Goebbels in der KPD. Wäre das möglich gewesen?

Abseits von dem Flügelkampf, in dem sich Goebbels früh festlegen mußte und belohnt wurde, nochmal zurück zu Funktion und Ideologie (nach Krebs, Tendenzen und Gestalten, Frühgeschichte NSDAP, Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte Band 6):

Goebbels begann seine Reden häufig mit "Wir Zerschossenen des Weltkrieg" (und trug dabei Offiziers-Ausgehuniform). Tatsächlich hielt sich jahrelang das Gerücht, Goebbels sei beinverletzter Frontoffizier, möglicherweise sogar Jagdflieger gewesen.


Thema einer Veranstaltung im Winter 1924/25, der auch Krebs beiwohnte und die (auch später) thematisch typisch/häufig war: "Lenin oder Hitler". In dieser Rede teilte Goebbels auf in den "demokratisch-bolschewistischen Zwangsstaat" (-> Lenin) und dem Gegensatz des "organischen völkischen Staates" (-> Hitler), der nun in Deutschland den Durchbruch nach liberal verfälschten 48er schaffen werden. Dieser Ein-/Ansatz des Redners Goebbels war nach Ansicht von Nationalsozialisten die Stoßrichtung, um die defensive Haltung des Jahres 1924 aufzugeben. Der völkische Staat wurde nach Goebbels in den Schützengräben des Weltkriegs geboren, nicht nur "ein epochaler, sondern auch ein europäischer Vorgang". Goebbels prophezeite hier ein Übergreifen der völkischen Idee auf weitere Staaten Europs, die alle "in gleicher Weise vom Boilschewismus bedroht seinen.".

Mit rechts und links hatte das mE nur wenig zu tun, es ist eine Mischung aus Antithese zum Leninismus, Instrument der Parteipolitik in einer bestimmten Situation der Neuordnung, personelle Fixierung auf Hitler im internen Machtkampf, und (mit @arne) Verständlichkeit und Agitation im Wahlkampf.

Wie gesagt, diese Entwicklung ist für den Winter 1924/25 beschrieben. (Quelle: siehe oben, ab S. 158/Begegnungen, Dr. Joseph Goebbels)
 
Die Wahl konnte mal so mal so ausfallen, je nach Wohnviertel oder persönlichen Bindungen.

Das ist richtig. Und da kommen die sozialen Milieus ins Spiel. Aus der Stadtsoziologie wissen wir, dass die "Freundschaftswahl" (und meistens auch die Wahl der jeweiligen Ehepartner) klassisch geprägt ist durch das Quartier.

Ein Arbeiter wohnte 1933 und davor noch in wesentlich homogeneren Quartieren als es heute der Fall ist. Aus diesem Grund ist die Wahrscheinlichkeit, dass er "links" eingestellt war, deutlich höher.

Aber natürlich gab es auch Gegenbeispiele. Aber in der Masse und im Sinne der "Wahrscheinlichkeit" ergab sich eine gewisse Zuordnung zwischen sozialer Schicht und der Wahl einer Partei.
 
Zur "Ablehnung der traditionellen kapitalistischen Vorstellungen":

a) Blick auf das Parteiprogramm zeigt, dass es weit mehr als eine "Ablehnung" war, dass es durchaus in einigen Punkten kaum Unterschiede zu den Sozialisten gab (andere Punkte - die national/deutschen - im Parteiprogramm sind dagegen wieder anders zu bewerten)

b) diese "Ablehnung der traditionellen kapitalistischen Vorstellungen" ist mitnichten schnell isoliert worden (nur "schnell" wenn man als Beginn des Betrachtungszeitraums 1930/33 wählt). Das Programm sprach seit 1920 von Sozialisierungen und Bodenreformen. Noch 1933/34 forderte Ernst Röhm - durchaus überzeugt, dass die Revolution weiter gehen müsse und nun die sozialistischen Punkte des Programms umgesetzt werden sollten. Hitler war allerdings der Ansicht, dass er die Großindustrie für den Krieg bräuchte und sprach vom Übergang von der Revolution zur Evolution. Höhepunkt des Streits war dann die Ausschaltung der SA und Ermordung Röhms (mit Sicherheit war dies nicht der einzige Grund, aber doch ein gewichtiger).

Vorher schon belegt mMn der Versuch Kurt von Schleichers, den linken Flügel der NSDAP unter Strasser von der NSDAP abzuspalten, dass die linken/sozialistischen Ideen in der NSDAP nicht "schnell" isoliert waren - sie hielten sich bis Mitte 1934.

aus Götz Aly, Hitlers Volksstaat, S. 15: "In der Endphase der Weimarer Republik hatten nicht wenige der späteren NS-Aktivisten kommunistisch-sozialistische Erfahrungen gesammelt. So äußerte Eichmann in seinen Memoiren mehrfach. >Meine gefühlsmäßigen politischen Empfindungen lagen links, das Sozialistische mindestens ebenso betonend wie das Nationalistische.< Er und seine Freunde hätten während der Kampfzeit Nationalsozialismus und Kommunismus als >eine Art Geschwisterkinder< angesehen. ... Das neue Deutschland des nationalen Sozialismus gab denjenigen, die während der Demonstrationen, Gedanken- und Saalschlachten auf der anderen Seite gestanden hatten, vielfach die Chance, mit dem Dritten Reich ihren individuellen Frieden zu schließen."

H.A. Winkler, Mittelstandsbewegung oder Volkspartei? Zur sozialen Basis der NSDAP, S. 99: es gab eine beträchtliche Fluktuation zwischen den Extremen ...

oder auch Schoenbaum, die braune Revolution, S. 68: "Auch die KPD verlor nachweislich Wählerstimmen an die Nationalsozialisten." (klar wäre hier über die Zahl zu diskutieren).

Es gibt Untersuchungen (Peter Merkl), wonach immerhin 7% der "alten Kämpfer" aus sozialistischen, gewerkschaftlichen oder kommunistischen Jugendverbänden kamen.

Ich denke auch nicht, dass irgend jemand hier ernsthaft behauptet hat, es hätte für die Leute keinen Unterschied gemacht, ob man NSDAP oder KPD wählte ... aber es wurde auf die ÜBerschneidungen hingewiesen, auf die Tatsache, DASS Leute (auch "Prominente") zwischen den Lagern wechselten und dass einige Nationalsozialisten sozialistische/kommunistische Wurzeln und auch Ideen hatten.

Übrigens war Mussolini auch ursprünglich Mitglied der kommunistischen Partei Italiens ...
 
Zuletzt bearbeitet:
@ PapaLeo.

Danke für deinen Beitrag. Ich hätte es nicht so gründlich belegen können, aber es bestätigt meine Meinung, daß gerade die SA das Aushängeschild für die sozialistische Komponente der NSDAP in den zwanziger Jahren war. Später wurde sie kaltgestellt, aus purem Machtinteresse, wie bekannt ist, um Wehrmacht und Industrie nicht zu verschrecken und "ins Boot" zu holen.
 
Stellen wir uns einen arbeitslosen Arbeiter vor, der von Vorurteilen, Neid (und Hass) auf Politiker, Adel und Wirtschaftsbürgertum geprägt war, der sich vom Staat und dem geflohenem Kaiser allein gelassen fühlte. Er hatte alles durch Wirtschaftskrise und/oder Krieg verloren. Die "da oben" hatten alles.

Dazu kommt, dass ein Arbeiter der die Absetzung des Kaisers als "fliehen" empfunden hat, sicher nicht KPD gewählt hätte.

Arbeiter die dem Kaiser nachtrauerten, denen aber DNVP zu bürgerlich und kamarillaartig war, waren in der NSDAP schon eher vertreten.
Denn hier wurde die Novemberrevoltion als Verbrechen betrachtet, nicht in der KPD.

Alles in allem ist es ein bisschen merkwürdig zu behaupten, die Bezeichnungen "links" für KPD und "rechts" für Nazis wären erst heutzutage so eingeführt worden.

Die Begriffe waren auch damals schon sehr bewusst.

Hat Goebbels nicht sogar einmal gesagt: "Wir sind so sehr rechts, dass wir schon wieder links sind." ?
Ich dachte ich hätte das mal irgendwo gelesen.
 
Alles in allem ist es ein bisschen merkwürdig zu behaupten, die Bezeichnungen "links" für KPD und "rechts" für Nazis wären erst heutzutage so eingeführt worden.

