Don Juan - Geschichte oder Fiktion?

Caro1

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Dichtung oder Wahrheit? Wieviel geschichtliches lässt sich aus der bekannten Literatur herauslesen und gibt sie Hinweise auf das wirkliche Leben und den gelebten Alltag, oder eher auf die Träume und unerfüllten Sehsüchte, nicht nur des Autors, sondern vor allem der Gesellschaft in der er sich bewegte, oder die der Autor kritisierte.

Mit am interessantesten in der Betrachtung/Diskussion ist hierbei ein Charakter mit geschichtlichem Hintergrund, Juan Tenorio aus dem Hause Hidalgo, der als Don Juan bekannt wurde und dessen Geschichte in den nächsten Jahrhunderten für viele Autoren Vorbild für eigene Charaktere war.

Juan war der jüngste Sohn des Admiral Alonzo Jufre Tenorio aus dem Stammhaus der Hidalgos, der gegen die Mauren kämpft und sich dabei einen Namen gemacht hatte. Juan selbst war Höfling des kastilianischen Königs Pedro I (der Grausame), an dessen Taten er derartigen Anteil hatte, dass sein Name in Sevilla und der Umgegend zum Gegenstand der abenteuerlichsten und schauerlichsten Erzählungen wurde.
Zuletzt soll er versucht haben, eine junge sevillanische Frau mit Namen Giralda zu verführen, und in diesem Zusammenhang ihren Vater, den Gouverneur der Stadt, im Zweikampf getötet haben. Als er darauf im Übermut die dem Gouverneur errichtete steinerne Statue zum Nachtessen lud, sei dieser wirklich erschienen und mit ihm zur Hölle gefahren.

Mit dieser Sage vermischte sich in späterer Zeit eine andre, deren Gegenstand ein Adliger ähnlichen Namens, Juan de Maraña, ist, der ein Bündnis mit dem Teufel geschlossen, sich schließlich aber nach vielen Untaten bekehrt haben und im Stand der Heiligkeit gestorben sein soll.

Dabei stellt sich die Frage, was an diesem Don Juan und seinem Charakter so fasznierend war, dass seine Geschichte immer wieder in verschiedensten Variationen auf die Bühne kam.
War es erstens die Diskrepanz zum Alltag, die gerade vom Adel Selbstbeherrschung, Moral, Ehre und einen höheren Geist verlangte?
Oder war es Stoff, der das unmoralische Handeln des Adels kritisieren sollte?
Fungiert "Don Juan"stellvertretend für die Sehnsüchte der Aristokraten und Autoren , die entgegen ihrem gelebten Alltag davon träumten Abenteurer, Charmeure und "hommes á femmes" zu sein, deren Reiz sich selbst die moralischsten und gefestigsten Damen nicht entziehen könnten?

In einer philosphisch-pyschologischen Betrachtung wird Don Juan parallel zu einem Vergewaltiger gesehen, der vor allem den Damen der Gesellschaft Gewalt antut, indem er ihre Moral mit Füssen tritt und sie gebraucht/missbraucht. Nur, im Gegensatz zu einem Vergewaltiger gebraucht er nicht körperliche Gewalt sondern Verführung.

