Als Orte Städte wurden

Rovere

Premiummitglied
Gab es in Europa Städte im 10. Jhdt.?
(vom byzantinischen Reich samt Nebenländern und dem maurischen Spanien mal abgesehen)
 
Woran machst Du Stadt fest? Reicht Dir das Stadtrecht oder erwartest Du mehr? Allein an alten Römerstädten (inklusive Rom selbst) war doch bestimmt noch einiges übrig.
 
Ich würde Stadt an der Existenz mehrere Faktoren festmachen - Stadtrecht, Bevölkerungsstruktur ("freie Bürger" statt unfreier Bauern), arbeitsteilige Gesellschaft, Geldwirtschaft, Warenumschlag - um nur einige zu nennen.
Mir wären im 10. Jhdt. keine Städte in Europa ausserhalb des byzantinischen und arabisch-maurischen Einflussbereich (dieser inkludiert ua Italien) bekannt, ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
 
Ich würde Stadt an der Existenz mehrere Faktoren festmachen - Stadtrecht, Bevölkerungsstruktur ("freie Bürger" statt unfreier Bauern), arbeitsteilige Gesellschaft, Geldwirtschaft, Warenumschlag - um nur einige zu nennen.
Mir wären im 10. Jhdt. keine Städte in Europa ausserhalb des byzantinischen und arabisch-maurischen Einflussbereich (dieser inkludiert ua Italien) bekannt, ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.

Ich bitte vielmals um Entschuldigung, daß ich Dir da jetzt widersprechen muß, aber was die Sache mit der Freiheit angeht, so sind die Korrelationen "frei - Stadtbürger" und "unfrei - Bauer" nicht hinreichend.
Die Schichten der Freien wie auch der Unfreien sind dafür während des gesamten Mittelalters zu stark differenziert gewesen: es hat sehr wohl freie Bauern gegeben, wiewohl sich die Stadtbürger tatsächlich erst ab dem 12. Jh. die Freiheit von personenrechtlichen Bindungen der älteren Stadtherrschaft (zumeist Bischof) erwarben. Hinzu kommt dabei, daß der Freiheitsbegriff der Städter einen neuen und zudem abweichenden vom traditionellen Freiheitsbegriff der mittelalterlichen Gesellschaft Inhalt hatte.
Vgl. dazu meinen Beitrag zu Freien, Unfreien und Grundherrschaft sowie meinen Beitrag zu Unfreien, Minderfreien und dem Lehenswesen

Läßt man diesen schwer zu wichtenden - wie anhand der obigen Darlegungen ersichtlich wird - Punkt beiseite, so muß man zumindest einigen alten Römerstädten im westlichen Europa (z.B. Köln) schon zugestehen, daß es Städte waren - auch wenn bspw. ein (Erz-)Bischof als Stadtherr den Bürgern noch nicht jene Rechte zubilligte, welche sie ab dem 12./13. Jh. dann als unstrittig freie Stadtbürger besaßen.

PS: Sollte ich Deinen Beitrag mißverstanden haben, entschuldige ich mich an dieser Stelle nochmals...
 
Laut Wikipedia entwickelte sich ein regelrechtes Stadtrecht erst ab dem 10. Jh. Keine Ahnung, ob das so stimmt. Auf jeden Fall wäre mir aber neu, daß man Orte wie Köln, Mainz oder London für das 10. Jh. nicht als Städte bezeichnen dürfte.
 
Worauf ich hinauswollte ist einen wesentlichen Unterschied zwischen den Lebenswelten "Stadt" und "Land" bzw. "Dorf" herauszuarbeiten (ist schwammig formuliert ich weiß, aber Wiki-Links reinzustellen ist mir zu fad).

Aus meiner Sicht beginnt die Abgrenzung der Stadt vom reinen großen Dorf bei der gesellschaftlichen Organisation der Bewohner.
Und wie Timo schreibt bilden sich erst ab dem 12. Jahrhundert ein neuer Stand (kann man schon von Stand sprechen?) von Stadtbürgern heraus.