An mich gerichtet? Habe ich nicht so darstellen wollen, es geht darum, daß es in den Zwanziger Jahren eben viele Überschneidungen gab und daß heute besonders Anhänger im linken Spektrum (nach meiner Erfahrung) diese Gemeinsamkeiten vehement abstreiten, bzw. verleugnen, weil man ja so gar nichts mit den Nazis gemein gehabt haben möchte.
 
Als Antwort auf eure Beiträge, möchte ich aber gerade NICHT den wissenschaftlich-historisch-politischen Weg suchen, sondern ganz tief runter auf die gefühlte Ebene der Zeit...

Stellen wir uns einen arbeitslosen Arbeiter vor, der von Vorurteilen, Neid (und Hass) auf Politiker, Adel und Wirtschaftsbürgertum geprägt war, der sich vom Staat und dem geflohenem Kaiser allein gelassen fühlte. Er hatte alles durch Wirtschaftskrise und/oder Krieg verloren. Die "da oben" hatten alles.

Er sieht zwei starke Gruppierungen auf der Straße, die so denken wie er. Die Arbeiter und Bauern viel versprechen. Die den Reichen was wegnehmen wollen, die dem Kaufmann, dem Anwalt dem adligen Großgrundbesitzer entgegentreten wollen, die sagen, daß nur körperliche Arbeit im Schweiße des Angesichts was Echtes und Rechtschaffendes ist und daß das Volk nur stark ist, wenn es zusammenhält und die Schmarotzer rauswirft. Beide Gruppen bringen Zusammenhalt, fördern dich mit Spenden...zeigen Stärke auf der Straße!

Welchen schließt er sich an? Den mit den roten Fahnen und der Schiebermütze oder den in den braunen Uniformen? Die Wahl konnte mal so mal so ausfallen, je nach Wohnviertel oder persönlichen Bindungen.

Der "Mann auf der Straße" laß nicht groß Parteiprogramme, der sah zu und hörte auf die Redner...
Bei Goebbels passt Dein Arbeiterbeispiel nicht wirklich, weil Goebbels aus kleinbürgerlichen Verhältnissen (sein Vater hatte sich vom Laufburschen zum Prokuristen hochgearbeitet) und nicht aus der Arbeiterschaft kam. Als Katholik wäre es für Goebbels (wenn man auf das Wählerverhalten dieser Gruppe abstellt) naheliegender gewesen, Mitglied des Zentrums zu werden.

Aber Goebbels war mit diesem Milieu nicht mehr verwurzelt. Seinen Vater verachtete er trotz dessen sozialen Aufstieg. Gegenüber der Kirche seiner Eltern war er auf Distanz gegangen.

Goebbels ist das Beispiel eines ambitionierten Jungakademikers, dem es nach erfolgreicher Promotion schwer viel eine Anstellung zu finden, und der geistig mit einer Ausnahme orientierungslos war: den Liberalismus (Demokratie und Kapitalismus) lehnte er stets ab. Immer antidemokratisch, immer antikapitalistisch - den Liberalismus mal von ganz links, mal von ganz rechts attackierend. Auch heutzutage gibt es Beispiele von Antiliberalen, die von ganz links nach ganz rechts wandern: z.B. Horst Mahler.
 
Zuletzt bearbeitet:
Selbstzitat:
"Im Nov. 1925 beruft Strasser eine Konferenz der Nordd. Nationalsozialisten ein.... Nur Ley ist in dieser Versammlung für Hitler. Goebbels schreit ihn im Verlauf der Auseinandersetzungen an: Ich beantrage, dass dieser kleine Bourgeois Hitler aus der Nationalsozialistischen Partei ausgeschlossen wird!"
(es geht um die Fürstenabfindung, Hitler ist dafür, was Goebbels fürchterlich aufregt
Der beantragte Parteiausschluss ist von der Forschung widerlegt. Hatte ich gelesen, bevor ich das schrieb.

Was mich aber interessieren würde, gab es dieses Zusammentreffen? außer Ley sollen ja noch mehrere spätere NS-Größen dabei gewesen sein, Koch, Kerrl und weitere. Hitler soll Feder geschickt haben, den Autor des Parteiprogramms.

