War die DDR ein eigenständiger Staat?

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Gast

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erst mal schöne Grüße an alle,

ich hab mal gelesen, dass die DDR quasi von der Sowjetunion regiert wurde bzw. die Sowjetunion Teilsouveränität besaß (also bis zur Wiedervereinigung). Meiner Auffassung nach würde das ja dann heißen, dass die DDR eben kein eigenständiger Staat war.

Kann natürlich auch sein, dass ich mich da irre.
Aber ich hab auch lange im Internet gesucht und keine wirklich eindeutige Antwort gefunden.

Ich hoffe mal hier kann mir jemand helfen. Wär wirklich nett

falls das Thema hier schon mal gefragt wurde (ich bin zu faul zum suchen) dann bitte den link zu eben jenem schicken.

Danke schon mal im voraus
 
Da hast du recht, die DDR ist ein von der SU abhängiger Staat gewesen. Noch während des 2. Weltkrieges wurden in der SU deutsche Kommunisten um Ulbricht geschult, um dann in Deutschland ein Rätesystem nach sowj. Vorbild zu installieren. Da Deutschland den Krieg verlor, errichtete die SU mit Hilfe ihrer willfährigen deutschen Genossen in ihrem Besatzungsgebiet einen Staat nach eigenem Vorbild und legte politische sowie wirtschaftliche Bedingungen fest.
 
Was der Hurvinek sagt; bis zur Wiedervereinigung waren beide deutschen Staaten in ihrer Souverenität eingeschränkt.

Für West-Berlin galt das sogar in noch größerem Maße; auch ohne der Drei-Staaten-Theorie* anzuhängen muss man attestieren, dass West-Berlin durch die alliierten Souverenitätsrechte kein wirklicher Teil der BRD war. Bundesbehörden oder -organe hatten hier nichts verloren (die Bundeswehr durfte nicht einziehen, die Lufthansa nicht landen, die Bundesbahnfuhr ebenfalls nicht nach West-Berlin etc.pp.), die Bundestagsabgeordneten Berlins hatten kein Stimmrecht. Auch standen das alliierte Recht über dem Recht der BRD (eine eher theoretische Sache); so hätten die West-Alliierten bspw bis 1990 noch die Todesstrafe verhängen dürfen, Grundgesetz hin oder her.

* Drei-Staaten-Theorie ? Wikipedia
 
Noch während des 2. Weltkrieges wurden in der SU deutsche Kommunisten um Ulbricht geschult, um dann in Deutschland ein Rätesystem nach sowj. Vorbild zu installieren.
Richtiger ist, dass deutsche Kommunisten im Moskauer Exil erstmal gesäubert wurde und am Ende blieben eben nur die übrig, die keine "trotzkistisch-faschistischen" Agenten waren. Tatsächlich war die KPD schon seit den 20er Jahren eine leninistische Partei, die von den Komintern aus Moskau Weisungen erhielt.

Neben dem Vergleich der "Souveränitäten" von DDR und BRD lohnt sich auch ein Blick nach Polen, Ungarn, Tschechoslowakei und anderen Ostblock-Staaten. All diese Staaten kontrollierte die Sowjet-Union durch das Kommunistische Informationsbüro, Kominform. Dieser trat die Nachfolge der Komintern an.
Auch die Planwirtschaft in den Mitgliedsstaaten des "Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe" wurde zentral in Moskau geleitet.
Dies alles, also die Vorherrschaft Moskaus über den Osten, gibt 1968 in der Breschnew-Doktrin. Ein ein sozialistisches Land hatte offiziell nicht mehr die Souveränität sich vom Sozialismus abzuwenden. Was eine Abkehr vom Sozialismus war, bestimmte Moskau. Die Antwort war Gewalt.
 
Naja, es gab schon gewisse Eigenständigkeiten. Siehe Rumänien. Ich erinnere mich an eine alte ARD-Reportage (Mitte 70er) über die rumänische Armee, wo etwas "hinterfotzig" gefragt wurde, ob man denn gegen "jeden Feind" sich wehren würde...
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, Rumänien war ein Ausreißer. Rumänien ging gechickt auf Schmusekurs mit China um sich von Moskau ein wenig abzuseilen. Konsequenter war da Albanien, dass sich auf dem gleichen Wege komplett der Moskauer Bevormundung entzog.
Entscheidend ist aber hier das Thema DDR und da sieht es ganz anders aus. Ein nettes Anschauungsobjekt ist etwa die Absetzung Walter Ulbrichts. Erich Honecker und Co beantragten direkt beim Großen Bruder die Absetzung des Diktators!
 
Zwei Anmerkungen: Die DDR war ein eigenstaendiger Staat, sie hatte Staatsgebiet, Staatsvolk und Staatsgewalt, die Kriterien der Staatsrechttheorie. Dass die Wirtschaftspolitik teilweise beim COMECON in Moskau gemacht wurde, steht auf einem anderen Blatt und da waere dann die Frage zu stellen nach Strukturen, Durchsetzungsmacht, Finanzen usw. des COMECON. Wichtiger imho die Besetzung der militaerischen Schluesselposten beim WV. Aber das und noch mehr waere dann auch fuer die Bundesrepublik und die westlichen Pendants dieser Vertraege zu eroertern, jedoch hat niemand hier deren Staatseigenschaft in Frage gestellt.
Zweitens gab es in West-Berlin durchaus Bundesbehoerden und die Bundesgesetze wurden formal vom Abgeordnetenhaus uebernommen, mir ist da keine Ablehnung erinnerlich.
 
ich denke, dass die meisten Ostblockstaaten - ich sage es mal so - unabhängig waren, wenn sie im Sinne der Sowjetunion handelten. Ausnahmen waren Jugoslawien, Rumänien und Albanien, die sich auf eigene Pfade begaben. Die anderen Staaten versuchten, gegenseitig Wirtschafts- und Militärsymbiose zu betreiben.

Der Mauerbau der DDR soll von Moskau direkt angeordnet worden sein, die Führung in der DDR hat nur den Befehlt ausgeführt. Wenn mal ein Staat aufmuckte (DDR-Arbeiteraufstand 1953, Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968), dann war der grosse Bruder Sowjetunion sofort mit Panzern da. Insofern könnte man argumentieren, dass die sogenannten Satellitenstaaten nicht ganz eigenständig waren - sie konnten sich zwar im vom der SU vorgegeben Rahmen bewegen, aber nicht ausscheren.

Es ist ebenfalls davon auszugehen, dass die Geheimdienste der Satellitenstaaten mit dem KGB relativ eng zusammengearbeitet haben
 
Der Mauerbau der DDR soll von Moskau direkt angeordnet worden sein, die Führung in der DDR hat nur den Befehlt ausgeführt.

Ulbricht hat die Sowjetunion gedrängt, ihr OK zum Mauerbau 1961 zu geben. Die strategische Planung und Absicherung des Mauerbaus und des Drumherum oblag der Sowjetunion, das ist richtig.
Wenn es nach Chrustschow gegangen wäre, wäre die Berlinfrage anders in Angriff genommen worden (weitere Eskalierung des Berlin-Problems). Ulbricht drängte bereits 1952 bei Schliessung der innerdeutschen Grenze die Sowjetunion zur Abriegelung West-Berlins.
1961 - Mauerbau und Außenpolitik, Heiner Timmermann (Hg.), Münster, LIT 2002
ISBN 3-8258-6293-3


Die SED-Machthaber waren nicht politisch harm- und willenlos.

zum Thema:
Auch wenn die Bundesrepublik keine Botschaft sondern eine "Ständige Vertretung aller Deutschen" in Ost-Berlin unterhielt, gab es seltsamerweise am 18. Mai 1990 zwischen der Bundesrepublik und der DDR einen Staatsvertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion.
 
Zweitens gab es in West-Berlin durchaus Bundesbehoerden (...)

Welche?

(...) und die Bundesgesetze wurden formal vom Abgeordnetenhaus uebernommen, mir ist da keine Ablehnung erinnerlich.

