Wirtschaftliche Depression im ausgehenden Mittelalter?

Da ist mir ein Tippfehler reingelaufen: Wenn die Wirtschaft während 100 Jahren 1 Prozent p.a. wächst, muss die Silberproduktion um 170 (nicht 70) Prozent steigen.

Das ist gleich wie eine Zinseszinsrechnung. Aus 100 € werden in 100 Jahren bei einer Verzinsung von 1% 270 € (+170% im Vergleich zum Startkapital).

Das Wachstum ist exponentionell. Man unterschätzt das häufig.

Ich wollte nur darstellen, dass es eine kräftige Ausdehung der Silberproduktion brauchte, um nur schon ein geringes Wirtschafts- und Handelswachstum von 1 Prozent zu ermöglichen, unter den genannten modellhaften Bedingungen.

Mit dem Hinweis, dass ein Gulden ein Gulden ist, habe ich Mühe. Warum horteten die Leute gute Münzen mit viel Silber? Doch um die Kaufkraft zu erhalten, die bei den schlechten Münzen abnahm. Die Kaufkraft hängt doch vom Silbergehalt ab.

Was sonst ist die Grundlage des Greshamschen Gesetzes?

Den Nominalwert als Wert für den Tausch zu nehmen, hätte durchgehende Preisvorschriften und rigorose Preiskontrollen vorausgesetzt. Dazu fehlte vermutlich der Beamtenapparat im Mittelalter.

Wenn die Besitzer der Bergwerke das Silber dem Landesherren abgaben, um es in Münz zu tauschen, um z.b. die Bergleute zu bezahlen, spielte sich doch folgendes ab:


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Sie erhielten also immer weniger Silber in Geldform (Kaufkraft) zurück und mussten den Bergleuten mehr Münzen geben, nicht?
Läuft das nicht auf Beteiligung der Besitzer der Münzrechte an der Silberproduktion hinaus?

Habe im Mineralienlexikon, da wo Angaben über Förderung und Bergleute zu finden waren, herausgefunden, dass 1 Bergmann etwa 500 bis 700 g reines Silber pro Jahr förderte.

Die Angaben stammen aus den von Euch weiter oben genannten Quellen. Will nichts unterschlagen, habe sie aber nicht notiert. Hole das nach und gelobe Besserung.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da ist mir ein Tippfehler reingelaufen: Wenn die Wirtschaft während 100 Jahren 1 Prozent p.a. wächst, muss die Silberproduktion um 170 (nicht 70) Prozent steigen.

Das ist gleich wie eine Zinseszinsrechnung. Aus 100 € werden in 100 Jahren bei einer Verzinsung von 1% 270 € (+170% im Vergleich zum Startkapital).
Ok, jetzt komme ich mit. Was ich allerdings nicht nachvollziehen kann, ist deine Mutmaßung, dass die Geldmenge jährlich erhöht wurde. Nenn mir mal ein paar Gründe, warum man bei einer wachsenden Wirtschaft die Geldmenge M3 erhöhen sollte. Geld wird ja nicht schlecht...

Ich wollte nur darstellen, dass es eine kräftige Ausdehung der Silberproduktion brauchte, um nur schon ein geringes Wirtschafts- und Handelswachstum von 1 Prozent zu ermöglichen, unter den genannten modellhaften Bedingungen.
Bei dem Zusammenhang zwischen Geldmengenwachstum und positive Auswirkungen auf die Produktion einer VW bin ich dabei. Mir fehlt wie gesagt die Begründung dafür, die Geldmenge jährlich gleichbleibend zu erhöhen.

Mit dem Hinweis, dass ein Gulden ein Gulden ist, habe ich Mühe. Warum horteten die Leute gute Münzen mit viel Silber? Doch um die Kaufkraft zu erhalten, die bei den schlechten Münzen abnahm. Die Kaufkraft hängt doch vom Silbergehalt ab.

Was sonst ist die Grundlage des Greshamschen Gesetzes?
Innerhalb eines Fürstentums war ein Gulden ein Gulden, sonst müssten wir ja bei jeder größeren Änderung der Legierung auch starke Änderungen bei den Preisen verzeichnen.

