Friedrich der Große - Held oder Verbrecher

Graf Schwerin

Neues Mitglied
Meine Frage ist: Verdient Friedrich den Titel der Große.
Ich hab seine beiden Bücher gelesen, auch einige andere, aber nie hab ich irgendeine Intressante Stellungname gefunden
Wann und wiso bekam er das anhängsel "der Große"?
Ist es aus eurer Sicht gerechtfertigt?
Wenn ja, warum?
Wenn nein, warum?
 
Den Beinamen bekam er schon in den 1740ern.
Hier genau zu Deiner Frage, seit wann Friedrich der "Große" genannt wurde: http://www.geschichtsforum.de/f288/...-den-gro-en-und-sp-ter-den-alten-fritz-19421/

Hier ein ähnlicher Thread: http://www.geschichtsforum.de/f288/war-friedrich-ii-wirklich-der-gro-e-19033/

Ich bin mit Beinamen immer vorsichtig. Meines Erachtens geht der Beiname in dem Falle zu weit. Gerade wenn man an den Zeitpunkt denkt, wann er aufkam, halte ich ihn für etwas übertrieben. Friedrich war sicherlich ein in vieler Hinsicht und gerade für Preußen erfolgreicher Herrscher.
 
ich befürchtet, die wahl des "threads" und das "verbrecher-motiv" entspringt dem medialen reflex, dass nur ein sehr emotionaler "aufmacher" die gewünschte aufmerksamkeit generiert.

dass ein großer teil der forumsteilnehmer sich intrinsisch motiviert mit dem "spröden" thema "geschichte" - manche sogar aus leidenschaft - beschäftigen, hat der ersteller vielleicht dabei übersehen.

obwohl maria theresia ihn - Friedrich den Großen - sicherlich gerne wegen "entfesselung eines - völlig überflüssigen - angriffskrieges, natürlich aus völlig niederen motiven der habsucht und um des eitlen ruhmes willen, als "kriegsverbrecher" angeklagt und sicherlich auch verurteilt hätte.

und somit haben wir möglicherweise einen - zugegebenermaßen spekulativen - ansatz für die erklärung der wortwahl.

Ansonsten:
"Doch wenn das falsche Glück euch nun verrät
Und zu des Feindes Fahnen übergeht,
So zeigt dem Unheit eine heitere Stirn!

Durch kluges Walten macht den Schaden gut,
Befeuert des besiegten Heeres Mut
Und findet Mittel in dem eigenen Hirn.

Die Nacht erhöht der Sterne lichten Schein:
So sollt ihr groß und stark im Unglück sein!

Dann wird ein Fehlschlag eures Ruhmes Glanz
So gut vermehren wie der Siegerkranz.
Verzweifelt nie, vertraut auf eure Kunst:
Klugheit erzwang noch stets Fortunens Gunst!"

Diese Einsicht des "Alten" war für mich der Schlüssel, warum er für mich der
"Große" ist. Gewinnen kann jeder, aber gewinnen, obwohl es fast nicht
wahrscheinlich ist, das ist die eigentlche Herausforderung.

Daneben steckt in diesen Überlegungen das zentrale Credo für
das Überleben und erfolgreich sein in nahezu allen Unternehmen und
Organisationen. Es lebe Friedrich der Psychologe und Managementguru! ;-)
 
Zuletzt bearbeitet:
obwohl maria theresia ihn - Friedrich den Großen - sicherlich gerne wegen "entfesselung eines - völlig überflüssigen - angriffskrieges, natürlich aus völlig niederen motiven der habsucht und um des eitlen ruhmes willen, als "kriegsverbrecher" angeklagt und sicherlich auch verurteilt hätte.

Er war Reichsfriedensbrecher, von daher könnte ich mit dem Begriff Verbrecher schon leben. Es wäre interessant, ob Friedrich schon 1740 als Reichsfriedensbrecher benannt wurde oder ob das nur 1756 so entschieden geschehen ist. Intuitiv würde ich sagen, dass der Überfall auf Sachsen in der Reichsöffentlichkeit schwerer wog, vielleicht auch aus der jeweiligen Situation herraus.
 
das war Ludwig der XIV, denn jeder "Sonnenkönig" nennt auch und der hat mehr Kriege vom Zaun gebrochen. Oder jede andere Potentat, der sein Reich militärisch vergrößert hat. Der Kaiser ist da auch keine Ausnahme. Von den Engländern ganz zu schweigen.
 
das war Ludwig der XIV, denn jeder "Sonnenkönig" nennt auch und der hat mehr Kriege vom Zaun gebrochen. Oder jede andere Potentat, der sein Reich militärisch vergrößert hat. Der Kaiser ist da auch keine Ausnahme. Von den Engländern ganz zu schweigen.
Stimmt.

