Heiraten

luca_on_air

Mitglied
Wie lief denn eingentlich so eine Hochzeitszeremonie im MA ab? Wurde die Braut von ihrem Vater oder einem älteren, männlichen Familienmitglied vor den Altar geführt, wo der Bräutigam wartete? Waren vorn zwei Stühle für die Brautleute aufgestellt?
Und wie war die Feier?

Es geht um Eheschließung in Handwerkerkreisen im ausgehenden 13. Jahrhundert.
 
Wie lief denn eingentlich so eine Hochzeitszeremonie im MA ab? Wurde die Braut von ihrem Vater oder einem älteren, männlichen Familienmitglied vor den Altar geführt, wo der Bräutigam wartete? Waren vorn zwei Stühle für die Brautleute aufgestellt?
Und wie war die Feier?
Das wohl eher nicht, die krichliche Trauung, wie wir sie heute kennen wurde erst auf dem Konzil von Trient festgelegt (übrigens auch die Bestuhlung der Kirche). Bis dahin dürfte der Großteil der Eheschließungen nicht in der Kirche (und vermutlich auch ohne Priester) stattgefunden haben. Luther spricht da beispielsweise noch von einer weltlichen Angelegenheit und erachtet die Anwesenheit eines Priesters als nicht zwingend. Ich erinnere mich auch dunkel an einen Stich (?) aus dem späten Mittelalter in dem ein Priester ein naktes, im Bett liegendes Paar (quasi schon bereit für den Vollzug) verheiratet.

Dieses Vater führt die Tochter und Bräutigam wartet am Altar blabla ist eher Hollywoodkitsch (Hat in D auch keine Tradition, wird aber hollywoodbedingt immer mehr gemacht)
 
Ach so? Ich habe gerade erst wieder in Erwartung des Spielfilms das Buch "Die Päpstin" gelesen. Das spielt ja achtuhundertnochwas. Johanna soll da jedenfalls in der Kirche verheiratet werden, was ja wegen des Überfalls der Normannen nicht bis zu Ende durchgezogen werden kann. Dann wäre das ja noch ein Fehler in diesem Buch.

Ich habe jetzt mal ein bisschen im Netz gestöbert und folgendes gefunden:

Planet Wissen - Hochzeit

Daraus der folgende Abschnitt:
Doch die Kirche hatte ihre Macht ausgedehnt und bis zum frühen 13. Jahrhundert ein eigenes Eherecht entwickelt. Die Trauung wurde zu einer kirchlichen Angelegenheit. Im Jahr 1225 beschloss das Vierte Laterankonzil, dass Trauungen nur noch von einem Priester vorgenommen werden durften. Laientrauungen wurden verboten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ach so? Ich habe gerade erst wieder in Erwartung des Spielfilms das Buch "Die Päpstin" gelesen. Das spielt ja achtuhundertnochwas. Johanna soll da jedenfalls in der Kirche verheiratet werden, was ja wegen des Überfalls der Normannen nicht bis zu Ende durchgezogen werden kann. Dann wäre das ja noch ein Fehler in diesem Buch.

Also es ist zwar schon ein bisschen her, dass ich das Buch gelesen habe, aber wnn ich mich recht erinnere, war Johanna die Tochter eines Priesters, von daher wäre eine heirat in einer Kirche schon naheliegend. Unüblich heißt ja nicht unmöglich. ;)

Ich habe jetzt mal ein bisschen im Netz gestöbert und folgendes gefunden:

Planet Wissen - Hochzeit

Ok, Planet-Wissen klingt erstmal vertrauenswürdig (hat ja schließlich "Wissen" im Titel), aber grad zuverlässig finde ich die von dir zitierte Aussage nun wirklich nicht. Ich zerpflücke direkt mal und picke den gröbsten Schnitzer in diesem Absatz raus:

planet-wissen.de schrieb:
[…]Im Jahr 1225 beschloss das Vierte Laterankonzil, […]
Das vierte Laterankonzil (by the way das bedeutendste Laterankonzil des Mittelalters!) war im Nov. 1215!

planet-wissen.de schrieb:
Doch die Kirche hatte ihre Macht ausgedehnt und bis zum frühen 13. Jahrhundert ein eigenes Eherecht entwickelt. Die Trauung wurde zu einer kirchlichen Angelegenheit. Im Jahr 1225 beschloss das Vierte Laterankonzil, dass Trauungen nur noch von einem Priester vorgenommen werden durften. Laientrauungen wurden verboten.

Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Insgesamt wurden im Rahmen des vierten Laterankonzils 70 Beschlüsse gefasst, davon betreffen lediglich zwei das Thema Ehe:

Canon 50: Aufheben des Verbots der Ehe von Verwandten zweiten und dritten Grades, sowie Aufheben des Verbots der Ehe zwischen den Nachkommen eines Ehepartners aus zweiter Ehe und angeheirateten Verwandten der ersten Ehe.

Canon 51: Die Matrimonia clandestina wird verboten. Priester dürfen keine Trauzeugen sein. Beabsichtigte Eheschließungen müssen in der Kirche veröffentlicht werden, damit Hindernisgründe aufgedeckt werden können (quasi eine Form des Aufgebot bestellens). Sofern Hindernisse bestehen, ist die Eheschließung verboten, bis diese Hindernisse beseitigt sind.

Zum Nachlesen der Beschlüsse des 4. Laterankonzils: klick (auf Englisch, hab jetzt auf die Schnelle keine deutsche Seite gefunden)
 
Wie verwirrend. Ja, man denkt tatsächlich, das, was bei Planet Wissen steht, sollte stimmen.
Wenn ich also davon ausgehe, dass es eine Art Aufgebot gab, reicht dann ein Aushang von zwei Wochen, oder sollten es wengistens vier sein?
Und dann habe ich irgendwo gelesen, dass der Prister seine Stola über die ineinandergelegten Hände des Brautpaares gelegt hat.

Ferner - in einem anderen Buch, dass der Bräutigam dreimal hintereinander gefragt wurde, ob er das Mädchen ehelichen will und nach dreimaligem "Ja" wurde die Braut dreimal gefragt.

Ist so eine Szene denkbar?
 
Frage vorneweg: schreibst du ein Buch?

Wenn ich also davon ausgehe, dass es eine Art Aufgebot gab, reicht dann ein Aushang von zwei Wochen, oder sollten es wengistens vier sein?
Also ich glaube kaum, dass da Aushänge gemacht wurden, schließlich konnten die wenigsten Leute lesen. Am wahrscheinlichsten halte ich da eine Ankündigung am Ende eines Gottesdienstes. Mit welchem zeitlichen Vorlauf ist in den Beschlüssen des Laterankonzils nicht geregelt, da steht nur drin, dass es gemacht werden soll.

Und dann habe ich irgendwo gelesen, dass der Prister seine Stola über die ineinandergelegten Hände des Brautpaares gelegt hat.
Das gibts auch heute noch, zumindest was katholische Trauungen betrifft, allerdings geben sich die Brautleute dabei nur die rechte Hand (die Ringe sind schon dran), aber das kommt aus einer späteren Zeit, die Zeit für die du dich interessiert, wäre die Variante "nackt in der Kiste und der Pfarrer spricht auch noch nen Segen" die wahrscheinlichere Form.

Ferner - in einem anderen Buch, dass der Bräutigam dreimal hintereinander gefragt wurde, ob er das Mädchen ehelichen will und nach dreimaligem "Ja" wurde die Braut dreimal gefragt.
Das ist Bestandteil der islamischen Hochzeitszeremonie, nicht der christlichen.

Ist so eine Szene denkbar?
Kurze Antwort: nein
Lange Antwort: denk nochmal über Zeitraum und religösen Hintergrund nach und wie wichtig dir historische Korrektheit in dem Zusammenhang ist. Ich habe nämlich gerade den Eindruck, dass du schon ein ziemlich festes Bild von deinem Zielszenario im Kopf hast und du das gerade belegt haben möchtest. Vom Herangehen her wäre es sinnvoller, wenn du dir erst die Belege suchst und dann erst dein Zielszenario erstellst, sofern dir historische Korrektheit wichtig ist.

kurzer OT:
Wieso schreib ich hier in letzter zeit eigentlich soviel übers Heiraten, bin ich weder, noch möchte ich es... Und mal wieder wundere ich mich über mich selbst :nono:
 
Ja Lili, es ist die Recherche für ein Buch. Es geht eigentlich mit der Verheiratung eines Mädchens los. Ich habe die Szene nicht im Kopf. Ich habe ein paar Bücher hier, hole mir was aus der Bibliothek und schnüffle natürlich im Internet - und baue auch auf eure Hilfe hier. Denn hier scheint mir doch ziemlich viel Kompetenz zusammenzutreffen.
Es sind halt so einzelne Szenen, die ich brauche, und ich will möglichst nahe an tatsächlichen Gegebenheiten bleiben, nicht, dass da so viel Schwachfug drin steht, wie in der "Päpstin".
Die Geschichte soll so etwa 1284 losgehen und sich bis etwa 1295 hinziehen.
Der Plot steht im Wesentlichen. Verheiratet werden soll in der Story ein 14-jähriges Mädchen mit einem 20-jährigen Mann. Nackt in der Kiste auf den Priester wartend und bereit für den Vollzug der Ehe wäre für die Geschichte eher kontraproduktiv. Wenns angezogen ginge, wäre ich froh. Wenn nicht, muss ich sie eben ins Bett legen, die zwei.