17.18. Jahrhundert
Erste Stücke bzw. Texte zu "Don Juan" sollen frühzeitig (spätestens um 1700 ) unter dem Titel " El ateista fulminado " im Umlauf gewesen sein.
Ein Mönch mit dem Namen Gabriel Téllez brachte als "Tirso de Molina" das Stück "El burlador de Sevilla y convidado de piedra (Der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast)" auf die Bühne.
Allerdings gibt es ein noch früheres Stück von Andres de Claramonte, das als "Burlador de Sevilla" bereits 1624 in Madrid uraufgeführt wurde und ab 1630 als Text zur Verfügung stand.
Noch zu Ende des 17. jahrhunderts wurde Molinas Stück mehrfach überarbeitet, so z.B. in Spanien selbst von Antonio de Zamora, zuvor in Italien von Cigocini (Il convitato di pietra, 1650), dann in O. Gilibertis Bearbeitung (1652), die den Stoff als Komödie ansahen . Über Italien ging das Stück/Thema nach Frankreich, wo zuerst Dorimon (1658 in Lyon) das Stück von Giliberti als "Le festin de pierre, ou le fils criminel" zur Aufführung brachte. Ein Jahr später Villiers eine solche als Tragikomödie" 1659 in Paris auf die Bühne brachte. Der Stoff erregte hier so großes Interesse, dass Moliére nach demselben seinen "Dom Juan ou le Festin de pierre" bearbeitete, der 1665 zum erstenmal aufgeführt wurde.
Thomas Corneille brachte das Stück 1677 in Verse, und in dieser Gestalt ging es bis Mitte des 19. Jahrhunderts (1847) über die französischen Bühnen.
Durch Moliere angeregt, verfasste 50 Jahre später auch Goldinidas ein spanisches Stück als "Don Giovanni Tenorio, osia: il dissoluto punito".
Neben diesen dramatischen Bearbeitungen gab es auch Versuche, den Stoff als Oper oder Ballett zu behandeln, z.B. Mozarts Meisterwerk "Il dissoluto punito, ossía Don Giovanni (1787, nach Da Pontes Textbuch komponiert).

Zur Übersicht eine Aufstellung der Werke (1600-1889):
Achtung: keine Links!NN: El ateista fulminado
Tirso de Molina (oder Andrés de Claramonte): El burlador de Sevilla y convidado de piedra (1630)
Paolo Zehentner: Promontorium Malae Spei (1643)
Giacinto Andrea Cicognini: Il convitato di pietra (Komödie, 1650)
Nicolas Drouin (dit Dorimon): Le festin de pierre, ou le fils criminel (1658)
Molière: Dom Juan ou le Festin de pierre (1665)
Claude de La Rose (dit Rosimond): Festin de pierre, ou l’athée foudroyé (1669)
Thomas Shadwell: The libertine destroyed (1676)
Antonio de Zamora: Jede Frist läuft ab und jede Schuld wird bezahlt und Der steinerne Gast (1714)
Carlo Goldoni: Don Giovanni Tenorio, osia: il dissoluto punito (1736)
Christoph Willibald Gluck, Gasparo Angiolini: Don Juan (Ballettpantomine, 1761)
Giuseppe Gazzaniga, Giovanni Bertati: Don Giovanni (1787)
Wolfgang Amadeus Mozart, Lorenzo da Ponte: Don Giovanni (Oper, 1787)
E. T. A. Hoffmann: Don Juan (Novelle, 1813)
Lord Byron: Don Juan (Epos, 1819-24)
Christian Dietrich Grabbe: Don Juan und Faust (Tragödie, 1828)
Prosper Mérimée: Les âmes du purgatoire (Roman, 1834)
Alexander Puschkin: Kamennyj Gost (Der steinerne Gast, dramatische Dichtung,1830)
Alexandre Dumas der Ältere: Don Juan de Maraña (Drama, 1836)
Nikolaus Lenau: Don Juan (Drama, 1844)
José Zorrilla y Moral: Don Juan Tenorio (1844)
Charles Baudelaire: Don Juan aux enfers (1861)
Paul Heyse: Don Juans Ende, 1883
Richard Strauss: Don Juan (Tondichtung, 1889)
 
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Die anhaltende Popularität des Stoffes scheint darauf hinzudeuten, daß es sich hier um etwas Zeitloses handelt, daß die Menschen immer wieder angesprochen hat. Da der Stoff heute noch, im Gegensatz zu anderen 'Hits' und 'Bestsellern', bekannt ist, tippe ich and dieser Stelle mal darauf, daß Sehnsüchte und übertragbare Kritik durchaus eine große Rolle dabei spielen, jedenfalls insofern als diese entweder erkannt oder hineininterpretiert werden können.

