Absolutismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation

Ayumi

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Hallo,
ich muss in einigen Wochen ein Referat halten, in dem ich "die wesentlichen Elemente der ökonomischen und politischen Struktur des Absolutismus" (wahrscheinlich im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation) erläutern soll.

Da das Reich zu der Zeit nur noch nominell in dieser Form bestand, weiß ich nicht genau, woran ich den Absolutismus festmachen soll, da es ja keinen König mehr gab, der die Herrschaft über das gesamte Reich hatte (wie in Frankreich z.B. Louis XIV).

Jetzt stellt sich mir die Frage, welche der folgenden Elemente ich aus dem französischen Beispiel auf das Reich übertragen kann bzw. ob ich das auch hier verallgemeinern kann:
1. Das Schema der Gesellschaftsordnung (Schema des Absolutismus in Frankreich);
2. Die 5 Säulen, auf die sich der (französische) Herrscher stützt : stehendes Heer und Flotte, Verwaltung, Justiz, Staatskirche und Merkantilismus (Colbertismus);

Sollten diese Beispiele auch auf "Deutschland" zutreffen:
3: Wie konnte die absolutistische Herrschaft ausgeübt werden, wenn das Reich doch in so viele kleine "Staaten" zerfallen war ?

Ich hoffe, ihr könnt mir hier weiterhelfen.
LG
Ayumi
 
Viele der Fürstentümer im HRR hatten ihren eigenen absolutistischen Herrscher. Die Klassiker dürften August der Starke (Sachsen), Kurfürst Friedrich von der Pfalz sein (mit seinen Mannheimer Residenzbauten) und das Paradebeispiel Markraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach mit seinem Stadt-und-Schloss-Ensemble Karlsruhe.
Die Planstädte sind dabei vor allem manifest gewordenes Symbol der absoluten Ausrichtung auf den Herrscher bzw. dessen Residenz.
 
Viele der Fürstentümer im HRR hatten ihren eigenen absolutistischen Herrscher.
1.
Die Klassiker dürften August der Starke (Sachsen),
2.
Kurfürst Friedrich von der Pfalz sein (mit seinen Mannheimer Residenzbauten) und das
Paradebeispiel Markraf Karl-Wilhelm von Baden-Durlach mit seinem Stadt-und-Schloss-Ensemble Karlsruhe.
Die Planstädte sind dabei vor allem manifest gewordenes Symbol der absoluten Ausrichtung auf den Herrscher bzw. dessen Residenz.
1.
Nein, habe ich auch schon mehrfach geschrieben.

2.
Die Stände waren dort entmachtet?

Der mit seinen Mannheimer Residenzbauten hieß nicht Friedrich sond Karl III. Philipp! Er war es, der die Residenz von Heidelberg nach Mannheim verlegte. Dass er gegen die Kräfte in Heidelberg so wirklich auch nicht ankam, spricht für mich eher dafür, dass er doch nicht so absolut war.
 
Hallo,
ich muss in einigen Wochen ein Referat halten, in dem ich "die wesentlichen Elemente der ökonomischen und politischen Struktur des Absolutismus" (wahrscheinlich im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation) erläutern soll.
Wie wahrscheinlich ist es denn, dass es das HRRDN werden wird? Darfst du es dir selbst aussuchen, oder bekommst du die genaue Themenstellung vorgegeben? Und was hast du dir denn schon überlegt?
 
Da das Reich zu der Zeit nur noch nominell in dieser Form bestand, weiß ich nicht genau, woran ich den Absolutismus festmachen soll, da es ja keinen König mehr gab, der die Herrschaft über das gesamte Reich hatte (wie in Frankreich z.B. Louis XIV).

