Scheer: Gefechtskehrtwenden in der Skagerrak-Schlacht 1916

Aber was wäre wohl geschehen, wenn anstatt der 6 alten Linienschiffe, die Bayern und Baden zu dem Zeitpunkt schon Einsatzbereit gewesen wären?

Reine Spekulation meinerseits: Scheer hätte evt. eher die Auseinandersetzung zwischen den beiden Schlachtflotten gesucht, hätte dann auf beiden Seiten ein paar Großlinienschiffe gekostet. Scheers Äußerung im Immediatbericht nach der Schlacht, mit etwas Abstand von den Ereignissen und mit Bayern/Baden auf der Rechnung: in diesem Krieg wird die Grand Fleet durch eine Schlacht nicht zu bezwingen sein.
- das ist eindeutig und wohl auch realistisch!



Nachtrag zu den "10-Minuten-Schiffen", das II. Geschwader:
der Operationsbefehl vom 28.5.1916, zB bei Epkenhans/Hillmann/Nägler, Skaggerakschlacht, im Anhang zum Beitrag von Rahn abgedruckt, weist dem II. Geschwader noch die Deckung der Deutschen Bucht zu (plus Stellung von Prisenkommandos an Bord), wobei die Möglichkeit zur Einbindung in die vorstoßende Hochseeflotte bereits angedeutet wird. Diese Entscheidung soll dann am 30.5.1916 gefallen sein, aber auch Rahn - dessen Artikel mich eigentlich in vielen Detailfragen mangels Auswertung enttäuscht hat; er inventarisiert eigentlich nur viele Probleme, die seit Jahrzehnten bekannt sind - bezieht sich i.w. auf Marinearchiv, Nordsee V.
 
Zu den weiteren Auswirkungen der 2. Kehrtwende:

Das nochmalige X-T nach der zweiten Wende und die Probleme beim Entkommen/Wettlauf mit der Grand Fleet für Scheer dürfte sicher zu seiner Meinung im sicheren Hafen beigetragen haben, dass ein entscheidender Sieg gegen die Royal Navy im Weltkrieg nicht mehr möglich sei. Das hatte Auswirkungen:

- zum einen schwang das Pendel klar zugunsten des uneingeschränkten U-Boot-Krieges aus, vielleicht das entscheidende Ergebnis der Skagerrak-Schlacht aus deutscher Sicht. Von Scheer wurde nämlich am 4.7.1916 beim Vortrag zur Darstellung der Schlacht vor hohen Besuchern der Flotte - die Gefechte wurden skizzenartig vorgeführt - bemerkt, dass dieses Urteil - kein Seesieg gegen die Grand Fleet - selbst dann gelten würde, wenn die U-Boote voll militärisch für ein solches Entscheidungsgefecht genutzt würden. Trotz einiger Erfolge wurde das dann auch im weiteren Verlauf bestätigt,

- Reventlov leitete aus der "Vorführung" der Schlacht am 9.7.1916 die Äußerungen von Bethmann Hollweg weiter: "der Mann [Scheer] muß entfernt werden; er hat ja in unerhört leichtsinniger Weise Alles aufs Spiel gesetzt; ein zweites Mal dürfen wir uns dem nicht aussetzen." Und weiter: "aus dem, was ich auf dem Flaggschiff gehört habe, [gemeint ist hier der Tag der Präsentation 4.7.1916] heute Vormittag, habe ich aber doch entnommen, welches Glück sie gehabt haben."

Stegemann: Die deutsche Marinepolitik 1916-1918, S. 39ff.
 
Die Gefechtskehrwendung war das schwierigste Manöver unter Gefechtsbedingungen. Es wurde in nur wenigen Flotten geübt (ich selbst kenne nur die deutsche), in der Navy war dies Manöver unbekannt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass nach den einzelnen Wenden die Kiellinie tatsächlich wieder hergestellt ist. Dazu bedarf es zeitlich exakt aufeinander abgestimmte Wendemanöver, die wiederum nur durch exakte Signalgebung eingeleitet werden können. Die einzelnen Signale sind zeitlich leicht verschoben, aber diese Verschiebung muss exakt sein, sonst endet das Manöver im Chaos. Die Gefechtskehrtwendung war die mit Abstand schnellste Möglichkeit, sich aus einer taktisch ungünstigen Situation zu lösen.

Die Schlachtaufstellung der Gegner, das zum ungünstigen crossing the T (every admirals dream wie Massie schreibt) der Deutschen führte, kam letztlich durch eine Zufallsentscheidung Jellicoes zustande. Er wusste nicht, ob er seine Linie in westlicher oder östlicher Richtung entwickeln sollte (er nicht wusste, wo die Deutschen standen und da er den Positionsangaben seiner Leute misstraute) und entschied sich – aus englischer Sicht richtig – um 20:15 Uhr (6:15 pm GMT – die Zeitverschiebung ist MEZ – eine Stunde – plus eine Stunde deutsche Sommerzeit) zur Bildnug der Linie nach Südosten. Hätte Jellicoe sich anders entschieden, wäre dies für die Deutschen deutlich günstiger gewesen (so zumindest die offizielle deutsche Seekriegsbeschreibung lt. Massie).

Kriegsglück für die Engländer. Allerdings – und das ist das Entscheidende – sie konnten damit wenig anfangen. Die Deutschen fuhren auf die von Nordwesten bis Nordosten sich hinter Dunst und Qualm sich verbergende fast 16 km lange Linie der Navy zu, die Salve auf Salve auf die sich gegen die untergehende Sonne gut abhebenden Deutschen feuerten. Eine Erwiderung des Feuers war den Deutschen praktisch unmöglich, da sie die Engländer nicht sehen konnten. Die Engländer mussten berechtigterweise gefühlt haben, dass der Sieg nur eine Frage von Stunden ist. Da befahl Scheer um 20:36 Uhr (6:36 pm) die erste Gefechtskehrwendung. Innerhalb vier Minuten waren 22 Schlachtschiffe verschwunden. Die Engländer bemerkten dies erst gar nicht und dachten der Nebel sei dichter geworden. Das Feuer der Engländer hörte schlagartig auf und es passierte nichts. Eine Verfolgung durch die schnellen Schlachtkreuzer ist aus Angst vor den deutschen Zerstörern, Torpedobooten und Minen nicht einmal erwogen worden. Trotz günstigster Lage für die Engländer war die Initiative allein bei Scheer.

Scheer wendete um 20:55 Uhr nochmals (die umstrittene Zweite Gefechtskehrtwende) um die Torpedoboote (sechs Flottillen mit 224 Torpedos) zum Ansatz zu bringen, was auch gelang (er wollte zudem einen verfrühten Heimmarsch vermeiden, der gute Angriffsmöglichkeiten auf die rückwärtigen Flottenteile gegeben hätte). Jellicoe scheint den Angriff befürchtet zu haben, nach Scheers Bericht hat Jellicoe habe bereits vor dem Torpedobootsangriff abgedreht. Scheer behielt die Initiative. Die dritte Gefechtskehrtwende um 21:16 Uhr war dann der Auftakt zum Nachtmarsch.
Die Engländer hatten keinerlei Möglichkeiten oder nicht den Willen die Lösungsversuche Scheers zu unterbinden (und damit auch keine Möglichkeit die Hochseeflotte zu vernichten). Trotz günstigster Lage hatten die Engländer nicht ein größeres Schiff der Deutschen in der Hauptschlacht versenken können.

Auch am nächsten Morgen hatten die Engländer keine Möglichkeit die Deutschen zu vernichten. Die Schlacht am nächsten Morgen erwartete Scheer mit Sicherheit. Er fuhr zu den Fahrrinnen durch die (englischen) Minenfelder (das letzte Minenfeld ist am 1.06.1916 um 1:30 pm von HMS Abdiel gelegt worden) um die Amrumbank etwa in Höhe der damaligen deutsch-dänischen Grenze. Da kam er im Morgengrauen auch an. Zur gleichen Zeit waren die Engländer etwa 70 Meilen weiter westlich (auf dieser Position konnten die Deutschen nicht sein). Eine Schlacht war nicht mehr möglich und von Jellicoe konnte sie auch nicht beabsichtigt gewesen sein. Warum diese Position der Engländer? Jellicoe hat sich während der Nacht in deutlicher Entfernung von den Deutschen gehalten. Er meinte, in jedem Fall eine Nachtschlacht vermeiden zu müssen („I might loose that fight“, schrieb er an die Admiralität). Auf der anderen (deutschen) Seite erwartete Tirpitz viel von einem nächtlichen Torpedoangriff. Die Vorsicht war berechtigt. Jellicoe konnte sich auf keinen Fall in einer Situation auf ein Gefecht einlassen, in der die deutsche Überlegenheit allgemein anerkannt war. Die Kaiserliche Marine war „second only to Britain in size and second to none in mechanical excellence and technical efficiency“, so Liddell Hart, Repeat War, und Frottingham, Naval History. Jellicoe wusste das schon vor dem Krieg.
 
Admiral schrieb:
Kriegsglück für die Engländer. Allerdings – und das ist das Entscheidende – sie konnten damit wenig anfangen. Die Deutschen fuhren auf die von Nordwesten bis Nordosten sich hinter Dunst und Qualm sich verbergende fast 16 km lange Linie der Navy zu, die Salve auf Salve auf die sich gegen die untergehende Sonne gut abhebenden Deutschen feuerten. Eine Erwiderung des Feuers war den Deutschen praktisch unmöglich, da sie die Engländer nicht sehen konnten. Die Engländer mussten berechtigterweise gefühlt haben, dass der Sieg nur eine Frage von Stunden ist.
HMS "Bellophon":
Um 18.15 Uhr einige graue, dunstige Objekte gesichtet. 18.25 Uhr Feuer eröffnet ... es ist nicht möglich, die Zahl der Gegner festzustellen.

