Römisch-Deutsche Herrscher

H. von Salza schrieb:
Die Bezeichnung des Königreichs ist nicht identisch mit der des Königtitels, hyokkose.

Ich war der Meinung, in dieser Zeit hätte es gar keinen vom König unabhängigen Reichsbegriff gegeben, aber ich lasse mich gerne eines besseren belehren.
 
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timotheus schrieb:
Sorry, lieber Ning, aber da muß ich auch nochmal einhaken... :winke:

Timo, danke!! :)winke:) Ich könnt ja selbst mal die Wälzer zur Hand nehmen und wieder mal die Fakten ordnen. Und dank deiner Hilfe ist jetzt alles viel klarer für mich.
Also Otto II (!) heiratet mit Teophanu eine byzantinische (ehrgeizige, kluge, schöne und vermutlich - bloß - beeindruckend andersartige) Prinzessin. Als sich gemeinsames Söhnchen Otto III die Nachfolge des weströmischen Reiches auch in der klaren Titelformulierung zulegte, wurde gleichzeitiger Herrscher von Byzanz sauer, und der stammte inzwischen aus einer anderen Adelsfamilie als Ottos III (bestimmende) byzantinische Mutter.
Teophanu war es, die eigentlich regierte und zog den König des "Ostfränkischen Reiches" in (ihre sehr persönlichen) Belange, die der "italienischen Sache", welche die "teutonischen Stämme" eigentlich "auf Eis gelegt hatten oder gar nicht kümmern konnte, musste man doch gegen heidnische Slawen, Ungarn und auch intern das eigene Reich festigen

Worum es mir -auch im byzantinischen, sagen wir "Teophanu- Zusammenhang" - ging, war, seit wann, warum und weshalb das "Identifizierungssynonym" "teutonicum" oder "deutsch" und somit der Rex Teutonicum/deutsche König wirklich in die Köpfe gekommen war...

(Entschuldigt bitte im ersten Eintrag wieder mein -schon beängstigend typische- Himmelsrichtungsverwechslern, ich meinte natürlich OSTfränkisches Reich.)
 
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Hallo Ning,

irgendwie war Deine Frage hier untergegangen, und ich muß ehrlich zugeben, daß ich sie auch erst soeben wiederentdeckt habe :rotwerd:

ning schrieb:
Worum es mir -auch im byzantinischen, sagen wir "Teophanu- Zusammenhang" - ging, war, seit wann, warum und weshalb das "Identifizierungssynonym" "teutonicum" oder "deutsch" und somit der Rex Teutonicum/deutsche König wirklich in die Köpfe gekommen war...

Eine sprachliche Identifikation findet bereits in spätkarolingischer Zeit statt, und zwar mit der Abgrenzung zwischen West- und Ostfranken. Letztgenannte sprachen thiudisk oder theodisk, was nicht mehr bedeutet, als daß sie nicht das Latinofranzösisch oder Altfranzösisch der "welschen" Westfranken sprachen, sondern eben "volkstümlich" (nichts anderes bedeutet "thiudisk"/"theodisk", woraus sich bekanntlich das Wort "deutsch" ableitet).
Gesellschaftlich gesehen brachte so die Zusammenfassung von Sachsen, Thüringern, Franken, Bayern, Alemannen, Friesen, ... ein gewisses "Zusammengehörigkeitsgefühl" - mehr aber auch nicht.

In den Straßburger Eiden von 842 wird für das Ostfrankenreich bereits vom Regnum Teutonicum oder Regnum Teutonicorum gesprochen, die Ottonen (919/1024) gebrauchten jedoch ihrerseits den Titel Rex Francorum (König der Franken), während sie das Reich als Regnum francorum orientalium (Reich der Ostfranken) bezeichneten. Später - ab etwa Heinrich II. - nannte sich der König Rex Romanorum (Römischer König), was auch während der Salierzeit (1024/1125) so bleibt.

Erst gegen Ende des Mittelalters - im 15. Jh. - wird der deutsche Charakter von Reich und Herrschaft betont, da die herrschaftliche Macht im italienischen Teil des Reiches stark abgesunken war. War der Reichstitel im Hochmittelalter noch Sacrum Romanum Imperium oder später Sacrum Imperium Romanum (1254), also Heiliges Römisches Reich, gewesen, so lautete er erstmals etwa um 1450 Sacrum Imperium Romanum Nationis Germanicae, ergo Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation.

Kulturell gesehen begann die Identifikation mit "deutsch" jedoch auch nach der Teilung des Frankenreiches durch die Zusammengehörigkeit im selbständigen ostfränkischen Reich (vgl. sprachliche Identifikation und Straßburger Eide). Das alles geschah aber sicher allmählich und läßt sich meines Erachtens gewiß nicht an einem bestimmten (festen) Zeitpunkt ausmachen.