Die Geschichte spielt in der Brandenburgisch-Mecklenburgischen Grenzregion und die Gegend ist damals natürlich katholisch. Es gibt einen Bischofssitz am Ort.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn ich mich da auch kurz einmischen darf... :winke:

... es ist die Recherche für ein Buch...
...
Es sind halt so einzelne Szenen, die ich brauche, und ich will möglichst nahe an tatsächlichen Gegebenheiten bleiben, nicht, dass da so viel Schwachfug drin steht, wie in der "Päpstin"...

Das ist zumindest ein löbliches Ansinnen.
Ich füge gleich einmal für den Fall hinzu, daß Du das ius primae noctis einbauen willst, dies lieber zu lassen, denn auch das ist unbelegter Mumpitz, der erst in der Neuzeit forciert ins Bild vom Mittelalter gebracht wurde.

...
Verheiratet werden soll in der Story ein 14-jähriges Mädchen mit einem 20-jährigen Mann. Nackt in der Kiste auf den Priester wartend und bereit für den Vollzug der Ehe wäre für die Geschichte eher kontraproduktiv. Wenns angezogen ginge, wäre ich froh...

Dann wirst Du Dir wahrscheinlich etwas überlegen müssen, warum der Mann auf den Vollzug der Ehe (zunächst) verzichtet. Denkbar wäre da bspw. das symbolische Nebeneinanderliegen, d.h., der Vollzug wird dadurch symbolisch ausgedrückt (und dabei sind beide bekleidet). Wenn der Mann ebenfalls im Alter des Mädchens wäre, ginge das übrigens (gerade noch) relativ problemlos: bei der - in Adelskreisen z.B. durchaus üblichen - Verheiratung von Minderjährigen wurde logischweise die Ehe nicht sogleich wirklich vollzogen, sondern eben zunächst nur symbolisch (und erst Jahre später tatsächlich). Wiewohl dabei noch anzumerken ist, daß 14 schon ein vergleichsweise hohes Alter für eine solche Praxis wäre, da es nachweislich bereits Elternschaften im Alter von 15 gab.

Die Geschichte spielt in der Brandenburgisch-Mecklenburgischen Grenzregion und die Gegend ist damals natürlich katholisch. Es gibt einen Bischofssitz am Ort.

Dann bleiben mE da wohl nur folgende Bistümer zur Auswahl:
Bistum Brandenburg ? Wikipedia
Bistum Havelberg ? Wikipedia
Bistum Lebus ? Wikipedia
Bistum Schwerin ? Wikipedia
 
Kommt deine Heldin/dein Held zufällig aus einer sehrsehr kirchenhörigen Familie? Dann hab ich nach langem suchen was gefunden. Und zwar eine Beschreibung der krichlichen Idealeheschließung für das 12. Jahrhundert (Hundert Jahre später wird das auch noch brauchbar gewesen sein) ganz ohne Kiste und nackt (zumindest zum Zeitpunkt des Segens):

Maike Vogt-Lüerssen "Der Alltag im Mittelalter" schrieb:
Im 12. Jh. sah die kirchliche Ideal-Eheschließung folgendermaßen aus:
An drei der Hochzeit vorausgehenden Sonn- und Feiertagen kündigt das Brautpaar offiziell seine Eheschließung an. Am Hochzeitstag findet der Trauungsakt vor der Kirchenpforte statt. Die Rechtshandlung wird von dem Vormund in Gegenwart des Geistlichen vorgenommen. Vor Zeugen wird wiederholt, was die künftige Ehegattin mit in die Ehe bringt, und wie der künftige Ehemann im Falle seines Todes seine Frau finanziell und materiell absichern will. Dann reichen sich die Brautleute gegenseitig die Ringe und versprechen sich die Treue. Das Jawort sowohl des Mannes als auch der Frau und der Segen des Priesters bilden den Abschluß der Trauungszeremonie. Danach begibt sich die Hochzeitsgesellschaft in die Kirche, um der Hochzeitsmesse beizuwohnen. Gegen Ende des Gottesdienstes breitet der Priester ein kostbares Tuch über das kniende Paar aus und erklärt sie zu Mann und Frau.

Edit: das wichtigste vergessen... das Buch gibts auch online (legal) und zwar hier: http://www.kleio.org/de/geschichte/alltag/index.html
 
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Ich würde gerne mal die ersten Absätze hier lesen, um überhaupt etwas dazu sagen zu können.