HMS "Benbow":
18.29 Uhr Lützow-Klasse. 9,2 km. Feuer eröffnet, im Nebel kein Geschoss-Aufschlag zu sehen

HMS "Conqueror":
18.31 Uhr Feuer auf Markgraf-Klasse eröffnet; Entfernung ca. 11 km. Das Schiff verschwand schnell im Dunst.

HMS "Monarch":
18.33 Uhr in Grün 95 ( = Peilung ) fünf Schlachtschiffe gesichtet: drei König-, zwei Kaiser-Klasse. Zwei Salven, die erste recht weit, die zweite schien das Achterschiff zu treffen. Die Schiffe verschwanden aus der Sicht, doch wir schossen auf einen von der Kaiser-Klasse, doch das Ergebnis war nicht zu beobachten

(Entfernungen vom Übersetzer auf deutsche Entfernungsmaße umgerechnet - aus John Costello / Terry Hughes "Skaggerak 1916"

Fazit: Theoretisch sprachen die Lichtverhältnisse für die Briten, praktisch hatte Dunst und Qualm auch bei den Briten das Zielen verhindert.

Admiral schrieb:
Das Feuer der Engländer hörte schlagartig auf und es passierte nichts. Eine Verfolgung durch die schnellen Schlachtkreuzer ist aus Angst vor den deutschen Zerstörern, Torpedobooten und Minen nicht einmal erwogen worden. Trotz günstigster Lage für die Engländer war die Initiative allein bei Scheer.
Zu diesem Zeitpunkt stand die Grand Fleet ZWISCHEN der Hochseeflotte und den deutschen Stützpunkten. Warum hätte Jellicoe hier reagieren sollen? Selbst wenn er hätte reagieren wollen, seine Aufklärungsstreitkräfte hatten ihn im Stich gelassen. Er wusste gar nicht genau, wohin sich die Deutschen verkrümelt hatten. Und als man bei den Briten anfing über die weitere Vorgehensweise sich Gedanken zu machen, war Scheer schon wieder im Anmarsch um sich seine Schiffe zerdeppern zu lassen.
 
Es ist nach meiner Kenntnis allgemeine Meinung, dass die Engländer beim crossing the T schiessen konnten und die Deutschen nicht bzw. nur mit den Spitzenschiffen. Ich bin auch überzeugt, dass die Sicht mal besser und mal schlechter war.

Beim Studium englischer Quellen sollte beachtet werden, dass die erste offizielle Stellungnahme der Engländer zur Skagerrakschlacht erst 1924 veröffenlicht wurde. Ziel war es Beatty, der 1917 Jellicoe abgelöst hatte, und die Grand Fleet in England in besserem Lichte darzustellen. Bei Beatty war das m.E. unmöglich (seine Niederlage gegen Hipper im Kreuergefecht ist eindeutig und auch nicht wirklich überraschend, z.B wegen der Mängel bei der Signalgebung), bei der Grand Fleet schwierig.
 
Die Gefechtskehrwendung war das schwierigste Manöver unter Gefechtsbedingungen. Es wurde in nur wenigen Flotten geübt (ich selbst kenne nur die deutsche), in der Navy war dies Manöver unbekannt.
Ich habe als Jugendlicher ein Buch über die Royal Navy geschenkt bekommen (alles auf englisch). In dem Buch wurde auch die "Battle of Jutland" besprochen. Dazu gehörte ein Plan über den Ablauf der Schlacht und auf dem Plan war in deutsch eingetragen "Gefechtskehrtwende". Mir scheint, dass für die Briten dieses Manöver ein Novum war.
 
Mir scheint, dass den Engländern nicht nur das Wort fehlte. Die waren davon beeindruckt, dass so etwas möglich war, auch wenn der Ausgang der Schlacht letztlich die deutschen Oberwasserseekriegsmöglichkeiten einschränkte.
 
Mir scheint, dass den Engländern nicht nur das Wort fehlte. Die waren davon beeindruckt, dass so etwas möglich war, ...

Da ist was dran, unmöglich würde ich allerdings für zu dick aufgetragen halten.

Ein Gedanke zur Position der Royal Navy (und ihrer "engage the enemy more closely"-Tradition): Eine Flucht des Schlachtflottenkerns wurde nicht geübt, wieso auch angesichts der Überlegenheit?

Praktisch wäre die Linie bei den Briten (>500m pro Schiff inkl. Abstand) mindestens 7 Seemeilen lang. Bei den für die Manöver unterstellten Sichtverhältnisse in der Nordsee ist das ineffizient. Das erklärt die parallelen Geschwader, wie realisiert. Diese (in 4er oder 5er Staffeln) manöverierten durchaus "seitwärts" oder theoretisch auch 2*seitwärts (also 180°-Wenden) und konnten entsprechend aufgereiht und entfaltet werden: so erfolgt vor dem X-T und Scheers erster Wende. Das Manöver ist von den Briten auch am Skagerrak durchgeführt worden, allerdings eben nicht als Kehrtwende um 180°. Die von Scheer zweimal exerzierte Wende, also die Flucht der kompletten Linie hat die Briten ohne Zweifel schwer beeindruckt: sowohl die Navigationsleistung als auch das Fluchtmanöver an sich.

Umgekehrt die deutsche Seite: bei gegebener Unterlegenheit mußte man diverse Situationen für die "rangierte Schlacht" unterstellen, auch die Flucht. Das man das geübt hat bzw. hierzu Anweisungen vorlegen haben, lag nahe. Das Manöver ist im Übrigen - mit damaliger Signaltechnik und der notwendigen Koordination - schwierig. Die Briten hatten schon Probleme mit ihren gestaffelten Geschwadern und Kollisionsgefahren.

Oben ist außerdem die schlechte Ausführung von Scheers 2. Gefechtswendung bereits angesprochen worden. Weil die Linien durcheinander gerieten bzw. die Abstände nicht paßten, mußte die Spitze fast "abstoppen". In dieser Situation wurde dann Minuten später die 3. (Not-)Wende erforderlich, wobei die abgebremste Spitze wegen mangelnder Geschwindigkeit quasi in Zweitlupe und unter schwerem Beschuss drehen mußte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Gefechtskehrtwende ist keine Flucht, sondern eben eine Wende (für ein einzelnes Schiff ein Standardmanöver), kompliziert allerdings, wenn es in der Gruppe durchgeführt wird. Sie kann (und wurde) auch zum Angriff eingesetzt werden.

Die eigentlich interessante Frage ist doch warum Jellicoe nach der 3. Gefechtskehrtwende nicht nachgesetzt hat. Bereits in # 26 ist auf die mehr als zögerliche Behandlung von Skagerrak in England (erste offizielle Stellungnahme erst 1924 oder gemäß anderen Quellen 1927, das House of Commons soll 22 offiziell bei der Admiralität nach dem Bericht nachgefragt haben) hingewiesen worden. Das sagt schon viel. Noch interessanter scheint mir das „Naval Staff Appreciation“ von dem späteren Vizeadmiral und Berater von Winston Churchill, Kenneth Dewar. Dass für Dewar in seiner Schrift Skagerrak eine englische Niederlage war, ist nichts besonders (diese Meinung hatten doch viele Marineoffiziere, sie ergibt sich aus der Arithmetik), interessanter ist das Schicksal seiner Appreciation (sie ist offiziell für die Navy geschrieben worden), sie wurde –bis zum heutigen Tag – unterdrückt und in stark veränderter Form als „Admirality Narrative“ 1924 herausgegeben. Die Schrift muss negativ bzgl. Jellicoe und der Navy gewesen sein – und positiv für David Beatty, der damals noch als Admiral of the Fleet und Erster Seelord im Amt war -, allerdings war die Kritik derart harsch, dass man die Papiere vernichtete (angeblich befinden sich noch ein Exemplar in der UoC in Irvine).

Die offizielle Stellungnahme der Admiralit beruht auf der Arbeit des späteren Vizeadmirals John Ernest Harper, den Harper Records, der sich sehr kritisch über Beatty äußerte (was über die Gefechtskehrtwendungen, insbesondere über Jellicoes Maßnahmen nach der 3. Wende, ist mr nicht bekannt). Beatty hat derart viele Änderungen verlangt, dass sich Harper sich weigerte seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen, was ihm dann aber als Offizier befohlen wurde. Dies sollte dann die endgültige Version sein, was sie aber nicht war, denn Beatty intervenierte nun beim Ersten Lord der Admiralität Walter H. Long und erreichte weitere Änderungen.
 
Die Gefechtskehrtwende ist keine Flucht, sondern eben eine Wende (für ein einzelnes Schiff ein Standardmanöver), kompliziert allerdings, wenn es in der Gruppe durchgeführt wird. Sie kann (und wurde) auch zum Angriff eingesetzt werden.

Natürlich nicht. Von Scheers drei Wenden waren zwei zur Vermeidung einer Katastrophe notwendig (die 1. und 3.), die 2. erfolgte planlos als Stochern im Dunkel mit Fluchtabsicht durch die Hintertür. Mit Ausnahme apologetischer Memoiren und kaiserlicher Presseverlautbarungen ist das wohl Stand der Dinge.

Den Briten ist die 16-point-Wende durchaus auch bekannt, Beatty benutzte sie beim Auflaufen auf die Hochseeflotte in höchster Not, als Beginn des run-to-the-north. Hipper benutzte sie zuvor in ähnlicher Lage vor dem run-to-the-south.