Fazit: Eine ganz bewußte Identifizierung des "Deutschen" in Bezug auf Reich und Königtum erfolgte erst zum Ende des Mittelalters. Bis dahin sah man sich wohl doch eher in fränkischer und römischer Tradition.

In diesem Sinne

Timo

PS: Da dies an der Stelle meine ganz persönliche Betrachtung ist, sind jegliche Ergänzungen und/oder Korrekturen natürlich erwünscht...
 
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Die Entstehung des Begriffs "deutsch", worauf nings Frage zielte, ist noch heute in der Forschung heiß umstritten. Es handelt sich dabei um die Frage, wann der ostfränkische Staat unter den ottonisch-salischen Herrschern den Namen "Deutschland" erhalten hat, bzw. wann die in ihm lebenden Völker, nämlich die seit zum Teil mehr als einem halben Jahrtausend bekannten Franken, Sachsen, Bayern und Alamannen zusätzlich zu ihrem bisherigen Volksnamen umfassend "Deutsche" genannt wurden.

Es handelt sich dabei sowohl um den politischen Prozess des Herauswachsens eines Teilkönigtums aus dem fränkischen Gesamtreich zu eigenem Staatsbewusstsein, als auch um seine sprachliche Spiegelung in der Verwendung des Wortes "deutsch", bei dem sich rasch das antikisierende "teutonicus" durchgesetzt hat.

In der Forschung wurden in diesem Zusammenhang einst folgende Jahre genannt:

911 Konrad I. besteigt als erster Nichtkarolinger des Thron Ostfrankens
919 Heinrich I. kommt als erster Ottone auf den Thron
936 Otto I. wird zum Kaiser gekrönt

In der Öffentlichkeit blieben die Jahre 911 (Ende der Karolinger, Nichtanerkennung des westfränkischen Karolingers) und 919 (Heinrich I., "erster deutscher König") die Kerndaten. Die Bezeichnung der Ottonen als "deutsche Könige" erschien selbstverständlich.

In der neueren Forschung wird ein erheblich späterer Ansatz vorgeschlagen. So ist heute die Meinung verbreitet, die Ottonen hätten Deutschland nicht vorgefunden, sondern schaffen helfen, die fränkischen Gemeinsamkeiten wären bis ans Ende des 10. Jh. spürbar.

Die meisten Historiker sind der Ansicht, dass ein "deutsches Bewusstsein" erst im 11. und 12. Jahrhundert einsetzt. Dabei gibt es das Kuriosum, dass "Deutschland" im Singular kaum vor 1500 erscheint (z.B. bei Ulrich von Hutten), während stets von den "deutschen Landen" (die "tütschen lande") gesprochen wird.

Papst Gregor VII. spricht in Bezug auf Heinrich IV. erstmals 1074 vom "rex Teutonicorum", 1080 vom "regnum Teutonicorum". Damit wollte er ihn im Rahmen des Investiturstreits Kleinreden. Der Vorzug des späteren Begriffs "deutsch" lag darin, dass er neben die weiter bestehenden Volksbezeichnungen treten konnte. Ein Bayer konnte kein Franke sein, wohl aber Deutscher.

Unabhängig davon ist die Bezeichnung "Heiliges Römisches Reich" bzw. "Sacrum Romanum Imperium", seit Kaiser Karl IV. mit dem Zusatz "Nationis Germanicae" = "Deutscher Nation" versehen. Dieser staatsrechtliche Begriff, der sich bis 1806 hielt, ist als Dach zu verstehen, unter dem sich seit dem 11.-12. Jh. ein deutsches Bewusstsein bildete (vgl. oben).
 
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In dem Zusammenhang kam mir noch eine andere Frage:

Ich kenne mich zwar in der Geschichte des MA nur bedingt aus, erinnere mich aber daran gelesen zu haben, daß es sich doch eigentlich (ab dem Salier Konrad II.) um drei Königreiche gehandelt hat (nämlich ein Deutschland fränkischer Prägung, wenn man so will, Italien (aus dem Königreich der Langobarden entwickelt) und das Königreich Burgund seit Kg. Konrad II. Bei Konrad II. gab es für jedes Reich eine eigene Krönung plus die Kaiserkrönung, wenn der Artikel aus der Wikipedia stimmt. Siehe: http://de.wikipedia.org/wiki/Konrad_II._(HRR)
Damit liessen sich auch die drei Erzämter der Erzbischöfe als Erzkanzler von Germanien, Burgund und Italien erklären. Was meinen denn die Experten dazu. Inwieweit wurde diese drei Reiche als getrennt wahrgenommen und wie veränderte sich das Verständnis im Laufe der Zeit?
 