Weißt aber doch, dass ich als HRR-Simpel das etwas anders gewichte.

Dabei, hm, grundsätzlich waren Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel natürlich genauso verdammungswürdig, weil sie mit Friedrich im Bunde standen.
 
Zugegeben, das Wort Verbrecher ist ein bischen drastisch, aber ich bin, was man vieleicht nicht so heraushört, auch ein wenig Friedrich-verehrer, habe aber in Büchern über Maria Theresia und Zarin Elisabet auch viele Vorwürfe gelesen, sowie einige Zitate, die mich nicht so Begeistert haben:
Hier einmal eines:
Als Friedrich einem Minister den Plan zum 1. Sch. Krieg unterbreitet hat, waren diese erst eher mal erschreckt. Er antwortete: Meine Herren, wenn sich einem eine günstige Gelegenheit bietet, soll man sie nutzten.
So nach dem Motto: Österreich ist schwach, Preussen stark, also los!
Das ist so, als wenn man aus einem brennenden Kaufhaus, in dem Verwirrung herrscht, noch schnell möglichst viel mitzunehmen.
Ein anderes, ganz sicher belegte Sache, zwar nicht schlimm, aber doch nicht fein:
Am Dankgottesdienst der Schlacht von Mollwitz wurde eine Bibelstelle vorgelesen, die etwa so lautete:
"Dass eine Frau lehrt erlaube ich nicht, auch nicht, das sie über den Mann herrscht" (1. Timotheus 2, Vers 12)
Das zielt doch eindeutig auf Maria Theresia
Trotzdem habe ich das Wort Verbrecher nicht so drastisch gemeint.
 
Was ist an der vorgehensweise ungewöhnlich? Wenn zu den Zeiten ein König friedlich wie ein Lamm, jedoch seine Nachbarn es nicht waren, ist über kurz oder lang nix von seinem Königreich übriggeblieben.
Im Anbetracht der Vorbilder ("Sonnenkönig" u.a.) ist eine derartige vorgehensweise, schlimmstenfalls pragmatisch.
 
Zugegeben, das Wort Verbrecher ist ein bischen drastisch, aber ich bin, was man vieleicht nicht so heraushört, auch ein wenig Friedrich-verehrer, habe aber in Büchern über Maria Theresia und Zarin Elisabet auch viele Vorwürfe gelesen, sowie einige Zitate, die mich nicht so Begeistert haben:
Hier einmal eines:
Als Friedrich einem Minister den Plan zum 1. Sch. Krieg unterbreitet hat, waren diese erst eher mal erschreckt. Er antwortete: Meine Herren, wenn sich einem eine günstige Gelegenheit bietet, soll man sie nutzten.
So nach dem Motto: Österreich ist schwach, Preussen stark, also los!
Das ist so, als wenn man aus einem brennenden Kaufhaus, in dem Verwirrung herrscht, noch schnell möglichst viel mitzunehmen.
Ein anderes, ganz sicher belegte Sache, zwar nicht schlimm, aber doch nicht fein:
Am Dankgottesdienst der Schlacht von Mollwitz wurde eine Bibelstelle vorgelesen, die etwa so lautete:
"Dass eine Frau lehrt erlaube ich nicht, auch nicht, das sie über den Mann herrscht" (1. Timotheus 2, Vers 12)
Das zielt doch eindeutig auf Maria Theresia
Trotzdem habe ich das Wort Verbrecher nicht so drastisch gemeint.

Also aus damaliger Sicht war doch eine Vorgehensweise wie im Schlesischen Krieg absolut usus.

Keiner der anderen Herrscher hat anders gehandelt, im Zeitalter der "Kabinettskriege" kamen solche Kriege doch andauernd vor.

Die Größe Friedrichs zeigt sich meiner Meinung nach vor allem in seiner Selbstreflexion, in seiner Verweigerung, verschwenderisch zu agieren wie die vielen Potentaten um ihm.

Außerdem stellte er zwar hohe Anforderungen an Volk und Umgebung, war jedoch tolerant und am Wohlergehen seiner Bevölkerung interessiert.
Das traf in seinem Zeitalter fast nie auf einen Herrscher zu.

Zudem war man in Preußen relativ rechtssicher, Friedrich schaffte z.b. die Folter mit Ausnahme staatsgefährdender Taten ab und sah sich selber als "erster Diener des Staates". Nicht zu vergessen, dass er ein augesprochen gebildeter Mann und großer Feldherr war.
 