Hier gibt es einen Unterschied. Wie schon erwähnt, war das Laufen in Kiellinie bei Marsch und Verfolgung für die Grand Fleet wenig opportun, will man sich nicht über 7 Seemeilen auserinanderziehen lassen. Daher die geschwaderweise Staffelung querab, in Vierer- oder Fünferketten. Die volle Wendung auf Gegenkurs gab es hier auch: die Schiffe liefen hintereinander und behielten bei der Wende die Gefechtslinie bei. Dass war mit 4 Schiffen kein Problem, und wäre auch mit 40 Schiffen kein nautisches Problem gewesen. Der Nachteil liegt auf einem anderen Gebiet: die Schiffe wenden alle einem Platzteller, nacheinander. Das erlaubt dem Gegner, sich darauf massiv einzuschießen, er hat bei deckenden Salven kein anspruchsvolles Problem der Zielerfassung und muss einfach nur draufhalten. So ist es der V. Battle Squadron im Prinzip ergangen, vor dem run-to-the-north.

Die eigentlich interessante Frage ist doch warum Jellicoe nach der 3. Gefechtskehrtwende nicht nachgesetzt hat.
Die Frage ist in der neueren Literatur eigentlich geklärt, was sollte hier unklar sein?

Bereits in # 26 ist auf die mehr als zögerliche Behandlung von Skagerrak in England (erste offizielle Stellungnahme erst 1924 oder gemäß anderen Quellen 1927, das House of Commons soll 22 offiziell bei der Admiralität nach dem Bericht nachgefragt haben) hingewiesen worden. Das sagt schon viel. ...
Die offizielle Stellungnahme der Admiralit beruht auf der Arbeit des späteren Vizeadmirals John Ernest Harper, den Harper Records, der sich sehr kritisch über Beatty äußerte (was über die Gefechtskehrtwendungen, insbesondere über Jellicoes Maßnahmen nach der 3. Wende, ist mr nicht bekannt). Beatty hat derart viele Änderungen verlangt, dass sich Harper sich weigerte seine Unterschrift unter das Dokument zu setzen, was ihm dann aber als Offizier befohlen wurde. Dies sollte dann die endgültige Version sein, was sie aber nicht war, denn Beatty intervenierte nun beim Ersten Lord der Admiralität Walter H. Long und erreichte weitere Änderungen.

Das betrifft die Rubrik "Mythen und Legenden", und ist nicht einmal in der positiven Beatty-Biographie von Roskill enthalten.

Zunächst einmal, um mit dem Märchen gesperrter Unterlagen aufzuräumen: meine "Official Despatches with Appendices" der Admiralität weisen den Originaldruck 1920 aus, mit 603 Seiten. Das Material ist unkommentiert und umfaßt die wesentlichen Befehle und Funksprüche sowie Gefechtsberichte beteiligter Schiffe und Geschwader, publiziert vom HMSO.

Das einzig interessante an dem Ringen um Kommentierung der Schlacht ist der Versuch Beattys, seine katastrophale Führung, seine Fehler vor und während der Schlacht und die dadurch enstandenen drei Verluste zu kaschieren bzw. zu vertuschen. Das ist zwar interresant, aber keine Sensation. Auch die Debatte um die Dreyer-Tables und die Argo-Clock, die Faulheit der Schießübungen bei den Schlachtkreuzern und den Dauerversager "TIGER" kann man getrost ad acta legen. Das Grundlagenwerk von Brooks (Dreadnought Gunnery and the Battle of Jutland - The Question of Fire Control aus 2005) hatte ich dazu schon zitiert.
 
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Was sind die „Official Despatches with Appendices”? Der Harper Report? Eine dritte Version von Skagerrak? Der Harper Report ist (laut wiki, die Roskill zitieren) am 14.05.1920 veröffentlicht worden, nach dem Harper – der seine Unterschrift wegen der zahlreichen Änderungen verweigerte – befohlen wurde seine Unterschrift zu leisten. Ist das üblich? Mir ist nicht bekannt was danach passierte, jedenfalls soll Beatty weitere Änderungen von politischen Instanzen (Lord Long) verlangt haben (der engl. wiki Artikel über John Ernest Harper schreibt, die endgültige Veröffentlichung war 1927).

Wenn die „Official Despatches with Appendices” nicht mit dem Harper Report identisch sind, was sind das für Dokumente?
Skagerrak war 1916, Deine Veröffentlichung ist von 1920. Warum braucht man hierfür 4 Jahre? Scheer war mit seinem Bericht nach einem Monat fertig.

Je nach dem welchen von in # 31 genannten Berichten man nimmt, entweder kommt Jellicoe oder Beatty schlecht weg. Mit den Berichten hat jeder, der einen der englischen Führer positiv darstellen will, seine Probleme.

Zu den Mythen. Wo bitte ist die „Naval Staff Appreciation“? Skagerrak war doch kein beiläufiges Ereignis, so etwas müsste doch frei zugänglich sein. Beim Internet Research habe ich nur gefunden, dass jemand meinte ein Exemplar in der University of California in Irvine (dort lehre Arthur Marder) gesehen zu haben. Ist das die übliche Dokumentenlage?

Das englische Parlament soll 22 mal einen Bericht angemahnt haben (die Info habe ich aus der englischen wiki über John Ernest Harper, dort wird in Artikel in der Times vom 26.07.1919 zitiert). Ist das Deiner Meinung nach ein normaler Verfahrensgang?

Sekundärliteratur ist Primärliteratur plus eine eigene nachträgliche Interpretation. Der Ausgangspunkt ist die Primärliteratur. Da muss doch die Frage erlaubt sein, ob diese verlässlich ist.
 
Der Reihe nach von rückwärts:

1. Sekundärliteratur ist Primärliteratur plus eine eigene nachträgliche Interpretation. Der Ausgangspunkt ist die Primärliteratur. Da muss doch die Frage erlaubt sein, ob diese verlässlich ist

die "Primärliteratur" (Du meinst sicher Primärquellen) ist teils zuverlässig, teils falsch. Das fängt bei Uhrzeitangaben an und hört bei bei falschen Positionsbestimmungen und falschen Entfernungsschätzungen auf. Die Krönung sind falsche Trefferberichte, falsche Versenkungen und falsche Schadensberichte.

2. "Das englische Parlament soll 22 mal einen Bericht angemahnt haben. Ist das Deiner Meinung nach ein normaler Verfahrensgang?"

-> Beattys Verzögerungen habe ich angesprochen. Nein, ist es nicht, wenn auch aus Beattys Sicht nachvollziehbar.

3. "Beim Internet Research habe ich nur gefunden, dass jemand meinte ein Exemplar in der University of California in Irvine (dort lehre Arthur Marder) gesehen zu haben. Ist das die übliche Dokumentenlage?"

-> die Primärquellen waren Marder frei zugänglich (siehe Marder Band III). Sie sind es nachfolgenden historischen Arbeiten gewesen, und sind zum größten Teil - siehe oben - veröffentlicht.

4. "Wenn die „Official Despatches with Appendices” nicht mit dem Harper Report identisch sind, was sind das für Dokumente?
Skagerrak war 1916, Deine Veröffentlichung ist von 1920. Warum braucht man hierfür 4 Jahre? Scheer war mit seinem Bericht nach einem Monat fertig."


Die britischen Dokumente sind in größerer Ausführlichkeit und viele Jahre vor den deutschen Primärquellen (-> soweit lückenhaft in Marinearchiv Band enthalten) erschienen.

Nun, Scheers Bericht ist teilweise Dichtung, das ist einhellige Meinung - ein Beispiel: siehe Thema 2. Gefechtswende und die "Wiesbaden". Wenn Hipper eine "Blücher" zur Versenkung überläßt und seine Schlachtkreuzer in Sicherheit bringt, wird ein Scheer wohl kaum die Hochseeflotte riskieren zur Annäherung an einen Kleinen Kreuzer. Das dürfte zwar den Kaiser und die die Volksmeinung in den 20ern beiendruckt haben, hält aber keiner kritischen Betrachtung stand. Wie meinte Scheer nach seinem Bericht ironisch: für diese Manöver wäre er in Friedenszeiten zum Teufel gejagt worden. Scheers Bericht ist in den Details überwiegend korrekt, in denen er auch belanglos ist.

5. "Was sind die „Official Despatches with Appendices”? Der Harper Report? Eine dritte Version von Skagerrak? "

-> Battle of Jutland 30th May to 1st June1916: Official Despatches with Appendices: Amazon.de: Englische Bücher
Der Band enthält die wesentlichen britischen Primärquellen, u.a.:
- CiC letter 1396/0022 vom 18.6.1916
- CiC letter 1415/0022 vom 20.6.1916
- CiC letter 1985/0022 vom 29.8.1916
- Report from Iron Duke
- Reports from 1st Battle Squadron
- Reports from 2nd Battle Sqd.
- Reports from 3rd Battle Sqd.
- Reports from 4th Battle Sqd.
- Letter V.A. Commanding the Battle Cruiser Fleet mit Reports from Lion, 1st BCS, 2nd BCS, 3rd BCS, 1st LCS, 2nd LCS, 3rd LCS,
- Reports from the 5th Battle Sqd.
- Reports from the Destroyer Flotillas
- Reports from 2nd CS
- Reports from 4th LCS
- Commodore Diary of Events
- Submarine Report
- Internd Officers Report
- Suppl. Reports from the 2nd and 4th Battle Squadrons
Appendices:
- Gunnery Reports
- Record of Messages bearing to the Operation
- Admiral Scheers Dispatch
- Letter from CiC dated 30th Oct 1914 and Admirality Reply dated 7th Nov 1914
- diverse Charts der wesentlichen Verbände und Schiffe.


6. "Der Harper Report ist (laut wiki, die Roskill zitieren) am 14.05.1920 veröffentlicht worden, nach dem Harper – der seine Unterschrift wegen der zahlreichen Änderungen verweigerte – befohlen wurde seine Unterschrift zu leisten. Ist das üblich?"

Nein, ist es nicht. -> Beatty.
Die RCAI arbeitete von 1920 bis 1925. Ein Hauptpunkt der Untersuchungen waren britische Schwächen (Panzerung, Feuerleit etc.). Daraus entstand die Dreyer/Pollen-Kontroverse.

