Frauen bei den Kelten

junia

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Wie war die Stellung der Frau bei den Kelten? Anhand archäologischer Ausgrabungen hat man doch festgestellt dass es im Gegensatz zu den Römern, bei den Kelten höher gestellte Frauen gab.Inwiefern kann man heute überhaupt sagen wie die Rolle der Frau bei den Kelten ausgesehen hat?

Gruss
Junia
 
Ob man das durch Ausgrabungen herausgefunden hat (oder herausfinden kann) weiß ich nciht. Mir ist aber der Aufstand der britannischen Königin Boudicca ein Begriff, von dem Tacitus berichtet. Der Aufstand ist zwar letztlich gescheitert, aber ihr Stamm hat ihr offensichtlich die Gefolgschaft nicht verweigert.
 
Das ist schwierig zu beantworten.
Ein reich ausgestattetes Grab muss nicht zwangsläufig bedeuten daß es sich um eine Herrscherin handelt, es kann auch einfach nur die Frau eines reichen Mannes sein.

Aus schriftlichen (römischen) Quellen kennen wir einge wenige "Anführerinnen" oder Regentinnen. So z. B. Cartimandua aus Britannien, sowie aus dem Donaugebiet (Name ist mir gerade entfallen).
Boudicca war zunächst nur die Frau des Prasutagus, nach dessen Tod wollte sie die Regentschaft übernehmen, was die Römer nicht anerkannten.
Ihr gelang es aber die Icener hinter sich zu versammeln.

Die Regel dürfte es aber nicht gewesen sein.
Vom Helvetier Orgetorix ist überliefert wie er seine Tochter dem Häduer Dumnorix zur Frau gab, hier erscheinen also die Fürstentöchter als politische "Manovriermasse", die je nach Erfordernis an Bündnispartner vergeben werden.
 
Die Regel dürfte es aber nicht gewesen sein.
Vom Helvetier Orgetorix ist überliefert wie er seine Tochter dem Häduer Dumnorix zur Frau gab, hier erscheinen also die Fürstentöchter als politische "Manovriermasse", die je nach Erfordernis an Bündnispartner vergeben werden.
Und Dumnorix hat wiederum seine Schwester und weiblichen Verwandten - einschließlich seiner wohl verwitweten Mutter - an die Potentaten der führenden Stämme Galliens verheiratet.
 
...und wir dürfen davon ausehen ,daß dies keine "Damenwahlen" waren bei denen die Prinzessinnen ihren auserwählten rotes Bier servierten und auch keine jährlichbegrenzten Ehen auf Probe an Lugnasadh.
 
So, jetzt habe ich die andere Anführerin gefunden:
In einer anonymen Schrift wird berichtet wie ein gallisches Volk nach einer Missernte auswandern will, aber niemand traut sich die Führung zu übernehmen.
Eine Frau namens Onomaris (anscheinend wurde der Name gräzisiert) ergreift schließlich die Initiative, führt ihr Volk über die Donau, besiegt die Einheimischen und herrscht anschließend als Königin. Diese Episode muss sich etwa im 4. Jhd. v. Chr. zugetragen haben.
Auch hier (wie bei Boudicca) ist es aber eine Ausnahmesituation.
 
Wie war die Stellung der Frau bei den Kelten? Anhand archäologischer Ausgrabungen hat man doch festgestellt dass es im Gegensatz zu den Römern, bei den Kelten höher gestellte Frauen gab.Inwiefern kann man heute überhaupt sagen wie die Rolle der Frau bei den Kelten ausgesehen hat?

