Russisches Ostfriesland

Das wesentliche Problem der russischen Flotte war, dass sie keinen Zugang zu den Weltmeeren hatte. Die Ausfahrt aus dem Schwarzen Meer war vom Wohlwollen der Osmanen abhängig, die Bosporus und Dardanellen kontrollierten und in der Regel den Russen gegenüber eher nicht wohlwollend waren.
Die Ausfahrt aus der Ostsee war vom Wohlwollen der Schweden, Dänen und Briten abhängig. Außerhalb beider Randmeere hatten die Russen keine Stützpunkte. Darüber hinaus waren die Flottenstützpunkte in der Ostsee nicht eisfrei, die große russische Flotte damit für vier bis sechs Monate im Jahr eingefroren und damit keine Flotte mehr. Das hat ihnen unter anderem 1801 geschadet, als sie zuschauen mussten, wie die Briten die mit ihnen verbündeten Dänen in ihrer Hauptstadt angriffen und aus dem Bündnis schlugen, um sich sodann seelenruhig auf den Weg nach Kronstadt machen zu können.
Wäre er denn versorgbar gewesen, wäre für die Russen ein Marinestützpunkt in Wladifrieslowsk gar nicht soo unattraktiv gewesen, auch wenn sie sich dann damit hätten zufrieden geben müssen, in der Nordsee wie die Holländer flachgehende, aber dafür breite und vor allem kleine Kriegsschiffe einsetzen zu müssen.
 
Die Marine Russlands verfügte um 1779 über 40 und um 1790 über 72 Linienschiffe [1], des größten und wichtigsten Kriegsschifftyps der damaligen Zeit.
Danke für die Zahlen und die Quelle. Eine kleine Korrektur: 72 Linienschiffe hatten die Spanier, 67 die Russen (Kennedy, S. 167 der deutschen Ausgabe [1]). Man muss allerdings dreierlei berücksichtigen (das folgende nach Rußland unter Alexander I., Hg. H. F. von Storch, Bd. 6, S. 187 f.):

  • die geographische Verteilung: 52 Linienschiffe im Baltischen Meer (bis 1798 vermindert auf 60), 15 im Schwarzen Meer
  • den nominellen Kampfwert der Schiffe (8 mit je 100 Kanonen [unter Paul I. erbaut] und 24 mit je 66 Kanonen, alle im Baltischen Meer; 35 mit je 74 Kanonen - Vergleichsdaten anderer Marinen fehlen mir momentan)
  • die Seetüchtigkeit der Schiffe; hier lag offenbar das größte Problem (S. 189 f.): "Von allen diesen Linienschiffen waren am Ende dieser Regierung [Katharinas II.] keine 20, welche die See halten konnten. [...] Die Eile, mit der man bauen mußte, machte alle Verbesserungen des Schiffbaues unmöglich. [...] Selbst die Engländer erstaunten [beim einem russischen Flottenbesuch 1795], wenn sie sahen, daß die Russen es wagten, in solchen Schiffen weite Seereisen zu thun."
Gleichwohl bleibt die Verdopplung der russischen Seemacht vor 1790 eine erstaunliche Leistung.


[1] Kennedy merkt an, dass es unterschiedliche Quellen mit unterschiedlichen Zahlen gibt.
 
Das wesentliche Problem der russischen Flotte war, dass sie keinen Zugang zu den Weltmeeren hatte. Die Ausfahrt aus dem Schwarzen Meer war vom Wohlwollen der Osmanen abhängig, die Bosporus und Dardanellen kontrollierten und in der Regel den Russen gegenüber eher nicht wohlwollend waren.
Die Ausfahrt aus der Ostsee war vom Wohlwollen der Schweden, Dänen und Briten abhängig. Außerhalb beider Randmeere hatten die Russen keine Stützpunkte.

Da die militärischen Flotten Russlands zu dieser Zeit die Marinen Schwedens und des Osmanische Reiches als primäre Gegner hatte, war daher damals ein ganzjähriger, gesicherter Zugang zum Altlantik und zum Mittelmeer (im Prinzip hatte man durch Häfen am Weißen Meer und dem Stillen Ozean einen nicht durch fremde Mächte blockierten, wenn gleich druch bestimmte Faktoren beschränkten zu den Weltmeeren) nicht von großer Priorität für die imperiale Marineführung.

Wäre er denn versorgbar gewesen, wäre für die Russen ein Marinestützpunkt in Wladifrieslowsk gar nicht soo unattraktiv gewesen, auch wenn sie sich dann damit hätten zufrieden geben müssen, in der Nordsee wie die Holländer flachgehende, aber dafür breite und vor allem kleine Kriegsschiffe einsetzen zu müssen.

Allerdings hatte sich die maritime Strategie unter Imperator Alexander I. und seiner Regierung im Vergleich zu ihren Vorgängern gewandelt und zielte nun auf eine defensivere, kleinere und weniger ambitionierte Kriegsmarine.