Ein früher Hinweis auf Richardson/Hurd: The Jutland Controversy, in Brassels Naval and Shipping Annual 1924. Bezüglich der Kontroverse sei auch auf Gordons Werk verwiesen: The rules of the game, 1996.

7. "Mir ist nicht bekannt was danach passierte, jedenfalls soll Beatty weitere Änderungen von politischen Instanzen (Lord Long) verlangt haben (der engl. wiki Artikel über John Ernest Harper schreibt, die endgültige Veröffentlichung war 1927)."

-> das ist nach Roskills Biographie von Beatty korrekt. Siehe dazu auch:
Butler, Daniel Allen: Distant Victory - The Battle of Jutland and the allied triumph in the First World War
Chalmers. W. S.: David Earl Beatty (Biographie
Yates, Keith: Flawed Victory - Jutland 1916,
die diese Vorgänge behandeln.

Als Hinweis: Walter Long war First Lord of the Admiralty
Walter Long, 1st Viscount Long - Wikipedia, the free encyclopedia
Alle Boardmember der Admiralität (1924) waren während der Skagerrak-Schlacht unter Beattys Kommando.

Der Harper-Bericht wurde im Januar 1919 beauftragt, und wurde am 12.2.1920 von ihm abgeschlossen. Parallel schrieb Corbett an seiner Darstellung. Nach den Einsprüchen Beattys blieb vom Harper-Report nur die nackte Darstellung: "being nothing more than a bald chronological account of the movements of squadrons and flotillas".

Beatty inszenierte daraufhin die "appreciation" der Training and Stadd Duties Division (unter Walter Ellerton), erarbeitet durch Kenneth Dewar und A. C. Dewar, beide von der Historical Division. Dabei "assistierte" Pollen, der um Exkulpation wegen der Kritik an der Feuerleitung involviert war. Die Staff Appreciation wurde unter Verschluß gehalten, durfte von Corbett eingesehen 1924 werden. Das führte zur veränderten 2. Auflage von Corbetts Werk (1. Auflage 1923).


Um Dir den personifizierten und hochpolitischen Kampf um die Berichterstattung sowie die damalige Verschlußsache etwas transparent zu machen, hier ein Brief von Beatty an seine Ehefrau vom 23.2.1922:

"The battle rages on, and still we keep our heads above water, and on the whole i think holding our own. Winston [Churchill] and Birkenhead have supported us nobly and are continuing to do so. I think therefore we shall win in the end and defeat the Geddes Committee side. If not, a break in the cabinet is certain, and after that anything might happen."

Zur Erklärtung: hinausgreifend über das Ansehen der Personen und die Wertung der Skaggerak-Schlacht ist für den Kontext wichtig, dass es hier inzwischen um den Bau der späteren NELSON und RODNEY in Fortführung des dreadnought-Konzeptes ging.
 
Nochmals, wo sind die „Naval Staff Appreciation“? Kann man die lesen oder nicht?

[FONT=&quot]Mein eigener Beitrag in # 31 veranlasste mich, die Ereignisse bei der 3. Gefechtskehrtwende nochmals in Reinhard Scheer’s Buch „Deutsche Hochseeflotte im Weltkrieg“, Berlin 1920, S. 171 ff. nachzulesen. Scheer betont auf S. 151, dass er sich bei der Darstellung der Schlacht streng an seinen darüber erstatteten amtlichen Bericht hält. Der amtliche Bericht vom 04.07.1916 ist im Wesentlichen wortgleich, einzelne Beschreibungen sind im Buch ausführlicher.[/FONT]

[FONT=&quot] Scheer gibt drei Gründe für die 3. Gefechtskehrtwende an, nämlich (1) für den Nachtmarsch war es zu früh, (2) bei einem Rückzug hätten die Schlussschiffe preisgegeben werden müssen oder (3) Handlungen wären unter dem Druck der feindlichen Wirkung, nicht aus freiem Entschluss erfolgt. Daher wollte er dem Gegner „einen zweiten Schlag …versetzen und die Torpedoboote mit Gewalt zum Angriff…bringen.“ Der Feind sollte in seinen Planungen gestört und das Lösen für die Nacht erleichtert werden. Der Stoß wurde absichtlich („war es die bewusste Absicht, trotz des Crossing the T, einen Stoß gegen die Mitte der feindlichen Linie zu führen“, S. 172) in die Mitte der englischen Linie geführt (im amtlichen Bericht steht „unter vollem Einsatz auf die Spitze des Feindes zu operieren“) und die Reaktion der Engländer (Abschwenken um ihre gesamte Artillerie ins Feuer zu bringen) war keine Überraschung („wie nicht anders zu erwarten“, S. 172). Dann schreibt er: „ Der Feind muss auf den Angriff der VI. und IX. T-Flottille hin abgedreht sein. Die nachstoßenden III. und V. T-Flottillen fanden nur noch leichte Streitkräfte und keine Gelegenheit zum Angriff auf Linienschiffe. Mit dem Ansatz der T-Flottillen war der Zweck des Stoßes erreicht.“ Bereits vorher schrieb Scheer, dass die VII. T-Flottille nicht mehr eingesetzt werden konnte, da der Feind verschwunden war. Die zurückkehrenden Boote legten „im Ablaufen einen dichten Rauchschleier zwischen Feind und eigenes Gros“, S. 174).[/FONT]

[FONT=&quot] Erst nach dem Stoß (und weil – Scheer benutzt das Konjunktionaladverb „deshalb“ - der Zweck des Stoßes, also das Abdrehen der Engländer erreicht war) befahl Scheer um 9:17 Uhr abends die 3. Gefechtskehrtwende. Scheer schreibt in seinem Buch nicht, dass die 3. Gefechtskehrtwende unter feindlichem Feuer stattfand (im amtlichen Bericht steht der Satz:“ Das feindliche Feuer verstummte sehr schnell nach der Kehrtwendung“, gezieltes Feuer dürfte aufgrund der Rauchschleier nicht mehr möglich gewesen sein). [/FONT]

[FONT=&quot]Dabei beschreibt er die 3. Gefechtskehrtwende in seinem Buch (im amtlichen Bericht steht nur „Gefechtskehrtwendung“ ohne weitere Beschreibung) recht genau und fügt sogar eine Skizze bei (S. 174). Er lobt nämlich die hervorragende Ausführung der Wendung durch die Kapitäne, denn obwohl das Signal „Kehrtwendung nach Steuerbord“ auf dem Flottenflaggschiff wehte, drehte dieses nach Backbord. Die nachfolgenden Schiffe hätten an einen Signalirrtum glauben können, aber Scheer ging es darum, den vor ihm fahrenden Schiffen Raum zu geben und das wurde auf der hinter Scheer fahrenden SMS Ostfriesland von Admiral Ehrhard Schmidt richtig erkannt.[/FONT]

[FONT=&quot] Nach dem Scheer-Bericht haben die Panzerkreuzer die feindliche Linie angegriffen, haben die Torpedoboote nach vorn gebracht, die dann Flottille nach Flottille angegriffen haben. Die Engländer haben abgedreht und zwar bevor sämtliche Flottillen zum Angriff kamen. Die Torpedoboote legten künstlichen Nebel, dann erst kam die 3. Gefechtskehrtwende, die ohne Probleme durchgeführt werden konnte. Auf den Torpedobootsangriff hin haben die Engländer die Schlacht abgebrochen.[/FONT]

[FONT=&quot]In der englischen Literatur, z.B. bei Massie, Castles, S. 626, 629 weicht die Beschreibung von der Scheer‘s deutlich ab. Eine Begründung habe ich nicht gefunden. Dem gesamten Angriff wird kein rechter Sinn zugestanden, er bleibt im überlegenen Feuer stecken. Damit will man wohl eine gewisse Verzweiflung ausdrücken (Unterlegenheit suggerieren). Jetzt werden die Kreuzer zum „death ride“ vorgeschickt, um den Deutschen den „emergency turn“ und damit die Flucht zu ermöglichen. Das soll kein Erfolg gehabt haben, erst die hinter den Kreuzer vorstoßenden Torpedoboote erlaubt den verzweifelten Deutschen die Flucht ermöglicht haben. Die „Notwende“ wird als vollkommen konfus beschrieben. Die Engländer wehren durch Abdrehen den Torpedobootsangriff mühelos ab. Auf die dann folgende Untätigkeit wird nicht eingegangen. [/FONT]

[FONT=&quot] Nur eine der Schilderungen kann richtig sein. Motivation und Reihenfolge der Ereignisse war eigenes Wissen bei Scheer. Eine Verletzung der Meldepflicht wäre (auch heute noch und sicher bei allen Streitkräften) eine schwere Militärstraftat gewesen und das im Beisein anderer hochrangiger Offiziere (also Zeugen). Dabei hatte der Chef der Hochseeflotte höchstes Interesse daran, dass aus den Meldungen die taktisch richtigen Entschlüsse (dafür werden die Meldungen gemacht) gezogen werden konnten. Der Krieg war auf seinem Höhepunkt, die Hochseeflotte ging kurz darauf wieder in See. Dass Scheer’s Bericht nach einhelliger Meinung Dichtung (# 34) Dichtung sein soll, ist mir vollkommen neu. Vertuschen musste Scheer vor dem Skagerrak nichts. Bei beiden Versionen ist das Ergebnis gleich. Nach dem Torpedoangriff der Deutschen war die (Tag)-Schlacht beendet.[/FONT]

[FONT=&quot]Massie verwendet minutengenaue Angaben für die einzelnen Aktionen, aus denen sich die unterschiedliche Reihenfolge ergibt. Nur, woher hat er die Daten? Etwa aus den oben genannten Berichten?[/FONT]
 
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Mein eigener Beitrag in # 31 veranlasste mich, die Ereignisse bei der 3. Gefechtskehrtwende nochmals in Reinhard Scheer’s Buch „Deutsche Hochseeflotte im Weltkrieg“, Berlin 1920, S. 171 ff. nachzulesen. Scheer betont auf S. 151, dass er sich bei der Darstellung der Schlacht streng an seinen darüber erstatteten amtlichen Bericht hält. Der amtliche Bericht vom 04.07.1916 ist im Wesentlichen wortgleich, einzelne Beschreibungen sind im Buch ausführlicher.
Das gibt nichts Neues her, Scheers Apologie ist bekannt und tausendfach vervielfältigt. Dadurch wird es nicht richtiger.


