Daniel Chodowiecki

Brissotin

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Liebe Leserschaft,
nachdem ich zu Martin van Meytens zwar keine Resonanze erfahren durfte, versuche ich es diesmal zu Daniel Chodowieki (1726-1801). Zu Recht gilt er als bedeutenster deutscher Illustrator, Kupferstecher und Grafiker des 18.Jahrhunderts und gehört wohl auch zu den wichtigsten deutschen Künstlern überhaupt. Kulturhistorisch wertvoll sind u.a. seine Illustrationen in Johann Bernhard Basedows (1724-1790) ( http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Bernhard_Basedow ) "Elementarwerk für die Jugend und ihre Freunde" (1774). Bekannt sind auch seine kleine karrikaturenhaften Stiche, seine Stiche mit historischem Hintergrund und seine Porträts.
Ich habe mal nach Publikationen über ihn geschaut, wobei mich die relativ geringe Anzahl aktueller Werke zu seinem Schaffen erstaunten. Kann jemand unter ihnen oder darüber hinaus eines empfehlen? http://dispatch.opac.d-nb.de/DB=4.1/REL?PPN=118520512


Bei Wikipedia gibt es ein sehr schönes Bild von Chodowiecki, das thematisch sehr seinen Stichen ähnelt und durch eine Einfachheit und Präzision besticht. http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Daniel_Nikolaus_Chodowiecki_001.jpg
Hier stehen noch ein paar mehr Lebensdaten als in Wikipedia.
http://www.ostsee-urlaub-polen.de/gdansk/geschichte-chodowiecki.htm

Hier ist eines meiner absoluten Lieblinge, einfach auf Chodowiecki klicken!:yes: http://artroots.com/art/art22_index.html
Was meint ihr, ist das karikaturenhaft gemeint oder einfach nur selbstironisch, aber dennoch realistisch?
 
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Was mir schon vorliegt...

... wäre "Deutsche Zeichnungen des 18.Jahrhunderts zwischen Tradition und Aufklärung" Gebr. Mann Verlag - Berlin 1987.
Worum es mir fordergründig geht ist die Einordnung eines Kunstwerkes von der Hand von Daniel Nikolaus Chodowiecki, "Der Retter", zu dem mir nur die grobe Datierung 1780 vorliegt.
Könnte es sich um eine Voltaire-Illustration, wie seine Zeichnungen zum "Almanac Généalogique (um 1782 bzw. um 1776) handeln?
Ich habe den Stich sogar im Netz unter einem anderen Titel und einer leicht anderen Datierung gefunden. Auf der dazugehörigen Homepage wird auch der textilhistorisch interessante Inhalt des Stiches erklärt. http://www.marquise.de/database/dbout.php?name=177x_22.jpg&pfad=1700
 
Lieber Brissotin

Vielleicht geht es bloss mir so, aber ich kann mich für die Werke von Chodowiecki nicht so recht begeistern. Mag sein, dass ich ein Banause bin. Aber seine "Zeichnungen" erinnern mich ein wenig an Mangas. Mir ist das alles zu moralisch, zu nett, zu hübsch. In den Zeiten von Revolution und gesellschaftlicher Umgestaltung zeichnet er das "Leben eines Liederliche" usw. Das ist mir zu brav und zu oberflächlich und zu scheinheilig.

Ich kann mich für seine Kunst nicht erwärmen...

Gruss Pelzer

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Zu seiner Zeit war Daniel Chodowiecki, dessen Bruder Miniaturen für Medallions und ähnliches malte, jedenfalls sehr beliebt, wie dieses Zitat aus Wiki belegt
Goethe schätzte den Künstler sehr und beschrieb ihn in seinen „Maximen und Reflexionen“ als einen sehr respektablen und wir sagen idealen Künstler, weit bekannt durch seine Zeichnungen und kleinen Kupferstiche, Szenen des bürgerlichen Lebens darstellend, worin ihm Ausdruck und Charakter der Figuren oft vortrefflich gelang. Mehr Ideales war in dem Kreise in dem er arbeitete nicht zu fordern. In „Dichtung und Wahrheit“ heißt es aus Anlass der Nicolaischen Gegenschrift „Die Freuden des jungen Werthers“: Jene Broschüre kam uns bald in die Hände. Die höchst zarte Vignette von Chodowiecki machte mir viel Vergnügen, wie ich denn diesen Künstler über die Maßen verehrte.
Ein Spitzname von Chodowiecki war "petit maitre", also "kleiner Meister".