Genauso verhält es sich. Das Heilige Römische Reich bestand aus Deutschland, Italien und Burgund. Die Südgrenze Reichsitaliens bildete der päpstliche Kirchenstaat, d.h.zu ihm gehörte nur Oberitalien exklusive der Republik Venedig, die ursprünglich aus byzantinischem Besitz hervorgegangen war. Burgund erlitt im Verlauf des Mittelalters territoriale Einbußen durch Frankreich, das nach und nach größere Teile dem Reich entfremdete und sich einverleibte.

Eine gravierende Veränderung dieser Situation erfolgte durch den Westfälischen Frieden 1648. Die Scbweiz und die Niederlande schieden endgültig aus dem Reichsverband aus, Burgund war fast völlig an Frankreich gefallen, sodass die Süd-und Westgrenze fast heutigen Verlauf hatten. Elsass und Lothringen zählten freilich noch zum Reich, was sich erst durch Annexionen Ludwigs XIV. änderte.
 
Der Thread ist zwar etwas älter, aber Renards Frage interessiert mich auch besonders.
Ich habe gewisse Probleme damit mir die Wechselbeziehung zwischen den Königreichen (regna) und dem Reich vorzustellen...

Man sagt ja Deutschland, Italien und Burgund wären jeweils separate Königreiche, so ist es auch auf manchen Karten verzeichnet. Dennoch tritt das HRR im kollektiven Bewusstsein heute als ein übernationales Gebilde (wo eben diese territoriale Ausdehnung als Argument verwandt wird) hervor, als gäbe es diese Dreiteilung nicht. Es wird vielmehr von reichsnahen und -fernen Gebieten gesprochen, bei denen oberitalienische Städte und Grenzmarken im Norden des Reiches einen vergleichbaren Status annehmen...

Man spricht zwar heute ab und an von einem "deutschen König" und dem "römischen Kaiser" als dessen Erhöhung. Aber dieser König, obwohl zunächst im dt. Reichsteil gewählt, war doch auch legitimer König in Burgund und Italien, oder? Also er musste ja offensichtlich den Titel extra annehmen, aber das scheint mehr eine Selbstverständlichkeit bzw. ein reiner Formakt zu sein.

Worauf ich eigentlich hinaus will: inwiefern kann man überhaupt von dieser Dreiteilung des Reiches sprechen, und wo tritt sie zutage? Also es gab die verschiedenen Königstitel, und irgendwann auch die Erzkanzlerämter für die Reichsteile (was haben die genau getan?)
Wie haben ausländische Mächte diese Königreiche wahrgenommen? Hat man es in Frankreich zur Kenntnis genommen, dass es sie gab, oder war für sie das HRR mehr oder weniger ein Herrschaftsbereich?

Gab oder gibt es eine zeitgenössische Urkunde, wo diese Dreiteilung des Reiches als solche benannt wird?
 
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Hallo!

@MacX
Danke fürs Ausgraben des Themas ;) Ich kenn leider keine Quelle, die das genau benennt, aber ich möchte den Beitrag von Dieter noch etwas ergänzen. Ist vielleicht auch ganz spannend...