Den Nominalwert als Wert für den Tausch zu nehmen, hätte durchgehende Preisvorschriften und rigorose Preiskontrollen vorausgesetzt. Dazu fehlte vermutlich der Beamtenapparat im Mittelalter.
Erstens das, außerdem meine ich, dass Nominalwerte und damit auch die unterschieldichen Legierungen für die breite Bevölkerung ohnehin nicht ersichtlich waren.

Wenn die Besitzer der Bergwerke das Silber dem Landesherren abgaben, um es in Münz zu tauschen, um z.b. die Bergleute zu bezahlen, spielte sich doch folgendes ab:


<TABLE style="WIDTH: 300pt; BORDER-COLLAPSE: collapse" cellSpacing=0 cellPadding=0 width=400 border=0 x:str><COLGROUP><COL style="WIDTH: 60pt" span=5 width=80><TBODY><TR style="HEIGHT: 12.75pt" height=17><TD style="BORDER-RIGHT: #d4d0c8; BORDER-TOP: #d4d0c8; BORDER-LEFT: #d4d0c8; WIDTH: 60pt; BORDER-BOTTOM: #d4d0c8; HEIGHT: 12.75pt; BACKGROUND-COLOR: transparent" width=80 height=17>Jahr 1</TD><TD style="BORDER-RIGHT: #d4d0c8; BORDER-TOP: #d4d0c8; BORDER-LEFT: #d4d0c8; WIDTH: 60pt; BORDER-BOTTOM: #d4d0c8; BACKGROUND-COLOR: transparent" width=80>1 Barren Silber</TD><TD style="BORDER-RIGHT: #d4d0c8; BORDER-TOP: #d4d0c8; BORDER-LEFT: #d4d0c8; WIDTH: 60pt; BORDER-BOTTOM: #d4d0c8; BACKGROUND-COLOR: transparent" width=80>1000 Münzen</TD><TD style="BORDER-RIGHT: #d4d0c8; BORDER-TOP: #d4d0c8; BORDER-LEFT: #d4d0c8; WIDTH: 60pt; BORDER-BOTTOM: #d4d0c8; BACKGROUND-COLOR: transparent" width=80>50% Silbergehalt</TD><TD style="BORDER-RIGHT: #d4d0c8; BORDER-TOP: #d4d0c8; BORDER-LEFT: #d4d0c8; WIDTH: 60pt; BORDER-BOTTOM: #d4d0c8; BACKGROUND-COLOR: transparent" width=80>1/2 Barren als Silbergeld zurück


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Sie erhielten also immer weniger Silber in Geldform (Kaufkraft) zurück und mussten den Bergleuten mehr Münzen geben, nicht?
Deinem Beispiel folgend eine Gegenfrage: wenn es so gewesen wäre, welchen Sinn macht es denn dann überhaupt, Münzen als Zahlungsmittel zu schlagen?
 
Geldmengenaggregate nach neuzeitlichem Verständnis (etwa M3) in die vermuteten Wirkungsketten für das Mittelalter einzuführen, ist wohl etwas gewagt.

Die Problematik der schwankenden Umlaufgeschwindigkeit - zweite Komponente neben Geldmenge, wie auch immer definiert - für die Geldmarkt wurde bislang nur bezgl. der Kassenhaltung (Hortungen) angesprochen. Wenn man hier Verknüpfungen zur Produktion bzw. zu Gütermärkten untersuchen will, wäre das weiter aufzubohren.

Nächster Aspekt: die quasi-Teilung der Geldmenge, wenn verschiedene Wertigkeiten durch den Silbergehalt unterstellt werden. Die Umlaufgeschwindigkeit des "minderwertigen"/weniger silberhaltigen Geldes könnte steigen und so die Versorgung ausreichend abdecken (steigende Umlaufgeschwindigkeit). Dazu müßte man ergänzend das Preisniveau bzw. dessen Schwankungen als Einflussfaktor näher betrachten. Das Absinken der "höherwertigen" Zahlungsmittel (Hortungen) könnte kompensiert worden sein.

