Warum wanderten so viele nach Amerika aus? (bitte weiterlesen)

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XSkater

Gast
Hallo,
ich habe da zwei Fragen, mit denen ich mich seit einiger Zeit beschäftige, letztendlich jedoch nicht zum Ziel komme.

- Warum wanderten so viele Menschen nach Amerika aus und welche Vorstellungen von Amerika hatten die Kinder der Einwanderer?
- In wiefern beeinflusst diese Vorstellung das Leben der Amerikaner?


Ich wäre euch sehr verbunden, wenn ihr mir hier mal weiterhelfen würdet, weil ich da leider nicht weiter komme.
 
- Warum wanderten so viele Menschen nach Amerika aus


Viele Auswanderer erhofften sich für ihre Familie ein gesichertes Einkommen und eine Zukunft.

Dann gab es sicher noch die Abenteuerlust die einige nach Übersee trieben.

Gründe für die Auswanderung kann ich dir am Beispiel von der Schweiz liefern:

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts herrschte in der Schweiz eine Massenarmut, der sogenannte Pauperismus. Betroffen war vor allem die ländliche Bevölkerung. Ursachen für diesen Pauperismus gab es einige. Im 18. Jahrhundert bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Heimarbeit eine wichtige Einnahmequelle der ländlichen Bevölkerung, Nach der Einführung des Verlagssystems dehnte sich die Heimarbeit in der Textilbranche in der Ostschweiz, Glarus, in den Zürcher Seegemeinden und im Oberland, Gebiete es Aargaus, sowie im Baselbiet aus und verwandelte diese Region in eine grosse Fabrik. Mit der Aufhebung der Kontinentalsperre gegen Napoleon kam es zur wirtschaftlichen Krise in der Textilindustrie. Viele Heimarbeiter verloren wegen des Imports billiger Textilprodukte aus England und der Mechanisierung der Textilindustrie ihre Arbeit. Die wachsende Industrie konnte diese überzähligen Arbeitskräfte nicht auffangen. Die ländliche Bevölkerung verarmte. Dazu kamen verschiedene Naturkatastrophen, die ab 1845 die Schweiz heimsuchten. Vor allem die Kartoffelkrankheit und die anhaltenden Regenschauer führten zu einer Reihe von Missernten. Die Kartoffelkrankheit zerstörte den Kartoffelanbau und damit das Hauptnahrungsmittel, dazu kam dass diese Krankheit auch Getreide und Rebenfelder befiel. Zu diesen Katastrophen kam noch die Erhöhung der Bevölkerungszahl hinzu, sodass die Landwirtschaft den Bedarf an Nahrungsmitteln nicht mehr decken konnte. Die fehlenden Erwerbmöglichkeiten und die mangelnde Ernährung trafen vor allem die ländlichen Unterschichten. Das waren ca. 10 – 20 Prozent der Bevölkerung der Schweiz. Die Massenarmut hatte zur Folge, dass eine intensive Debatte über Ursache und Bekämpfung der Armut begann. In den Kantonen schwankte man zwischen repressiven Massnahmen - z.B. Einsperren in Armenhäusern oder Bettelverboten - und den Versuchen einer rationelleren Ausgestaltung traditioneller Unterstützung wie zum Beispiel des Heimatgemeindeprinzips. Bei diesem Prinzip war die Heimatgemeinde für seine Armen zuständig und sie mussten diese unterstützen. In einigen Kantonen und Gemeinden versuchte man durch Förderung der Auswanderungen, die Armut zu bekämpfen.Zwischen 1851 und 1860 wanderten ca. 50 000 Schweizer nach Übersee aus, die meisten in das wirtschaftlich aufsteigende Nordamerika.

