Religionsethnologie zur Zeit der Kreuzzüge

M

-Mist-

Gast
Ich führe seit längerem eine Diskussion mit einem Klassenkameraden, da er nach wie vor behauptet, die Kreuzzüge seien ein reiner Verteidigungskrieg gewesen. Er rechtfertigt sie damit, dass ca 70% der Bevölkerung im "Heiligen Land" zu dieser Zeit christlich gewesen seien und somit von den Muslimen unterdrückt worden seien. Darauf kann ich leider nichts erwiedern, da ich mich zwar mit Kreuzzügen im allgemeinen, jedoch nicht mit diesem Aspekt auskenne und trotz langer und zeitaufwändiger (wenn auch äußerst interessanter) Suche in diesem (super tollen) Forum keine Antwort darauf gefunden habe.
Das Argument der schlichten Dummheit/Unwissenheit jener person kann ich ausschließen, da es sich um einen äußerst klugen Kopf handelt, wenn leider auch 'etwas' fundamental gepolt.^^
also meine Fragen:
1.Zu welchen Zeitpunkten war das Christentum im Morgenland wie weit verbreitet, dh. Anteile an der Bevölkerung. Und dazu evtl. Nachweise. (Frühe Entwicklung, ca bis 650 und Zeit nach den Kreuzzügen kann vernachlässigt werden)
2. Welche Religionen waren im Norden Afrikas verbreitet, bevor der Islam einzug hielt? Bzw "wie weit" kam das Christentum dort.

Hierbei sollen also die "Staatsreligionen", also die der Herrscher vernachlässigt werden, es geht rein um die Religion der Bevölkerung.

mfg, Mist
 
Ich weiß nicht genau, wann wie viele Christen im Outremer lebten und habe zur Zeit nicht genug Muße dies nachzuschauen. Ich denke aber, dass das für die Frage, ob die Kreuzzüge Verteidigungskriege waren, nicht notwendig ist.

Auch wenn Christen unter muslimischer Herrschaft in Jerusalem lebten, so war dies in der Zeit des ersten Kreuzzuges schon eine lang gegebene Situation. Jetzt kommt es darauf an, wie man "Verteidigungskrieg" versteht.
Als Ende des elften Jhdts. zum Kreuzzug aufgerufen wurde, musste man sich nicht gegen die Muslime verteidigen. Die Idee war die Rückeroberung des Heiligen Landes durch Europäer. Es waren also europäische Eroberungszüge, die gegen die Muslime geführt worden. Vielleicht könnte man, wenn man den christlichen, augusteischen bellum iustum in den Blick zieht, von einem christlichen Verteidigungskrieg sprechen, doch da möchte ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, da ich nicht firm in den Darlegungen von Augustinus bin.
Auch wenn deine Fragen interessant sind, so kann man m.E., wie gesagt, damit nicht beantworten, ob es sich um Verteidigunskriege handelte.
Es waren Eroberungszüge.
 
ok
Wenn jedoch der Großteil der Bevölkerung im Orient Christlich gewesen wäre, könnte man mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker argumentieren, womit die Kreuzritter als rechtmäßge Befreier gälten.
desshalb auch diese frage
 
Dann würdest du erstens aber sehr modern vorgehen und um ehrlich zu sein, glaube ich nicht, dass in Zeiten der Kreuzzüge die Mehrheit der Bevölkerung im Nahen Osten aus Christen bestand; schließlich war es da schon jahrhundertelang muslimisch beherrschtes Gebiet. Viele Christen in von Muslimen beherrschten Gebieten konvertierten sogar zum Islam.
Und auch wenn man die Kreuzritter aus Sicht der christlichen Bewohner des "Heiligen Landes" als Befreier sehen möchte, so wäre dies terminologisch immer noch kein Verteidigungskrieg, sondern eine Rückeroberung oder verschönert ausgedrückt eine Befreiung. Ich weiß aber nicht, ob dieser Blickwinkel richtig ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Selbst nach vielen Jahrhunderten waren in einzelnen Regionen des Nahen Ostens die Christen immer noch in der Mehrheit, in anderen zumindest gleich stark, in anderen hingegen konvertierten offensichtlich schneller die Mehrheit der Christen zum Islam.