 
Lieber Brissotin

Vielleicht geht es bloss mir so, aber ich kann mich für die Werke von Chodowiecki nicht so recht begeistern. Mag sein, dass ich ein Banause bin. Aber seine "Zeichnungen" erinnern mich ein wenig an Mangas. Mir ist das alles zu moralisch, zu nett, zu hübsch. In den Zeiten von Revolution und gesellschaftlicher Umgestaltung zeichnet er das "Leben eines Liederliche" usw. Das ist mir zu brav und zu oberflächlich und zu scheinheilig.
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Es ist genau das Gegenteil davon.

Man muss eben die Texte Georg Christoph Lichtenbergs und dessen bissigen Humor dazu kennen. Lichtenberg war ein Vertreter des Aphorismus erster Güte und seine Aussagen zum Beispiel in "Der Fortgang der Tugend und des Lasters" sind eben ohne die Illustrationen, des von Lichtenberg so erwünschten Zeichners Chodowiecki nicht wirklich verständlich.
Ich glaube Mercy ist z.B. ein Anhänger Lichtenbergs.

Chodowiecki war vornehmlich Illustrator der großen Werke seiner Zeitgenossen: Schiller, Lichtenberg, Basedow, Lessing, Goethe... In dem Zusammenhanf mit den Wünschen der Autoren von damals, kann man das erst alles begreifen. Man riss sich schier in der 2. Hälfte des 18.Jh. darum, dass Chodowiecki Illustrator eines Werkes wurde, was sich dadurch erklären lässt, weil die Illustrationen der Bücher dieser Zeit einen enormen Aufschwung im Stellenwert erfuhren.
So sind die Stiche immer im Sinne der Literaten. Basedow wollte erziehen, also stellt sich Chodowiecki in dessen Dienste und zeichnete für Kinder (von damals!). Für Lichtenbergs ätzender Kritik an der Physiognomik Lavaters zeichnete Chodowiecki Charakterköpfe, die im Zusammenhang mit Lichtenbergs Texten den Unsinn von Lavaters Theorien offenbaren sollten. Für Goethes Werke zeichnete er einmal süßlicher und ganz ungewohnt ohne mit Karikaturen seine Umwelt zu charakterisieren.

Dennoch ist mir Chodowiecki in erster Linie als Karikaturist und scharfer Kritiker seiner Zeit vor Augen. Wie er seine Berliner zeichnete und auch sein eigenes Leben in den Journalen festhielt, das laviert immer zwischen Humor und schonungslosem Abbild von Zuständen des Elends. (Wie sonst als elend wirkend kann man den armen Chodowiecki auf seinem Pferd auf der Reise nach Danzig auf mancher Zeichnung beschreiben?) Manchmal ist Chodowiecki sogar ganz unpartentiöser Abbilder seiner Lebenswirklichkeit gewesen.( File:Bettelndes Soldatenweib.png - Wikimedia Commons ) Man schaue sich einmal seine Gemälde von Berliner Wohnverhältnissen wie auf "Die Wochenstube" an!
Kein Wunder daher, dass er einer der ersten Quellen zum 18.Jh. ist und man seine Stiche in den allermeisten Werken zu der Zeit noch heute findet. (Also die meisten modernen Darstellungen zu Mode, Friedrich II., aber auch das Zeitalter der Aufklärung (wie das von Barbara Stollberg-Rilinger) sind voll mit seinen Werken!)

Moralisierend, in der Tat, ist allerdings, Pelzer, mindestens ein Werk Chodowiekis. Nämlich das zum Prozess gegen Jean Calas. http://www.geschichtsforum.de/264165-post2.html Hier bezog Chodowiecki, wohl auch verständlich in seiner verwandschaftlichen Beziehung zu Berliner Hugenotten (!!!), eine eindeutige Stellung für den Hingerichteten und das Schicksal der Hinterbliebenen. Scheinbar war dieses Thema auch sehr beliebt und wurde dann auch nachgestochen und es gab dieses in verschiedenen Versionen...


