aus: Monika Gronke: GESCHICHTE IRANS. Von der Islamisierung bis zur Gegenwart. München 2003:
"Traditionell ist die
Zwölferschia daher unpolitisch, ja quietistisch gewesen, und
auch die Geistlichen haben sich – von wenigen Ausnahmen
abgesehen – von der Tagespolitik ferngehalten. Die Idee einer
politisch aktiven Schia ist ein neues Phänomen und entspringt
nicht dem gelehrten Gedankengut des Klerus, sondern wurde
von iranischen Intellektuellen unter dem Eindruck der kulturellen
Überfremdung und wirtschaftlichen Ausbeutung Irans
entwickelt. Wegbereiter einer Revolutionsideologie, die eine
ganze Generation junger Iraner ganz entscheidend prägten,
waren Dschalâl Âl-e Ahmad (1923–1969) und sein Schüler Alî
Scharî’atî (1933–1977).
Waren bisher für die Mehrheit der iranischen Intellektuellen,
gleich welcher Couleur, westliche Vorbilder maßgeblich geblieben,
obgleich sich an deren Nutzen für Iran inzwischen Zweifel
erhoben, gab Âl-e Ahmad den Anstoß, sich auf die eigenen kulturellen
Werte zurückzubesinnen. Sein bekanntestes Werk
Gharbzadegî (1952) wurde zum Schlüsselbegriff einer Weltanschauung,
in der sich Linke und Islamisten im Kampf gegen die
Despotie des Schahs und seine Willfährigkeit gegenüber dem
Westen zusammenfanden."
"Obwohl persönlich national
gesinnt, sah Âl-e Ahmad doch in der Religion den einzigen vom
westlichen Gift noch nicht befallenen kulturellen Wert, der nach
wie vor für das Weltbild der breiten Masse der Iraner von überragender
Bedeutung war."
"...die die traditionell unpolitische
Schia zu einer Revolutionsideologie transformierten, die
gegensätzlichen oppositionellen Kräfte verbünden, denen allen
der Kampf gegen den westlichen Imperialismus und der Haß
auf den Schah als seines Werkzeugs gemeinsam war."
"Zum Führer der Islamischen Revolution wurde der Ayatollah
Rûhollâh Khomeyni..."
"...im November 1964 ins Exil in die Türkei geschickt
und"
"...Tonbandkassetten
mit seinen Reden, in denen er zum Sturz des Schahs
aufrief, kursierten in großer Zahl, wurden durch ein gut funktionierendes
Verbindungsnetzwerk religiöser Zirkel verbreitet
und fanden in der iranischen Bevölkerung ein breites Echo."
"Khomeyni gelang es, in Iran eine Massenprotestbewegung gegen
die Diktatur des Schahs hervorzurufen, die – ähnlich wie in
der Konstitutionellen Revolution – das ganze Spektrum höchst
unterschiedlicher Oppositionsgruppen vereinte: Linke und
Rechte, Liberale und Konservative, Intellektuelle, die Bäzäris,
die radikalen und gemäßigten Gruppen der Geistlichkeit sowie
die große Masse der verarmten ehemaligen Landbewohner in
den Slums der Großstädte. Alle diese Gruppen hatten zwangsläufig
sehr divergierende Vorstellungen von der Zukunft Irans
nach dem von ihnen erhofften Sturz des Schahs.
Khomeyni verstand
es, den Eindruck zu vermitteln, daß er selbst nur eine Integrationsfigur
sei und sich samt seinen Kollegen nach dem Erfolg
der Revolution wieder in Moschee und Medrese zurückziehen
werde, ohne eine Regierung anzustreben."
"Er versprach die Beibehaltung des Gesellschaftssystems,
demokratische Freiheiten und die Gleichberechtigung von
Mann und Frau. Das trug ihm breite Zustimmung, u.a. von den
iranischen Frauen, ein. Vielfach handelte es sich bei ihnen um
Angehörige liberaler oder linker Kreise, die sich eine künftige
demokratische Entwicklung in Iran erhofften und das
Tragen
des Körperschleiers (Tschador) lediglich als ein Symbol des generellen
Protestes gegen den Schah auffaßten. Der Nachsatz,
den Khomeyni regelmäßig seinen Versprechungen anfügte, daß
alles dies im Einklang mit dem Islam stehen müsse, fand anscheinend
nicht die nötige Beachtung. Erst in einem fortgeschrittenen
Stadium der Revolutionsbewegung forderte Khomeyni
im Herbst 1978 offen die Errichtung einer Islamischen
Republik."
"Der eigentliche Auslöser..." "Zeitungsartikel in der von
der Regierung kontrollierten Presse, in dem Khomeyni grob
verunglimpft wurde."
"Der Kreislauf von Massendemonstrationen,
Zusammenstößen mit Polizei und Militär,
gefolgt von neuen Demonstrationen, wiederholte sich vielfach"
"Schon im März 1979 fand eine Volksbefragung über die Errichtung
einer Islamischen Republik statt, die – wie vorhersehbar –
mit etwa 97 Prozent der Stimmen gebilligt wurde."
"Damit ging er weit über die der
Geistlichkeit in der Verfassungsergänzung von 1907 zugestandene
Kontrollfunktion für die Regierung hinaus und verlieh
dem Anspruch, nur die Geistlichen könnten die legitimen Repräsentanten
des verborgenen Imams sein, programmatischen
Ausdruck. Die Einmündung der stellvertretenden Rolle der
Geistlichkeit in die Ausübung der tatsächlichen politischen
Herrschaft ist in der traditionellen Schia ebensowenig vorgesehen
wie das Amt eines obersten geistlichen und politischen Führers
vom Schlage Khomeynis. Beides ist qualitativ neu und revolutioniert
die traditionelle Schia in einem Maße, daß sich unter
konservativen Geistlichen noch lange hartnäckiger Widerstand
gegen solche Neuerungen regte.
In dem in der Verfassung festgeschriebenen Amt des obersten
geistlichen und politischen Führers (persisch rahbar) Irans wurde
Khomeyni durch die Volksabstimmung vom Dezember 1979
bestätigt."
"Schon kurze Zeit nach dem Umsturz traten die unterschiedlichen
politischen Interessen der Gruppierungen, die gemeinsam
die Revolution getragen hatten, wieder zutage. Es gelang Khomeyni
jedoch, die gemäßigte, liberale und linke Opposition, die
eine Machtübernahme der Geistlichkeit ablehnte, auszuschalten,
andersdenkende liberale Geistliche kaltzustellen und seine
Vorstellung eines Gottesstaates zu verwirklichen. Insbesondere
die – 1965 als Widerstandsgruppe gegen den Schah gegründeten
– Volksmudschahedin (persisch modschâhedin-e chalk), die wesentlichen
Anteil am Sieg der Revolution gehabt hatten, führten
Anfang der achtziger Jahre einen Guerillakrieg gegen die von
Khomeyni aufgestellten Revolutionsgarden und verübten zahlreiche
Anschläge."
"Der Angriff des Iraks auf Iran im September
1980,..." "erleichterte es der Regierung jedoch, verschärfte Repressionen
im Inneren unter Berufung auf den äußeren Feind,
gegen den alle Kräfte mobilisiert werden mußten, durchzusetzen."
Wer sich literarisch dem Thema der revolutionären Tage widmen möchte, der kann sich mal
James Clavell's (
Shogun-Bestseller-Autor) historischen Roman
Wirbelsturm anschauen, den er 1986 verfasste und der 1979 im ereignisreichem Iran jener Tage spielt.
:winke: