Antike Schiffahrt-Sichtweiten im Mittelmeer

balticbirdy

Ehemaliges Mitglied
Im Zusammenhang mit der antiken Schifffahrt frage ich mich, wie die Sichtverhältnisse dort sind, da es nahe den Küsten ja auch zum Teil beachtliche Berge gibt.

In der westlichen Ostsee hat man, trotz der vorherrschenden Flachküsten, zwischen DE, POL, DEN und SWE fast immer Landsicht oder man ahnt es zumindest anhand der Wolkenfelder. Man sieht von Hiddensee aus den Kreidefelsen von Mön, umgekehrt sieht man von DEN (Gedser) nur die Kühlwasserfahne des Kraftwerks von Rostock, während der Fehmarnbelt doch ganz überschaubar ist.

Ist also z.B. die Strasse von Otranto oder Sizilien-Tunesien anhand solcher Kriterien erahnbar. Für die Navigation im Mittelmeer müssen solche Anhaltspunkte ja sehr wichtig gewesen sein. Da ich als Nordlicht keine Seepraxis von dort habe, frage ich einfach mal nach euren Erfahrungen, auch an Land.
Was sieht man bei gutem Wetter von wo aus?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest in der Ägäis hat man, wenn ich mich an eine Vorlesung über bronzezeitliche Schifffahrt recht erinnere, nahezu an jedem Ort einen Bezugspunkt zu einer Insel bzw. zum Festland.
 
Private Äußerung eines Seefahrts-Laien auf Basis eigener Eindrücke:
Die Sichtweiten sind, bei normalen Schönwetterlagen am Mittelmeer drastisch geringer als über der Ostsee.

Der Süddeutsche bereits ist über die Fernsicht an der Ostsee bass erstaunt.
Der "Dunst" ist weit kräftiger bei uns. Schon Landschaftsaufnahmen mit vernünftiger Qualität und Schärfe von einem Berg aus zB sind bei uns in BW nur an sehr wenigen Tagen im Jahr möglich.
Eine Erscheinung die am Mittelmeer meiner Beobachtung nach noch wesentlich ausgeprägter auftritt.

Ich vermute allerdings, dass der Seefahrer die Nähe der Küste an allerlei Zeichen durchaus erkennt, ohne sie tatsächlich sehen zu können.
 
Deine konkrete Frage ("Was sieht man von wo aus?") kann ich nicht beantworten, aber mWn herrschte in der Antike die Küstenschifffahrt vor. Dh die Schiffe bewegten sich nicht außer Sicht der Küste, ua da Landmarken die wichtigsten Orientierungshilfen waren. Sich außer Sichtweite des Landes zu begeben kam zwar hin und wieder vor (freiwillig oder unfreiwillig durch Abtreiben), galt aber als sehr gefährlich.
 
@Repo: Ich vermute allerdings, dass der Seefahrer die Nähe der Küste an allerlei Zeichen durchaus erkennt, ohne sie tatsächlich sehen zu können.
Das ist richtig. Wolken, Wetter und Vögel zeigen aus eigener Erfahrung auch mitten auf der Nordsee, wo das nächste Land ist. Wenn ich in den Atlas schaue, muss das die Navigation im Mittelmeer geradezu simpel erscheinen lassen.
 
Hätte man nur Küstenschiffahrt betrieben wäre man niemals nach Zypern, Kreta oder den Balearen gelangt.
Der Pharos von Alexandria macht auch nur Sinn wenn man sich von offener See aus nähert.
Ich stelle jetzt mal zur Diskussion dass man auch längere Strecken nach Sonne und Sternen ohne Landsicht navigierte. Die Nilmündung müsste man eventuell sogar an der Farbe (oder Geruch, Geschmack?) des Wassers schon in weiter Entfernung erkennen können, lange bevor man Land sieht.
 