Ein weiterer Aspekt, der wieder indirekt auf Aggregate anspielt: welche Bedeutungen hatten Forderungen im Handelsverkehr? Ein starker Anstieg bzw. eine grundsätzliche Veränderung des Niveaus hier unterstellt (Aufstieg der Handelshäuser), könnte das Produkt aus Geldmenge (Zahlungsmitteln) und Umlaufgeschwindigkeit so ergänzen, dass sich das skizzierte Wachstum der Gütermärkte ohne Geldmengenausweitung darstellen läßt.
 
Geldmengenaggregate nach neuzeitlichem Verständnis (etwa M3) in die vermuteten Wirkungsketten für das Mittelalter einzuführen, ist wohl etwas gewagt.
Hab ich doch gar nicht.. Ich hab nur allgemein nach Gründen gefragt, die bei Wirtschaftswachstum ein Erhöhen der Geldmenge M3 implizieren. (Ich hätte auch nach M1 fragen können, hab ich aber bewusst auch nicht ;) )

Dazu müßte man ergänzend das Preisniveau bzw. dessen Schwankungen als Einflussfaktor näher betrachten.
Ich fürchte allerdings, dass wir hier ein Quellenproblem haben. Zumindest wüsste ich keine Quelle, die einen tatsächlichen Einblick in das Preisniveau im betreffenden Zeitraum zulässt.

Ein weiterer Aspekt, der wieder indirekt auf Aggregate anspielt: welche Bedeutungen hatten Forderungen im Handelsverkehr? Ein starker Anstieg bzw. eine grundsätzliche Veränderung des Niveaus hier unterstellt (Aufstieg der Handelshäuser), könnte das Produkt aus Geldmenge (Zahlungsmitteln) und Umlaufgeschwindigkeit so ergänzen, dass sich das skizzierte Wachstum der Gütermärkte ohne Geldmengenausweitung darstellen läßt.
Ganz genau, schon allein die Schulden des Kaisers bei den Fuggern dürften einiges an Wirtschaftswachstum ausgemacht haben...
 
(Ich hätte auch nach M1 fragen können, hab ich aber bewusst auch nicht ;) )
Jetzt verstehe ich ;)

Ich fürchte allerdings, dass wir hier ein Quellenproblem haben. Zumindest wüsste ich keine Quelle, die einen tatsächlichen Einblick in das Preisniveau im betreffenden Zeitraum zulässt.

Darauf wollte ich hinaus. Es gibt hierzu kein hinreichendes Bild, allenfalls Mosaiksteinchen.
 
Zu der Produktion habe ich noch eine schätzweise Angabe gefunden (durchschnittliche Jahres-Silber-Produktion in Pfund für Sachsen, Oberharz, übriges Deutschland, Summe):

1493-1520: 12.860 - 5.715 - 3.570 - 22.145
1521-1544: 19.020 - 7.000 - 5.160 - 31.180
1545-1560: 26.300 - 6.800 - 6.600 - 39.700
1561-1580: 18.000 - 7.000 - 5.000 - 30.000
Diese Gebiete kommen auf in den Dekaden 1493-1600 somit auf etwa 11 bis 19 Tonnen im Jahresdurchschnitt.

Bzgl. Tirol war der erste Aufschlag Falkenstein bei Schwaz 1409, größerer Abbau im Bergwerk startete 1448. Die alten Angaben zu Tirol weisen Implausibilitäten auf, die Gesamterzeugung soll 1470-1607 bei etwa 4 Millionen Mark Silber gelegen haben, wird aber in alten Quellen auch mit dem 10-fachen angegeben. Seit 1650 wurde der Bergwerksbetrieb in Tirol schnell schwächer.

Die Gesamtproduktion von Österreich-Ungarn wird von 1493-1600 mit 17 Tonnen (1581-1600) bis 32 Tonnen (1521-1544) pro Jahr angegeben.
 
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