Es ist aber problematisch pauschal von "Befreiung" durch das Abendland zu reden, denn es gab z.B. durchaus christliche Gebiete, die die musl. Eroberungszüge der Araber als Befreiung ihrerseits empfunden haben, nämlich von erdrückender Steuerlast, chaotischen Zuständen, Unterdrückung ihrer Religionsausübung, etc. innerhalb des byzantischen Reiches.
(Was nebenbei bemerkt eines der Gründe darstellt, warum das arabische Weltreich sich so rasch und auch so dauerhaft ausdehnen konnte.)

Gerade weil so lange noch die Mehrheit der Bevölkerung christlich gewesen war, wäre es sicherlich in einigen Jahrhunderten ein leichtes gewesen, sich gegen die Herrschaft der musl. Dynastien aufzulehnen, es gab aber wohl kein so geschlossenes und einheitliches Gemeinschaftsgefühl unter den christl. Gruppen, und in den meisten Jahrhunderten keine so harte Unterdrückung, dass sie sich veranlasst sahen, einen so großen Aufstand zu unternehmen, um z.B. Ägypten den Arabern zu entreissen.
Sie arangierten sich meist mit ihrer neuen Lebenssituation, wie andere Völker sich auch nach christl. Dynastiewechsel arrangieren mussten, z.B. indem sie neue Gesetze befolgen mussten, der Steuersatz sich änderte, usw.

Siehe die Eroberung der Araber in diesem Post bzw. Anhang
http://www.geschichtsforum.de/f36/expansion-des-islam-18704/#post297399

Und wenn dein Freund meint, diese Gebiete "gehören" eigentlich "rechtmäßig" den Christen, dann schaue dir in obigen Link den Flash-Film in einem anderen Post von mir an "5000 Jahre Naher Osten in 90 Sekunden", und entscheide selber, wem das Gebiet "gehört". ;)
 
Ich möchte mich an der Stelle nicht äußern, ob und inwieweit die Orientkreuzzüge ein Verteidigungskrieg o.dgl. gewesen sind, sondern im Voraus nur anmerken, daß die Zeitgenossen des 11. bis 13. Jh. zwar den Begriff "das Kreuz nehmen" kannten, ihre Fahrten aber als "bewaffnete Pilgerfahrt" bzw. als "Wallfahrt in Waffen" ansahen. Der Begriff "Kreuzzug" wurde erst in späteren Jahrhunderten geprägt...

Wenn jedoch der Großteil der Bevölkerung im Orient Christlich gewesen wäre, könnte man mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker argumentieren, womit die Kreuzritter als rechtmäßge Befreier gälten.

Selbstbestimmungsrecht der Völker o.ä. ist viel zu modern gedacht; es ging genaugenommen darum, wessen rechtmäßiges Eigentum das Heilige Land bzw. die Heiligen Stätten waren.
Zeitgenössisch nicht zu vernachlässigen sind in diesem Kontext Berichte über die Erschwernisse, unter welchen christliche Pilger besonders im 11. Jh. zu leiden hatten - dabei ist übrigens nicht maßgeblich, ob und inwieweit Übertreibungen in den Berichten stecken.
Desweiteren spielte ebenso eine Rolle, daß unter den islamischen Dynastien, welche den betreffenden Großraum im 11. Jh. beherrschten (Fatimiden, Seldschuken), die ansonsten und zuvor eher vorherrschende religiöse Toleranz so tatsächlich nicht mehr gegeben war. Damit zusammenhängend ist natürlich die islamische Expansion vorangegangener Jahrhunderte und die diesbezüglich schwierige Lage, in welche nach der verlorenen Schlacht bei Mantzikert (1071) das Byzantinische Reich noch zusätzlich geraten war.