Thomas Davatz schrieb zu den Beweggründen:
Wie schon in der Einleitung bemerkt, dachte ich schon lange vor
1855 viel an Auswanderung, namentlich an eine solche nach
Nordamerika, und immer war es mein sehnlichster Wunsch, in
irgend einem der dortigen Freistaaten einen passenden Ort zu
finden, wo viele arme Leute, denen es hier, wie ich aus eigener
Erfahrung und aus näherem Umgange mit manchen derselben nur
zu deutlich weiss, oft schrecklich schwer wird, sich redlich zu
ernähren, verreinigt werden, wo sie nach und nach eine ordentliche
Gemeinde mit geregeltem Kirchen- Schul- und Armenwesen bilden
und eine Heimath sich verschaffen könnten, in welcher sie
einestheils vor der Gefahr einer völligen Auseinanderreissung und
traurigen Verkümmerung und Verwilderung gesichert und
anderntheils im Stande wären, durch Fleiss und Sparsamkeit sich
das nötige Auskommen zu verschaffen.“1


Thomas Davatz: Behandlung der Kolonisten in der Provinz St. Paulo in Brasilien und deren Erhebung gegen ihre Bedrücker, Chur 1858, S. 121 – 122.
 
Zuletzt bearbeitet:
Neben den üblichen Erklärungen wie Freiheitsstreben und Goldrausch möchte ich noch einmal die Frage nach der Bevölkerungsdichte ins Spiel bringen (siehe auch http://www.geschichtsforum.de/f35/wieviel-platz-gibt-es-auf-der-erde-26482/ und http://www.geschichtsforum.de/f72/gibt-gab-es-naturv-lker-24769/).

Eine Bevölkerungszahl kann nur dann als stabil angesehen werden, wenn alle Menschen genug Nahrung finden. Ändert sich die Versorgungslage auf Grund eines starken Bevölkerungswachstums in Verbindung mit einer Verschlechterung des Klimas oder, wie in Irland, auf Grund der Kartoffelfäule, verwandelt sich eine "gesunde" Bevölkerungszahl in eine Überbevölkerung. Der überschüssige Bevölkerungsanteil muss entweder verhungern oder "woanders" hingehen (aber da sitzt meistens schon jemand).

Dies ist auch beim Niedergang verschiedener Hochkulturen zu beobachten : Die Mayas konnten durch ihren hohen Organisationsgrad eine extrem hohe Bevölkerungsdichte ernähren. Als es allerdings einmal sechs Jahre lang Dürre gab, brach alles zusammen.

Die Europäer hatten das Glück, dass just in dem Moment, in dem die Industrielle Revolution ihnen ein unkontrolliertes Bevölkerungswachstum beschert hatte, ein ganzer, fast menschenleerer Kontinent zur Plünderung freigegeben wurde. Da er noch nicht ganz leergefressen ist, ist bei ihnen der Eindruck entstanden, dass die Erde unerschöpflich sei und dass hinter jedem per Raubbau verwüsteten Tal noch ein anderes, viel fruchtbareres wartet.

Im Gegensatz zu anderen Völkern - die, anstatt unterzugehen, lieber etwas über Nachhaktigkeit dazulernten - blieb den Amerikanern damit ein wesentlicher kultureller Entwicklungsschritt erspart - mit verheerenden Folgen für die Welt.

Eine lustige Anedote über das Wirken Amerikanischer "Entwicklungshelfer" in Papua-Neuguinea - wo vor 800 Jahren eine solche Krise gemeistert wurde - liefert Jared Diamond in "Kollaps" : Dort wollten die "fortschrittlichen" Amerikaner den "primitiven" Einheimischen beibringen, wie man effektive Bewässerungsgräben baut - und richten eine gewaltige Bodenerosion an.
 
Eigentlich müsste XSkater seine Frage noch genauer stellen.

Von welcher Einwanderungswelle spricht er? Da gab es ja, wie schon Klaus und querdenker SZ ergänzten verschiedene Motive.
 
Neben den üblichen Erklärungen wie Freiheitsstreben und Goldrausch möchte ich noch einmal die Frage nach der Bevölkerungsdichte ins Spiel bringen (siehe auch http://www.geschichtsforum.de/f35/wieviel-platz-gibt-es-auf-der-erde-26482/ und http://www.geschichtsforum.de/f72/gibt-gab-es-naturv-lker-24769/).