Jetzt stellt sich mir die Frage, welche der folgenden Elemente ich aus dem französischen Beispiel auf das Reich übertragen kann bzw. ob ich das auch hier verallgemeinern kann:
1. Das Schema der Gesellschaftsordnung (Schema des Absolutismus in Frankreich);
2. Die 5 Säulen, auf die sich der (französische) Herrscher stützt : stehendes Heer und Flotte, Verwaltung, Justiz, Staatskirche und Merkantilismus (Colbertismus);

Sollten diese Beispiele auch auf "Deutschland" zutreffen:
3: Wie konnte die absolutistische Herrschaft ausgeübt werden, wenn das Reich doch in so viele kleine "Staaten" zerfallen war ?
Ich glaube, Du unterschätzt ein bisschen das Reich. Grundsätzlich gab es noch bis ins 18.Jh. hinein das Streben der Kaiser nach einem Reichsabsolutismus, wenngleich man diesen eigentlich im Frieden von Münster und Osnabrück als gescheitert ansehen könnte.

Absolutistisch regierte Staaten gab es innerhalb des HRR, das ist richtig. Zu nennen wären Braunschweig-Lüneburg, welches 1692 zum Kurfürstentum erhoben wurde.
In Kurbrandenburg gelang es dem Großen Kurfürst die Stände aus dem Politikfach zu drängen. Noch 1653 musste er dem Adel allerdings weitgehende Privilegien auf dem Landtag zubilligen, was ursprünglich nicht von ihm beabsichtigt war.
Auch in den österreichischen (habsburgischen) Gebieten war der Adel aus seiner politischen Mitbestimmung zusehends herausgedrängt worden. Welche Macht die Stände sich noch einräumten hatten man 1618 in Böhmen gesehen. Unter Maria Theresia wurde die Tendenz der Entmachtung der Stände erfolgreich fortgesetzt, indem in den österreichischen Landen an die Stelle einer ständischen Regierung eine von Wien aus eingesetzte Beamtenschaft trat.

1.
In das Schema des französischen Absolutismus passen die deutschen Staaten allerdings oft kaum oder garnicht. Das beginnt damit, dass einige, auch schon die Staaten in Größe der Markgrafschaft Bayreuth bspw. garnicht über einen solchen Adel verfügten wie in Frankreich.
Eine andere Rolle spielt die Kirche.
2.
Eine Staatskirche in dem Sinne gab es in den deutschen Staaten kaum bis garnicht, ausgenommen Österreich, welches nach dem Westfälischen Frieden nicht die religiöse Ordnung des Normaljahres 1624 wiederherstellte, sondern die Protestanten weiterhin bis zur Herrschaft Joseph II. (Antritt der Alleinherrschaft 1780) verfolgte. In den übrigen Staaten lebten oftmals die Anhänger verschiedener Glaubensgemeinschaften quasi nebeneinander. So befanden sich in Kurbrandenburg neben Lutheranern auch viele Reformierten, wobei wohl eine Rolle spielte, dass auch der Kurfürst ein Reformierter war. In der Kurpfalz lebten neben Katholiken sogar Reformierte, obwohl eine katholische Linie des Hauses Wittelsbach die Pfalz geerbt hatte...

Eine Flotte leisteten sich die wenigsten Staaten. Als Teile des Reiches mit zeitweiliger oder dauerhafter Flotte sind Schweden (als Herrscher in Pommern) und Kurbrandenburg bspw. zu nennen.

Stehende Heere entwickelten sich sogar in bedeutendem Umfang in den meisten Mittelstaaten, wobei um 1740 Österreich, Preußen, Kursachsen, Kurbayern, das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg zu den Staaten mit dem beeindruckensten militärischen Potential zählten. Zum Teil übernahmen es auch größere Mächte wie Kurbrandenburg oder Kursachsen als eine Art Schutzmacht für kleinere Mächte aufzutreten, welche dann bspw. in den größeren Mächten im Austausch gegen Geldzahlungen Verbündete hatten, die stellvertretend für die Kleineren Truppen für die Reichsarmee stellten. Man unterscheidet daher zwischen Armierten und Nichtarmierten, also Staaten mit und ohne nötiger Heeresmacht. Es gab auch unter den kleineren Staaten einige wie Schaumburg-Lippe oder Anhalt-Zerbst welche gemessen an der Bevölkerungszahl gewaltige und tüchtige "Heere" aufstellten.