Ich wollte nur eine Betrachtungsweise begründen, auch wenn ich noch lange nicht mit ihr zu 100% übereinstimme.
Natürlich hat damals fast jeder König (außer F.W. III.) Kriege geführt, an denen er zumindest ein bischen mitagressor war.
Für die damalige Betrachtungsweise war das ja auch normal,
und nicht mal F.W.III. hat sich einfach auf beide Wangen hauen lassen.
Aber ursprünglich wollte ich ja nur Einschätzungen, ob er den namen der große verdient hat.
 
Stimmt.

Weißt aber doch, dass ich als HRR-Simpel das etwas anders gewichte.

Dabei, hm, grundsätzlich waren Braunschweig-Lüneburg und Hessen-Kassel natürlich genauso verdammungswürdig, weil sie mit Friedrich im Bunde standen.

Landgraf Wilhelm VIII. lavierte auf beiden Seiten. Er dachte,, dass sich eine Politik der offenen Hand für sein Fürstentum am meisten auszahlen werde. Er war mit Karl Albrecht von Bayern befreundet und sein Sohn kommandierte ein Hilfskorps, das Wilhelm freundlicherweise Karl VII. zur Verfügung gestellt hatte- natürlich gegen entsprechende Subsidien.

Andererseits unterstützte er auch Maria Theresias Bundesgenossen Georg II. August König des vereinigten Königreichs und Kurfürst von Hannover.

So dienten Hessen in der Armee Karls VII der Maria bekämpfte und in der "Pragmatischen Armee" die sie unterstützte. Bei Dettingen 1745 standen sich auf beiden Seiten der Front hessische Truppen gegenüber, doch Wilhelm hatte selbst für solche Fälle vorgesorgt und Klauseln einfügen lassen, die verhinderten, dass sich seine Truppen gegenseitig massakrierten. Auch im Siebenjährigen Krieg wollte Wilhelm VIII. neutral bleiben, doch die Gegner, vor allem die Franzosen scherte es wenig, und die Landgrafschaft selbst wurde zum Kriegsgebiet.
 
Auch im Siebenjährigen Krieg wollte Wilhelm VIII. neutral bleiben, doch die Gegner, vor allem die Franzosen scherte es wenig, und die Landgrafschaft selbst wurde zum Kriegsgebiet.
Wäre nun die Frage, ob neutral bleiben, nicht auch ein Verbrechen gewesen wäre. Immerhin wurde die Reichsexekution beschlossen und er musste als Vasall des Kaisers seine Untertanenpflicht erfüllen. Neutralität konnte es da quasi nicht geben.

Natürlich versuchten sich auch andere Staaten wie die Markgrafschaft Bayreuth rauszuhalten. Aber auch das war ja mehr als fragwürdig. Wozu war der Markgraf Feldmarschall des fränkischen Kreises, wenn er im eindeutigen Kriegsfall nicht auch seine Pflicht tat?


Klar ist, dass sowohl Kursachsen, als auch Kurbayern neben Preußen als Reichsstände den Frieden brachen, indem sie sich die österreichischen Gebiete im Österreichischen Erbfolgekrieg aneignen wollten.


Ein bisschen nutzlos finde ich allerdings Totschlageargumente wie "das haben alle so gemacht". Zum einen stimmt das nicht(a), zum anderen bräuchte man dann ja kaum vergleichen(b).

a) Ich kenne bspw. keinen Eroberungskrieg den die Kurpfalz vom Zaun brach.
Schwieriger sind freilich die Kriegsbeteiligungen aufgrund vertraglicher Verpflichtungen zu werten.

Grundsätzlich war das natürlich schon damals eine Diskussion, ob die Staatsräson vor den überkommenen Gesetzen oder nach ihnen stehen sollten. Staatsrechtler wie Pfufendorf, der allerdings auch in kurbrandenburgischem Solde stand (!), argumentierten, dass in Wirklichkeit die Reichsfürsten Souveräne waren. Im Allgemeinen ließ sich damit ein Übergewicht der Staatsinteressen gegenüber der Reichsgesetze vielleicht herleiten. Grundsätzlich ging damit Friedrich II. konsequent den Weg seiner Vorgänger, vor allem des Großen Kurfürsten weiter, welcher den Obersächsischen Kreistag ad absurdum geführt hatte und seinerseits die Reichsarmee torpedierte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was ist an der vorgehensweise ungewöhnlich?
...
Im Anbetracht der Vorbilder ("Sonnenkönig" u.a.) ist eine derartige vorgehensweise, schlimmstenfalls pragmatisch.
Da stimme ich Dir grundsätzlich zu.