Den Zeithorizont den du mit den Ausgrabungen ansprichst, dürfte dann die sog. Späthallstatt - Frühlatènezeit sein.
Reiche Frauengräber aus dieser Zeit sind u.A.:
Das Früsteninnengrab von Reinheim
Das Grab von Vix
Das Fürstengrab aus Waldalgesheim
Man geht im Moment davon aus, dass es sich bei den z.B. oben genannten Fürstinnen auch wirklich um Menschen mit Macht gehandelt hat, wobei es auch Deutungen auf eine hohe religiöse Stellung gibt (VIX).
Bemerkenswert ist aber eher die Tatsache das solche reich ausgestatteten Gräber zu dieser Zeit auch eine Entwicklung durchlaufen, während die ältesten Fürstengräber außschließlich in der Kernbestattung mit Männern, z.T. auch Mann und Frau wobei die Frau meist nicht so reich ausgestattet war. Erst mit zum Ende der jeweiligen Fürstengräbersitte in den verschiedenen Räumen, werden dann auch Frauen und Kinder "fürstlich" bestattet.
Man kann m.E. darauf schließen das sich hierbei um mögliche frühe der Dynastenbildung handelt. Wenn man diesem Modell folgt dann kann man in den oben genannten Gräbern durch aus eine "Fürstin" sehen.

Vgl.
H.-E. JOACHIM, Waldalgesheim. Das Grab einer keltischen Fürstin (Köln 1995).

Das Fürstinnengrab von Reinheim: Studien zur Kulturgeschichte der Früh-La-Tène-Zeit.
BLESA 2 = Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde 69.
Bliesbruck-Reinheim 1999.
 
Dagegen fehlen in der Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK) reiche Frauengräber.
Vielleicht war man dort viel patriarchalischer?
 
Dagegen fehlen in der Hunsrück-Eifel-Kultur (HEK) reiche Frauengräber.
Vielleicht war man dort viel patriarchalischer?

Das wäre eine Erklärung. Ich glaube aber eher das auch in der HEK es fürstliche Bestattungen von Frauen gegeben hat. Mglw. liegt es eben auch gerade bei den Hügelgräbern daran dass, sie oft schon beraubt wurden. Mit ein bischen Glück finden die Archäologen vielleicht noch eine Fürstin in der HEK.
:kleeblatt:
 
Das ist ein sehr strittiges und auch sehr stark durch modernes Denken beeinflussendes Themengebiet.
Wir haben praktisch keine schriftlichen Überlieferungen und sind nur auf archäologische Nachrichten angewiesen.
Ich erwähne das deshalb, weil wir z.b. bei den Römerinnen/Griechinnen nicht auf ein richtiges Ergebnis kämen, wenn wir nur die Grabbräuche als Informationsquelle hätten.
Die soziale Stellung einer bestimmten Gruppe ist letztlich eine geistige Angelegenheit, für die es halt nun mal keine archäologischen Überlieferungsbedingungen gibt.

Deine eingangs erwähnte Aussage „aufgrund archäologischer Hinweise“ ist wohl eher nicht so ganz richtig. Der Vergleich stammt wohl eher aus schriftlicher Überlieferung der Römer/Griechen, die tatsächlich erstaunt über die Rolle der Keltinnen waren. Oder auch nicht. Wir sollten nicht vergessen, dass sehr vieles aus diesem Schriftgut eigentlich Propaganda oder „politische Meinung“ darstellt.

Zu den Fakten.
(Ich sollte vorherschicken, dass ich der Ansicht bin, dass wir es in der Hallstattzeit mit Kelten zu tun haben).

A) Grabbrauch

1. Die Gräber sind Individualgräber, d.h. eine Frau wurde alleine für sich bestattet.
2. Die Frauengräber sind analog zu den Männergräbern unterschiedlich „reich“ ausgestattet.
Der oben erwähnte Aussage dass „reiche“ Frauenbestattungen vor allem am jeweiligen Ende ihrer Zeitperiode auftauchen kann ich leider nicht ganz folgen. Es existieren auch in Hallstatt C sehr gut ausgestatte Frauengräber, in Mitterkirchen (A) sogar mit Wagen.
Die Verteilung arm/reich in den Gräberfeldern entspricht im Durchschnitt dem der Männer, soweit hier überhaupt valide Daten vorliegen können, da nur wenige Gräberfelder vollständig erfasst sind.
3. Die Frauengräber sind nicht anders orientiert als die der Männer. Auch der Grabbrauch ist der gleiche (Brand/Körper)
4. Teile der Ausstattung (Fibeln, Gürtelbleche, Keramik) unterscheiden sich nicht von denen in Männergräbern. Die Trageweise und Anzahl der Fibeln ist anders, aber es gibt in Form und Mode keinen erkennbaren Unterschied.