Dass der Zentner-Wälzer keinen wissenschaftlichen Standards entspricht ist mir schon klar, aber die Goebbels-Tagebücher nennt er meist mit Datum des Eintrags.
Die Fülle des Materials im "Zentner" ist für mich immer aufs neue überwältigend.
OT: Zentner soll übrigens der "Erfinder" des Sterns gewesen sein, Nannen die Idee lediglich abgekupfert haben.
 
Was mich aber interessieren würde, gab es dieses Zusammentreffen? außer Ley sollen ja noch mehrere spätere NS-Größen dabei gewesen sein, Koch, Kerrl und weitere. Hitler soll Feder geschickt haben, den Autor des Parteiprogramms.

Ich suche mal in meiner Literatur ob ich was dazu finde.
 
Selbstzitat:
Was mich aber interessieren würde, gab es dieses Zusammentreffen? außer Ley sollen ja noch mehrere spätere NS-Größen dabei gewesen sein, Koch, Kerrl und weitere. Hitler soll Feder geschickt haben, den Autor des Parteiprogramms.

Hier liegt ein Fehler in der älteren Literatur vor (aufgrund eines Erinnerungsfehlers von Otto Strasser). Die Versammlung war nicht am 23.11.1925 ("Arbeitsgemeinschaft der nord- und westdeutschen Gauleiter), sondern am 24.1.1926 (S. 43 Heiber, mit Feder aus dem Süden und Thema "Fürstenabfindung", Eintrag Tagebuch 25.1.1926). Die Worte mit Hitlers Ausschluss werden Rust zugesprochen, Goebbels wurde auf der Tagung massiv parteiintern angegriffen.
 
a) Blick auf das Parteiprogramm zeigt, dass es weit mehr als eine "Ablehnung" war, dass es durchaus in einigen Punkten kaum Unterschiede zu den Sozialisten gab (andere Punkte - die national/deutschen - im Parteiprogramm sind dagegen wieder anders zu bewerten)

Kaum Unterschiede? ME sind die Vorstellungen von "Gesellschaft" bei Nazis und Kommunisten diametral entgegengesetzt. Hier die homogene "Volksgemeinschaft", die sich primär durch Auschluss definiert (von Juden, Asozialen etc.pp.), da die entgegengesetzten materiellen Interessen verschiedener Klassen; völlig verschiedene Aufassungen, wie die Welt zu analysieren ist, mit dementsprechend unterschiedlichen Politikansätzen.
 
Hier liegt ein Fehler in der älteren Literatur vor (aufgrund eines Erinnerungsfehlers von Otto Strasser). Die Versammlung war nicht am 23.11.1925 ("Arbeitsgemeinschaft der nord- und westdeutschen Gauleiter), sondern am 24.1.1926 (S. 43 Heiber, mit Feder aus dem Süden und Thema "Fürstenabfindung", Eintrag Tagebuch 25.1.1926). Die Worte mit Hitlers Ausschluss werden Rust zugesprochen, Goebbels wurde auf der Tagung massiv parteiintern angegriffen.

Ich zitiere den Eintrag von Goebbels vom 25. Januar 1926

Hannover. Ankunft. Elbrechter, Kaufmann. Zum Landbund. Ludendorff isst da. Auch Ahlemann. Später mit allen Gauleitern im Hubertus. Lange Unterhaltung mit Vahlen, Lohse, Hildebrand und Strasser. Dr. Schlange ist ein ordentlicher Kerl. Arm ab, Hand ab, Gesicht zerschlagen. Man nennt ihn Pazifist. Plötzlich kommt Gottfried Deder. Zinsknecht, Aufwertungskaktus und erster Programmatiker der Bewegung. Ach du lieber Gott, was wird das morgen geben. Um 8. Uhr Anfang. Kleine Vorlagen, Presse (schon der Name "nationaler Sozialist" oder Nationalsozialist 1 erregt Debatten) Fürstenabfindung 2 etc. Dann Programm. Feder redet. Klug aber stur dogmatisch. Und dann ein endloser Wust von Debatte. Herrgott, was für ein Trubel. Was ist soziale Not? fragt Ley. Ich bin eine Null geworden! Geworden ist gut, sagt v. Pfeffer. Und dann Russland. Masslose Angriffe gegen mich. Während ich draussen eine Zigarette rauche. Und dann lege ich los. Russland, Deutschland, Westkapital, Bolschewismus, ich spreche eine halbe eine ganze Stunde. Alles lauscht in atemloser Spannung. Und dann stürmische Zustimmung. Wie haben gesiegt. Hier und da legt der eine oder der andere noch einen Aufwertungs- oder Aufnordungskaktus. Aber es fehlt ihm der rechte Mut. Schluss: Strasser schüttelt mir die Hand. Deder klein und hässlich. Punkt. Punkt. Nach Hause. Elberfeld. Müde müde. Heute der alte Betrieb. Draussen regnet's in Strömen. Morgen geht's nach Norddeutschland. Ich das Reisen so satt. Ich freue mich auf Sonntag. Dann kommt Else!