Dabei fanden wahrscheinlich durch den Akt des Interpretierens immer wieder Gedankenwelt und Lebensumstände des jeweiligen Autors Eingang in die Geschichte. Auf der einen Seite waren soziale Strukturen und Alltag bis zu einem gewissen Grad vermutlich erkennbar, auf der anderen Seite die Möglichkeit des Abenteuerlichen, die ja dadurch das sie im Erkennbaren angesiedelt ist fast greifbar wird. Ob man den Stoff jetzt wirklich als getreue Darstellung der sozialen Gegebenheiten betrachten kann, möchte ich anzweifeln, obgleich die Dichtung durch die Lebens-und-Gedankenswelt des Autors immer beeinflußt war und bleibt, also bis zu einem gewissen Grade ganz bestimmt gängiges Gedankengut, Wissen und Lebensumstände verwendet.

Als Beispiel fällt mir dazu jetzt nur 'Romeo und Julia' ein, wo es eine Szene gibt in der ein Mädchen als 'Green and Sick' bezeichnet wird. Zu Deutsch: sie leidet unter Blutarmut. Zwar spielt das ganze Stück zwar in Italien, also fernab der englischen Heimat Shakespeares, aber was hier wohl eine Rolle spielt sind die medizinischen Erkenntnisse aus Shakespeares Umfeld, die besagen, daß Mädchen nur unter Blutarmut leiden, weil sie nicht verheiratet sind, weswegen ihnen der männliche Samen fehlt, der anscheinend als Heilmittel dagegen angesehen wurde. Italien war vermutlich den meisten Zuschauern die sich unten vor der Bühne tummelten fremd, aber was dargestellt wurde, war nicht zu fremdartig um nicht verstanden zu werden.

Der Gedankengang über die Blutarmut konnte von Shakespeares Zeitgenossen vermutlich ohne Erklärung verstanden werden. Leider kenne ich mich nur bedingt mit medizinischen Erkenntnissen der frühen Neuzeit außerhalb Englands aus und weiß deshalb nicht, ob dieser Zusammenhang geteilt wurde, also stelle ich hier mal frech die Behauptung auf es handele sich um eine englische Eigenart. :pfeif:

In einer mir bekannten keuscheren Interpretation, neueren Datums, wird die Farbe 'grün' mit 'eifersüchtig' und 'charakterlich unreif' assoziiert, was auch Sinn machen kann. 'Sick' wurde mir 'verliebt' gleichgesetzt im Sinne von 'love-sick', womit dann meine damalige Englischlehrerin beim romantischen Tenor blieb. Leider kann man den Barden ja nicht mehr befragen wer jetzt Recht hat, aber ich bin immer eher gewillt von ihm zu glauben, daß er mal wieder eine anstössige Anspielung gemacht hat, sonst hätte man in folgenden Jahrhunderten nicht so viel Zeit damit verbracht ihn zu 'säubern'. :)

Was ich damit, bevor mir hier alles aus dem Ruder läuft, sagen will, ist das meines Erachtens nach immer gewisses Alltagswissen einfließt, welches durchaus Aufschlüsse auf die jeweiligen Lebenswelten geben kann, aber die verschiedenen Interpretationen und wie sie aufgenommen wurden ebenso Aufschluß über die alltägliche Gedankenwelt und Gesellschaftsstruktur geben. Hmm...

Weiß man wie das Stück über Don Juan anfangs des 17. Jahrhunderts aufgenommen und interpretiert wurde? Und mit welcher Absicht wurde es geschrieben? Wurde es aufgrund des Endes als moralisierend angesehen? Hat sich die Auffassung und Interpretation im Laufe der Jahrhunderte geändert?
 
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Weiß man wie das Stück über Don Juan anfangs des 17. Jahrhunderts aufgenommen und interpretiert wurde? Und mit welcher Absicht wurde es geschrieben? Wurde es aufgrund des Endes als moralisierend angesehen? Hat sich die Auffassung und Interpretation im Laufe der Jahrhunderte geändert?
Die ersten Interpretationen wurden hinter Klostermauern zum bestengegeben, waren also durchaus moralisierend.
Es hat auch im Umfeld verschiedener Interpretationen Skandale gegeben. Hintergrund war ja ursächlich, dass von Aristokratie und hochrangigen Offizieren ein bestimmter Verhaltenskodex, sprich Ehre und Edelmut vorausgesetzt wurden und im Mittelpunkt der Erzeihung standen, oder zumindest stehen sollten.