Mögliche Schlussfolgerungen:
- Die Frau ist ein rechtlich selbständiges Wesen, kein Eigentum oder Anhängsel der Männerwelt.
- Sie erwerben Besitz und, wichtig, auch Eigentum.
- Sie sind in den gleichen sozialen Schichten unterteilt wie die Männer.
- Zwar ist die Kleidung offenbar unterschiedlich, es existieren jedoch Abzeichen des Reichtums, die offensichtlich unisex sind.
- Kleiner Hinweis auf die Rolle: Da sich in „reichen“ Gräbern dieselben Gefäßausstattung für ein Symposium (Fest) in der Nachwelt befinden wie bei Männern, scheint auch die Frau vollwertige Gastgeberin und damit Dame des Hauses gewesen zu sein. Auch „Hiebmesser“ (Schlachtwerkzeug) fehlen nicht.

B) Skelettmerkmale
Jüngste Grabungen in Hallstatt und am Dürrnberg zeigen, dass dort auch weibliche Skelette über gut ausgeprägte Muskelansätze verfügen. Das lässt durchaus den Schluss zu, dass zumindest in diesen Bergbaugesellschaften auch Frauen körperlich tätig waren. Dies trifft interessanterweise auch für „reich“ ausgestatte Frauengräber zu.
Ansonsten finden sich „grazile“ Skelette genauso wie „robuste“.
Es gibt eine stark ausgeprägte Diskussionskultur, ob denn nicht auch Falschzuordnungen zum Geschlecht nur aufgrund der Beigaben vorliegen.
Das kann durchaus der Fall sein. Diese Lücke wird oft und gern genutzt, um die Schlüsse in Bezug auf die Rollenteilung in Zweifel zu ziehen. Meist steht jedoch oft nur modernes Wunschdenken ob der damaligen Rolle der Frau dahinter. Berichte der Römer oder frühmittelalterliche Erzählungen von den britischen Inseln werden dann gerne als „Beleg“ dafür genommen, dass robuste Skelette mit weiblichen Ausstattungen und grazile Skelette mit männlichen Ausstattungen ein „Beweis“ für kämpferische, führende Frauen und/oder sich „weiblich“ kleidende und dann auch „weiblich“agierende Männer seien.
Außer acht bleibt dabei leider die normale Spannweite in der Ausprägung weiblicher/männlicher Skelette.

C) Ausstattungsmuster

Anhand der Grabbeigaben an Werkzeugen und Gerät scheint jedoch eine deutliche Rollenteilung vorzuliegen.
Waffen zur Jagd oder Krieg fehlen gänzlich (Bei eindeutig als weiblich erkannten Skeletten, s.o.)
Beigeben sind „typisch weibliche“ Geräte wie Spinnwirteln oder, wie in Hallstatt, auch Spinnrocken aus Metall.

D) Abbildungen

Da liegen zum einen von Keramikgefäße, zum anderen von Situlen vor. Wenn man jetzt von oft allzu arg gewollten Versuchen und Argumentationsreihen absieht, die darauf abzielen, die Identifikation des Geschlechtes der dargestellten Personen in Frage zu stellen, zeigen diese tatsächlich (leider) Männer in den „klassischen“ Männerrollen (Trinken, Wagenrennen, Ringen etc) Frauen in den „klassischen“ Frauenrollen (Weben, Getränke bereitstellen, Lasten tragen...)

Bleibt man nun nur bei diesen Fakten, scheint sich herauszustellen, dass, kurz gesagt, die keltischen Frauen rechtlich selbständige Individuen waren, deren Stellung analog zu herrschenden sozialen Gliederung aufgrund der wirtschaftlichen oder politischen Macht definiert wurde, nicht aufgrund ihres Geschlechts.
Innerhalb ihrer Schicht scheint jedoch die Rollenteilung „klassisch“ gewesen zu sein.