1 Bei einer Zusammenkunft der nordwestdeutschen Gauleiter am 24.1.1926 in Hannover wurde der Beschluss gefasst, vom 1.3.1926 an für den nordwestdeutschen Bereich der "Arbeitsgemeinschaft Nord-West" unter der Hauptschriftleitung Gregor Strasser im eigens hierfür gegründeten Kampf-Verlag eine Zeitung namens Der nationale Sozialist ins Leben zu rufen, die in sieben Ausgaben erschien - für Rhein und Ruhr, für Sachsen, für die Ostmark, für Norddeutschland, für Westdeutschland und für Mitteldeutschland; die Ausgabe für Berlin-Brandenburg kam, bis sie am 1.3.1930 selbständig wurde.


2 Für Juni 1926 war ein Volksentscheid (er erhielt später die Mehrheit) über die entschädigungslose Enteignung der Fürsten angesetzt, den Goebbels - im Gegensatz zu Hitler (Eintrag dann vom 15.2.1926, wo er an Hitler zweifelt), wie sich in Bamberg zeigen sollte ursprünglich befürwortete.

Joseph Goebbels, Tagebücher, Band 1, 1924 bis 1926, S. 223 - 224
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mich mal bei der Hitler Biographie von Kershaw schlau gemacht.

Er schreibt von der Arbeitsgruppe der nord- und westdeutschen Gaue der NSDAP. Ihr Presseorgan waren die Nationalsozialistischen Briefe, die von Goebbels herausgegeben wurden. Diese Briefe waren nicht als eine Herausforderung Hitlers gedacht, denn in den Statuen dankt die Arbeitsgemeinschaft ihm ausdrücklich für seine Zustimmung und die Mitglieder der Arbeitsgruppe verpflichteten sich unter dem Führer Adolf Hitler zu arbeiten.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe war gegen Hitlers Gefolge nicht gegen Hitler selber. Sie gingen sogar Kompromisse ein, indem sie eine Beziehung zu Esser und Streicher unterhielten.

Dennoch gab es eine Auseinandersetzung um die "Esser-Bande. Strasser und Goebbels wollten das Parteiprogramm von 1920 ersetzen. Sie setzten einen eignen Programmentwurf auf. Darin vertrat Strasser einen "rassenmässige" Integration er deutschen Nation im Zentrum eines "Mitteleuropäischen Zollvereins "und als Schwergewicht für die Vereinigten Staaten von Europa. Innenpolitisch schlug der Entwurf einen Ständestaat vor. In der Landwirtschaft sollten die Bauern über das Erblehen an Grund und Boden gebunden werden, in der Industrie war die überwiegende Vergesellschaftung der Produktionsmittel vorgesehen.

Der Entwurf war vage, zusammenhanglos und widersprüchlich. Er musste entzweiend wirken. Genau dies trat bereits vor dem Treffen der AG am 24. Jan. 1926 in Hannover ein, als eine Programmdiskussion auf der Tagesordnung stand. Die Anwesenden beschlossen, die von unterschiedlichen Mitgliedern eingesandten Verschläge durch eine Kommission unter Leitung Gregor Strasser prüfen zu lassen. Dahinter verbarg sich eine erbitterte Debatte, in der wenig schmeichelhafte Kommentare über Gottfried Feder laut wurden.

Feder erschien unangekündigt in Hannover und verhehlte nicht seinen Zorn über die Richtung der beabsichtigen Veränderungen. Gekränkt und beleidigt notierte er die Wortmeldungen, eindeutig in der Absicht in München darüber zu berichten.