Von seinen Zeitgenossen war er trotz seiner spitzen Zunge im Zeichnen oder deswegen so beliebt. Das betraf aber nicht nur die Literaten, Philosophen, Aufklärer und Denker, sondern auch die Künstler seiner Zeit wie Anton Graff, der eine lebenslange Hochachtung vor dem alten Meister bewahrte. Ein nicht geringer Hinweis auf die künstlerische Meisterschaft Chodowieckis ist wohl darin zu sehen, dass er nachdem er jahrelang Mitglied der Berliner Akademie war, sogar letztenendes zu ihrem Direktor aufstieg.:yes:

Klar ist Kunst immer Geschmackssache.:fs: Aber ich kenne einige Kunsttheoretiker aus Vergangenheit und Gegenwart, die Chodowiecki sehr zu schätzen wissen und ihn unter die Riege der großen Künstler seiner Zeit heben.:)
 
...Klar ist Kunst immer Geschmackssache.:fs: Aber ich kenne einige Kunsttheoretiker aus Vergangenheit und Gegenwart, die Chodowiecki sehr zu schätzen wissen und ihn unter die Riege der großen Künstler seiner Zeit heben.:)
Ich will ja nicht bestreiten, dass ihn manche für einen ganz grossen Künstler halten. Mir (persönlich) gefällt er nicht. Und das hat übrigens nichts mit "Geschmackssache" zu tun. Er ist mir zu harmlos.
Irgendwie dünkt mich, das war Popart im 18/19. Jahrhundert! :devil:

Gruss Pelzer

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Ich will ja nicht bestreiten, dass ihn manche für einen ganz grossen Künstler halten. Mir (persönlich) gefällt er nicht. Und das hat übrigens nichts mit "Geschmackssache" zu tun. Er ist mir zu harmlos.
Irgendwie dünkt mich, das war Popart im 18/19. Jahrhundert!
Wenn Du was harmlos nennen magst, dann passt es doch eher zu Moreau le Jeune.:D (Was auch nichts daran ändert, dass er einer der hervorragensten Vertreter der Zeichenkunst des 18.Jh. ist.)

Wen würdest Du denn im 18.Jh. nicht für harmlos nach Deinen Kriterien halten? Hogarth? Der ist ja sicherlich ebenso wie Chodowiecki dann für Dich ein harmloser Karikaturist seiner Zeitepoche.
Wille, pére? (Natürlich meine ich seine Genrestücke.)

Man muss freilich auch wissen, was die Künstler der Zeit humorig meinten, wobei da Chodowiecki sogar noch am unverschlüsselsten agiert. Sein Metzger, Kutscher, Tanzmeister usw. sehen eben nach Charakterisierungen der jeweiligen Berufe aus, auf die man leicht kommt.

Ich meine jetzt aber Künstler, die nicht direkt Karikaturisten im Zuschnitt des berühmten Gillray waren. Dass der nicht harmlos sein konnte, ist ja klar.
 
Wen würdest Du denn im 18.Jh. nicht für harmlos nach Deinen Kriterien halten?
Das ist natürlich jetzt ganau die Frage, vor der ich mich gefürchtet habe.

Ich kann mich mit dieser Art der Darstellung und diesen Themen generell schwer anfreunden. Und ich habe jetzt so spontan auch kein wirklich überzeugendes "Gegenbeispiel" aus dem 18. Jahrhundert. Aber um ein bischen zu verdeutlichen, was ich meine, möchte ich Albert Anker anführen. Natürlich, ich weiss, er ist nicht vergleichbar. Aber seine Ölbilder haben für mich gar nichts karrikaturenhaftes. Sie wirken sehr direkt und authentisch. Natürlich kann man auch zu Recht sagen, das ist Genre-Malerei, kitschig und ebenso moralisierend...