Ein Aristokart sollte jedenfalls die Ehre der Frau nicht antasten und ihr mit gebotenem Respekt begegnen.

Ein "Don Juan" war anfänglich also keinCharakter, den man sich überstreifen sollte weil man damit in der Achtung der Seinen oder Freunde steigen konnte.

Erst zu Zeiten der Hochromantik, als Schauergeschichten die Runde machten und junge Damen erschauern liessen, neigte sich der schlechte Ruf eines "Don Juan" zum besseren.
Shakespeare war ja mit der Erste, der in "Romeo und Julia" die reine Liebe und den Wunsch nach einer Heirat aus Liebe zum Ideal stilisierte, wenn sie hier auch unglücklich ausgehen musste, weil die zeit darfür nooch nicht reif war. Man könnte sagen, er war seiner Zeit voraus. Nichts destotrotz ist sein Romeo ein Ideal, ein Ritter der Liebe, anders als Don Juan, der die Lieb und damit die gefühle der damen mit Füssen tritt. Don Juan geht es nur um Spass, um Sex um des Spasses willen, nicht einmal wirklich um körperliche Anziehung. es geht nicht um das "Haben wollen oder müssen", vordergründung geht es um Triebhaftigkeit.
Allein seine Mittel, sich ehrenhafte Damen zu unterwerfen, mögen Vorbild gewesen sein. Hochtrabende Sprüche, wie sie heute noch die Runde machen, nach dem Motto" ich kann sie/Euch alle haben".
 
Die ersten Interpretationen wurden hinter Klostermauern zum bestengegeben, waren also durchaus moralisierend.
Es hat auch im Umfeld verschiedener Interpretationen Skandale gegeben. Hintergrund war ja ursächlich, dass von Aristokratie und hochrangigen Offizieren ein bestimmter Verhaltenskodex, sprich Ehre und Edelmut vorausgesetzt wurden und im Mittelpunkt der Erzeihung standen, oder zumindest stehen sollten.

Ein Aristokart sollte jedenfalls die Ehre der Frau nicht antasten und ihr mit gebotenem Respekt begegnen.

Wenn man dabei bedenkt, daß spanische Könige im 17. Jahrhundert die Angewohnheit hatten ihre abgelegten Geliebten ins Kloster zu schicken, kommt's mir ein wenig fies vor dann ein solches Stück auch noch im Kloster aufzuführen. :S

Ich frage mich nur gerade in wie weit, dieser Ehrenkodex auch gegenüber 'einfachen' Frauen galt. War es also eine 'Schauergeschichte' die Damen Keuschheit beibringen und aristokratische Herren lehren sollte diese Ehrbarkeit zu akzeptieren? Hat das nicht zur gleichen Zeit das Signal gesendet, daß 'der Teufel einen holen kommt', wenn man sich an der falschen Dame vergreift, also sollte man sich lieber anderweitig vergnügen?

(Ich kenne Don Juan eher beiläufig, also keine rhethorischen Fragen, sondern ich weiß es wirklich nicht ;) )



Shakespeare war ja mit der Erste, der in "Romeo und Julia" die reine Liebe und den Wunsch nach einer Heirat aus Liebe zum Ideal stilisierte, wenn sie hier auch unglücklich ausgehen musste, weil die zeit darfür nooch nicht reif war. Man könnte sagen, er war seiner Zeit voraus. Nichts destotrotz ist sein Romeo ein Ideal, ein Ritter der Liebe, anders als Don Juan, der die Lieb und damit die gefühle der damen mit Füssen tritt. Don Juan geht es nur um Spass, um Sex um des Spasses willen, nicht einmal wirklich um körperliche Anziehung. es geht nicht um das "Haben wollen oder müssen", vordergründung geht es um Triebhaftigkeit.


Eigentlich war 'Romeo und Julia' nur das erste Beispiel das mir einfiel, aber der Vergleich zwischen ihm und Don Juan ist interessant. Romeo tut sich vielleicht nicht durch sexuelle Abenteuer hervor, aber ist durchaus gewillt seine Liebe von einem Moment auf den nächsten auf eine andere Dame zu übertragen. Von Rosalind zu Julia, von einem Moment auf den Nächsten, und Julia ist anfangs nicht ganz überzeugt, Akt II, Szene 2: It is too rash, too unadvised, too sudden; [...]