Ein Einwurf vielleicht noch in Sachen Berichte über führende oder kämpferische keltischen Damen. Ich befürchte, dass, wenn dies regelhaft der Fall gewesen wäre, das Vorkommnis, dass eine Frau irgendeinen Stamm über die Donau führt, wohl auch nicht berichtenswert gewesen wäre.
Und Vercingerotix hätte die Frauen und Kinder Alesias auch nicht zwischen den Fronten verhungern lassen können, weil ihm eine seiner Militärführerinnen dies verwehrt hätte oder eben die Frauen als Kämpferinnen sinnlos ausgefallen wären....

Nur meine zwei Regenbogenschüsselchen.....

Thomas








 
C. Julius Caesar drückt sich ja klar aus: "Die Männer haben Gewalt über Leben und Tod ihrer Weiber und ihrer Kinder." De bello Gallico Buch 6 Kapitel 19
Das ähnelt ja stark der römischen Sitte eines übermächtigen Pater familias.

Interessant ist, dass laut Caesar die Gallierinnen ihre Männer beerbten, außer natürlich im Falle schwarzer Witwen.
Witwen hatten in vielen patriarchalen Gesellschaften eine Sonderstellung, wurden sie doch durch den Tod des Gatten quasi mündig. Boudicca war übrigens die Witwe eines britannischen Königs!
Das Dumnorix-Beispiel deutet eher daraufhin, dass die Witwe aus der Gewalt des Gatten in die Gewalt des Sohnes überging.

Zumindest in Britannien gab es auch weibliche Druiden. Genaueres ist nicht überliefert, sie werden aber im Zusammenhang mit Wahrsagerei genannt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke für den guten Abriss Thomas Trauner!

Zumindest in Britannien gab es auch weibliche Druiden. Genaueres ist nicht überliefert, sie werden aber im Zusammenhang mit Wahrsagerei genannt.

die einzigen Erwähnungen von Druidinnen die mir bekannt sind sind welche aus spätantiken Kaiserviten... bei Vospicus.Genau wie bei den altirischen Bandrui kann man hier aber fragen wieviel der Druidentitel damals noch mit dem zur Zeit Cäsars zu tun hatte.

Aber der Einschäzung des gallischen Mannes als "Pater Familias" stimme ich soweit zu.Fragt sich allerdings in wie weit Cäsars erwähntes Heiratsbrauchtum nur für die keltische Oberschicht galt.Ansonsten könnten die reichen Grabbeigaben einiger Frauen wenn man Cäsar glauben schenkt, von reichen Witwen stammen, die nach dem Tod ihres Gatten das gemeinsame Vermögen weiterverwalteten und Teile davon mit ins Jenseits nehmen durften.
 
Unser Problem bei den klassischen Schriftstellern ist doch immer wieder dasselbe: Sie beschrieben die antiken Gesellschaften mit ihren griechischen und römischen Erfahrungen und versuchen sich die eine oder andere Verhaltensweise mit dem zu erklären, was sie von zuhause kennen oder verfallen ins andere Extrem: die Exotismen.
Dabei will ich natürlich Cäsar, der acht Jahre lang in beständigem Kontakt mit Galliern war, mehr Aussagewert zumessen, als Tacitus mit seiner Germania.

Was die Grabbeigaben angeht, so ist folgendes Festzuhalten: eine reich geschmückt Frau muss keine unabhängige, starke Frau sein. Sie kann auch die Frau eines reichen Mannes sein, der seine Frau zur Zurschaustellung seines Reichtums "benutzt". Ein reicher Mann, der etwas auf sich hält, wird seine Frau entsprechend ausstatten, selbst dann, wenn sie keine eigenständigen Recht hat.