Die Ebenen des Begriffes Deutsch

Kurz gesagt geht die heutige Forschung davon aus, dass sich der Begriff in einem langen Prozess nach und nach auf vier Ebenen durchgesetzt hat.
Zunächst einmal leitet sich der Begriff vom gotischen Wort "thiuda" ab, was Volk heißt. Die abgeleitete Form wird oft als "teudisc" bezeichnet und tritt als solches in den Quellen ab 800 auf.
Die erste Ebene, auf der der Begriff verwendet wird, ist die sprachliche Ebene. Im Jahr 788 auf einer Kirchensynode gab es den Beschluss, dass alle Beschlüsse der Zusammenkunft nicht nur auf Latein, sondern auch in der "lingua theodisca" veröffentlicht werden sollen. Damit war die Sprache des Volkes gemeint - wer sich an der Stelle etwas mit der Sprachgeschichte des Deutschen auskennt, weiß, welche Form der deutschen Sprache hier schon existiert. (Ich wär für eine Ergänzung wirklich dankbar!)
Die zweite Ebene des Begriffes setzte sich nach dem Vertrag von Verdun durch; so um das Jahr 845. Hier taucht der Begriff "Teutisci" vor allem im Ostfrankenreich auf. Damit wird das Wort auf die Menschen übertragen, die die lingua theodisca sprechen. Teutisci leitet sich vom altrömischen Begriff Teutonen ab - quasi als Sinnbild der Menschen, die auf dem Gebiet der Teutonen leben.
Die dritte Ebene des Begriffes "deutsch" taucht erstmalig im Jahr 888 auf. Hier wird in einer westfränkischen Quelle vom sogenannten "Teutonum Tellus" gesprochen. Damit ergibt sich eine geografische Ausdehnung des Begriffes. Wichtig ist an dieser Stelle, dass sich diese Bezeichnung auf das Ostfrankenreich bezieht, aus dem ja der deutsche Staat langsam aber sicher hervorgeht.
Die vierte und letzte Ebene ist die Ebene der Staatlichkeit. Bisher wurde immer von den Menschen, vom Gebiet und ihrer Sprache gesprochen, aber es gab noch keine staatliche Zuweisung für den Begriff deutsch. Das ändert sich in den folgenden Jahrhunderten. Die erste Zuweisung der vierten Ebene kann man um das Jahr 940 festlegen. In dieser Zeit werden die Salzburger Annalen verfasst. Sie schreiben zur Königswahl 919. Der König sei gewählt worden, um zu herrschen "in regno Teutonicorum". Die Forschung hat diesen Begriff in einer Abschrift der Annalen aus dem 12. Jahrhundert gefunden und es ist nicht sicher, ob wirklich Heinrich I. mit "König" gemeint ist. Als Hintergrundinfo: Die Salzburger Annalen sind eine streng bayrische Aufzeichnung und man hat Korrekturen im Text gefunden, die "blöderweise" genau an der Stelle sind, wo vom König die Rede ist. Es ist durchaus möglich, dass man sich hier auf Arnulf von Bayern bezieht - er war Gegenkönig zu Heinrich I. Damit ist es fragwürdig, ob man diese Quelle schon als "echten" Beweis für die Staatlichkeit anführen kann. Doch die nächsten Quellen lassen nicht lange auf sich warten. Um 1010/1020 tauchen Urkunden auf, in denen vom "Rex Teutonicorum" gesprochen wird. Damit wird die Zuweisung des Begriffes zur Ebene des Staates endgültig. So existiert eine Königsurkunde aus dem Jahr 1020, in der Heinrich II. als solcher bezeichnet wird. Auch langobardische Herrscherkataloge sprechen jetzt vom deutschen König. Allerdings wird dieser Begriff wenig verwendet, da der Titel niedriger gestellt war als der des römischen Kaisers. So finden sich weiterhin wenige Urkunden und Quellen, die jenen Begriff verwenden. Trotzdem tauchen immer wieder in den verschiedenen Landesteilen des HRR Quellen auf, die diesen Begriff verwenden und die Zuweisung damit sichern. Außerdem zeigen die Chronisten jener Zeit, dass es eine Art Standesbewusstsein und Gemeinschaftsbewusstsein gibt; beide werden mit dem Begriff deutsch belegt. In den nächsten Jahrhunderten etablieren sich damit die typischen Volksbeschreibungen und der "Idealtyp" des Deutschen, der vor allem in der Frühen Neuzeit von Reisenden immer wieder beschrieben wird.
In der völkischen Sprache setzt sich im 11. Jahrhundert der Begriff "diutschiuland" durch. Er stammt aus dem Anno-Lied. Hier gibts dazu ein paar Infos:
http://www.hs-augsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/11Jh/Annolied/ann_intr.html


Grüße
Elphie
 
Ganz spontan: Nein! Meines Wissens wurde Karl V., der Sohn Maximilian I. in Aachen zum Kaiser gekrönt.

Gekrönt wurde Karl V. in Bologna durch den Papst. In der großen HRR-Ausstellung von 2006 gab es ein eindrückliches bildliches Zeugnis des Krönungszuges von damals.
Außerdem war Maximillian nicht der Vater sondern der Großvater Karl V..

Worauf ich eigentlich hinaus will: inwiefern kann man überhaupt von dieser Dreiteilung des Reiches sprechen, und wo tritt sie zutage? Also es gab die verschiedenen Königstitel, und irgendwann auch die Erzkanzlerämter für die Reichsteile (was haben die genau getan?)
Wie haben ausländische Mächte diese Königreiche wahrgenommen? Hat man es in Frankreich zur Kenntnis genommen, dass es sie gab, oder war für sie das HRR mehr oder weniger ein Herrschaftsbereich?
Ich denke bei der Frage kommt es ganz deutlich auf den Zeitpunkt an, den Du meinst. Ich denke Du beziehst Dich auf das HRR nach der Goldenen Bulle. Soweit mir bekannt waren die Erzämter für die Reichsteile in aller Regel formale Ämter. Dabei ist eigentlich das von Deutschland in der formellen Hierachie eindeutig das abgehobenste, was sich in der übergeordneten Rolle des Kurfürsten von Mainz auf dem Reichstag widerspiegelte. Da müsste man aber schauen, in wie weit meine Aussage auch für das Mittelalter zutreffend wäre. Die hervorragende Rolle Deutschlands innerhalb des Reiches wird ja auch um 1500 mit der Bildung der Reichskreise verdeutlicht, wobei Italien und Böhmen bezeichnenderweise bsw. keinen Beitrag leisteten.
 