Scheer gibt drei Gründe für die 3. Gefechtskehrtwende an, nämlich (1) für den Nachtmarsch war es zu früh, (2) bei einem Rückzug hätten die Schlussschiffe preisgegeben werden müssen oder (3) Handlungen wären unter dem Druck der feindlichen Wirkung, nicht aus freiem Entschluss erfolgt. Daher wollte er dem Gegner „einen zweiten Schlag …versetzen und die Torpedoboote mit Gewalt zum Angriff…bringen.“ Der Feind sollte in seinen Planungen gestört und das Lösen für die Nacht erleichtert werden. Der Stoß wurde absichtlich („war es die bewusste Absicht, trotz des Crossing the T, einen Stoß gegen die Mitte der feindlichen Linie zu führen“, S. 172) in die Mitte der englischen Linie geführt (im amtlichen Bericht steht „unter vollem Einsatz auf die Spitze des Feindes zu operieren“) und die Reaktion der Engländer (Abschwenken um ihre gesamte Artillerie ins Feuer zu bringen) war keine Überraschung („wie nicht anders zu erwarten“, S. 172). ...

Du meinst die Zweite Gefechtskehrtwende.
Die Darstellung von Scheeer ist schon deshalb Unsinn, weil belegt ist, dass er weder Position noch Fahrt noch Richtung des Gegners kannte. Die 2. Wendung war ein Stoß ins Blaue. Es gibt keine deutsche militärhistorische Darstellung nach 1945, die das bestreitet. Die britischen Darstellungen sahen das schon vor dem Dritten Reich kritisch.

Eine Nebenbemerkung: Scheers beste Möglichkeiten lagen in einem (Torpedo-)Nachtangriff auf die überlegene britische Flotte. Dieser Depp hat mit der 2. Gefechtswende (in höchster Not, nämlich als Vorbereitung für die forcierte 3. Gefechtswende in katastophaler Lage, die Massie und andere zutreffend beschreiben) dafür gesorgt, dass die T-Boote bei Tageslicht die Masse ihrer Torpedos aus schlechter/erzwungener Lage zur Rettung der Schlachtschiffe verschießen mußten, genau entgegen den Trockenübungen/Sandkastenspielchen. Ließ Dir mal dazu entsprechende Statistiken durch.

Nach dem Scheer-Bericht haben die Panzerkreuzer die feindliche Linie angegriffen, haben die Torpedoboote nach vorn gebracht, die dann Flottille nach Flottille angegriffen haben. Die Engländer haben abgedreht und zwar bevor sämtliche Flottillen zum Angriff kamen.

Der Ansatz der "Panzerkreuzer" ist als "death-ride" bekannt, auf den Befehl zur Opferung sei verwiesen. Die Schiffe/Schlachtkreuzer befanden sich zu diesem Zeitpunkt in bemitleidenswerten Zustand, was auch Scheer nicht verborgen geblieben sein kann, und kamen mit Glück und Pulverdunst davon. Hipper hatte übrigens zu diesem Zeitpunkt schon länger ausgeschifft und befand sich auf einem T-Boot.

In der englischen Literatur, z.B. bei Massie, Castles, S. 626, 629 weicht die Beschreibung von der Scheer‘s deutlich ab. Eine Begründung habe ich nicht gefunden. Dem gesamten Angriff wird kein rechter Sinn zugestanden, er bleibt im überlegenen Feuer stecken. Damit will man wohl eine gewisse Verzweiflung ausdrücken (Unterlegenheit suggerieren). Jetzt werden die Kreuzer zum „death ride“ vorgeschickt, um den Deutschen den „emergency turn“ und damit die Flucht zu ermöglichen. Das soll kein Erfolg gehabt haben, erst die hinter den Kreuzer vorstoßenden Torpedoboote erlaubt den verzweifelten Deutschen die Flucht ermöglicht haben. Die „Notwende“ wird als vollkommen konfus beschrieben. Die Engländer wehren durch Abdrehen den Torpedobootsangriff mühelos ab. Auf die dann folgende Untätigkeit wird nicht eingegangen.
Das ist der Ablauf der Ereignisse. Dass Scheers "Bericht" dieses optimistisch schildert, kann doch nicht wirklich verwundern, oder?

Nur eine der Schilderungen kann richtig sein. Motivation und Reihenfolge der Ereignisse war eigenes Wissen bei Scheer.
Ein Wahrnehmungsproblem Deinerseits?
Dieses sollte lösbar sein, wenn man den Ablauf der Schlacht minutiös und kritisch untersucht. Massie ist hier kein Eigenprodukt, sondern schreibt nur den vielfach publizierten Stand der Forschung ab. Mit einer kritischen Grundhaltung zum "Beteiligten" Scheer sollten sich die Widersprüche problemlos auflösen. Literaturhinweise habe ich wohl ausreichend gegeben.


Massie verwendet minutengenaue Angaben für die einzelnen Aktionen, aus denen sich die unterschiedliche Reihenfolge ergibt. Nur, woher hat er die Daten? Etwa aus den oben genannten Berichten?

Richtig. Die deutschen und die britischen Bewegungen sind massig geschildert und kritisch untersucht worden.


Nochmals, wo sind die „Naval Staff Appreciation“? Kann man die lesen oder nicht?
Wie das mit Aktenvermerken so ist: vermutlich sind die als Auftragsgutachten in den Schulungsarchiven der Royal - siehe oben - verschwunden. Da sie vielfach wiederholt wurden, zuletzt in der Apologie von Pollens Sohn, ist das auch nicht weiter interessant und aufregend. Jedenfalls interessiert das heute keinen mehr, nach der Sumida-Books-Auseinandersetzung.

[FONT=&quot]Mein eigener Beitrag in # 31 veranlasste mich, die Ereignisse bei der 3. Gefechtskehrtwende nochmals in Reinhard Scheer’s Buch „Deutsche Hochseeflotte im Weltkrieg“, Berlin 1920, S. 171 ff. nachzulesen.
Vielleicht solltest Du mal andere Literatur als Scheers Bericht zu Rate ziehen.
Die Ereignisse werden dann in anderem Licht erscheinen.

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EDIT: Was ist übrigens mit den anderen Hinweisen aus #34?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zunächst einmal meinte ich in der Tat die 2. Gefechtskehrtwende. Einen Torpedoangriff habe ich ebenfalls als einen Angriff bei Nacht verstanden, Scheer sah aber die Notwendigkeit sich vom Feind zu lösen, das ist zumindest eine Begründung.

Wenn ich mir die Skagerrak-Ereignisse mit Vorgeschichte aus einer gewissen Distanz ansehe und nur die unstreitigen Sachverhalte nehme, habe ich (vor dem Krieg) England als die dominierende Weltmacht, die sich auf die Navy (d.h. Schlachtschiffe) stützt. Wirtschaftlicher Herausforderer (aufgrund der Industrialisierung) ist Deutschland, das auch eine Flotte aufbaut. Im Krieg stehen sich beide 1916 gegenüber bei deutlicher (sagen wir Faktor 1,8) Überlegenheit der Engländer. Die Schlacht endet bei deutlich höheren Tonnageverluste (sagen wir Faktor 1,9) bei den Engländern.

Wie immer man die Ereignisse bewertet, die Zeit der Großkampfschiffe, das Rückgrat der Navy, geht mit dieser Schlacht zu Ende und damit waren auch militärisch die Stunden des Empires gezählt.

Die Schlacht kann man in zwei Teile gliedern (Nachtschlacht lassen wir weg), Kreuzerkampf und Hauptschlacht. Den Ausgang des Kreuzerkampfes braucht man nicht zu diskutieren. Bei Lichte betrachtet gilt für die Hauptschlacht nichts anderes. Ziel der Seeschlacht ist die Vernichtung der Kampfmittel des Gegners. In der Hauptschlacht wurde zwar viel geschossen (und ein paar Zerstörer versenkt), aber von einer Vernichtung kann überhaupt nicht die Rede sein (nicht ein Schlachtschiff wurde versenkt). Salopp gesagt hätten beide auch zu Hause bleiben können.

Wie immer man die Frage des Sieges bewertet, als Scheer nach Hause kehrte, hatte er die Tonnageverluste der Engländer auf seinem Buch (niemand in der Kaiserlichen Marine hielt es für realistisch, dass die Hochseeflotte die Navy in der nördlichen Nordsee vernichtet). Jetzt soll es unstreitig sein, dass Scheer (in Mittäterschaft mit seinem Stab?) einen falschen Bericht abgegeben hat und Wehrstrafgesetze (§ 139, evtl. § 58 I 4 – wenn bereits in der Schlacht falsche Angaben gemacht worden, darauf stand zwingend die Todesstrafe – Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich) verletzt hat? Sich selbst als Chef der Hochseeflotte schädigt, wenn seine Schilderungen zu falschen taktischen Anweisungen führen? Mitten im Krieg? Bei einem Randereignis, bei dem er sich nur selbst schädigen kann?