Zuletzt noch ein wenig OT, hängt aber mit dem vorigen Punkt zusammen: Es gibt inzwischen berechtigte Zweifel daran, dass Grabbeigaben in allen Kulturen (wie zweifelsohne bei den Ägyptern) für das jenseitige Leben bestimmt waren. Es scheint durchaus auch rein ostentative Grabbeigaben zu geben, in Alemannengräbern hat man z.B. Bögen gefunden, die nicht funktioniert haben können. Die Interpretation: Es ging darum zu zeigen, wer bzw. was der Verstorbene im Leben war, nicht darum, ihm etwas für das Jenseits mitzugeben.
 
Achtung, langer Text !
Zusammenfassung am Schluss...

Ich konzentriere mich auch hier wieder auf die Zeit Ha C bis Lt A/B 1, da nur hier zur Rolle der Frau aussagefähige archäologische Daten vorliegen.

(Ab LT B 2 finden wir nur noch wenige Körpergräber mit nur wenigen Beigaben, die, außer dem Schluss, dass die betreffende Person nach deren Verbrennung oder langer Lagerung im Boden wohl als nicht mehr lebendig zu betrachten ist, keine sicheren Rückschlüsse auf deren Rollenteilung im Leben mehr zulassen....)

Die beiden Argumente El Quijotes haben natürlich etwas für sich.
Versucht man/frau die Schilderungen der spätantiken/frühmittelalterlichen Britischen Schilderungen und den Beobachtungen der Römer und die archäologischen Beobachtungen unter einen Hut zu bringen ist das Argument, die Frauen als rechtlich unabhängige „Reichtumsträger“ der Männer zu sehen folgerichtig und in sich schlüssig.
Auch die Römerinnen wurden ja „selbständig“ bestattet, obwohl sie dem Mann offenbar untergeordnet waren.
Die Argumentation wird auch von der Wiener Keltologieschule gerne angeführt, die ja eine ungebrochene keltische Tradition in der vorgeschichtlichen festlandskeltischen und der geschichtlicheninselkeltischen Welt sieht.

In aller Bescheidenheit bin ich trotzdem anderer Ansicht.
Meine Begründung baut jedoch auf der Ansicht auf, dass die Grabbeigaben tatsächlich ein Spiegel des Lebens, also Beigaben für die Anderswelt darstellen. Insoweit vermischt sich meine Argumentation.

Zu den Grabbeigaben :
Die Beobachtung, dass einige Grabbeigaben nicht funktionsfähig sind, ist nicht unbedingt selten. Beim „Hochdorfer Fürsten“ (HaD1/D2) sind die Schuhe vertauscht, der Halsring wurde aufgeschnitten, die Fibeln sind nur teilweise gebrauchsfähig. Die Vergoldung der Fibeln, des Halsringes oder der Dolchscheide wären nicht gebrauchsfähig.
Manche Halsringe der Frauen haben noch die Angusszapfen.
Manche Keramik erregt aufgrund der „schlechten“ Machart den Verdacht, dass sie nur für den Grabbrauch hergestellt wurde.
Sowohl in Ha C als auch in Ha D sind die Wägen sehr oft nicht vollständig im Grab, entweder es fehlen die Räder oder es sind nur die Räder dabei und der Wagenkasten fehlt.
Beim Glauberger (Lt A) sind zwar die Pfeile und der Köcher funktionsfähig, der Bogen jedoch nicht.

Allerdings:

- Zu der „Selbstausstattung“ einer „reichen“ Bestattung gehören anscheinend genau die Dinge, die für das Symposium nötig sind.
Eine bestimmte Anzahl Trinkgefäße aus Ton und Fleischbeigaben finden sich, immer gleich orientiert im Grab, auch bei „mittleren“ Ausstattungen, sowohl bei Frauen als bei Männern.
Bei reicheren Bestattungen kommen Getränkegefäße aus Metall, Weinsiebe, Schlachtwerkzeug (Hammer, Beil und „Hiebmesser“) hinzu. In zumindest zwei Fällen haben wir sogar die Kline mit im Grab.
Die Veranstaltung eines Symposiums als (Magna-gräzische)„Pflicht“ des Herrn oder der Dame des Hauses im diesseitigen Leben scheint sich also im jenseitigen fortzusetzen.