PS: Ob man die Akkumulation von Wohnorten nun Stadt, Dorf, Land, Metropole, Provinzkaff oder was auch immer nennt ist doch wurst. Interessant ist doch nur die Frage ob sich der zivilisatorische Aggregatzustand* oder nur der Name ändert.

PPS: *geile Definition, nicht? :cool: :ironie:
 
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Aus meiner Sicht beginnt die Abgrenzung der Stadt vom reinen großen Dorf bei der gesellschaftlichen Organisation der Bewohner.
Und wie Timo schreibt bilden sich erst ab dem 12. Jahrhundert ein neuer Stand (kann man schon von Stand sprechen?) von Stadtbürgern heraus.

Sehe ich auch so. Ich bringe da mal ein regionales Beispiel.

Brugg war eine nachrömische, später alemanische Siedlung.

1064/1160 wurde Brugg in einer Urkunde Graf Werners von Habsburg erwähnt. Im laufe des 13. Jahrhunderts entwickelte sich die Siedlung zu einer kleinen Stadt. Dazu gibt es folgende Indizien:

1227 besitzt Brugg einen eigenen Leutpriester und damit ein Gotteshaus. Es bildete von Windisch (hatte da bereits eine Kirche) abgetrennt eine eigene selbständige Pfarrei und Kirchgemeinde heraus.

1232 erscheint estmals der Begriff Stadtbürger (cives), dazu wird ein Münzmeister erwähnt.

1254 und 1270 wird Brugg als Stadt erwähnt (oppidum).

1266 kommt in einem Kaufvertrag wird das erstemal das deutsche Wort Stadt erwähnt: "ze Brucge in der stat"

1273 wird eine Zollstelle erwähnt

1278 ist die Brugger Bürgerschaft organisiert, es gibt einen Schultheiss (Peter von Mülinen)

1283 wird der Mark in Burgg erstmals erwähnt.

Mit diesen Merkmalen hat Brugg alle Merkmale für eines mittelalterlichen Städchens

  • Befestigung
  • Markt
  • Zoll
  • Bürger
  • Schultheiss
  • Pfarrei und die Bezeichnung Stadt in einer Urkunde.

Rudolf von Habsburg hat, nach der Überlieferung, Brugg am 23. Juni 1284 das Stadtrecht erteilt (dieses Datum ist aber umstritten, da die original Urkunde nicht mehr vorhanden ist, sondern nur noch spätere Abschriften).
 
Ich finde Roveres Frage ganz gut.

Vermuten würde ich, dass es in Italien noch Städte gab, eben vor allem durch die Konflikte, welche die Kaiser im 11./12. Jh. dort hatten, komme ich zu der Annahme.

Interessant wäre, welche Faktoren zu den Stadtgründungen führten und was dazu führte, dass sich Städte entwickelten, welche Roveres Kriterien gerecht wurden.

Vielleicht wird man in Italien fündig. Leider habe ich nur dazu keine Literatur.
 
Noch eine Literaturempfehlung:

Felicitas Schmieder
Die mittelalterliche Stadt
WBG Verlag 2005

In diesem Buch geht es um die Stadtentwicklung, dabei werden Topographie, Wirtschaft und soziale Faktoren sowie Aspekte des Alltags und der Mentalität der Bewohner beschrieben.
 
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Ich finde Roveres Frage ganz gut.

Vermuten würde ich, dass es in Italien noch Städte gab, eben vor allem durch die Konflikte, welche die Kaiser im 11./12. Jh. dort hatten, komme ich zu der Annahme.

Interessant wäre, welche Faktoren zu den Stadtgründungen führten und was dazu führte, dass sich Städte entwickelten, welche Roveres Kriterien gerecht wurden.

Vielleicht wird man in Italien fündig. Leider habe ich nur dazu keine Literatur.

Italien hab ich als "unter byzantinischen Einfluss stehend" subsumiert.
 