Was nur die Sonderrolle West-Berlins zeigt: In keinem anderen Bundesland musssten die Gesetze der BRD extra übernommen werden, denn "Bundesrecht bricht Landesrecht" (GG, welcher Art. auch immer). Das das in West-Berlin notwendig war zeigt dass West-Berlin kein vollgültiger Teil der BRD war.
 
Die DDR unterlag zweierlei Einschränkungen:

Zum einen der Oberaufsicht der Alliierten, diese Einschränkung der Souveränität war also völkerrechtlich verankert.

Und zum anderen durch die Kontrolle aus Moskau. Dies führte wie 1968 in der CSSR zu völkerrechtswidrigen Aktionen und Abhängigkeiten, die nicht freiwillig eingegangen wurden. Allerdings war den Beteiligten auch klar, dass sie mit dem Rückhalt durch die Rote Armee selber stabiler im Sessel saßen. Dies gilt natürlich nur für die kollektive Parteiführung. Einzelne Personen konnten immer wieder entmachtet werden.

Die SED-Machthaber waren nicht politisch harm- und willenlos.
Richtig, sie haben zwar unter dem Vorbehalt Moskauer Vorgaben gestanden, ansonsten aber selbstständig agiert. Insbesondere wurde aus eigener Überzeugung heraus bewusst gegen die eigenen Gesetze gehandelt, deren Existenz historische oder außenpolitische Ursachen hatten.

Solwac
 
"Die Sowjetunion und DDR protestierten regelmäßig und erfolglos gegen die Präsenz von Bundesbehörden in West-Berlin und dessen Westintegration."

Dasselbe kann man übrigens von den Westmächten sagen.
Noch zur Parade des 40. Jahrestags der DDR am 7. Okt. 1989 protestierten die Westmächte gegen die Anwesenheit der NVA in Ostberlin. Natürlich erfolglos.
Die DDR-Militär-Präsenz in Ostberlin wurde zwar hingenommen, aber nicht ohne regelmäßigen Protest und wurde keineswegs anerkannt.

Man muss das auch sehen, für West-Berlins Zugehörigkeit zur Bundesrepublik gab es Einschränkungen, aber für die Zugehörigkeit Ost-Berlins zur DDR ebenso.


Am Rande: Das Bundeskartellamt saß bis zur "Hauptstadtwerdung" in Berlin. Wurde in dem
Zug dann nach Bonn verlegt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,

ich bin auf zwei Ungereimheiten gestoßen, die mir irgendwie nicht logisch erscheinen:

Am 25.März 1954 wurde die DDR für nahezu souverän erklärt, ausgenommen waren ein paar Entscheidungen, die noch immer der SU oblagen. Hier nochmal nachzulesen:
25. Mrz 1954 | bpb

Rund 4 Jahre danach, in der Zweiten Berlinkrise, drohte nun Chrustschow den Alliierten damit, einen Friedensvertrag mit der DDR zuschließen und somit der DDR einen Anspruch auf das Hoheitsrecht zu geben, sie also souverän zu machen. Hier nochmal nachzulesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Berlin-Krise#Erneute_Forderungen

Meine Frage: Ist die DDR nicht schon vorher souverän gewesen? Wie kann er damit drohen, wenn die DDR es doch schon ist?:grübel:

Vielen Dank im Voraus!
LG
 
Hallo Jammy,

die Souveränitätserklärung für die DDR erfolgt durch die damalige UdSSR und bestand damit nur im relativ engen Rahmen der Möglichkeiten, die die UdSSR von sich aus den sozialistischen Regime des 'Ostblockes' einräumte.

Bei der von Dir genannten Berlinkrise geht es um die Kontrollrechte der 4 Alliierten - den Siegermächten des II. Weltkrieges über NS-Deutschland - über Berlin und den Zufahrtswegen nach (W-)Berlin. Diese Kontrollrechte galten bis zur Regelung durch einen Friedensvertrag mit Deutschland.
Chrustschow drohte, mit der DDR einen separaten Friedensvertrag abzuschließen und hätte damit die alliierten Kontrollrechte der Sowjetunion über Berlin und vor allem die Zufahrtswege nach West-Berlin an die DDR abgetreten.