- Genauso wie sich „untaugliche“ Ausstattungsgegenstände finden, finden sich Gegenstände, die sehr wohl funktionieren und auch lange getragen wurden. Einige Trachtbestandteile zeigen deutliche Trage- oder Reparaturmerkmale.

- Bei den persönlichen Ausstattungen fällt die deutliche Trennung des West- und östlichen Hallstattbrauches auf.
Im Westen fehlen die Kriegswaffen ab HaD bei den als männlich erkannten Skeletten. Weder Angriffs- noch Schutzwaffen, die im Osten jedoch gelegentlich auftauchen.
Es sind vielmehr Jagd- und Angelgeräte und das Statussymbol Dolch (oder Schwert in HaC) beigegeben.
In beiden Gebieten sind, wie erwähnt, „typisch weibliche“ Beschäftigungen wie eben Spinnen und Weben zu erkennen.
„Überausstattungen“ wie in Strettweg (mehrere Lanzen/Speere, Beil, Schwert etc.) sind sehr, sehr selten.

Kurz: Die Ausstattung erscheint kanonisch für beide Geschlechter.

Ich denke, dass ein solcher Kanon nicht so ausgeprägt wäre, wenn es sich um rein ostentative Ausstattungen handelte.
Hier wäre vermutlich mit unterschiedlichern Mustern an Beigaben zu rechnen, die außerdem unterschiedlicher orientiert in den Gräbern zu liegen gekommen wären.
Es gab ja auch im Westen in HaD Schwerter........

Der Kanon dreht sich immer wieder um das Fest, um eine Veranstaltung. Wenn es nur darum geht, zu zeigen, was der Mensch war, könnten alle möglichen Geräte und Ausstattungen dabei sein, nicht immer wieder die Fortsetzung derselben Rolle.

Nun weiter mit dem argumentativen Kartenhaus:

Die Ausstattungen ist also wohl kanonisch sowohl im Muster als auch in den Beigaben und deren Orientierung.
Das Muster der Beigaben lässt einen Rückschluss auf den Zweck (Symposium) und damit die Rolle des bestattenden Menschen zu.
Diese Rolle ist zwar häufiger mit Männern, aber auch mit Frauen besetzt.

Und genau über diese Rolle im diesseitigen und/oder im jenseitigen Leben, (erstmal nicht über den Reichtum der Ausstattung), läuft meine Argumentation, dass die Frauen zwar nicht immer und dauernd, aber doch die Rolle des „Mannes“ einnehmen konnten.
Dass dann im Gegensatz zum Mann, der sich in der „Freizeit“ mit Jagd und Angeln beschäftigte, die Frau offenbar eher webte und spann...nun ja.

Zum Problem, ob die Frauen diese Rolle nun neben oder mit ihrem lebenden Mann zusammen einnahmen oder vielleicht erst als Witwe:

Schwierig.
Vom Sterbealter her lässt sich keine Tendenz erkennten. (Frauen starben im Durchschnitt (!) bis zur Neuzeit eigentlich sogar eher vor ihren Männern als umgekehrt.)

Es scheint aber so zu sein, dass die „superreichen“ Bestattungen für beide Geschlechter als Sterbealter eher „spätadult / matur“ zeigen, also auch hier kein relevanter deutlicher Unterschied vorliegt.

Doppelbestattungen (mit dem implizierten Verdacht der „Witwenfolge“) liegen einige vor.
Allerdings: nur wenige sind wirklich modern erfasst und deutlich als echte, gleichzeitige Doppelbestattung erkannt.
Die allermeisten „Doppelbestattungen“ z.b. in Hallstatt selbst sind wohl Folgebestattungen, die bei der Ausgrabung methodisch nicht richtig erfasst wurden.
Doppelbestattungen männlich/weiblich, beide im „Heiratsalter“ sind wohl sehr selten, mir persönlich fällt auch nur eine ein, Hochmichele.