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.. aber Wiki-Links reinzustellen ist mir zu fad).
Damit war anscheinend (auch) ich gemeint. Auf eine kurze Frage, ohne genauere Definition, was inhaltlich darunter zu verstehen sein könnte, habe ich ein Beispiel vorgeschlagen, das meiner Meinung nach als Stadt gelten könnte.
Will man tiefer einsteigen, wird man nicht umhin kommen, Merkmale dafür zu definieren, was unter einer Stadt verstanden werden soll.
Eher formal: Stadt- und Marktrecht. Dann können aber allerhand "Käffer" drunter fallen.
oder: "Urbanität" = gewisse Größe, Kultur, gebildete Schicht, repräsentative Bauten, erhebliche Bedeutung des Handels....

Weil ich eher in die 2. Richtung tendiere, zum Schluss doch noch einmal einen Wikipedia-Link zu einer Stadt, an die eher wenige denken werden, weil es sie nicht mehr gibt
Haithabu ? Wikipedia
 
Will man tiefer einsteigen, wird man nicht umhin kommen, Merkmale dafür zu definieren, was unter einer Stadt verstanden werden soll.
Eher formal: Stadt- und Marktrecht. Dann können aber allerhand "Käffer" drunter fallen.
oder: "Urbanität" = gewisse Größe, Kultur, gebildete Schicht, repräsentative Bauten, erhebliche Bedeutung des Handels....
[/URL]
Da geb ich dir uneingeschränkt Recht (siehe oben das nachstehende Zitat im Original)
Ich würde Stadt an der Existenz mehrere Faktoren festmachen - Stadtrecht, Bevölkerungsstruktur ("freie Bürger" statt unfreier Bauern), arbeitsteilige Gesellschaft, Geldwirtschaft, Warenumschlag - um nur einige zu nennen.
Mir wären im 10. Jhdt. keine Städte in Europa ausserhalb des byzantinischen und arabisch-maurischen Einflussbereich (dieser inkludiert ua Italien) bekannt, ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
 
Haithabu könnte tatsächliche den Stadtkriterien entsprechen. Ich denke ein wichtiges Indiz der Abgrenzung zwischen großem Dorf und Stadt ist die Existenz einer größeren Gruppe von Nicht-Selbstversorgern. Dh. Menschen die Güter ihres täglichen Bedarfs nicht selbst produzieren sondern von Dritten erwerben.
Das Bestehen eines Warenumschlagplatzes wäre dafür Voraussetzung. Es ist ja auch kein Zufall dass der Verleihung formaler Stadtrechte meist die Existenz von Märkten vorausgeht.
Macht der Markt die Stadt?
 
Was ist mit Regensburg?

Sie war doch schon vor dem 10.Jahrhundert eine wichtige Stadt, wenn nicht sogar die wichtigste im Deutschen Bereich?
 
Interessant ist dies, weil es im Slawenland eigentlich keine urbanen Strukturen gab. Die im Artikel angegebene Einwohnerzahl (100-200) ist angesichts der Siedlungsfläche (um 10 ha) ein Witz. Die Funde zeigen, dass hier Slawen, Wikinger und Franken auf Multikulti machten. Man fand Geweih-, Leder- und Bernsteinverarbeitung. Besonders begehrte Handelsobjekte waren ferner Glas aus dem Rheinland (fränkische Rüsselbecher), Schwertklingen (das war wohl schon Konterbande) und Textilien. Vermutlich handelte man auch mit Sklaven.
Reric ? Wikipedia
 
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Die Sache steht und fällt mit den Kriterien, die man für eine Stadt ansetzen will. Wenn ein regelrechtes Stadtrecht wirklich erst ab dem 10. Jh. entstand, kann man das kaum als Hauptmerkmal verlangen. Kriegt man denn raus, wie die Leute das damals wahrgenommen haben? Ich denke halt, man sollte vorsichtig sein mit _unseren_ Vorstellungen, wie eine Stadt auszusehen hat.
 
Um heraus zufinden, welches Merkmal eine Stadt beschreibt, sollte man sich auf ein Merkmal einigen, daß unabhängig von der Zeit der Lebensumstände der jeweilgen Epoche ist.
Somit sind infrastrukturelle Aufbauten und die Anzahl der Bewohner, sicherlich Kriterien, die nicht an einen gesellschaftlichen Stand festgemacht werden können, oder an einem Zeitraum. Oder?
 
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