überzeugter Kommunist war.
 
Danke, ich warte gerne bis zum Wochenende und wünsche erfolgreiches Abtauchen in die unteren Bücheretagen :winke:
 
"Einführung in den dialektischen und historischen Materialismus"
wurde geschrieben von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Matthäus Klein für den Einsatz in den 11. und 12. Klassen der EOS und der Berufsausbildung. (Mein Ex. = 3. Aufl. 1972).

Ganz schön abstrakt für meinen Geschmack, vermittelt aber via ML "eine optimistische Lebenseinstellung" (S. 504). Blanqui, Proudhon, Owen, Ricardo, Saint Simon und Smith kommen drin vor, Kant, Hegel, Feuerbach sowieso; Babeuf und Mill fehlen (wegen dialektischer Probleme?), Stalin auch (wegen historischer Probleme?).:)
 
wurde geschrieben von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Matthäus Klein für den Einsatz in den 11. und 12. Klassen der EOS und der Berufsausbildung. (Mein Ex. = 3. Aufl. 1972).

Ganz schön abstrakt für meinen Geschmack, vermittelt aber via ML "eine optimistische Lebenseinstellung" (S. 504). Blanqui, Proudhon, Owen, Ricardo, Saint Simon und Smith kommen drin vor, Kant, Hegel, Feuerbach sowieso; Babeuf und Mill fehlen (wegen dialektischer Probleme?), Stalin auch (wegen historischer Probleme?).:)

Vielen Dank. Ich habe das ganze Buch nicht gelesen, da ich
1. nicht interessiert war,
2. die Lehrerin schwanger wurde (kein Ersatz),
3. ich das letzte halbe Jahr krankgeschrieben war.
Bis zu Hegel und Feuerbach kann ich mich entsinnen.
 
@ Ingeborg
wenn Du etwas Geduld hast, kann ich Dir die Frage am Wochenende beantworten, dann tauche ich mal in die Tiefen meiner Bücherregale und suche Dir etwas. Allerdings habe ich Ökonomie studiert und alles etwas gründlicher behandeln dürfen und unser Prof in PolÖk war ein sehr alter (ich glaube, der lebte schon zu Zeiten von Owen :rofl:), der auch viel Wert auf umfassende Bildung legte, obwohl er überzeugter Kommunist war.


Also liebe Ingeborg, obwohl ich doch etwas kränkele :cry:bin ich mal abgetaucht...
Französischer Frühkapitalismus oder auch utopischer Sozialismus/ Kommunismus ist Bestandteil des Lehrgebiets Wissenschaftlicher Sozialismus/ Kommunismus als ein (3.) Teil des Marxismus- Leninismus, also nicht des 2. Teils Politische Ökonomie. Ist ja auch logisch.
Leider verfügen die Lehrbücher zwar über Sachregister, aber eben nicht über Personenregister. Insofern kann ich Dir in der Kürze nur den Überblick aus folgendem Lehrbuch geben (den ich mal abgetippt habe):

Wissenschaftlicher Sozialismus. Lehrbuch für das marxistisch-leninistische Grundlagenstudium
VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1988


Der vormarxsche Sozialismus
Bereits Jahrhunderte vor der Entstehung des wissenschaftlichen Sozialismus wirkten Strömungen des sozialen und politischen Denkens, soziale Utopien und gesellschaftliche Bewegungen, die das Streben der Werktätigen nach Befreiung von Ausbeutung und Unterdrückung widerspiegelten, Mißstände der Ausbeuterordnung kritisierten und Vorstellungen von einer neuen, gerechteren Gesellschaftsordnung entwickelten. Zu ihnen gehören vor allem jene, die als sozialistische Utopien, als utopischer Sozialismus (utopischer Kommunismus) in die Geschichte eingegangen sind und historische Vorläufer des wissenschaftlichen Sozialismus bilden. Dieser vormarxsche Sozialismus begann sich in der Zeit des Übergangs vom Feudalismus zum Kapitalismus in Europa herauszubilden. Seine Voraussetzungen entstanden in allen Sphären der Gesellschaft: Auf sozialökonomischem Gebiet führte die ursprüngliche kapitalistische Akkumulation zur verschärften Ausbeutung und Verelendung breitester Volksmassen und zur Entstehung des Frühproletariats; auf sozialem und politischem Gebiet rief die ökonomische und politische Unterdrückung Bewegungen und Aufstände plebejischer Schichten in Stadt und Land hervor; auf geistigem Gebiet vermittelten die Entwicklung des fortschrittlichen philosophischen Denkens und der Naturwissenschaften, die antifeudale Bewegung des Humanismus wichtige Impulse.