Zum Lesen dazu:
http://www.geschichtsforum.de/f48/die-kreuzz-ge-als-antwort-auf-die-islamische-expansion-7337/
http://www.geschichtsforum.de/f117/kreuzz-ge-sollen-rehabilitiert-werden-10357/
http://www.geschichtsforum.de/f48/das-europ-ische-christentum-im-hochmittelalter-10506/
http://www.geschichtsforum.de/179899-post20.html

Für einen Eindruck der zeitgenössischen Sicht der Kreuzfahrer: http://www.geschichtsforum.de/92260-post71.html

Für eine Kurzabhandlung zur Entwicklung der Lehre vom gerechten Krieg bis hin zur Kreuzzugsideologie: http://www.geschichtsforum.de/117013-post36.html



Was die Verteilung der Religionen - oder genauer gesagt der religiösen Gruppen - betrifft, schließe ich mich Lynxxx an, möchte aber hinzufügen bzw. spezifizieren, daß diejenigen Christen die muslimischen Araber als Befreier ansahen, welche sich nach dem Konzil von Chalcedon (451) von der damaligen west- und oströmischen Reichskirche abgespalten hatten.
Grobüberblicke dazu:
Konzil von Chalcedon ? Wikipedia
Altorientalische Kirchen ? Wikipedia
 
Wenn du wissen möchtest, wie weit die Konversion der Christen zum Islam schon fortgeschritten ist, wie die Demographie von Mehrheit und Minderheiten aussah, dann schaue mal in diese Bücher, dort wirste vielleicht seriöse Schätzungen finden (Volkszählungen gab es damals in der Regel noch lange nicht):

Die Araber: Von der vorislamischen ... - Google Buchsuche
Geschichte der arabischen Welt - Google Buchsuche
Geschichte des Islam - Google Buchsuche
Die islamische Welt bis 1500 - Google Buchsuche
Der Islam in Daten - Google Buchsuche
Geschichte der islamischen Völker ... - Google Buchsuche

alle mal in deutsch (ausnahmsweise... ;))


OK, falls du des englischen mächtig bist, findest du vielleicht hier auch Antworten:

Medieval Islamic Civilization: An ... - Google Buchsuche
S. 154: "Mindestens bis 1000 n.Chr. waren die Christen die Mehrheit in der islamischen Welt." Interessanterweise verschlechterte sich (zeitweise und regional unterschiedlich) das Verhältnis der Christen in der arab. Welt nach der Aggression der Kreuzzüge, indem theologisch die Unterschiede, denn die Gemeinsamkeiten, stärker beleuchtet und herausgestellt wurden.
Medieval Islamic Political Thought - Google Buchsuche
(Kapitel Muslims and Non-Muslims)
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Libanon war bis zum Bürgerkrieg 1975 die Bevölkerung beinahe paritätisch zwischen Christen und Muslimen aufgeteilt, mit einer leichten Mehrheit für die Christen. Das Gewicht hat sich seitdem etwas verlagert. Ebenso waren Jerusalem und Betlehem bis in die jüngste Vergangenheit Städte mit einer starken christlichen Gemeinschaft, in Bethlehem war es sogar die Bevölkerungsmehrheit.
Zum Rest kann ich nur Lynxxx, Rafael und Timo beipflichten.
 
Nach Spreckelmeyer wurde der Krieg gegen die Muslime im Heiligen Land von den Kreuzfahrern als Verteidigungskrieg angesehen; als solchen konnte man ihn nach der Idee des "bellum iustum" von Augustinus auffassen.
Sollte man also nach der damaligen Sicht der Dinge fragen, so könnte man für einen Verteidigungskrieg argumentieren.

Vgl. Spreckelmeyer, Goswin: Das Kreuzzugslied des lateinischen Mittelalters (Münstersche Mittelalter-Schriften, Bd. 21), München 1974, S. 22.
 
Ich führe seit längerem eine Diskussion mit einem Klassenkameraden, da er nach wie vor behauptet, die Kreuzzüge seien ein reiner Verteidigungskrieg gewesen. Er rechtfertigt sie damit, dass ca 70% der Bevölkerung im "Heiligen Land" zu dieser Zeit christlich gewesen seien und somit von den Muslimen unterdrückt worden seien.

Man muss heutige und damalige Sichtweisen auseinanderhalten. Damals betrachteten die Christen die Kreuzzüge in der Tat als Verteidigungskrieg, zumindest aber als berechtigten bewaffneten Pilgerzug gegen die "Ungläubigen Muselmanen", die die Heiligen Stätten der Christenheit in ihren Besitz gebracht und die christliche Bevölkerung unterjocht hatten.