Man fuhr bekannte Strecken. Meistens waren auch bekannte Strömungen ein vortelhafter Wegweiser. Strandfeuer wiesen auf Land hin. Und auch die Querung von größeren Wasserwegen sollte mit einem Gnomon ohne Irrung bewerkstelligt worden sein - wenn am Abfahrtstag schönes Wetter herrschte und man genug betete, um das schöne Wetter bei Querung größerer Wasserwege zu erhalten. Die Seefahrer damals werden auch mitbekommen haben, wie stark Strömungen sind - wenn sie diese queren - und daraus entsprechende Schlussfolgerungen gezogen haben.
 
Hätte man nur Küstenschiffahrt betrieben wäre man niemals nach Zypern, Kreta oder den Balearen gelangt.
Der Pharos von Alexandria macht auch nur Sinn wenn man sich von offener See aus nähert.
Ich stelle jetzt mal zur Diskussion dass man auch längere Strecken nach Sonne und Sternen ohne Landsicht navigierte. Die Nilmündung müsste man eventuell sogar an der Farbe (oder Geruch, Geschmack?) des Wassers schon in weiter Entfernung erkennen können, lange bevor man Land sieht.

Da gehe ich mit. Zur Navigation nach Sternen hab ich noch etwas gefunden: Kurt Scheuerer - Navigation in früheren Zeiten

Wenn man von den griechischen Inseln nach Alexandria wollte oder vom Libanon nach Kreta, konnte man natürlich die längere Route in Sichtweite der Küste entlang nehmen oder einen kürzeren Weg suchen. Natürlich nicht bei jedem Wetter und zu jeder Jahreszeit.
 
Was sieht man bei gutem Wetter von wo aus?


Nochmal ganz persönlich.

Ich war mal im Mai in Talamone, südl. Toskana gegenüber Halbinsel Argentario. Es war der 1. schöne Tag nach Ende einer Schlechtwetterperiode.
Man konnte, Quer über die Bucht die Häuser in Orbetello zählen. 2 Tage später war der ganze Monte Argentario höchstens noch zu erahnen, bei weiterhin sehr schönem Wetter.

Soll heißen, "man" sieht Orbetello nicht, man weiß aber wo es ist.

Als altgedienter Hornblower-Leser "weiß" ich, dass im Kanal (wochenlang dichter Nebel!) ein altgedienter Seebär anhand von Bodenproben vom Meeresbodens verlässlich navigieren kann.
 
Also wenn es rein um Sichtweiten der Küstennähe geht, dann empfehle ich Dir den Skipper Guide, da hier die Wetterlagen des Mittelmeers genau beschrieben werden, die damit zusammenhängen.
Allerdings sind das keine historischen Angaben zur Wetterlage im Mittelmeer.

Mittelmeerwindsystem gibt es folgende:
Strasse von Gibraltar
Mistral
Bora
Etesien bzw. Meltemi
Scirroco

Zitat schrieb:
Eine allgemeine Wetterbeschreibung für das gesamte Mittelmeer ist schwierig. Hier sollten die lokalen Wetterbesonderheiten betrachtet werden.
Grundsätzlich herrscht um das gesamte Mittelmeer subtropisches Klima. Vor allem im südöstlichen Teil des Mittelmeeres herrscht auch im Winter noch Urlaubswetter.
Die große Wärme sorgt für eine starke Verdunstung. Das führt zu Dunst über dem Wasser. Dadurch ist die Sicht häufig geringfügig eingeschränkt, die Luftfeuchtigkeit ist tendenziell hoch. Abends bilden sich über dem Mittelmeer häufig Cirren, welche den gesamten Himmel bedecken können. Während es anderswo ein Zeichen für eine aufziehende Warmfront, also eine Wetterverschlechterung ist, ist es am Mittelmeer eine normale, unbedeutende Erscheinung.
Das Westliche Mittelmeer wird -vor allem im Winter- durch atlantische Tiefausläufer beeinflußt, die sich, von der Biskaya kommend, durch die Enge zwischen Pyrenäen und Alpen zwängen. Auf dem Mittelmeer angekommen legen sie dort an Windgeschwindigkeit wieder erheblich zu und reichen bis zu den Balearen, Korsika und dem Norden Sardiniens.
Im Sommer bewirken konstante Hitzetiefs über der Sahara und dem vorderen Orient gleichbleibende Winde: häufige Ostwindlagen in der Alboransee und Ethesien/Meltemi in der Ägäis.
Bei Seglern aus höheren Breiten herrscht häufig die Meinung, im Mittelmeer gäbe es generell wenig Wind. So ist das sicher nicht richtig, weisen doch die Statistiken den Golf von Lion als eines der sturmreichsten Seegebiete der Erde aus.