Eine Bevölkerungszahl kann nur dann als stabil angesehen werden, wenn alle Menschen genug Nahrung finden. Ändert sich die Versorgungslage auf Grund eines starken Bevölkerungswachstums in Verbindung mit einer Verschlechterung des Klimas oder, wie in Irland, auf Grund der Kartoffelfäule, verwandelt sich eine "gesunde" Bevölkerungszahl in eine Überbevölkerung. Der überschüssige Bevölkerungsanteil muss entweder verhungern oder "woanders" hingehen (aber da sitzt meistens schon jemand).

Dies ist auch beim Niedergang verschiedener Hochkulturen zu beobachten : Die Mayas konnten durch ihren hohen Organisationsgrad eine extrem hohe Bevölkerungsdichte ernähren. Als es allerdings einmal sechs Jahre lang Dürre gab, brach alles zusammen.

Die Europäer hatten das Glück, dass just in dem Moment, in dem die Industrielle Revolution ihnen ein unkontrolliertes Bevölkerungswachstum beschert hatte, ein ganzer, fast menschenleerer Kontinent zur Plünderung freigegeben wurde. Da er noch nicht ganz leergefressen ist, ist bei ihnen der Eindruck entstanden, dass die Erde unerschöpflich sei und dass hinter jedem per Raubbau verwüsteten Tal noch ein anderes, viel fruchtbareres wartet.

Im Gegensatz zu anderen Völkern - die, anstatt unterzugehen, lieber etwas über Nachhaktigkeit dazulernten - blieb den Amerikanern damit ein wesentlicher kultureller Entwicklungsschritt erspart - mit verheerenden Folgen für die Welt.

Eine lustige Anedote über das Wirken Amerikanischer "Entwicklungshelfer" in Papua-Neuguinea - wo vor 800 Jahren eine solche Krise gemeistert wurde - liefert Jared Diamond in "Kollaps" : Dort wollten die "fortschrittlichen" Amerikaner den "primitiven" Einheimischen beibringen, wie man effektive Bewässerungsgräben baut - und richten eine gewaltige Bodenerosion an.

Du hast ja recht mit dem bevölkerungsphilosophischen Ansatz, in diesem Thread überfrachten wir damit aber die einfache Ausgangsfrage, die von Ursi bereits beantwortet wurde.
Deshalb könnten wir den Faden in http://www.geschichtsforum.de/f35/wieviel-platz-gibt-es-auf-der-erde-26482/ wieder aufnehmen.

Ich denke manchmal darüber nach, ob es nicht wirtschaftliche Kennzahlen für eine optimale Bevölkerungsdichte gibt.
Schlicht ausgedrückt, wenn es zu viele Menschen in einem bestimmten Stadium der Entwicklung gibt, sinkt der Preis für den Menschen als Arbeitskraft unter sein Existenzminimum.
Eine solche Berechnung könnte in agrarischen Selbstversorgungswirtschaften über die landwirtschaftliche Flächengröße / -güte erfolgen, die zur Ernährung einer Person/Familie nötig ist. Wächst die Bevölkerung, wird die landwirtschaftliche Fläche zu klein und es wird versucht, durch Nebenerwerb das Einkommen zu erhöhen.
 
Neben den üblichen Erklärungen wie Freiheitsstreben und Goldrausch möchte ich noch einmal die Frage nach der Bevölkerungsdichte ins Spiel bringen (siehe auch http://www.geschichtsforum.de/f35/wieviel-platz-gibt-es-auf-der-erde-26482/ und http://www.geschichtsforum.de/f72/gibt-gab-es-naturv-lker-24769/).

Eine Bevölkerungszahl kann nur dann als stabil angesehen werden, wenn alle Menschen genug Nahrung finden. Ändert sich die Versorgungslage auf Grund eines starken Bevölkerungswachstums in Verbindung mit einer Verschlechterung des Klimas oder, wie in Irland, auf Grund der Kartoffelfäule, verwandelt sich eine "gesunde" Bevölkerungszahl in eine Überbevölkerung. Der überschüssige Bevölkerungsanteil muss entweder verhungern oder "woanders" hingehen (aber da sitzt meistens schon jemand).