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Kurz gesagt geht die heutige Forschung davon aus, dass sich der Begriff in einem langen Prozess nach und nach auf vier Ebenen durchgesetzt hat.
Zunächst einmal leitet sich der Begriff vom gotischen Wort "thiuda" ab, was Volk heißt.

Einigen wir uns doch darauf, dass thiuda (eigentlich mit <þ>) ein germanisches Wort ist, welches im Gotischen zuerst belegt ist. Denn das Gotische gehört nicht zu den direkten Vorläufersprachen des Deutschen.

Die abgeleitete Form wird oft als "teudisc" bezeichnet und tritt als solches in den Quellen ab 800 auf.

Nithard verwendet diese Form im Zusammenhang it den Straßburger Eiden. Korrekterweise wäre aber nach wie vor eine Schreibung mit <th> zu erwarten, was er bei den Artikeln und Pronomen auch macht (in thes christianes folches [...] fon thesemo dage [...] in thiu, thaz er mig ...)


Damit war die Sprache des Volkes gemeint - wer sich an der Stelle etwas mit der Sprachgeschichte des Deutschen auskennt, weiß, welche Form der deutschen Sprache hier schon existiert. (Ich wär für eine Ergänzung wirklich dankbar!)

Du meinst sicher das Alt-hoch/mittel/nieder-deutsche.

Die zweite Ebene des Begriffes setzte sich nach dem Vertrag von Verdun durch; so um das Jahr 845. Hier taucht der Begriff "Teutisci" vor allem im Ostfrankenreich auf. Damit wird das Wort auf die Menschen übertragen, die die lingua theodisca sprechen. Teutisci leitet sich vom altrömischen Begriff Teutonen ab - quasi als Sinnbild der Menschen, die auf dem Gebiet der Teutonen leben.

Nein, das ist falsch und vorwissenschaftliche Denkweise. Das germanische /t/ wird nicht zum deutschen /d/ sondern das germanische /θ/ (<th> oder <þ>) wird zu /d/. Teut- von Teutonen klingt zwar ähnlich wie Deut- ist aber nicht der Vorläufer. Der ist, wie Du richtigt sagtest, die Form Thiuda/thiudisk.
Es mag sein, dass hochmittelalterliche Schreiber den lateinischen Begriff teutonum und den germanischen Begriff thiudisk, der sich inzwischen zu diutsch entwickelt hatte, vermengten. Teutonum also schon damals ein falsches Etymon.
 
Man sagt ja Deutschland, Italien und Burgund wären jeweils separate Königreiche, so ist es auch auf manchen Karten verzeichnet. Dennoch tritt das HRR im kollektiven Bewusstsein heute als ein übernationales Gebilde (wo eben diese territoriale Ausdehnung als Argument verwandt wird) hervor, als gäbe es diese Dreiteilung nicht. Es wird vielmehr von reichsnahen und -fernen Gebieten gesprochen, bei denen oberitalienische Städte und Grenzmarken im Norden des Reiches einen vergleichbaren Status annehmen...

Du hast völlig Recht: Es gibt hier eine gewisse Widersprüchlichkeit!

Das Reich bestand in der Tat aus dem Königreich Burgund, dem Königreich Italien und dem deutschen Königreich. Man sollte daher annehmen, dass alle Reichsteile auch in den Institutionen des Reichs gemäß ihrem Gewicht vertreten gewesen wären. Das war jedoch keineswegs der Fall. So waren im Reichstag zwar alle Reichsfürsten (sowie die Reichsstädte) vertreten, doch gab es in Burgund und Italien überhaupt keinen Adel von reichsfürstlichem Rang. Eine Ausnahme bildete lediglich die zu Burgund gehörige Grafschaft (später Herzogtum) Savoyen, das 1310 zum Reichsfürstentum erhoben wurde und sogar das Reichsvikariat Arelat inne hatte.

Alle anderen vor allem oberitalienischen Fürstentümer wie Modena, Ferrara oder Mantua oder die Städte Mailand, Florenz, Genua, Siena usw. hatten keine Reichsstandschaft, sodass auf den Reichstagen keine burgundische oder italienische Große vertreten waren.