Und dann kommt von Romeo etwas später die Frage: O, wilt thou leave me so unsatisfied?

Letztendlich ist es Julia die auf Heirat drängt: If that thy bent of love be honourable,Thy purpose marriage, send me word to-morrow [...]

Freilich heiratet Romeo seine Julia im Verlauf des Stückes, aber je nach Interpretation kann man meines Erachtens nach, seine anfänglichen Motive durchaus in Frage stellen. Vielleicht kann man 'Romeo und Julia' auch als eine Art doppelte Warnung lesen, zum Einen an junge Verliebte, und zum Anderen an die Eltern dieser Verliebten, wobei man dann doch den Unterschied zwischen Don Juan and Romeo machen muss, da der Letztere im Laufe des Stückes von seiner anfänglichen Wechselhaftigkeit rehabilitiert wird. Don Juan erhält ja eine 'gerechte' Strafe, wohingegen das Sterben Romeos durch die Liebe zur Tragödie wird.

Auf der anderen Seite kann man es auch so interpretieren, daß Shakespeare zum Schluß Romeo noch mal 'eins reinwürgt'. (Sorry, mir ist gerade keine bessere Formulierung eingefallen.) Immerhin lässt er Romeo durch Gift sterben, was eher mit Frauen assoziert wird, also könnte man sagen, daß er 'weibisch' als Sklave seiner Gefühle stirbt, wohingegen Julia eine Dolch benutzt und 'männlich' stirb. Hmm... jetzt bin ich gerade am Überlegen ob man 'Romeo und Julia' und 'Don Juan' als Teile eines zeitgenösseischen Kanons über Sitte, Ehre, Anstand und Vernunft betrachten kann, und frage mich in wie weit Julias Rang als Dame eine Rolle gespielt hat?

('tschuldige, daß ich deinen hochinteressanten Beitrag über Don Juan als Geschichte oder Fiktion auf solche Abwege geführt habe! :red:)
 
('tschuldige, daß ich deinen hochinteressanten Beitrag über Don Juan als Geschichte oder Fiktion auf solche Abwege geführt habe! :red:)
Oh, nicht doch. Der Fehler, den viele heutige Leser klassischer Werke machen ist sicher, sie nicht im Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Man sollte versuchen sie sozusagen mit den Augen des Autors, seiner damaligen Leser zu sehen/lesen.
 
Juan war der jüngste Sohn des Admiral Alonzo Jufre Tenorio aus dem Stammhaus der Hidalgos, der gegen die Mauren kämpft und sich dabei einen Namen gemacht hatte. Juan selbst war Höfling des kastilianischen Königs Pedro I (der Grausame), an dessen Taten er derartigen Anteil hatte, dass sein Name in Sevilla und der Umgegend zum Gegenstand der abenteuerlichsten und schauerlichsten Erzählungen wurde.

Woher hast Du das mit dem Stammhaus der Hidalgo? Das dürfte nämlich ein Missverständnis sein der hidalgo < fidalogo (= hijo de algo, 'Sohn von etwas') ist der niedrigste Adelstitel; die Feinde des Cid verspotten diesen im Epos z.B. dass er eigentlich der Sohn eines Müllers sei. Es gibt zwar den Nachnamen Hidalgo, aber sofern ich das überblicke, war er im MA nicht bekannt und vor allem für ein Adelsgeschlecht von Bedeutung nicht standesgemäß. (Ich vermute, dass der Nachname Hidalgo ein Rest des Adelstitels ist, da sich dieser Adelstitel durch die Reconquista dermaßen ausbreitete, dass beinahe jeder Spanier im 16. Jahrhundert für sich beanspruchen konnte, adelig zu sein. Wenn ich weiter bedenke, dass es sich bei den Tenorios um eine galizische Familie handelt, dann wäre bei hidalgo als Eigennamen die Schreibweise Fidalgo zu erwarten.
Zum zweiten der Ausdruck *kastilianisch: Der entspricht zwar eher dem spanischen Wort castellano, dennoch heißt es im Deutschen korrekterweise kastilisch.