Nimm es mir nicht für Übel, Luca, aber ich habe hier schon viele kennengelernt, die ein Buch schreiben wollten.
 
Ich würde gerne mal die ersten Absätze hier lesen, um überhaupt etwas dazu sagen zu können.

Nimm es mir nicht für Übel, Luca, aber ich habe hier schon viele kennengelernt, die ein Buch schreiben wollten.


Ich verdiene seit 12 Jahren mein Geld mit Schreiben. Keine Angst, das wird schon. Aber wenn ich denke, es ist ok, schickte ich dir gern ein, zwei Kapitel. :)
 
Lili, die Szene vor der Kirche käme dem, was mir so vorschwebt, schon sehr entgegen.

Das Recht der ersten Nacht will ich nicht anderweitig ausnutzen lassen.

Es handelt sich um das Bistum Havelberg, das ab 1271 bis zur Reformation seinen Bischofssitz in Wittstock hatte, weil sich der Großteil der beschöflichen Ländereien in der Umgebung von Wittstock befand. Der erste Havelberger Bischof mit Sitz in Wittstock war Heinrich I von Sternberg.

Meine Protagonistin ist Tochter eines Bäckers. Vielleicht sollte sie bei ihrer Eheschließung erst 12 Jahre sein.
Ihr Ehemann kommt aus einem kleinen Dorf, ist vielleicht verwitwet und um die 20 Jahre alt.

Es gibt bestimmte Gründe, warum sie die Stadt verlassen muss - was dann auch der Auslöser für die Geschichte ist.

Der Mann verzichtet möglicherweise auf den Vollzug der Ehe, weil der Verlust seiner verstorbenen Frau noch zu sehr schmerzt und weil das Mädel zu jung ist.

Korrigiert mich bitte, falls irgendwas absurd erscheint.
 
Eine eigenartige Sache war auch das Recht der ersten Nacht durch den Herrschenden. Sozusagen die Defloration in der Hochzeitsnacht durch den Herrscher...

... was vor allem deswegen eine eigenartige Sache ist, weil sie so gar nicht belegt ist.
Anm.: Der verlinkte Text beweist nur eines; nämlich daß sich im Internet noch immer genügend Seiten finden lassen, die einen Geschichtsirrtum, welcher seit Jahren als geschichtswissenschaftlich unhaltbar klassifiziert ist, weiter kolportieren...

Demnächst bitte aufmerksamer lesen...

In der Tat; ich erlaube mir dennoch, zusätzlich folgende Diskussion zu verlinken: http://www.geschichtsforum.de/f51/ius-primae-noctis-17364/
Dort hatten wir diesen Mythos bzw. Topos schon einmal detailliert auseinandergenommen...



PS: Bitte ungeachtet dessen in der eigentlichen Thematik weitermachen...
 
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Ich freu mich drauf.
Ganz im Ernst.


Ist gebongt. Ich habe auch schon jemanden gefunden, der sich in der Geschichte des von mir dargestellten Berufes auskennt. :)
Da ich nicht zu viel "Mumpitz" schreiben will, kläre ich solche Fragen wie die nach der Hochzeit lieber bevor ich richtig loslege.

Lili, der Link ist toll, ist schon in meinen Favoriten abgespeichert. Danke
 
Das Recht der ersten Nacht will ich nicht anderweitig ausnutzen lassen.

Da würde ich auch die Finger von lassen.
Ich habe mal den Ritter Kahlbutz in Kampehl besucht.
Ganz in der Nähe von Havelberg.

Der soll einen Schäfer erschlagen haben, weil er das Recht der ersten Nacht beanspruchte und der ihm das verweigerte.
Er soll im prozess gesagt haben, wenn ich das war, soll mein Leichnam nie verwesen. Nun, die Mumie ist immer noch gut erhalten.
http://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Friedrich_von_Kahlbutz
 
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Lili, der Link ist toll, ist schon in meinen Favoriten abgespeichert. Danke
Bittebitte - dachte ich mir doch, dass du den gut brauchen kannst :winke:

Eins noch: Würde ich lesen, dass ein "etwa 20jähriger Mann" (die Betonung liegt auf 20 und Mann) aus welchen Gründen auch immer nicht p***en will, sorry aber das würd ich im Leben nicht glauben. Bist dir sicher dass du das so darstellen willst?
 
Bittebitte - dachte ich mir doch, dass du den gut brauchen kannst :winke:

Eins noch: Würde ich lesen, dass ein "etwa 20jähriger Mann" (die Betonung liegt auf 20 und Mann) aus welchen Gründen auch immer nicht p***en will, sorry aber das würd ich im Leben nicht glauben. Bist dir sicher dass du das so darstellen willst?

Immer diese Vorurteile ... :cry:
 
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