Insofern waren die Gewichte im Heiligen Römischen Reich doch unterschiedlich verteilt, denn die Macht lag eindeutig im deutschen Reichsteil. Andererseits ist zu sagen, dass die Herrschaft des Kaisers in Oberitalien im späten Mittelalter nur noch schattenhaft war, da er dort keine echte Macht ausübte.

Unterscheiden davon muss man freilich das Ringen Frankreichs und Habsburgs in Oberitalien, das weniger mit kaiserlicher Herrschaft, sondern mit einer territorialen Auseinandersetzung zwischen den Habsburgern und Frankreich zu tun hatte. Hier mischen sich Interessen unauflöslich, da die Dynastie Habsburg sowohl landesfürstliche als auch kaiserliche Interessen in Oberialien hatte.
 
Der Thread ist zwar etwas älter, aber Renards Frage interessiert mich auch besonders.
Ich habe gewisse Probleme damit mir die Wechselbeziehung zwischen den Königreichen (regna) und dem Reich vorzustellen...

Man sagt ja Deutschland, Italien und Burgund wären jeweils separate Königreiche, so ist es auch auf manchen Karten verzeichnet. Dennoch tritt das HRR im kollektiven Bewusstsein heute als ein übernationales Gebilde (wo eben diese territoriale Ausdehnung als Argument verwandt wird) hervor, als gäbe es diese Dreiteilung nicht. Es wird vielmehr von reichsnahen und -fernen Gebieten gesprochen, bei denen oberitalienische Städte und Grenzmarken im Norden des Reiches einen vergleichbaren Status annehmen...

Man spricht zwar heute ab und an von einem "deutschen König" und dem "römischen Kaiser" als dessen Erhöhung. Aber dieser König, obwohl zunächst im dt. Reichsteil gewählt, war doch auch legitimer König in Burgund und Italien, oder? Also er musste ja offensichtlich den Titel extra annehmen, aber das scheint mehr eine Selbstverständlichkeit bzw. ein reiner Formakt zu sein.

Worauf ich eigentlich hinaus will: inwiefern kann man überhaupt von dieser Dreiteilung des Reiches sprechen, und wo tritt sie zutage? Also es gab die verschiedenen Königstitel, und irgendwann auch die Erzkanzlerämter für die Reichsteile (was haben die genau getan?)
Wie haben ausländische Mächte diese Königreiche wahrgenommen? Hat man es in Frankreich zur Kenntnis genommen, dass es sie gab, oder war für sie das HRR mehr oder weniger ein Herrschaftsbereich?

Gab oder gibt es eine zeitgenössische Urkunde, wo diese Dreiteilung des Reiches als solche benannt wird?
Es gibt inzwischen einen neueren Pfad, in dem vieles recht gut erklärt wird. Lies deshalb doch mal hier: http://www.geschichtsforum.de/f77/kaiser-f-rsten-bist-mer-14301/
:winke:
 
Elphaba
Die dritte Ebene des Begriffes "deutsch" taucht erstmalig im Jahr 888 auf. Hier wird in einer westfränkischen Quelle vom sogenannten "Teutonum Tellus" gesprochen. Damit ergibt sich eine geografische Ausdehnung des Begriffes. Wichtig ist an dieser Stelle, dass sich diese Bezeichnung auf das Ostfrankenreich bezieht, aus dem ja der deutsche Staat langsam aber sicher hervorgeht.
Doch die nächsten Quellen lassen nicht lange auf sich warten. Um 1010/1020 tauchen Urkunden auf, in denen vom "Rex Teutonicorum" gesprochen wird. Damit wird die Zuweisung des Begriffes zur Ebene des Staates endgültig. So existiert eine Königsurkunde aus dem Jahr 1020, in der Heinrich II. als solcher bezeichnet wird. Auch langobardische Herrscherkataloge sprechen jetzt vom deutschen König.
Kannst du mir Quellen dafür geben?
Als früheste Belege der "teutonici" Bezeichnungen kenne ich päpstliche Schriften im Investiturstreit, Ende 11.Jhd.

Brissotin
Ich denke bei der Frage kommt es ganz deutlich auf den Zeitpunkt an, den Du meinst. Ich denke Du beziehst Dich auf das HRR nach der Goldenen Bulle.
Was die Dreiteilung des Reiches angeht, denke ich auch schon an früher.

Also meine Vermutung ist, dass diese Dreiteilung lediglich nomineller Natur ist. Es gab die einzelnen Königreiche als souveräne Staaten ja schon früher. Im Falle Deutschlands war es das Ostfrankenreich, das eigenständig war, bis Otto I. es mit Italien verband, im Falle Italiens ist es das langobardische Königreich, das ab Karl dem Großen seine Souveränität verloren hat, später aber wieder ein souveränes Königtum bekam (in dem Sinne, dass das italienische/langobardische Königtum vom (ost)fränkischen getrennt blieb).