Man muss sich aber vor Augen halten, dass Jerusalem bereits 638 in arabische Hände gefallen war und zum ersten Kreuzzug im Jahr 1095 aufgerufen wurde. Zwischen den Ansprüchen der Christen und der arabischen Eroberung lagen also immerhin 460 Jahre. Ob man daher die christlichen Ansprüche auf das ehedem von Christen besiedelte Vorderasien nach dieser Zeitspanne noch als gerechtfertigt betrachten kann, sei dahingestellt.

Richtig ist, dass das Oströmische Reich seine Besitzungen in Vorderasien zuweilen steuerlich arg belastete. Es wäre allerdings verfehlt, die arabische Expansion damit rechtfertigen zu wollen, denn die Kalifen und arabischen Fürsten standen später den Oströmern in nichts nach, da auch sie das Volk immer wieder finanziell ausbeuteten, um endlose Kriege oder eine prunkvolle Repräsentation zu befriedigen.

Zur Zeit der Kreuzzüge waren die Christen in Ägypten, Palästina und Syrien längst in der Minderheit. Im byzantinischen Kleinasien waren Christen jedoch absolut vorherrschend, während sie im Reich der muslimischen Rum-Seldschuken, die das östliche Kleinasien beherrschten, in etwa gleiche Stärke wie die Muslime hatten - zumindest bis ins 12./13. Jh.
 
[...] Zwischen den Ansprüchen der Christen und der arabischen Eroberung lagen also immerhin 460 Jahre. Ob man daher die christlichen Ansprüche auf das ehedem von Christen besiedelte Vorderasien nach dieser Zeitspanne noch als gerechtfertigt betrachten kann, sei dahingestellt.[...]

Und hier würde ich gerne auf das ›Palästinalied‹ von Walther von der Vogelweide verweisen, in dem unter anderem der Anspruch der Christen auf das Heilige Land legitimiert wird.
Ich möchte nicht zu tief in die Materie hinein, da das Lied selbst noch viele offene Fragen birgt und in der Forschung einige Meinungen vorherrschen;
doch auf jeden Fall wird im ›Palästinalied‹ zum Beispiel implizit darauf hingewiesen, dass die Juden viel mehr Wunder des Heiligen Landes kennen würden als die Christen - [Mê dann hundert tûsent wunder,/ hie in disem lande sint,/ dâ von ich niht mê besunder/ kan sagen als ein kint,/ Wen ein teil von unser ê,/ swem des niht genouge, der gê/ zuo den juden, die sagent es mê] (Cormeau, S. 25, Strophe III) - , doch durch all die Wunder und den Kampf Christi wird ein rechtlicher Anspruch auf das Heilige Land erhoben. Gott der Richter wird Rechtsprechen und nicht nur am Tage des Jüngsten Gerichts über das Seelenheil der einzelnen Menschen, sondern er wird auch sagen ob »kristen, juden« oder »heiden« (Cormeau, S. 28, Strophe XII) das Heilige Land gehört. Das Lyrische-Ich ist sich sicher, den Christen wird das Recht zugesprochen. (ebd.)

Hier also ein Legitimierungsversuch aus der Zeit der Kreuzzüge. Zur Einordnung: Die meisten Forscher nehmen an, dass das Palästinalied um 1228/29 entstand.

PS: Damit hilft mir dieser Thread auch bei meiner Seminararbeit weiter, in dem soeben meine Schreibblockade gelöst wurde. Ich schreibe nun seit über einem Semester über dieses Lied und komm nicht weiter... :aua:
 
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@Rafael, kennst Du Die Kreuzfahrt des Landgrafen Ludwig von Thüringen? Ludwig III. war er ältere Bruder vom Dichter-Mäzen Hermann I. von Thüringen und dessen Vorgänger im Landgrafenamt. Findest Du in Band 4,2 der Deutschen Chroniken der MGH, auch online digitalisiert, sowohl als Scan der MGH, als auch als HTML-Version.
 
Nein, das kenn ich noch nicht. Ich werde sofort nachsehen, ob dieser Text meinen Horizont hilfreich erweitert, wenn man sich online nicht irgendwie registrieren muss oder ansonsten morgen in der Bibliothek nachschlagen.
Besten Dank für den Tipp!

EDIT: Okay, es ist so zugänglich, bin schon am blättern :)
 
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Hmm, wiederspricht es nicht den Angaben obiger Enzyklopädie?