Count Alexander Vorontsov, who headed the Committee, believed that Russia was not destined to be a major maritime power and that maintaining a large navy was too great a burden for the State. This point of view was shared not only by Committee members Rear Admiral Pavel Chichagov and soon to be Naval Minister Nikolay Mordvinov but also by Emperor Alexander I himself.
The Adriatic

Daher verloren die Ionischen Inseln und die dortige Militärpräsenz an Priorität und wurden aufgegeben und die Anzahl der imperialen Linienschiffe sank bis 1815 auf wieder nur noch 40.

Wie nützlich ein Marinestützpunkt in Nordwest-Deutschland nach 1815 gewesen wäre, ist fraglich.
Nach dem letzten Krieg gegen Schweden, dem traditionellen Gegner im Norden, war dieses für Russland endgültig keine wirklich ernstzunehmende Bedrohung mehr, was die Route durch das Baltische Meer in den Atlantik sicherte.
Hinzukommt das Jever keine allzu große strategische Verbesserung gewesen wäre, da es am südlichen Rand eines weiteren Randmeeres liegt, dessen Ausgänge zum Atlantik auch durch eine größere Seemacht blockiert werden könnte, was gut hundert Jahre später auch geschah.
Die Ionischen Inseln im zentralen Mittelmeer waren da schon interessanter.
Übrigens plante das Russländische Reich wenig mehr als hundert Jahre nach der Aufgabe der Flottenpräsenz auf Korfu wieder dauerhaft eine neues Geschwader im Mittelmeer zu stationieren.
Ankerrechte im französischen Bizerta und im griechischen Limnos waren gesichert und die dazugehörige Schiffe im Bau, nur kam der Kriegverlauf dazwischen und verhinderte die Realisierung.

Danke für die Zahlen und die Quelle. Eine kleine Korrektur: 72 Linienschiffe hatten die Spanier, 67 die Russen (Kennedy, S. 167 der deutschen Ausgabe [1]). Man muss allerdings dreierlei berücksichtigen (das folgende nach Rußland unter Alexander I., Hg. H. F. von Storch, Bd. 6, S. 187 f.):

  • die geographische Verteilung: 52 Linienschiffe im Baltischen Meer (bis 1798 vermindert auf 60), 15 im Schwarzen Meer
  • den nominellen Kampfwert der Schiffe (8 mit je 100 Kanonen [unter Paul I. erbaut] und 24 mit je 66 Kanonen, alle im Baltischen Meer; 35 mit je 74 Kanonen - Vergleichsdaten anderer Marinen fehlen mir momentan)
  • die Seetüchtigkeit der Schiffe; hier lag offenbar das größte Problem (S. 189 f.): "Von allen diesen Linienschiffen waren am Ende dieser Regierung [Katharinas II.] keine 20, welche die See halten konnten. [...] Die Eile, mit der man bauen mußte, machte alle Verbesserungen des Schiffbaues unmöglich. [...] Selbst die Engländer erstaunten [beim einem russischen Flottenbesuch 1795], wenn sie sahen, daß die Russen es wagten, in solchen Schiffen weite Seereisen zu thun."
Gleichwohl bleibt die Verdopplung der russischen Seemacht vor 1790 eine erstaunliche Leistung.


[1] Kennedy merkt an, dass es unterschiedliche Quellen mit unterschiedlichen Zahlen gibt.

Danke für die Korrektur (habe da leider zwei nebenstehende Zahlenwerte miteiander verwechselt) und die informativen Anmerkungen.
 
Was aber alles meine erste Vermutung stärkt, dass die Jade für Russland damals durchaus eine maritime Option war.
 
Bei „Sputnik“ gelesen.

Finde diesen Artikel und die beiden Interview von Radio Sputnik mit Prof. Dr. Gerd Steinwascher und Frau Prof. Dr. Antje Sander sehr wissenswert und interessant.

Teile Frieslands standen einst unter russischer Verwaltung. Denn die Stadt Jever gehörte einst zum russischen Zarenreich...

Wer sich dafür interessiert dann bitte hier anklicken: [link gelöscht*]

Am Schluss des Artikels die beiden Rundfunkinterview.

Herr Prof. Dr. Gerd Steinwascher -> deutscher Historiker und Honorarprofessor an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Frau Prof. Dr. Antje Sander -> Leiterin des Schlossmuseum Jever (Institut für Geschichte der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg).

Ich habe diesen Beitrag bei „Sonstiges in der Neuzeit“ eingestellt“.


[*Hinweis, wobei es hier nicht um (die harmlosen) Interviews, sondern um unter Sputnik verpackte Propaganda im Allgemeinen geht: Bundesregierung wirft russischen Medien Kreml-Propaganda vor Die Verlinkung wurde daher gelöscht.]
 
Ein Reichsthaler aus dieser Epoche von Jever.

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