Burgund, bzw das Königreich Arelat, schloss sich im 10. Jhd aus Teilkönigreichen (Hoch- und Niederburgund) zusammen. Nachdem der letzte Regent Rudolf III kinderlos blieb, fiel es durch einen Erbvertrag an das HRR.

So, beide ehemals eigenständigen Königreiche werden künftig auch durch den deutschen König regiert, aber die Bezeichnung der Königstitel bleibt ja (vorerst?) bestehen. Ich denke, das hat Traditionsgründe, da sich der Kaiser als Herrscher über viele Königreiche verstanden haben wollen wusste. Man hätte die Königstitel/-reiche ja auch schlicht vereinen können. Eine wirkliche Eigenständigkeit, auch innerhalb des Reichsverbandes, gab es meines Wissens nicht mehr.
 
Zuletzt bearbeitet:
...Also meine Vermutung ist, dass diese Dreiteilung lediglich nomineller Natur ist. Es gab die einzelnen Königreiche als souveräne Staaten ja schon früher. Im Falle Deutschlands war es das Ostfrankenreich, das eigenständig war, bis Otto I. es mit Italien verband, im Falle Italiens ist es das langobardische Königreich, das ab Karl dem Großen seine Souveränität verloren hat, später aber wieder ein souveränes Königtum bekam (in dem Sinne, dass das italienische/langobardische Königtum vom (ost)fränkischen getrennt blieb).

Burgund, bzw das Königreich Arelat, schloss sich im 10. Jhd aus Teilkönigreichen (Hoch- und Niederburgund) zusammen. Nachdem der letzte Regent Rudolf III kinderlos blieb, fiel es durch einen Erbvertrag an das HRR.

So, beide ehemals eigenständigen Königreiche werden künftig auch durch den deutschen König regiert, aber die Bezeichnung der Königstitel bleibt ja (vorerst?) bestehen. Ich denke, das hat Traditionsgründe, da sich der Kaiser als Herrscher über viele Königreiche verstanden haben wollen wusste. Man hätte die Königstitel/-reiche ja auch schlicht vereinen können. Eine wirkliche Eigenständigkeit, auch innerhalb des Reichsverbandes, gab es meines Wissens nicht mehr.
Das siehst du schon ganz richtig und hast die Zusammenhänge auch recht gut erklärt.
Grundsätzlich war es so, daß der jeweilige Herrscher, nachdem er zum König des Regnum Teutonicum gewählt war, auch die Herrschaft über die übrigen Reichsteile für sich beanspruchte. Um diesen Machtanspruch zu entfalten, war es notwendig, daß er eine Umfahrt innerhalb des Reiches unternahm um sich huldigen zu lassen. Auch die Königreiche Italien und Burgund wurden bereist und in jedem der drei Reichsteile wurden Krönungszeremonien vorgenommen.
Um sich zum Kaiser krönen zu lassen, mußte der König noch zum Papst nach Rom.
 
Gab es auch für Burgund so eine explizite Krönungszeremonie? In Italien wurde der König mit der Eisernen Krone in Pavia, glaube ich gekrönt.

Weiterhin würde mich interessieren, ob es Urkunden gab, in denen festgelegt war, welches Territorium zu welchem Königreich gehörte.

Interessanterweise bestand ja das Königreich Böhmen ebenfalls als solches im Reich weiter, zählt aber zum deutschen Reichsteil, vermutlich auch, weil es hier tatsächlich weiterhin einen König gab, der nicht mit dem deutschen König identisch war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gab es auch für Burgund so eine explizite Krönungszeremonie?
Ja, gab es.
In Italien wurde der König mit der Eisernen Krone in Pavia, glaube ich gekrönt.
Stimmt.

Interessanterweise bestand ja das Königreich Böhmen ebenfalls als solches im Reich weiter, zählt aber zum deutschen Reichsteil, vermutlich auch, weil es hier tatsächlich weiterhin einen König gab, der nicht mit dem deutschen König identisch war.
Böhmen kam - noch als Herzogtum - in der ersten Hälfte des 10. Jh. zunächst unter bairische, ab um 950 dann unter die Lehnshoheit des ostfränkischen Königs. Erstmals im Jahre 1085, entgültig dann ab 1198 wurde Bömen zum Königreich erhoben und in der Sizilianischen Goldenen Bulle von 1212 wurde die Sonderstellung Böhmens innerhalb des Reiches festgeschrieben. In der Goldenen Bulle von 1356 wurde Böhmen dann zu einem der sieben Kurfürstentümer bestimmt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie kann es denn zur Erhebung zu einem Königreich innerhalb eines Königreiches gekommen sein?
Stellte das unter den Zeitgenossen keinen Widerspruch dar?
 