Ich habe hier eine Karte "Staaten und Bekenntnisse im Mittelmeerraum nach den ersten Kreuzzügen (um 1190)", die die Religionszugehörigkeit in diesem Raum so darstellt.

Allerdings gibt die Zuordnung durch Farbschattierungen nicht so viel her, dass man exakte Angaben machen kann. Vermutlich ist das ohnehin schwierig zu ermitteln.

Und wie das in einzelnen Städten aussieht, kann ich der Karte auch nicht entnehmen.
 
Achso, dann haste geographische Verteilung der Religionen, als Quantität der Bevölkerung gelesen.
 
Und hier würde ich gerne auf das ›Palästinalied‹ von Walther von der Vogelweide verweisen, in dem unter anderem der Anspruch der Christen auf das Heilige Land legitimiert wird...
...
... auf jeden Fall wird im ›Palästinalied‹ zum Beispiel implizit darauf hingewiesen, dass die Juden viel mehr Wunder des Heiligen Landes kennen würden als die Christen...

Ich erlaube mir, dies auch noch einmal kurz aufzugreifen - zumal ich ja den Hinweis bereits gesetzt hatte - und zudem darauf zu verweisen, daß die zu jener Zeit inhärente Sicht auf das Judentum dort ebenfalls zum Ausdruck kommt:
Palästinalied schrieb:
...
Do er den tiuvel do geschande,
daz nie keiser baz gestreit,
Do fuor er her wider ze lande.
do huob sich der juden leit,
Daz er herre ir huote brach,
und man in sit lebendic sach,
den ihr hant sluoc unde stach.
...
Übertragung schrieb:
...
Als er den Teufel dann zu Schanden gemacht hatte
- besser als je ein Kaiser gekämpft hat -,
kam er zurück auf die Erde.
Da geschah, was den Juden schmerzte:
daß er, der Herr, ihre Bewachung brach,
und man ihn seither als Lebenden erblickte,
den ihre Hand geschlagen und gestochen hatte.
...

Das Lyrische-Ich ist sich sicher, den Christen wird das Recht zugesprochen.

Auch dazu noch die nachgereichte Passage:
Palästinalied schrieb:
...
Al diu welt diu stritet her:
wir sin an der rehten ger,
reht ist daz er uns gewer.
...
Übertragung schrieb:
...
Die ganze Welt macht ihre Ansprüche hierher geltend.
Wir allein verlangen es rechtens.
Gerecht ist, daß er uns stattgibt.
...



Eigentlich aber wollte ich auf eine andere Sache noch einmal eingehen: Gerade für den christlichen Orient auch zu jener Zeit ist es überaus wichtig, sich diesen keinesfalls als eine Art monolithischen Block vorzustellen.
Denn das Gegenteil ist der Fall; und hierzu lohnt auch ein Blick darauf, wie sich die Situation für verschiedene altorientalische Kirchen bzw. altorientalische Christen während der islamischen Expansion und während der Orientkreuzzüge gestaltete bzw. entwickelte.
Einige Beispiele dazu im Kurzabriß (ACHTUNG: Vereinfachte Abhandlung!!!)...

Die Christen im Armenischen Königreich von Kilikien (zur Einordnung: Armenische Apostolische Orthodoxe Kirche) waren bis zur Schlacht von Mantzikert 1071 im Byzantinischen Reich integriert und versuchten sich in der Folgezeit zwischen Byzantinern, Kreuzfahrern und muslimischen Nachbarn (hier insbes. Seldschuken) "durchzulavieren"; dabei wurde jedoch stets die Eigenständigkeit präferiert (wofür man wiederum das enge Bündnis mit den Kreuzfahrern suchte). Die armenischen Christen, welche sich im Herrschaftsbereich der Seldschuken befanden, setzten ebenfalls zumindest einige Hoffnung in ein Bündnis mit den Kreuzfahrern bzw. deren Hilfe (Stichwort: Grafschaft Edessa).
Anm.: Wichtig zu erwähnen ist an der Stelle auch die freundschaftliche Verbindung des armenischen Katholikats von Sis in Kilikien (zur Erklärung: Katholikos bezeichnet im orientalischen Christentum svw. einen Generalvikar, welcher jedoch zu allen Amtsgeschäften ermächtigt ist) zur lateinischen Kirche (Rom) während der Jahre 1198 bis 1375. Ein Zweig des Katholikats von Sis in Kilikien ist seit 1740 mit "Rom unierte Ostkirche" (Armenisch-katholische Kirche).