Ich verstehe Dich so, dass auch nach Deinen Informationen die Unterschrift des Bearbeiters des Harper Reports erzwungen wurde. Das kann den Wert des Reports kaum erhöhen. Corbett ist der offizielle Kriegsberichtsschreiber der Navy, der kann doch aus Jütland keine Niederlage machen. Das sagt doch Dein eigenes Zitat von Beatty („break in the cabinet is certain, and after that anything might happen”), die Flotte ist der Rückgrat des Empires, wenn man da keine Rettung hinbekommt, steht das Empire auf dem Spiel, da habe ich keinen Zweifel . Die verschwundenen Naval Staff Appreciation bezeichnest Du als Aktenvermerk (die auch mal verschwinden, wie es bei Aktenvermerken so ist). Ich lese im wiki Artikel (der die London Gazette vom 09.03.1900 zitiert) über Dewar, dieser (und sein Bruder Captain Dewar) waren beauftragt (das kann bei Offizieren nur von der Navy selbst gewesen sein) einen Bericht über die Ereignisse zu erstellen und daran arbeiteten sie 15 Monate (das ist doch kein Aktenvermerk!). Ohne mich im englischen Parlamentswesen auszukennen, Anfragen sind formalisierte Verfahren (zB §§ 100 GO-BT). Wenn eine Anfrage 22 mal gestellt werden muss, ist das äußerst ungewöhnlich und sollte ausführlich begründet sein. Nur, ich stieß nur durch Zufall auf den Vorgang und eine Begründung fand ich überhaupt nicht.

Zurück zur 3. Gefechtskehrtwende. Das ist ein Vorgang, der nur den an militärischen Spezialfragen interessierten beschäftigt. Es gab Beschädigungen, eine Versenkung, auch Tote (wenig im Vergleich zur Gesamtzahl von 8.645), unstreitig lösten sich die Parteien voneinander. Die Schlacht war für die Engländer bislang ein Fiasko (Kreuzerkampf) oder erfolglos (Hauptkampf). Aber es ist für das Selbstverständnis der Navy ein großer Unterschied, ob sie auf den Stoß von Scheer die Schlacht abbrechen mussten oder ob Scheer verzweifelt geflohen ist. Sinn macht letztere Argumentation auch aus englischer Sicht nicht, denn es waren die Engländer, die den Deutschen – erfolgreich – eine Falle gestellt haben und diese mit weit überlegenen Kräften weit weg von den Heimatbasen gestellt haben.


Daher meine Frage:

Wann zum ersten Mal tauchen die Zeitangaben auf, aus den sich die Richtigkeit der englischen Version dieses Teils der Schlacht ergeben soll? Was ist die Quelle?
 
Zunächst einmal meinte ich in der Tat die 2. Gefechtskehrtwende. Einen Torpedoangriff habe ich ebenfalls als einen Angriff bei Nacht verstanden, Scheer sah aber die Notwendigkeit sich vom Feind zu lösen, das ist zumindest eine Begründung.

- Scheer hatte keine Ahnung, wo der Schlachtflottenkern von Jellicoe stand, deshalb ist das von ihm angegebene "Lösungs"argument Unsinn.
- der Torpedoangriff bei Nacht war aufgrund der schlechten Abwehrmöglichkeiten aussichtssreicher als der vorgenommene Tagesangriff.
- der bei Tageslicht angeordnete Torpedoangriff war im Zeitpunkt der 2. Wende noch nicht absehbar (mangels Kenntnis vom Gegner, sichtbar an den schlechten Positionierungen von zwei Flottillen nach der Wende, sowie geschwächt durch Abordnungen zur "Lützow"), er mußte vielmehr als letzte Rettungsmaßnahme zur Deckung der 3. Wende herhalten.
- er führte forciert zum Verschuss der Masse der Torpedos, so dass Scheer für die Nacht kaum mehr Optionen diesbezüglich hatte.


Wie immer man die Ereignisse bewertet, die Zeit der Großkampfschiffe, das Rückgrat der Navy, geht mit dieser Schlacht zu Ende und damit waren auch militärisch die Stunden des Empires gezählt.
Die Wahrnehmung 1919 bzgl. des Großkampfschiffes "Schlachtschiff" (später abgelöst durch das Großkampfschiff Flugzeugträger) war eine andere. Die Schwächung des Empires hat nichts mit der Zeit der Großkampfschiffe zu tun, sondern mit sozialen und ökonomischen entwicklungen nach 1918. Eine Kausalität ("damit") besteht nicht zu Sieg oder Niederlage, auch nicht zum Thema "Großkampfschiff", sondern in zum Weltkrieg an sich.


In der Hauptschlacht ... Salopp gesagt hätten beide auch zu Hause bleiben können.
Das verkennt völlig die Krise und Zuspitzung bei den Wenden, sowie den Anteil der Zufälligkeiten und der Sichtverhältnisse. Wie dem auch sei, der Zähl-Effekt der Schlacht ist die Aufrechterhaltung der Blockade und die erwiesene Aussichtslosigkeit der Hochseeflotte, sie zu brechen. Die weitere Auswirkung ist die Flucht in den uneingeschränkten U-Boot-Krieg, am Ende dieser Kausalkette steht der Eintritt der USA in den Weltkrieg. Die Schlacht steht damit nicht in der Mitte des Krieges, sondern am Beginn des Kriegsendes.


Wie immer man die Frage des Sieges bewertet, als Scheer nach Hause kehrte, hatte er die Tonnageverluste der Engländer auf seinem Buch (niemand in der Kaiserlichen Marine hielt es für realistisch, dass die Hochseeflotte die Navy in der nördlichen Nordsee vernichtet).
Das entspricht einer Zählweise von Computerspielen (und ist außerdem historisch im Rahmen der deutschen Verdrängung der Niederlage 1918 bis 1945 interessant), nicht einer militärhistorischen Bewertung.


Jetzt soll es unstreitig sein, dass Scheer (in Mittäterschaft mit seinem Stab?) einen falschen Bericht abgegeben hat und Wehrstrafgesetze (§ 139, evtl. § 58 I 4 – wenn bereits in der Schlacht falsche Angaben gemacht worden, darauf stand zwingend die Todesstrafe – Militär-Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich) verletzt hat? Sich selbst als Chef der Hochseeflotte schädigt, wenn seine Schilderungen zu falschen taktischen Anweisungen führen? Mitten im Krieg? Bei einem Randereignis, bei dem er sich nur selbst schädigen kann?
Ist das Strafgesetzbuch wieder ein Witz?
Die Skaggerakschlacht ist kein Randereignis.
Bitte meine Aussagen nicht verbiegen: nicht seine (Scheers) Schilderungen führten zu falschen taktischen Anweisungen, sondern letztere wurden in ihren Ursachen/ihrer Begründung falsch geschildert.


Ich verstehe Dich so, dass auch nach Deinen Informationen die Unterschrift des Bearbeiters des Harper Reports erzwungen wurde. ...Anfragen sind formalisierte Verfahren (zB §§ 100 GO-BT). Wenn eine Anfrage 22 mal gestellt werden muss, ist das äußerst ungewöhnlich und sollte ausführlich begründet sein. Nur, ich stieß nur durch Zufall auf den Vorgang und eine Begründung fand ich überhaupt nicht.
Vielleicht solltest Du in der oben angegebenen Literatur nochmals suchen. Nochmal die umfassenden kapitelweisen Darstellungen bei:
Roskill: Earl Beatty (die Biographie)
Gordon: The Rules of the Game Jutland and British Naval Command

Das sollte alle Fragen beantworten. Da das hier den Rahmen sprengt, wäre die britische Jutland-Debatte ein Thema für sich.

Daher meine Frage: Wann zum ersten Mal tauchen die Zeitangaben auf, aus den sich die Richtigkeit der englischen Version dieses Teils der Schlacht ergeben soll? Was ist die Quelle?

Die Frage ist mir nicht verständlich. Was ist damit gemeint: Welche Differenzen in der deutschen und britischen Darstellung der Schlacht? Welche Differenzen in der britischen Jutland-Debatte zwischen Jellicoe- und Beatty-Fraktionen?
 
Wenn Scheers Bericht über die Schlacht „Dichtungen“ (# 3, noch dazu nach einhelliger Meinung!) sind, hat er – und zwar eindeutig - Wehrstrafgesetze verletzt . Natürlich ist das Unsinn, das sehe ich auch so. Werner Rahn, bis zu seiner Pensionierung 1997 beim MGFA, erwähnt diese These in seiner Abhandlung von 2006 über die Skagerrakschlacht – von Epkenhans u.a., nach der Einführung S. XV die einzig deutschsprachige „modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Bearbeitung“ – zu Recht nicht einmal in einer Fußnote. Die in # 39 angeführte Literatur (Stephan Roskills Earl Beatty ist doch eine parteiische Schrift zur Stützung von Beatty gegen Jellicoe, vor dem Hintergrund der Rechtfertigung der Navy – das war von Roskill auch so gedacht, schon der Untertitel: The last naval hero zeigt doch worum es Roskill geht; siehe in diesem Zusammenhang Corbetts Bemerkung über Scheer „einer der großen Flottenführer aller Zeiten“, der Stachel sitzt tief in der Navy, keine Frage) ist wegen der politischen Nachbearbeitung interessant, nicht für die Schlacht selbst (in seiner Literaturübersicht für eine „vertiefte Untersuchung der Schlacht“ erwähnt Rahn, a.a.O. in Fn. 2 die in #39 erwähnte Literatur natürlich nicht).