Datei:Anker Der Trinker 1868.jpg ? Wikipedia
Datei:Ruedi Anker 1869.jpg ? Wikipedia


Gruss Pelzer

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Hallo Brissotin,

ich hätte nicht gedacht, dass ich als Archäologe mal hier auf dieser kunsthistorischen Seite lande.

In meiner Bibliothek findet sich folgender Katalog:

Das Bild vom Bauern. Vorstellungen und Wirklichkeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Museum für Deutsche Volkskunde Berlin 1978.

Es enthält u.a. Kupferstiche von Daniel Chodowiecki (S. 71): Der Landmann im Winter & Der pflügende Landmann.

LG gp
 
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Das ist natürlich jetzt ganau die Frage, vor der ich mich gefürchtet habe.

Ich kann mich mit dieser Art der Darstellung und diesen Themen generell schwer anfreunden. Und ich habe jetzt so spontan auch kein wirklich überzeugendes "Gegenbeispiel" aus dem 18. Jahrhundert. Aber um ein bischen zu verdeutlichen, was ich meine, möchte ich Albert Anker anführen. Natürlich, ich weiss, er ist nicht vergleichbar. Aber seine Ölbilder haben für mich gar nichts karrikaturenhaftes. Sie wirken sehr direkt und authentisch. Natürlich kann man auch zu Recht sagen, das ist Genre-Malerei, kitschig und ebenso moralisierend...

Datei:Anker Der Trinker 1868.jpg ? Wikipedia
Das ist sehr interessant. "Der Trinker" erinnert zumindest mich an die Genremalerei von Greuze z.B..
Zum Vergleich was von Greuze:
A Boy with a Lesson Book - Jean-Baptiste Greuze Painting Reproduction
The Drunken Cobbler - Jean Baptiste Greuze

Leider habe ich auf die Schnelle nichts besseres gefunden, aber man entdeckt mit der Google-Suche sehr viele Gemälde von Greuze, der von Diderot wegen seiner moralisierenden Malerei zeitweise so überaus geliebt wurde.:)
 
In meiner Bibliothek findet sich folgender Katalog:

Das Bild vom Bauern. Vorstellungen und Wirklichkeit vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Museum für Deutsche Volkskunde Berlin 1978.

Es enthält u.a. Kupferstiche von Daniel Chodowiecki (S. 71): Der Landmann im Winter & Der pflügende Landmann.

LG gp
Gerade in solchen Zusammenhängen - Kultur- und Alltagsgeschichte - wird eben Chodowiecki als aufmerksamer Beobachter seiner Zeit heute von Historikern herran gezogen.

Ich erinnere mich gern an die Verwendung durch Linda Baumgarten, Ailleen Ribero, Venohr in seinem "Fridericus Rex" usw. ... Und Kulturgeschichte, Völkerkunde und Archäologie gehören nunmal ganz, ganz eng zusammen.:)

Der Kulturhistoriker oder Völkerkundler wertet die Erkenntnisse und Entdeckungen der Archäologen aus. Zugleich sind ihm die bildlichen Zeugnisse wie Kupferstiche eine Quelle. Ich denke da gern an einen mir bekannten Historiker der Richtung, der sich z.B. mit den Stichen aus dem späten 18.Jh. beschäftigt, worauf Trachten seiner Region abgebildet sind. Daneben ist er aber auch auf archäologische Funde (Pfeifen, Knöpfe usw.) angewiesen, woraus sich dann zusammengenommen ein Bild der Kleidung und des Alltags in der Region ergibt.
Ein Zirkelschluss geht dann zu den Archäologen, die ja dann auch wiederum die Erkenntnisse eines solchen Völkerkundlers nutzen.

Chodowieckis Darstellungen sind meines Wissens höchst interessant für Historiker wegen der Abbildungen der Berliner Mode und der landesüblichen Trachten in Sachsen, Polen usw., eben den Regionen, mit deren Einwohnern er in Berührung kam. Gerade von der Unterschicht sind ja schlicht viel zu wenig Originale für ein vollständiges und verlässliches Bild vom Alltag und v.a. den Zusammenhang erhalten, so dass man auf bildliche Quellen ganz enorm und noch für das 18.Jh. angewiesen ist.
 
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