Aber zwei Aspekte sind doch zu beachten.
Zum Einen war es schon üblich, daß auch gewaltsame Erwerbungen einer gewissen Rechtsgrundlage bedurften. Und die war bei Friedrich (wie teilweise auch bei Ludwig XIV) ziemlich dürftig, die öffentliche Meinung im Reich hat ihn wohl auch eher als im Unrecht und als Friedensstörer gesehen (was dann bald durch die Faszination über seine militärischen Erfolge überdeckt wurde).
Zum Anderen war er eben kein wirklich souveräner König, sondern als Reichsfürst einer besonderen Friedenspflicht anderen Reichsständen gegenüber verpflichtet, und als Vasall dem Kaiser gegenüber zur Treue. Das wurde zwar in der Praxis schon lange nicht mehr vorbildlich gelebt (man denke da an den "Reichsverräter" Max Emmanuel von Bayern), aber Friedrich war hier schon überdurchschnittlich rücksichtslos.
 
Da stimme ich Dir grundsätzlich zu.

Aber zwei Aspekte sind doch zu beachten.
Zum Einen war es schon üblich, daß auch gewaltsame Erwerbungen einer gewissen Rechtsgrundlage bedurften. Und die war bei Friedrich (wie teilweise auch bei Ludwig XIV) ziemlich dürftig, die öffentliche Meinung im Reich hat ihn wohl auch eher als im Unrecht und als Friedensstörer gesehen (was dann bald durch die Faszination über seine militärischen Erfolge überdeckt wurde).
Er war, denke ich, beides. Sehr schön sieht man das doch in den Erinnerungen Goethes an die gewisse Kluft innerhalb seiner Familie, wobei der eine Teil - kaisertreu - den Friedensbrecher Friedrich verdammte, während der andere, dem Johann Wolfgang näher stand, die Siege des Feldherren Friedrich II. feierte.:fs:
 
Wäre nun die Frage, ob neutral bleiben, nicht auch ein Verbrechen gewesen wäre. Immerhin wurde die Reichsexekution beschlossen und er musste als Vasall des Kaisers seine Untertanenpflicht erfüllen. Neutralität konnte es da quasi nicht geben.

Natürlich versuchten sich auch andere Staaten wie die Markgrafschaft Bayreuth rauszuhalten. Aber auch das war ja mehr als fragwürdig. Wozu war der Markgraf Feldmarschall des fränkischen Kreises, wenn er im eindeutigen Kriegsfall nicht auch seine Pflicht tat?


Klar ist, dass sowohl Kursachsen, als auch Kurbayern neben Preußen als Reichsstände den Frieden brachen, indem sie sich die österreichischen Gebiete im Österreichischen Erbfolgekrieg aneignen wollten.


Ein bisschen nutzlos finde ich allerdings Totschlageargumente wie "das haben alle so gemacht". Zum einen stimmt das nicht(a), zum anderen bräuchte man dann ja kaum vergleichen(b).

a) Ich kenne bspw. keinen Eroberungskrieg den die Kurpfalz vom Zaun brach.
Schwieriger sind freilich die Kriegsbeteiligungen aufgrund vertraglicher Verpflichtungen zu werten.

Grundsätzlich war das natürlich schon damals eine Diskussion, ob die Staatsräson vor den überkommenen Gesetzen oder nach ihnen stehen sollten. Staatsrechtler wie Pfufendorf, der allerdings auch in kurbrandenburgischem Solde stand (!), argumentierten, dass in Wirklichkeit die Reichsfürsten Souveräne waren. Im Allgemeinen ließ sich damit ein Übergewicht der Staatsinteressen gegenüber der Reichsgesetze vielleicht herleiten. Grundsätzlich ging damit Friedrich II. konsequent den Weg seiner Vorgänger, vor allem des Großen Kurfürsten weiter, welcher den Obersächsischen Kreistag ad absurdum geführt hatte und seinerseits die Reichsarmee torpedierte.


Es fragt sich, ob es ein Verbrechen gegen Kaiser und Reich oder gegen das eigene Territorium war, und es stellt sich die Frage, ob nicht Neutralität eine illusorische Vorstellung war und man im großen europäischen Krieg nicht einfach Farbe bekennen musste.

Als zum ersten Mal seit dem Dreißigjährigen Krieg Hessen wieder Kriegsschauplatz wurde, stand die starke hessische Armee zur Verteidigung des Landes gar nicht bereit, da sie in britischem Sold am Rhein und an der Weser die Franzosen in Schach halten sollte. Andererseits waren Mittelmächte, die sich als Militärunternehmer betätigten wie Hessen- Kassel bereits abhängig von Subsidien geworden, und es waren letztlich die britschen Hilfsgeldzahlungen, die auch den neuen Landgrafen Friedrich II. auf Kurs hielten, denn im Gegensatz zu seinem Vater zweifelte er am Bündnis mit Preußen und dachte an einen Wechsel der Koalition.
 
Was man von der Vasallenpflicht gehalten, und wie sehr man sich um dieselbe gekümmert hat, zeigt der Dreissigjährige Krieg.
 
Zurück
Oben