Was Peter und seinen Beinamen der Grausame angeht, so muss man sagen, dass hier eine ausgemachte Feindpropaganda Wirkung zeigt. Enrique de Trastámara, sein illegitimer Halbbruder führte nämlich im 14. Jahrhundert Krieg gegen Pedro und obwohl er zunächst geschlagen wurde (vom Black Prince, dem englischen Thronfolger (der aber vor der Thronfolge das Zeitliche segnete)), gelang es ihm schließlich Pedro zu besiegen. Bei den Kapitulationsverhandlungen in Enriques Zelt soll Pedro den Dolch gezückt haben, aber von Enrique überwältigt worden sein, jedenfalls brachte letzteren ersteren wohl ohne Augenzeugen um... Die angebliche Grausamkeit Peters war aber nichts weiter, als die Legitimation der Usurpation. Offensichtlich hatte Peter die Rechte des städtischen Bürgertums gegenüber denen des Adels stärken wollen.

Zuletzt soll er versucht haben, eine junge sevillanische Frau mit Namen Giralda zu verführen, und in diesem Zusammenhang ihren Vater, den Gouverneur der Stadt, im Zweikampf getötet haben. Als er darauf im Übermut die dem Gouverneur errichtete steinerne Statue zum Nachtessen lud, sei dieser wirklich erschienen und mit ihm zur Hölle gefahren.

Dabei handelt es sich dann dann sicher um keine lokale Schöpfung: La Giralda ist der Glockenturm der Kathedrale von Sevilla, gebaut als Minarett der Almohadenmoschee.

Überhaupt spielt die Urfassung des Don Juan nicht im 14. sondern im 16. Jahrhundert.

Ein Mönch mit dem Namen Gabriel Téllez brachte als "Tirso de Molina" das Stück "El burlador de Sevilla y convidado de piedra (Der Verführer von Sevilla und der steinerne Gast)" auf die Bühne.
Allerdings gibt es ein noch früheres Stück von Andres de Claramonte, das als "Burlador de Sevilla" bereits 1624 in Madrid uraufgeführt wurde und ab 1630 als Text zur Verfügung stand.

Das ist falsch: Man nimmt an, dass der burlador de Sevilla der Gabriel Téllez zugeschrieben wurde in Wahrheit von Andres de Claramonte stammt. Es geht hier also um einen Text, nicht um zwei verschiedene gleichen Namens. Beide Autoren waren Zeitgenossen.
 
Oh, nicht doch. Der Fehler, den viele heutige Leser klassischer Werke machen ist sicher, sie nicht im Kontext ihrer Zeit zu betrachten. Man sollte versuchen sie sozusagen mit den Augen des Autors, seiner damaligen Leser zu sehen/lesen.

OT: Da stimme ich dir vollkommen zu. Aber, das ist manchmal leider gar nicht einfach, wie man oftmals bei Rezensionen über Jane Austens Werke sieht, wo dann gefragt wird warum alle Protagonisten so versessen auf Geld sind. Im Zeitalter von Rentenversicherungen etc, macht das weniger Sinn als zu Jane Austens Zeiten, was dann eigentlich genausoviel über unsere Zeit aussagt wie ihre. :)
 
Dabei handelt es sich dann dann sicher um keine lokale Schöpfung: La Giralda ist der Glockenturm der Kathedrale von Sevilla, gebaut als Minarett der Almohadenmoschee.
Im spanischen gibt es allerdings auch den Familiennamen Giralda, mehrere Hotels gleichen Namens, Center etc pp.

Zu der Geschichte gibt es ja auch zwei Sagen, die sich überschneiden bzw. im Laufe der Jahrhunderte verschieden erzählt werden.

Die Frage ist ja auch, nachdem die Sage ein tatsächliches, lebendes Vorbild hatte, wieviel davon Dichtung und Wahrheit ist? :S
 
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Im Spanischen gibt es allerdings auch den Familiennamen Giralda, mehrere Hotels gleichen Namens, Center etc pp.

Familiennamen? Hotels klar, aber deren Namen beziehen sich meist auf die touristische Attraktion.