Wie kann es denn zur Erhebung zu einem Königreich innerhalb eines Königreiches gekommen sein?

Es demonstrierte die Sonderstellung Böhmens im Reich, zumal Vratislav II. (1085) auch ein treuer Verbündeter von Heinrich IV. war. Außerdem kann man es als Ausgleich für den Verlust der österreichischen Gebiete ansehen, welche Vratislav II. nicht behalten konnte. Seine Nachfolger mußten sich wieder mit dem Fürstentitel (Herzog von Böhmen) begnügen.
Erblich wurde das böhmische Königtum mit Ottokar I. (1198), der ebenfalls wiederum treuer Gefolgsmann des Staufers Philipp von Schwaben war. 1212 wandte sich Ottokar I. dem Staufer Friedrich II. zu, der ihm als Lohn für seine Treue als Gefolgsmann die Erblichkeit der Königskrone endgültig zusprach.
Kurzum: Gefolgstreue mußte belohnt werden, da der römisch-deutsche König gerade in Zeiten der Auseinandersetzung mit anderen Adligen des Reiches auch Verbündeter bedurfte.

Stellte das unter den Zeitgenossen keinen Widerspruch dar?

Nicht zwangsläufig, denn es war ja Teil des Heiligen Römischen Reiches, ergo eines Reiches, an welches eigentlich nicht nur ein Königtum, sondern auch das abendländische Kaisertum gebunden war (auch wenn es nicht alle seine Herrscher schafften, zum Kaiser gekrönt zu werden).
 
Hallo,

@El Quijote

Mh... Da magst du recht haben mit deiner Korrektur. Wir haben das zwar in der Uni so gehabt, aber das muss ja nicht heißen, dass das alles richtig ist ;)

Nein, das ist falsch und vorwissenschaftliche Denkweise. Das germanische /t/ wird nicht zum deutschen /d/ sondern das germanische /θ/ (<th> oder <þ>) wird zu /d/. Teut- von Teutonen klingt zwar ähnlich wie Deut- ist aber nicht der Vorläufer. Der ist, wie Du richtigt sagtest, die Form Thiuda/thiudisk.
Es mag sein, dass hochmittelalterliche Schreiber den lateinischen Begriff teutonum und den germanischen Begriff thiudisk, der sich inzwischen zu diutsch entwickelt hatte, vermengten. Teutonum also schon damals ein falsches Etymon.

Gut, wenn du sagst, dass beide Begriffe sich unterscheiden --> Was bedeutet dann Teutonum? Ich mein, der Begriff bezog sich im Alten Rom ja auch auf die Menschen, die damals in dieser Region lebten. Ist das jetzt ein historischer Zufall, dass die Worte so ähnlich sind? :confused:

Grüße
Elphie
 
1.
Was die Dreiteilung des Reiches angeht, denke ich auch schon an früher.

2.
Also meine Vermutung ist, dass diese Dreiteilung lediglich nomineller Natur ist. Es gab die einzelnen Königreiche als souveräne Staaten ja schon früher. Im Falle Deutschlands war es das Ostfrankenreich, das eigenständig war, bis Otto I. es mit Italien verband, im Falle Italiens ist es das langobardische Königreich, das ab Karl dem Großen seine Souveränität verloren hat, später aber wieder ein souveränes Königtum bekam (in dem Sinne, dass das italienische/langobardische Königtum vom (ost)fränkischen getrennt blieb).
1.
Das macht es eben schwierig auf Deine Fragen zu antworten, wenn Du Dich auf die gesamte Geschichte des HRR bis zum Übergang zur Renaissance beziehst.

2.
Von souveränen Staaten zu sprechen erscheint mir in der mittelalterlichen Welt etwas schwierig. In dem Sinne von heute, gab es ja "Staaten" noch nicht und eine "Souveränität" der Staaten ist auch schwerlich zu erkennen. Als bestes Beispiel finde ich immer wieder die Verwobenheit der englischen und französischen Herrscher auf dem Territorium Frankreichs. Da waren zwar hier und dort "Grenzen" zwischen Angevinischem Reich und dem, was als Krondomänen dem König von Frankreich unterstand, aber dennoch können wir kaum von Staatengrenzen sprechen. Hier und dort waren eben die Lehensverhältnisse andere und dennoch befinden wir uns hier wie dort (z.T.) in Frankreich.
 
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