Quelle:
Mittelmeer - SkipperGuide
 
Auf der Wiki-Seite zur Navigation steht:
Spätestens im 4. Jahrhundert v. Chr. hatte jede Region im Mittelmeer ihr Seehandbuch.

Leider steht im Link zu Seehandbuch nichts zur Antike.
Wenn es denn Seehandbücher gab, müßten dort doch entsprechende Arten der Orientierung (Landmarken, Wasserfärbung, Grundbeschaffenheit, Besonderheiten, Sterne usw.) dringestanden haben. Liegen denn solche Handbücher in irgendeiner Form noch vor?
Ich kann mich vage erinnern eine Sendung gesehen zu haben, wo jemand an Hand der Beschreibungen in der Odyssee versuchte, vergleichbare Stellen heute zu finden.
 
Leider steht im Link zu Seehandbuch nichts zur Antike.
Wenn es denn Seehandbücher gab, müßten dort doch entsprechende Arten der Orientierung (Landmarken, Wasserfärbung, Grundbeschaffenheit, Besonderheiten, Sterne usw.) dringestanden haben. Liegen denn solche Handbücher in irgendeiner Form noch vor?

Aber sicher doch. Die Seehandbücher hiessen "Periploi" (Mehrzahl von "Periplous" jedenfalls), waren weit verbreitet und sind zum Teil sogar überliefert.
The Periplus of the Red Sea (O Periplous tes Erythras Thalasses) - edition M. S. Megalommatis. A Book Review.
 
Bei dieser Diskussion mußte ich an Scipios Überfahrt nach Afrika denken.

Laut Liv 29,27 segelte er mit einer größeren Flotte wohl recht gemächlich morgens von Lilybaeum zum Kap Merkur, was er anderen Tags morgens erreicht. Das letzte Drittel der Strecke müßte er demnach nachts zurückgelegt haben.

(so Riepl, Nachrichtenwesen des Altertums)
http://www.digitalis.uni-koeln.de/Riepl/riepl162-171.pdf
 
Ich habe mal, wird so 1966 gewesen sein, einen Fotokurs abgelegt.

Hat der Referent gesagt,
"Landschaftsaufnahmen, Blick ins Land und so, könnt ihr bei uns ziemlich vergessen, der Dunst ist fast immer zu dicht, wird unscharf, überhaupt keine Tiefenschärfe, führt zu enttäuschenden Resultaten. In Skandinavien dagegen ist das anders, viel weniger Dunst in der Luft, toll was man dort für Aufnahmen machen kann".

Und die eigene Erfahrung hat es dann bestätigt.

Deshalb wundert es mich doch, dass dies offensichtlich noch keinem aufgefallen ist.
 
Damals hat man auch noch mit Briketts geheizt, entsprechend war die Luft...
Vielleicht bin ich als "Halbwikinger" einfach zu verwöhnt.


Zieht nicht das Argument.
In Skandinavien hat man mit Sicherheit mehr Briketts verheizt als in Sizilien.

Fakt ist, die herrlichen Fotografien der Ostseestädte, auch von Amateuren, in aller Regel von den Mittelmeerstädten nicht gelingen werden.
Ergo: In aller Regel wird der Mittelmeerschiffer weniger mit Fern-Sicht navigieren können, wie der Ostsee-Kapitän.
Und im Winter-Nebel blieben beide im Hafen.
 
Hoi zämä

Mich dünkt, nicht der Dunst, sondern die Erdkrümmung limitirt die Sichtweite. Auf 30km Entfernung verschwindet wegen der Krümmung ein 100m hoher Hügel bereits komplett hinter dem Horizont. Natürlich kann man auf den Mast klettern, aber so viel weiter wird man dennoch nicht sehen können...


Gruss Pelzer


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