Die Frage ist ja auch, nachdem die Sage ein tatsächliches, lebendes Vorbild hatte, wie viel davon Dichtung und Wahrheit ist. :S
Geh mal von viel Dichtung und wenig Wahrheit aus. Kunst hat häufig - nicht immer - eine didaktische Funktion.
 
Im Burlador de Sevilla heißt die Tochter des Gonzalo de Ulloa Ana. Allerdings spielt die Erzählung doch irgendwie im 14. Jahrhundert, nämlich unter der Regentschaft von Alfons XI. (*1311 - +1350, König ab 1312), wobei der König von Portugal im Stück Johann heißt (es gab damals keinen entsprechenden König in Portugal, erst zwei Generationen später) und schon Schiffe aus Goa erwartet (Indien wurde von den Portugiesen nicht vor 1498 erreicht). Also alles in allem recht anachronistisch.
 
Geh mal von viel Dichtung und wenig Wahrheit aus. Kunst hat häufig - nicht immer - eine didaktische Funktion.
Das heisst also, Don Juan hat es so nicht gegeben?
Dabei steckt in jeder Sage ein wahrer Kern, nur dass sie im nachhinein prächtig ausgeschmückt wird.

Natürlich hat es weder den Pakt mit dem Teufel gegeben, noch einen Teufel, der Don Juan holt.
Ich wüsste gern, weiviel seiner "Greueltaten" historisch belegt sind bzw ob sich Belege dafür heute noch (oder wieder?) finden lassen, nachdem alle möglichen alten Schriften und Briefe gescannt werden. :)
 
Dabei steckt in jeder Sage ein wahrer Kern, nur dass sie im nachhinein prächtig ausgeschmückt wird.

Abgesehen von dem Postulat "in jeder Sage steckt ein wahrer Kern" welches ich für historisch unhaltbar halte, handelt es sich beim Don Juan-Stoff nicht um eine Sage aus dem Volksmund sondern um ein Theaterstück eines gelehrten Mönchs.

Manuel
Mañara dessen Konversion mit der des Don Juan verglichen wurde, kann die Figur nicht beeinflusst haben, da er zum Zeitpunkt der Erstaufführung erst drei Jahre alt war.
 
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Es gab in der Tat einen Juan (Jufre) Tenorio als Höfling Pedros I. Der war Hauptfalkner (Halconero mayor) und nach José Ignacio Ortega Cervigón bzw. Clara Estow auch Repostero mayor also der nominell Verantwortliche für die Küche. Mehr ist über diesen Juan allerdings nicht zu erfahren.
Interessant. Demnach war in Spanien ein Falkner, was meines Wissens in den Königs- und Fürstenhäusern ein wichtiger Job war, zumal gut trainierte Falken ein Vermögen wert waren, gleichbedeutend mit einer Art Küchenchef? :grübel: Zumindest sehr ungewöhnlich diese Kombination. Falken landeten ja auch recht selten im Küchentopf. :devil:
 
Interessant. Demnach war in Spanien ein Falkner, was meines Wissens in den Königs- und Fürstenhäusern ein wichtiger Job war, zumal gut trainierte Falken ein Vermögen wert waren, gleichbedeutend mit einer Art Küchenchef? :grübel:

Nein! Es handelte sich um zwei Ämter die er innehatte.
 
Recht interessant ist dieser auch Artikel: Don Juan as Psychopath. Im Übrigen ist die Sekundärliteratur so unüberschaubar wie die Zahl der Bearbeitungen des Stoffes.

Ich frage mich nur gerade in wie weit, dieser Ehrenkodex auch gegenüber 'einfachen' Frauen galt.

In Tirsos Version jedenfalls nicht. Die von D.J. verführte "villanas", Fischerin und Bauernmädchen, haben keine "Ehre" zu verlieren, erleiden auch keinen Schaden (z. B. in Bezug auf ihre Heiratschancen) und müssen deshalb auch nicht rehabilitiert werden. Ihre Verführung ist Folge einer mehr oder weniger verzeihlichen Naivität und kann vom Publikum getrost belacht werden --> Komödie.