Dies ist auch beim Niedergang verschiedener Hochkulturen zu beobachten : Die Mayas konnten durch ihren hohen Organisationsgrad eine extrem hohe Bevölkerungsdichte ernähren. Als es allerdings einmal sechs Jahre lang Dürre gab, brach alles zusammen.

Die Europäer hatten das Glück, dass just in dem Moment, in dem die Industrielle Revolution ihnen ein unkontrolliertes Bevölkerungswachstum beschert hatte, ein ganzer, fast menschenleerer Kontinent zur Plünderung freigegeben wurde. Da er noch nicht ganz leergefressen ist, ist bei ihnen der Eindruck entstanden, dass die Erde unerschöpflich sei und dass hinter jedem per Raubbau verwüsteten Tal noch ein anderes, viel fruchtbareres wartet.

Im Gegensatz zu anderen Völkern - die, anstatt unterzugehen, lieber etwas über Nachhaltigkeit dazulernten - blieb den Amerikanern damit ein wesentlicher kultureller Entwicklungsschritt erspart - mit verheerenden Folgen für die Welt.

Eine lustige Anedote über das Wirken Amerikanischer "Entwicklungshelfer" in Papua-Neuguinea - wo vor 800 Jahren eine solche Krise gemeistert wurde - liefert Jared Diamond in "Kollaps" : Dort wollten die "fortschrittlichen" Amerikaner den "primitiven" Einheimischen beibringen, wie man effektive Bewässerungsgräben baut - und richten eine gewaltige Bodenerosion an.

Dem möchte ich zu widersprechen wagen: Die bevölkerungsreichsten Gegenden waren auch in der Vergangenheit schon die asiatischen Ballungsgebiete.
Die Auswanderung nach Amerika ist aber im wesentlichen schon vor der Industrialisierung angelaufen.
Das Hungern der Iren hätte verhindert werden können. Das Paradoxe ist ja gerade, dass Irland während der Hungersnot noch immer Getreide nach England exportierte. Das lag eben daran, dass der arme Westen Irlands, wo kaum etwas anderes als Kartoffeln vernünftig anzubauen ist, an der Famine litt, nicht so sehr der Osten der Insel. Man hatte einfach kein Interesse an humanitären Maßnahmen und das Getreide im Land zu lassen. Der Malthusianismus ist nur eine Rechtfertigung, nie aber eine echte Begründung für den Umgang mit notleidenden Bevölkerungen gewesen.
 
Der Anfrager wird Nordamerika meinen.

Trotzdem:
Was vielfach in Vergessenheit geraten ist, die Auswanderer, speziell nach Lateinamerika, der 20er Jahre kamen vielfach vom Regen in die Traufe, blieben im Flüchtlingslager und den Slums stecken.
Was zu einer umfangreichen Rückwanderungsbewegung in den 30ern und nochmals in den 50ern führte.

Ein Teil des Werkes von B. Traven befasst sich mit dieser Problematik
 
Der Bruder meines UrUrgroßvaters wanderte 1857 aus um dem preussischen Miltärdienst zu entgehen. Er landete vor 1860 im Kansas. Die Farm wird heute noch von einem Nachfahren betrieben.
Er ahnte nicht das er in den Bürgerkrieg hineingeraten würde, er diente in der Kansas Miliz.
 
Die Frage ist sehr allgemein gestellt. Zuersteinmal ist zu beachten, dass große Imigrationswellen oft in Kriesenzeiten folgen, während der "Religionskriege"(also Franz. Hugennotten usw.) sowie nach den beiden Weltkriegen. Ein wichtiger Aspekt ist der "American Dream" nach James Truslow Adams, auch wenn er mythischer Natur ist berufen sich die Amerikanischen Präsidenten bis heute auf ihn.
 
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