Die wichtigsten Entwicklungsstufen des utopischen Sozialismus waren
- die frühen utopischen Lehren des 16. und 17. Jahrhunderts: T.Morus (1478 – 1535, „Utopia“) und T.Campanella (1568 1639, „Der Sonnenstaat“)
- der utopische Kommunismus des 18.Jahrhunderts: J.Meslier (1664 – 1729, „Testament“); Morelly (um 1715, „Gesetzbuch der natürlichen Gesellschaft“); G.B. de Mably (1709 – 1785, „Traktat über die Gesetzgebung“); F.N.Babeuf (1760 – 1797, „Manifest der Plebejer“)
- der kritische utopische Sozialismus und Kommunismus der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Westeuropa: C.-H. de Saint-Simon (1760 -1825, „Genfer Briefe“, „Der Organisator“), C.Fourier (1772 – 1837, „Die neue sozialistische Welt der Arbeit“), R.Owen (1771 – 1858, „Über die neue moralische Welt“)
- der utopische Arbeiterkommunismus Anfang des 19. Jahrhunderts: L.-A.Blanqui (1805 – 1881, „Der Kommunismus – die Zukunft der Gesellschaft“), W.Weitling (1808 – 1871, „Garantien der Harmonie und Freiheit“), T.Dézamy (1808 – 1850, „Gesetzbuch der Gütergemeinschaft“)

Das Kapitel geht noch etwas weiter, ohne näher auf die einzelnen Personen einzugehen, Ich glaube kaum, dass dies im Laufe des Buches noch passiert. Wenn man mehr wissen möchte, müßte man sich Marx und Engels gesammelte Werke vornehmen.

Owen, Ricardo, Smith sind Ökonomen, die einen breiteren Eingang in das Lehrbuch zur Politischen Ökonomie, gefunden haben, ähnlich wie Hegel, Kant, Feuerbach im Lehrbuch (1.Teil Marxismus Leninismus) Dialektischer und Historischer Materialismus. Aber selten direkt zitiert.

Was das Lesen erschwert ist die Tatsache, dass Literatur- und Quellenangaben direkt auf der Seite stehen und nicht im Anhang :motz:

Bei den genannten Lehrbüchern handelt es sich um die Standardwerke fürs Studium. In der Lehre oder Schulbildung spielten sie (meines Wissens und meiner Erinnerung nach) keine Rolle. Da gab es separate Schulbücher im Rahmen Staatsbürgerkunde, die sich aber nicht mehr in meinem Besitz befinden.

In selbigem befindet sich aber ein zweibändiger Grundriss von
Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands
(Band 1: Von den Anfängen bis zur Zeit der Französichen Revolution. Band 2: Von der Zeit der Französischen Revolution bis zur Zeit der Bismarckschen Reichsgründung).
Diese zitieren nicht nur Marx und Engels und Lenin.

Falls noch Fragen sind, dann versuche ich sie gern zu beantworten. :fs:
 
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In selbigem befindet sich aber ein zweibändiger Grundriss von Mottek, Hans: Wirtschaftsgeschichte Deutschlands

Habe ich auch noch, dazu den Band III: Von der Zeit der Bismarckschen Reichgsgründung 1871 bis zur Niederlage des faschistischen deutschen Imperialismus.
Die ersten beiden Bände jedenfalls enthielten einige Informationen, die seinerzeit in westdeutschen Wirtschaftsgeschichten noch zu kurz kamen.
 
Habe ich auch noch, dazu den Band III: Von der Zeit der Bismarckschen Reichgsgründung 1871 bis zur Niederlage des faschistischen deutschen Imperialismus.
Die ersten beiden Bände jedenfalls enthielten einige Informationen, die seinerzeit in westdeutschen Wirtschaftsgeschichten noch zu kurz kamen.

Es gibt noch einen dritten Band? Danke für die Info, da werde ich mich mal auf die Suche begeben.

PS: Habs gefunden. War garnicht so einfach, da fast immer nur Band I und II angeboten werden.

Habe einen interessanten Link zu Mottek gefunden: http://www.bdwi.de/verlag/gesamtkatalog/103702.html
 
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