Die „Dichtungen“ Scheers kann man im Werk des Marine-Archiv überprüfen. Im Vorwort zum hier interessierenden 5. Band (Bearbeiter: Otto Groos) steht, dass Scheers und Jellicoes Werk und v. Hases und Fawcett/Hooper persönliche Erinnerungen sowie Corbetts Werk berücksichtigt wurden. Die Engländer hatten noch kein Zugang zu deutschen amtlichen Material – außer dem Scheerbericht - gehabt. Die Bearbeiter des Marinearchiv allerdings hatten amtliches englisches Material (zB für Trefferzahlen in der Skagerrakschlacht verwendete Groos nur englische Angaben, S. 238 Fn. 1). Auf den Streit in England (bzgl. offizieller Angaben zur Schlacht) und die Hintergründe wird kurz eingegangen, insbesondere, dass die amtliche englische Darstellung nicht die allgemeine Billigung fand. Auch wird auf die Probleme der Sachverhaltsaufklärung hingewiesen. Mich interessierte ein Satz auf Seite IX: „…die vorliegende Darstellung, die sämtlichen in der Schlacht verantwortlichen Führern vorgelegen hat, insbesondere von Admiral Scheer sowie von Admiral Ritter v. Hipper restlos gebilligt worden ist.“

Noch ein Wort zu den Großkampfschiffen. Natürlich begann Englands Niedergang vor dem Krieg (sie machten die zweite industrielle Revolution nicht mit, behielten aber ihre starke Stellung im Finanzbereich). Das ändert nichts daran, dass England auch einen militärischen Niedergang erlebte. Ihr Fokus auf die Großkampfschiffe ließ sie nicht Schritthalten bei anderen Kampfmitteln. Sie mussten ihre Feuerüberlegenheit ausspielen. Es war ihnen nicht möglich die Deutschen zu verfolgen (Angst vor Minen, U-Booten; hierüber gibt es eine Denkschrift der Navy, die im Krieg in der Nordsee, Bd. 2, S. 324 veröffentlicht ist). Sie hatten keine taktischen Möglichkeiten einen nächtlichen deutschen Massenangriff von Torpedobooten abzuwehren. Das hatte Folgen. Sie fürchteten eine Seeschlacht, die nicht früh am Tag begann. Taktisch günstige Situationen konnten sie nicht nachhaltig nutzen, da sie einen Gegner wie die Deutschen weder festhalten noch verfolgen konnten. Einer Nachtschlacht mussten sie nicht nur ausweichen, sie mussten ihre Schlachtschiffe weit entfernen. Diese Inflexibilität machte es für sie untragbar, die Schlacht am Morgen in der Nähe von Minenfeldern zu suchen. Die riesig Flotte, die man den damaligen Verhältnissen in der Schlacht auch nicht aufteilen konnte, brauchte Bewegungsfreiheit, die sie vor den Minenfeldern nicht gehabt hätte.
 
[FONT=&quot]Das Marinearchiv gliedert in seinem 5. Band von Krieg in der Nordsee die Skagerrakschlacht selbst in fünf Phasen, die hier interessierende bezeichnet der Bearbeiter Groos als 3. Phase, „von 7:30 Uhr bis zum Anbruch der Nacht“. Die mit der dritten Gefechtskehrtwende zusammenhängenden Ereignisse finden sich auf den Seiten 310 bis etwa 337. Alle Angaben im Folgenden sind aus dem 5. Band des Werkes des Marinearchivs. [/FONT]Ich versuche dies im Folgenden wiederzugeben.

[FONT=&quot]Zunächst einmal gestaltete sich der Beginn der Hauptschlacht durch Zufall für die Deutschen ungünstig (S. 280 f., Jellicoe erhielt keine verwertbaren Antworten von Beatty, er wusste nicht, b er sich nach Westen oder Osten entwickeln sollt). Jellicoe befahl Einschwenken nach Osten. Diese Zufallsentscheidung bedingte die später so günstig Grundsituation, di ein crossing the T erst ermöglichte. Das war das Grundproblem von Scheer, an dem er nichts ändern konnte (hätte Jellicoe sich für Westen entschieden, wären seine schwächsten Schiffe in das konzentrierte Feuer der besten Schiffe der Deutschen und der Gefahr eines Massentorpedoangriffs gekommen, auch die anderen Linienschiffe wären im Schwenkungspunkt in schwerstes deutsches Feuer geraten, S. 283, die Situation wäre vergleichbar gewesen mit der, die die Deutschen um etwa 8:15 Uhr kommen würden mit der Maßgabe, dass die Navy kein Manöver beherrschte sich einer solchen Lage schnell zu entziehen). [/FONT]

[FONT=&quot]Nach der ersten Gefechtskehrtwende um 7:35 Uhr stellte sich die Situation für Scheer so dar, dass der Feind hohe Verluste hatte (Beschreibung der Annahmen S. 310). Dies war die Grundlage für die Entscheidung zur zweiten Wende, sein Motiv war dem Feind eine Überraschung (in Fn. 2 auf S. 311 wird Lord Nelson zitiert, der sich vor Trafalgar von ähnlichen Gedanken leiten ließ) zu bereiten und die Torpedoboote mit Gewalt zum Angriff zu bringen (S. 311, 312). Der Torpedobootsangriff war somit von Anfang an Ziel der Aktion.[/FONT]

[FONT=&quot]Der Stoß nach der Wende um 7:55 Uhr war zunächst erfolgreich. Er traf das II. Leichte Kreuzergeschwader, welches als einziges eine Gefechtsaufklärung versuchte, das daraufhin zur Linie zurückkehrte. Der Versuch um 8:05 Uhr sich der deutschen Linie anzunähern, wegen – falschem – U-Boot Alarm angeblichen Torpedobootsangriff um 8:09 Uhr zurückgedreht Dies brachte „starke Unruhe in die britische Linie“ (S. 314), ein sofort erfolgender Angriff deutscher Schlachtkreuzer und Torpedoboote konnte aufgrund „ungünstiger Sichtverhältnisse“ (S. 315) nicht genutzt werden. Die grundsätzliche Ausgangslage ist aber den Engländern günstig. Dennoch, obwohl „äußerst wirksames englisches Feuer“ entwickelt wurde, nimmt Jellicoe die „artelleristisch am günstigsten zum Feind stehenden Divisionen“ wegen des „Erscheinen(s) einiger Torpedoboote“ zurück (S. 317). Auch das V. Schlachtgeschwader dreht von den Deutschen ab (S. 317). Jellicoe versucht durch Heranstaffeln des II. Schlachtgeschwaders zum crossing the T zu kommen, allerdings ohne Erfolg, wieder wegen deutscher Torpedoboote.[/FONT]

[FONT=&quot]Bis etwa 8:14 Uhr gab es keine Hinweise, dass der Stoß trotz überwältigender Feuerüberlegenheit der Navy und schlechter Sichtigkeit für die angreifenden Deutschen nicht erfolgreich durchgeführt werden könne.[/FONT]
[FONT=&quot]Etwa ab 8:14 Uhr verschlechterte sich die Lage („sehr kritisch“, S. 328) durch Hinzutreten von Orion und Monarch und ab 8:17 Uhr von King George V., Centurion, Benbow, Bellerphon, Temeraire sowie weiterhin Beattys Schlachtkreuzer von Steuerbord. Diese Häufung innerhalb weniger Minuten wurde zum Problem.[/FONT]

[FONT=&quot]Scheer schien dies gesehen zu haben, denn um 8:13 Uhr befahl er die dritte Wende. Das liest sich im Marinearchiv so: „ Um 8:13 Uhr wehte daher auf Friedrich der Große das seit der Zeit zu historischer Bedeutung gelangte Signal: ‚Schlachtkreuzer ran an den Feind, voll einsetzen‘ 3 Minuten später (8:16 Uhr – gemäß Fn. 1 nach dem KTB der König um 8:18 Uhr – für die Linienschiffe das Signal: ‚Stander grün, Gefechtswendung nach Steuerbord auf Gegenkurs‘ Die Ausführung des Manövers war jedoch diesmal so nahe am Feind und unter der vollen Wucht seiner gesamten Artilleriewirkung erheblich schwieriger als das erste Mal.“ (Im Inhaltsverzeichnis S. XV sind die Uhrzeiten vertauscht, daher meine Frage in # 36).[/FONT]

[FONT=&quot]Das Signal „ran an den Feind“ ist bereits 8:14 geändert worden (da „Aufgabe ….zum größten Teil bereits…erfüllt“) –von Derfflinger erst 8:17 Uhr erkannt – durch „auf feindliche Spitze operieren“ (S. 322, die Schlachtkreuzer fielen um 8:20 Uhr vom Feind ab, S. 323).[/FONT]

[FONT=&quot]Das Signal zur Gefechtskehrtwende kam um 8:16 Uhr (oder 8: 18 Uhr nach Kriegstagebuch der SMS König). [/FONT]
[FONT=&quot]Hinter den Schlachtkreuzern erfolgte der Massentorpedobootsangriff. Um 8:15 Uhr griff die VI. und IX. Flottille an, „während die deutsche Schlachtkreuzer nach Süden schwenkten.“ (S. 324). Alle Torpedoboote kamen zum Schuss, ein Boot, die S 35 (die vorher die Mannschaft der gesunkenen V 29 an Bord genommen hat) wurde versenkt. Der Angriff führte bereits zu einer “auffallend starke(n) Verminderung des feindlichen Feuers“ (S. 328). Trotz des immensen Abwehrfeuers kamen die Flottillen auf „fast“ (S. 331) gute Torpedoschussweite heran. Um 8:23 Uhr griff auch die III. Flottille an, “zu ihrer völligen Überraschung sichteten sie jedoch….keine schweren Streitkräfte mehr“ (S. 326). Die V. und VII. Flottille kamen nicht mehr zum Angriff, da der Feind verschwunden war (das galt ebenfalls für „die kampfkräftigste, schnellste und noch im Besitz fast aller Torpedos befindliche II. Flottille“ (S. 237). [/FONT]