In Sachen Wirtschaft müsste man jeden Staat einzeln untersuchen, in wie weit er dem Merkantilismus verpflichtet war. Kurbrandenburg würde ich dazu zählen.
Eine reichsinterne Wirtschaftspolitik gab es nicht, wenn man von Aspekten wie dem Netz der Reichspost einmal absieht.
 
Wie wahrscheinlich ist es denn, dass es das HRRDN werden wird? Darfst du es dir selbst aussuchen, oder bekommst du die genaue Themenstellung vorgegeben? Und was hast du dir denn schon überlegt?

Es wurde eine Reihe von Vortragsthemen ausgegeben, die chronologisch die Epochen der deutschen Geschichte darstellen. Dementsprechend würde ich davon ausgehen, dass es sich hierbei um das HRRDN handeln soll, allerdings stand da nicht viel mehr als "Absolutismus". Ich hätte den Lehrer ja nochmal gefragt, wie genau er sich das hier vorgstellt hat, nur leider hab ich mich mit dem Thema erst nach Anfang der Ferien beschäftigt.

Da er aber meinte, dass wir nicht näher auf einzelne Personen der Zeit eingehen sollen, versuche ich erst mal eher allgemeine Schemata zu finden.
Ich hab mir gedacht, das Thema mal auf Europa auszuweiten und somit Frankreich als das "Paradebeispiel" anzuführen (plus Schema) und dann einige Fürstentümer des HRRDN rauszusuchen, die ich mit Frankreich vergleiche.

In erster Linie ging es mir hier allerdings erst einmal darum zu klären, ob ich bei meiner weiteren Suche damit rechnen kann, auf einen "leitenden Faden" in Bezug auf Politik und Wirtschaft im HRRDN zu treffen. Da ich jetzt weiß, dass das nicht der Fall ist, kann ich mich jetzt auf die wesentlichen Dinge konzentrieren.

Danke für die vielen Antworten!
 
Ich glaube, Du unterschätzt ein bisschen das Reich. Grundsätzlich gab es noch bis ins 18.Jh. hinein das Streben der Kaiser nach einem Reichsabsolutismus, wenngleich man diesen eigentlich im Frieden von Münster und Osnabrück als gescheitert ansehen könnte.

Absolutistisch regierte Staaten gab es innerhalb des HRR, das ist richtig. Zu nennen wären Braunschweig-Lüneburg, welches 1692 zum Kurfürstentum erhoben wurde.
In Kurbrandenburg gelang es dem Großen Kurfürst die Stände aus dem Politikfach zu drängen. Noch 1653 musste er dem Adel allerdings weitgehende Privilegien auf dem Landtag zubilligen, was ursprünglich nicht von ihm beabsichtigt war.
Auch in den österreichischen (habsburgischen) Gebieten war der Adel aus seiner politischen Mitbestimmung zusehends herausgedrängt worden. Welche Macht die Stände sich noch einräumten hatten man 1618 in Böhmen gesehen. Unter Maria Theresia wurde die Tendenz der Entmachtung der Stände erfolgreich fortgesetzt, indem in den österreichischen Landen an die Stelle einer ständischen Regierung eine von Wien aus eingesetzte Beamtenschaft trat.

1.
In das Schema des französischen Absolutismus passen die deutschen Staaten allerdings oft kaum oder garnicht. Das beginnt damit, dass einige, auch schon die Staaten in Größe der Markgrafschaft Bayreuth bspw. garnicht über einen solchen Adel verfügten wie in Frankreich.
Eine andere Rolle spielt die Kirche.
2.
Eine Staatskirche in dem Sinne gab es in den deutschen Staaten kaum bis garnicht, ausgenommen Österreich, welches nach dem Westfälischen Frieden nicht die religiöse Ordnung des Normaljahres 1624 wiederherstellte, sondern die Protestanten weiterhin bis zur Herrschaft Joseph II. (Antritt der Alleinherrschaft 1780) verfolgte. In den übrigen Staaten lebten oftmals die Anhänger verschiedener Glaubensgemeinschaften quasi nebeneinander. So befanden sich in Kurbrandenburg neben Lutheranern auch viele Reformierten, wobei wohl eine Rolle spielte, dass auch der Kurfürst ein Reformierter war. In der Kurpfalz lebten neben Katholiken sogar Reformierte, obwohl eine katholische Linie des Hauses Wittelsbach die Pfalz geerbt hatte...