Die anderen sind Frau/Frau, Mann/Mann, Erwachsener/Kind, Kind/Kind......

Hier kommt man mit der rein archäologischen Datenlage nur schlecht weiter.

Jedenfalls ist nach meinem Kenntnisstand keine Tendenz erkennbar, die irgendeinen sicheren Rückschluss auf das Thema „Witwe“ alleine aus dem Skelettmaterial und dem Grabbrauch möglich macht.

Erkennbar ist nur:

- Eigene Bestattung ist auch bei den Frauen praktisch die Regelform (wenige Ausnahmen)
- Besitz an persönlicher Ausstattung und „Selbstausstattung“ an Geräten etc. ist beigegeben.

Ist der Besitz nun auch Eigentum der Frau ?

Nun ja. Zwingend ist kein Argument.
Wäre die Frau auch Eigentümerin, wäre das Beigabenmuster wie es ist. Sie nimmt ihren Tracht- und Sachbesitz zumindest teilweise und innerhalb eines bestimmten Kanons mit ins Grab.
Ein Hinweis dafür könnten gerade die gebrauchten (Abnutzungsspuren) und teilweise reparierten Trachtausstattungen sein. Das Stück ist also mit der konkreten Person im Grab verhaftet.

Wäre sie nur die Besitzerin, der Mann aber der Eigentümer, sollten eigentlich „regelhafter“ „unvollständige“ Tracht- und vor allem aber andere Sachausstattung vorliegen, ein Kanon nicht erkennbar sein.

Geht man z.b. von einer neuen Partnerschaft des Mannes aus, ist nicht zwingend, dass er sein Eigentum der verstorbenen Frau im Grab beigibt. Vielleicht ein pars pro toto, aber nicht unbedingt eine vollständige Symposiums- und Trachtausstattung.
Geht man von einem „Big Spender“-Über-Vater/Mann aus, geben einem widerrum die gebrauchten Stücke zu denken.

Noch mehr gegen das Eigentum des Mannes sprechen die Sachausstattungen als Rollenindikatoren.
Wenn sie das Eigentum des Mannes wären, ist es sehr unwahrscheinlich, dass sie beigegeben werden.
Wenn sie erst nach dem Tode des Mannes beigegeben werden, nun ja, wieso soll der reiche Mann arm bestattet werden ? Sein Besitz und Eigentum verbliebe ja bei der Frau...

Dann wäre ja zu folgern, dass alle reich bestatteten Männer zum Zeitpunkt ihres Todes entweder Witwer oder ungebunden oder in gleichgeschlechtlicher Beziehung gelebt haben.....

Die Frage der Vererbung ist übrigens ein durchaus heißes Eisen mit langer Diskussionstradition. Das berührt die Frage der „Traditionsschwerter“, die Frage der Chronologie und Typologie und auch die Frage der Gesamtwürdigung der Bestattungsmuster und Ausstattungen.
Zum Teil sind die Argumente sich selbst widersprechend. Da wird eine offensichtlich juvenile, reiche Frauenbestattung als „sozial höherstehend“ interpretiert, da sie, die Trachtausstattung nur „geerbt“ haben und nicht, ob ihres Alters, selbst erworben haben kann.
Das geht natürlich nicht, da ja die älteren Damen ihre Tracht ja mit ins Grab nehmen.....

Da werden Chronologien und Typologien angezweifelt, weil ja „Erbstücke“ im Fundgut das Bild verfälschen können.
Der Punkt ist jedoch: Es gibt letztlich keine nennenswerten, die Aussage relevant beeinflussenden Fundassembles, die außerhalb der klassischen Chronologie Ha C- Lt A liegen.
Soll heißen: Sowohl die Trachtausstattung als auch die Sachausstattung gehören in aller Regel in dieselbe Zeitstufe und sind nicht miteinander vermischt. (Mir sind Ausnahmen und die Detailschwierigkeiten bekannt, aber für die Argumentation hier genügt die generelle und ja tatsächlich vorhandene Tendenz.)