[FONT=&quot]Die sehr kritische Lage der Deutschen um 8:15 Uhr begann sich durch die notwendig werdende Feuerumleitung bereits ab 8:16 Uhr und in Folge (S. 328) zu entspannen. Die Trefferwirkung des Abwehrfeuers war wegen des Gefechtsqualms und der Kursänderungen gering (S. 328). Bereits um 8:18 Uhr drehte ein Schiff, die Barham, wegen eines Torpedos nach Backbord, um 8:20 Uhr auf Befehl Jellicoes die gesamte Flotte, womit die „entscheidende Artilleriewirkung aus taktisch günstigster Stellung“ aufgegeben wurde (S. 328, 329). Das Abdrehen erfolgte unkoordiniert und Jellicoe – nicht informiert – drehte unbeabsichtigt auf die zweite Angriffswelle der Torpedoboote zu, die Deutschen hatten aber mit ihren Torpedos wieder keinen Erfolg wegen „außergewöhnlich günstiger Beleuchtung und der fast glatten See“ (S. 330). Die Engländer hatten zwar Glück (die Torpedobootsgefahr dauerte bis 8:45 Uhr), die englische Formation kam allerdings „völlig in Verwirrung“ (S. 332, nebenbei hatten die Engländer noch Gelegenheit die deutsche Taktik zu studieren, die sie bei weniger günstigen Sichtverhältnissen „das schlimmste befürchten ließ“, S. 331 mit Hinweis auf das KTB der Collingwood). Scheer hatte „immer stärker (den) Eindruck“, dass „der Stoß die feindliche Linie gesprengt habe“ (S. 337). [/FONT]

[FONT=&quot]Die deutschen Schlachtkreuzer hatten „erheblich schwerere Beschädigungen davongetragen als in allen vorhergehenden Phasen der Schlacht“, sie waren aber „sämtlich in der Lage….,ihren Platz in der Linie zu behaupten und die für den Nachtmarsch erforderliche Geschwindigkeit zu halten“ (S. 332). Die Schäden bei den deutschen Schiffen reichten von „kaum nennenswert“ bis „erheblich“ (S. 333, 334), allerdings konnten auch letztere „in kürzester Frist wieder nahezu voll gefechtsbereit“ gemacht werden (S. 334).[/FONT]

[FONT=&quot]Iron Duke (und damit er Großteil der Flotte) stellt um 8:18 Uhr das Feuer ein. Jellicoe verliert die Gefechtsfühlung (S 337).[/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn Scheers Bericht über die Schlacht „Dichtungen“ (# 3, noch dazu nach einhelliger Meinung!) sind, hat er – und zwar eindeutig - Wehrstrafgesetze verletzt . Natürlich ist das Unsinn, das sehe ich auch so.
Um diese Verbiegung meiner Aussage gerade zu rücken: Scheers Bericht enthält, um sich zu exkulpieren, teilweise Dichtungen (allerdings an entscheidenden Stellen): siehe #34 bezüglich seiner Bemerkungen zu der 2. Gefechtskehrtwende (siehe oben unbekannte Gegnerposition, Rettung Wiesbaden). Das ist einhellige Meinung (zum Marinearchiv siehe unten). Unsinn ist Dein Hinweis auf Wehrstrafgesetze.

Werner Rahn, bis zu seiner Pensionierung 1997 beim MGFA, erwähnt diese These in seiner Abhandlung von 2006 über die Skagerrakschlacht – von Epkenhans u.a., nach der Einführung S. XV die einzig deutschsprachige „modernen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Bearbeitung“ – zu Recht nicht einmal in einer Fußnote.
1. Zu Recht wird damit herausgestellt, dass es sich bei dem Marinearchiv Band 5 nicht um eine Publikation handelt, die wissenschaftlichen Ansprüchen genügt. Das schließt nicht aus, dass sie massenhaft richtige Angaben zum Ereignis enthält. Ebenso enthält sie Falschangaben sowie massenhaft überholte Bewertungen und Meinungen.
2. die Betonung liegt auf deutsch; englische militärwissenschaftliche Publikationen sind zahlreich, Hinweise auf einige habe ich gegeben.

Die in # 39 angeführte Literatur (Stephan Roskills Earl Beatty ist doch eine parteiische Schrift zur Stützung von Beatty gegen Jellicoe, vor dem Hintergrund der Rechtfertigung der Navy – das war von Roskill auch so gedacht, schon der Untertitel: The last naval hero zeigt doch worum es Roskill geht; siehe in diesem Zusammenhang Corbetts Bemerkung über Scheer „einer der großen Flottenführer aller Zeiten“, der Stachel sitzt tief in der Navy, keine Frage) ist wegen der politischen Nachbearbeitung interessant, nicht für die Schlacht selbst (in seiner Literaturübersicht für eine „vertiefte Untersuchung der Schlacht“ erwähnt Rahn, a.a.O. in Fn. 2 die in #39 erwähnte Literatur natürlich nicht).

Der Hinweis auf Rahn in Zusammenhang mit Roskill ist eine weitere Verbiegung Deinerseits. Wie in #39 in deutsch und deutlich ausgeführt, ist der Verweis auf Roskill zur Historie der Nachkriegsdiskussion um Harper und Co. erfolgt. Mit der Beschreibung des Ereignisses Skaggerakschlacht hat das nichts zu tun.

Den Untertitel von Roskills Werk missinterpretierst Du, was zeigt, dass Du das Werk nicht kennst (was sich als nachteilig erweist, wenn man sich darüber negativ auslassen will). Roskill spielt auf die britische Wahrnehmung in der Öffentlichkeit und den Habitus von Beatty an.

Die „Dichtungen“ Scheers kann man im Werk des Marine-Archiv überprüfen.
:rofl: (siehe unten)
Im Vorwort zum hier interessierenden 5. Band (Bearbeiter: Otto Groos) steht, dass Scheers und Jellicoes Werk und v. Hases und Fawcett/Hooper persönliche Erinnerungen sowie Corbetts Werk berücksichtigt wurden… Die Bearbeiter des Marinearchiv allerdings hatten amtliches englisches Material (zB für Trefferzahlen in der Skagerrakschlacht verwendete Groos nur englische Angaben, S. 238 Fn. 1)
Sehr beeindruckend. Was soll damit bewiesen werden, außer dass das Werk veraltet ist?
Für die statistische Aufbereitung der Schlacht gibt es einen einzigen "account", der militärhistorischen Ansprüchen standhält: das Werk von Campbell (der auch noch einige Fehler enthält). Alles davor ist veraltet.

Die Engländer hatten noch kein Zugang zu deutschen amtlichen Material – außer dem Scheerbericht - gehabt. .
Weswegen auch deren Berichte Fehler enthalten, abgesehen von den eigenen – britischen – Fehldarstellungen.

…Mich interessierte ein Satz auf Seite IX: „…die vorliegende Darstellung, die sämtlichen in der Schlacht verantwortlichen Führern vorgelegen hat, insbesondere von Admiral Scheer sowie von Admiral Ritter v. Hipper restlos gebilligt worden ist.“
Sehr schön.
Dass die Personen des Ereignisses Interesse an einer positiven Darstellung haben, die einen wichtigen Beitrag zur Verdrängung der Niederlage im Weltkrieg leistete, ist wohl wenig überraschend.

Etwas Quellenkritik: wie kann ein Hipper „restlos“ billigen, wenn er zur Zeit der 2. und 3. Gefechtskehrtwende überhaupt nicht an der Führung der Schlachtkreuzer beteiligt war (er schipperte nämlich inzwischen auf einem Torpedoboot herum) – über Scheers Handlungen hatte er ohnehin zu keinem Zeitpunkt den Überblick. Scheer war erst im Nachhinein über den vollen Umfang der Schäden auf den Schlachtkreuzern informiert. Den gerupften Zustand vor der 3. Wende hatte er allerdings schon aufgrund der Sichtmeldungen wahrgenommen.


Ihr Fokus auf die Großkampfschiffe ließ sie nicht Schritthalten bei anderen Kampfmitteln. Sie mussten ihre Feuerüberlegenheit ausspielen. Es war ihnen nicht möglich die Deutschen zu verfolgen (Angst vor Minen, U-Booten; hierüber gibt es eine Denkschrift der Navy, die im Krieg in der Nordsee, Bd. 2, S. 324 veröffentlicht ist). Sie hatten keine taktischen Möglichkeiten einen nächtlichen deutschen Massenangriff von Torpedobooten abzuwehren. Das hatte Folgen. Sie fürchteten eine Seeschlacht, die nicht früh am Tag begann. Taktisch günstige Situationen konnten sie nicht nachhaltig nutzen, da sie einen Gegner wie die Deutschen weder festhalten noch verfolgen konnten. Einer Nachtschlacht mussten sie nicht nur ausweichen, sie mussten ihre Schlachtschiffe weit entfernen. Diese Inflexibilität machte es für sie untragbar, die Schlacht am Morgen in der Nähe von Minenfeldern zu suchen. Die riesig Flotte, die man den damaligen Verhältnissen in der Schlacht auch nicht aufteilen konnte, brauchte Bewegungsfreiheit, die sie vor den Minenfeldern nicht gehabt hätte.
An dem Absatz ist so gut wie alles falsch, bis auf den Hinweis, dass nächtliche Torpedoangriffe von keiner Marine zuverlässig abzuwehren waren.

Kontrafaktisch sind die Hinweise auf „frühen“ Schlachtbeginn + die angeblich fehlende Verfolgung. Jellicoe nahm die Schlacht am späten Nachmittag an und ebenso die Verfolgung Scheers auf. Das zufällige „Kreuzen“ von Teilen der beiden Schlachtflotten in der Nacht geschah, weil keiner die Position und Kurs des anderen zuverlässig einschätzen konnte.

Zu Jellicoes Überlegungen, welche Fluchtroute Scheer in der Nacht zum Eingang in die deutschen Minenfelder nehmen würde, gibt es erschöpfende Literatur.
 
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