Viele Grüße,

Andreas
 
Achso, verstehe.
Aber wieso konnte Chruschtschow denn mit der DDR einen Friedensvertrag vereinbaren? Durch die Proklamation der DDR 1949 entstant doch ein komplett neuer Staat, der nichts mit dem Dritten Reich zu tun hatte. Wieso befand sich also die Sowjetunion seit Anbeginn im "Krieg" mit der DDR?
 
Hallo Jammy,

die Kontollrechte der Alliierten nach dem Potsdamer Abkommen von 1945, welches die Gesamtverantwortung der Alliierten für "Gesamtdeutschland" festgelegte, sollten geplant bis zu einem völkerrechtlich notwendigen Friedensvertrag mit "Deutschland" bestehen.
Die UdSSR hatte bis zur zweiten Berlin-Krise und auch wieder danach auf einen einseitigen, nur zwischen der DDR und der UdSSR geschlossenen Friedensvertrag verzichtet.
Denn die DDR war eben nicht "ganz Deutschland", sogenannte Souveränität hin, Souveränität her.

Hätte nun die UdSSR einseitig einen Friedensvertrag mit der DDR geschlossen, hätten ihn die drei anderen Alliierten USA, Frankreich und GB nicht anerkennen müssen und sicher nicht anerkannt. Damit wäre die DDR nur im Binnenverhältnis zur UdSSR scheinbar völlig völkerrechtlich souverän gewesen - was Moskau aber natürlich tatsächlich auch nicht wollen konnte, schon gar nicht wollte die sowjetische Regierung ihre alliierten Kontrollrechte wirklich zugunsten der DDR aufgeben. Chrustschows Drohung war nur Theaterdonner und Druckmittel.


Und ein Friedensvertrag mit "ganz Deutschland" war natürlich das höhere + völkerrechtlich wichtigere Ziel aller Alliierten in Nachfolge auf die bedingungslose Kapitulation des nationalsozialistischen Deutschen Reiches, schon allein wegen der dadurch erst völkerrechtlich möglichen Anerkennung der bestehenden Staatsgrenzen und territorialen Integrität des Staatsgebietes.

Du siehst das auch daran, dass erst nach dem Mauerfall 1990 ein Friedensvertrag der vier Alliierten mit der BRD + DDR kurz vor der Wiedereinigung unterzeichnet und möglich wurde. Wikipedia schreibt zu recht zu den Zwei-plus-Vier-Verträgen:

Als die politisch geforderte und rechtlich notwendige Friedensregelung[2] mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg markiert der Zwei-plus-Vier-Vertrag das Ende der Nachkriegszeit – Deutschland einschließlich Berlins ist infolgedessen endgültig von besatzungsrechtlichen Beschränkungen befreit

Und so war auch die alte BRD (völkerrechtlich) nicht völlig souverän ungeachtet ihrer realen staatlichen Existenz, da - nicht nur - formal nach wie vor die alliierten Kontrollrechte bis zum Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages galten.

Letztlich hilft für das Verständnis Deiner Frage, wenn wir unterscheiden zwischen der konkreten Existenz eines Staatsgebildes und der völkerrechtlichen völligen Souveränität eines Staatsgebildes. Erst mit dem völkerrechtlich notwendigen Friedensvertrag nach einer Kapitulation oder nach einem Waffenstillstand entsteht völkerrechtlich die völlige Souveränität und territoriale Integrität, die völkerrechtliche Anerkennung von Staatsgrenzen. Abhängig natürlich auch vom jeweiligen "Friedensvertrag" selbst, wie der Versailler Friedensvertrag von 1919 zeigt...


Viele Grüße,

Andreas
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist Deutschland mit Abschluss der der 2+4 Verträge jetzt voll und ganz souverän oder nicht?

Herzlichen Dank für Ihre schnelle Antwort
Annegret
 
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