Hierbei sind die recht engen Zeitfenster pro HA D1/2/3 und LTA –B in der Absolutchronologie zu beachten.
Offenbar ändert sich die Mode fast pro Generation. (sprich alle 25-30 Jahre)

Es ist noch vorstellbar, dass die Trachtausstattung der Großmutter (z.b. H D1) noch zu Zeiten D 2 ins Grab kam und damit einen falschen Schluss auf den Todeszeitpunkt möglich macht. Jedoch wären die Sachausstattungen nicht mehr passend oder es ergäben sich Mischinventare, da es eher unwahrscheinlich ist, dass z.b. die Spiralschmuckfibel vom Ende Ha C 2 (Zeitpunkt der Heirat) vollständig und als Paar die Zeit bis Ha D1 ( eine Kahnfibel) (Todeszeitpunkt) überlebt.

Das heißt m.E. nun, dass das Grabinventar nun sowohl in der Tracht als auch in der Sachausstattung die Mode zeigt, die zum Zeitpunkt der Grablege relevant war. Sie spiegelt offenbar nicht die Moden wider, die während der Lebensdauer der Person herrschten.

Es stellt sich also aufgrund der engen Chrono- und Typologie ernsthaft die Frage, ob eine Vererbung des Besitzes und Eigentums in unserem Sinne ( körperliche und reale Übernahme der Ausstattungsgegenstände) überhaupt stattfand.
Im anderen Fall müssten wir über chronologisch weiter gestreutes Fundgut verfügen.
Da es damit offenbar kein Konzept der Vererbung der im Grabe mitgegebenen Ausstattung gab, gab es eben vermutlich auch keine „reiche Witwe“, die nur aufgrund des Erbes so bestattet wurde. Es geht hierbei nicht um die Vererbung von Grund und Boden, von Macht etc., sondern nur um Grabbeigaben. Da diese offenbar nicht vererbt wurden, scheint der Schluß auf das persönliche Eigentum, sehr naheliegend. Damit wäre eine Frau jedoch auch rechtlich selbständig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kurz:

- Die Gräber sind kanonisch ausgestattet. Die Wahrscheinlichkeit der ostentativen Ausstattung ist gering. Auch die Rolle als Gastgeber/in scheint kanonisch zu sein, was eher auf konkrete Jenseitsvorstellungen schließen lässt. Im anderen Fall könnten alle möglichen Abzeichen des Reichtums beiliegen.

- Sie zeigen real getragene und verwendete Stücke, die chronologisch und typologisch geschlossen sind. Sie zeigen den Zeitpunkt des Todes an, nicht den der Lebensspanne. Damit erklären sich „schlecht“ gemachte Beigaben zusammen mit guten Stücken zwanglos als schnelle Ergänzungen des Kanons. Hier mögen die zur Verfügung stehende Zeitspanne zwischen Tod und Bestattung der/des Verstorbenen eine erhebliche Rolle gespielt haben.

- die chronologische und typologische Geschlossenheit der Grabinventare lässt erheblichen Zweifel an einem Vererbungskonzept in unserem Sinne aufkommen. Damit stünde die Forderung einer „Reichen Witwe“ als Erklärung für superreiche Frauenbestattungen auf sehr wackligen Füßen. Offenbar erwirbt die Frau schon zu Lebzeiten Besitz und Eigentum.

- Die Tracht- und Sachausstattung der Frau ist vollständig. Es finden sich auch getragene Stücke. Beides spricht eher für Eigentum der bestatteten Person, nicht zwingend für Eigentum des evtl. überlebenden Lebenspartners. Die Beigabe einer rolleninduzierenden Sachausstattung bleibt bei rechtlich unselbständiger Frau unwahrscheinlich.

- Die Gräber lassen deshalb innerhalb ihrer Aussagekraft einen validen Schluss auf die Gesellschafts- und Sozialstruktur der frühkeltischen Bevölkerung zu.

Danke fürs Lesen

Thomas
 
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