Je nach dem, welche Metamorphosen der Don-Juan-Stoff durchmacht, verändert sich diese sozialgeschichtliche Bewertung natürlich, insbesondere im Zuge der späteren Aufklärung.
 
In Tirsos Version jedenfalls nicht. Die von D.J. verführte "villanas", Fischerin und Bauernmädchen, haben keine "Ehre" zu verlieren, erleiden auch keinen Schaden (z. B. in Bezug auf ihre Heiratschancen) und müssen deshalb auch nicht rehabilitiert werden. Ihre Verführung ist Folge einer mehr oder weniger verzeihlichen Naivität und kann vom Publikum getrost belacht werden --> Komödie.
Bei den einfachen Frauen wurde vom potentiellen Gatten aus also nicht erwartet, dass sie unversehrt waren? Oder bediente man sich hier nur einer gewissen Pragmatik, nach dem Motto:"Eher unwahrscheinlich, dass eine junge Frau als Jungfrau in die Ehe geht"?:grübel:

Interessant ist hierbei, dass in einem Buch über das London um 1700 erwähnt wird, dass eine Lydia Bennet eine Klinik hatte, die sich damit befasste entjungerften Frauen ein künstliches Hymen einzusetzen, wozu es auch einen Sammelpreis gab. Sorry, muss den Buchtitel erst wieder suchen.
Es scheint also durchaus wichtig gewesen zu sein, Jungfrau zu sein. Es ist anzunehmen, dass es im streng-katholischen Spanien noch wichtiger war. Oder galt das im M ittelalter nicht? :grübel:
 
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Interessant ist hierbei, dass in einem Buch über das London um 1700 erwähnt wird, dass eine Lydia Bennet eine Klinik hatte, die sich damit befasste entjungerften Frauen ein künstliches Hymen einzusetzen, wozu es auch einen Sammelpreis gab. Sorry, muss den Buchtitel erst wieder suchen.

Vielleicht Maureen Waller's '1700: Scenes from London Life'? Ist zu Deutsch, glaube ich, als 'Henker, Huren, Hugenotten' oder so bekannt. Auf jeden Fall wird in diesem Buch ein solches Verfahren erwähnt.

Ich hab's gefunden: '...Lost maidenheads are ten a penny, when they can be surgically restored by Mrs Lydia Bennet at her Knightsbridge Clinic cum convalescent home and "sold to new customers ten times over".' (p 295)

(Also mir war eher das 'Pucker Water' ein Begriff, an dessen genaue Zusammensetzung ich mich gerade nicht erinnere, aber die Wirkung war, daß sich alles zusammengezogen hat, was dann den gewünschten Eindruck erweckt hat.)

Ob's bei einfachen Frauen nicht erwartet wurde, daß sie als Jungfrauen in die Ehe kamen, kommt vermutlich auf die Umstände an. Über Spanien weiß ich da leider wenig bis nichts, aber ich bin dabei mich durch ein Buch über Schottland im 17./18. Jahrhundert zu rackern, wo anscheinend gesellschaftlich differenziert wurden zwischen einfachen Frauen die ihre Jungfräulichkeit an einen Mann gleichen Standes verloren haben, und Frauen die sie an einen höher gestellten Mann verloren haben. Das letztere war weniger schändlich. Könnte es sein, daß es in Spanien ähnlich betrachtet wurde? :grübel:
 
Vielleicht Maureen Waller's '1700: Scenes from London Life'? Ist zu Deutsch, glaube ich, als 'Henker, Huren, Hugenotten' oder so bekannt. Auf jeden Fall wird in diesem Buch ein solches Verfahren erwähnt.

Ich hab's gefunden: '...Lost maidenheads are ten a penny, when they can be surgically restored by Mrs Lydia Bennet at her Knightsbridge Clinic cum convalescent home and "sold to new customers ten times over".' (p 295)
Du bist ein Schatz! ja, genau das war's. Die Stelle stach mir gerade wegen Lydia Bennet so sehr ins Auge, die sich bei JA ja auch sehr skandalös verhält und Jungfernschaft auch nicht als so wichtig erachtet. Aber das ist OT..
 
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