Die Christen der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien hatten sich demgegenüber mit den Muslimen geradezu arrangiert, zumal sie sich während der Jahrhunderte zuvor erheblich im Gegensatz zur byzantinischen Reichskirche wie auch zum byzantinischen Kaiser befunden hatten.

Die Christen der Koptischen Kirche (zur Einordnung: hauptsächlich in Ägypten) durchlebten wiederum eine äußerst wechselvolle Zeit. Zunächst änderte sich für sie nämlich nach der Eroberung Ägyptens durch die muslimischen Araber kaum etwas: die Kopten konnten weiterhin in Frieden leben und nahezu unverändert ihr gewohntes Leben incl. des religiösen Lebens führen. Dies änderte sich dann jedoch zu Beginn des 11. Jh. drastisch: War die schiitische Dynastie der Fatimiden eigentlich außerordentlich tolerant gewesen, so wurde dies unter dem Kalifen Al-Hakim (995/1021) aufgegeben. Fortan wurde bspw. Juden und Christen die öffentliche Ausübung ihrer Religion im fatimidischen Machtbereich verboten, und z.T. erlebten die Kopten auch gewalttätige Übergriffe von Muslimen. In der Folgezeit galt für sie: das Wohl der Kopten hing stark vom Wohl der Herrscher ab - d.h., sie litten zumeist dann am stärksten, wenn sich eine der arabischen bzw. islamischen Dynastien im Niedergang befand.
Anm.: Die Kopten in Palästina spalteten sich 1741 ab und wurden zur Koptisch-katholischen Kirche, welche eine mit "Rom unierte Ostkirche" ist; sie sind im Vgl. zur Koptischen Kirche eine deutliche Minderheit und dürfen mit dieser nicht verwechselt werden.

Die Christen der Maronitisch-Syrischen Kirche von Antiochien (zur Einordnung: hauptsächlich im Libanon) stellen schließlich einen ganz anderen Fall dar. Einst im Gegensatz zur lateinischen und byzantinischen Reichskirche sowie danach zudem von der Syrisch-Orthodoxen Kirche von Antiochien abgespalten, hatten sie nicht nur gegen die christlichen Byzantiner, sondern danach auch gegen die muslimischen Araber gekämpft, vor denen sie schließlich ins Libanongebirge fliehen mußten. Während der Orientkreuzzüge waren sie beständig mit den lateinischen Staaten (Kreuzfahrern) verbündet, unter deren ausdrücklichen Schutz sie sich auch stellten (was für die Maroniten in den nachfolgenden Jahrhunderten dann auch militärische Verfolgung bedeutete). Seit dem Jahr 1182 ist die Maronitisch-Syrische Kirche von Antiochien mit Rom uniert, weswegen sie seit 1445 auch offiziell als mit "Rom unierte Ostkirche" gilt und damit bis heute ein Patriarchat der Römisch-Katholischen Kirche ist.

Die lateinischen Patriarchate zu behandeln, welche während der Orientkreuzzüge entstanden sind (Jerusalem, Antiochia, Konstantinopel, Alexandria), möchte ich an der Stelle unterlassen - zumal ich mir nicht sicher bin, ob dies noch im Sinne des Thread(starter)s ist -, kann es aber bei Bedarf (und wenn ich Zeit dafür finde) gern nachreichen.



PS: Ich bitte um Nachsicht ob der ergänzenden Anmerkungen, welche neuzeitlich sind bzw. nicht mehr im Kontext mit den Orientkreuzzügen stehen...
 
bezgl. der Bevölkerungsgröße von Christen und Muslimen habe ich noch dieses gefunden: "Die koptische Kirche in Ägypten, durch die arabische Eroberung vom griechischorthodoxen Druck befreit, konnte ihre Stellung sogar ausbauen; der Einfluß des Patriarchen von Alexandria reichte weit nach Süden über Nubien und den Sudan bis ins christliche Äthiopien. Die Bevölkerung Ägyptens scheint noch bis ins 14. und 15. Jahrhundert überwiegend christlich gewesen zu sein;" aus: Der Islam: Geschichte und Gegenwart - Google Buchsuche
 
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