Eine Flotte leisteten sich die wenigsten Staaten. Als Teile des Reiches mit zeitweiliger oder dauerhafter Flotte sind Schweden (als Herrscher in Pommern) und Kurbrandenburg bspw. zu nennen.

Stehende Heere entwickelten sich sogar in bedeutendem Umfang in den meisten Mittelstaaten, wobei um 1740 Österreich, Preußen, Kursachsen, Kurbayern, das Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg zu den Staaten mit dem beeindruckensten militärischen Potential zählten. Zum Teil übernahmen es auch größere Mächte wie Kurbrandenburg oder Kursachsen als eine Art Schutzmacht für kleinere Mächte aufzutreten, welche dann bspw. in den größeren Mächten im Austausch gegen Geldzahlungen Verbündete hatten, die stellvertretend für die Kleineren Truppen für die Reichsarmee stellten. Man unterscheidet daher zwischen Armierten und Nichtarmierten, also Staaten mit und ohne nötiger Heeresmacht. Es gab auch unter den kleineren Staaten einige wie Schaumburg-Lippe oder Anhalt-Zerbst welche gemessen an der Bevölkerungszahl gewaltige und tüchtige "Heere" aufstellten.



Ich denke, dass die stehenden Heere im Reich die stärksten Kräfte des Absolutismus darstellten, zumal die Armee nicht nur ein bedeutender Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein Medium der Sozialdisziplinierung war.

Während im Frankreich Louis XIV. der Hof von Versailles das Medium war, den früher frondierenden Adel einzubinden und zu entmachten, spielte in Preußen die Armee diese Rolle.


Manche kleinere und mittlere Fürstentümer hatten, gemessen an der Einwohnerzahl, tatsächlich gewaltige und oft total überproportinierte Heere. neben Schaumburg Lippe, Waldeck, Anhalt- Zerbst und anderen sind dabei auch Hessen- Kassel und Hessen- Hanau zu nennen. Bei einem Territorium, bewohnt von weniger, als 300.000 Untertanen verfügte Landgraf Friedrich II. von Hessen- Kassel über ein stehendes Heer von mehr als 30.000 Mann. Hessen- Kassel hatte damit im Verhältnis zur Einwohnerzahl sogar noch mehr Soldaten, als Preußen. Auf 23 Einwohner kam dort ein Soldat, in Hessen waren es 19 Einwohner.
 
Während im Frankreich Louis XIV. der Hof von Versailles das Medium war, den früher frondierenden Adel einzubinden und zu entmachten, spielte in Preußen die Armee diese Rolle.
Bezogen auf Frankreich ist diese These, wenn nicht überholt so doch relativiert.

Siehe: http://www.geschichtsforum.de/451103-post168.html

Versailles als zentraler Ort der Disziplinierung und sozusagen der Beschäftigung des Adels, dass er nicht weiter revoltierte, spielte nur bis in die 1680er eine Rolle. Danach habe sich laut Ute Daniel der Adel wieder vom Hof zurückgezogen und in Paris angesiedelt, da der Hof während der Zeit der Kriege von Louis XIV nicht mehr die Magnetwirkung mit seinen Festlichkeiten etc. entfalten konnte.
Mit der Übersiedelung des Hofes nach Paris während der Régence kam dann wieder der Hof eher in die Nähe des Adels. Im Grunde konnte aber scheinbar - mein Eindruck - der Adel nun dennoch nicht wieder, weder von Louis XV noch von Louis XVI - in der Form kontrolliert werden, wie es zeitweise unter Louis XIV gelungen war.
Im Streit des König mit seinen opponierenden Parlamenten trat dann eine, man kann beinahe sagen dauerhafte, Rebellion ein, eine Fronde mit anderen Mitteln, aber mit nicht minder großer Gefährlichkeit.
 
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