Manche Gauleiter schreckten nicht vor offener Kritik der Führungsqualitäten Hitlers zurück, obwohl sie erkannten, dass sie ohne ihn nicht auskamen.
Zuvor hatte die Versammlung einstimmig beschlossen, die für Juni geplante Volksabstimmung über die entschädigungslose Enteignung der deutschen Fürstn zu unterstützen.

Hitler hatte sich bislang keine Sorgen um diese Arbeitsgemeinschaft gemacht, aber Feder veranlasste ihn nun zu handeln. Für den 14. Februar 1926 rief Hitler etwa 60 Parteiführer zu einer Tagung nach Bamberg zusammen. Es gab keine Tagesordnung, Hitler wollte nur einige wichtige Fragen besprechen.

Hitler sprach zwei Stunden lang. In der Hauptsache ging es um die Aussenpolitik und künftige Bündnisse. Dabei vertrat er eine der Arbeitsgemeinschaft entgegen gesetzte Position.

Goebbels war entsetzt, was er ja dann auch in seinem Tagebuch niederschrieb.

Hitler hatte die Bedrohung durch die Arbeitsgruppe in Luft aufgelöst. Strasser versprach Hitler alle Exemplare des Programmentwurfs wieder einzuziehen und schrieb am 5. März 1926 an die Mitglieder der AG die Texte zurück zu senden.

Die AG löste sich allmählich auf und Hitler konnte seine Position innerhalb der Partei weiter stärken.


Quelle: Ian Kershaw, Hitler 1889 - 1936, S. 352 - 354

In dieser Arbeit geht es unteranderem um den Programmentwurf von Strasser:

http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/107394.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Kaum Unterschiede? ME sind die Vorstellungen von "Gesellschaft" bei Nazis und Kommunisten diametral entgegengesetzt. Hier die homogene "Volksgemeinschaft", die sich primär durch Auschluss definiert (von Juden, Asozialen etc.pp.), da die entgegengesetzten materiellen Interessen verschiedener Klassen; völlig verschiedene Aufassungen, wie die Welt zu analysieren ist, mit dementsprechend unterschiedlichen Politikansätzen.

Ich schrieb: Dass es in EINIGEN Punkten KAUM Unterschiede gab.

Das hast Du wohl überlesen. Die NSDAP forderte Verstaatlichungen und Bodenreformen u.a. ... wo ist in diesen Punkten der Unterschied zum Kommunismus?

Ich lehne mich aber jetzt noch weiter aus dem Fenster: Auch im Hinblick auf die Gesellschaft sehe ich zwischen bestimmten Formen des Kommunismus und dem Nationalsozialismus durchaus Ähnlichkeiten. Von "diametral entgegengesetzt" kann man da mMn nicht reden.

Die NSDAP spricht von der homogenen Volksgemeinschaft, die KPD von einer klassenlosen Gesellschaft (und eben nicht von entgegengesetzten materiellen Interessen verschiedener Gruppen - das ist die Realität, die aber auch der Kommunismus ändern will). Da ist auf den ersten Blick nicht gerade ein Unterschied zu erkennen. Dass sich die Volksgemeinschaft Hitlers primär durch Ausschluss definiert kann man diskutieren - aber auch die klassenlose Gesellschaft erfordert vor ihrer Verwirklichung die "Vernichtung" bestimmter Teile der Gesellschaft. Der Kommunismus war in seiner Sprache nicht so viel weniger militant.

Selbstverständlich gibt es Unterschiede - auf Beispiele weist mein Hinweis in Klammern (andere Punkte - die national/deutschen - im Parteiprogramm sind dagegen wieder anders zu bewerten) doch deutlich hin?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe mich mal bei der Hitler Biographie von Kershaw schlau gemacht.
Er schreibt von der Arbeitsgruppe der nord- und westdeutschen Gaue der NSDAP.

Hallo Ursi,

kennst Du Barth, Christian, T.: Goebbels und die Juden, aus 2003, der aus biographischer Sicht von Goebbels die Abläufe beschreibt. Wenn nicht, würde ich das noch ergänzen.

vG
 
Der Hauptunterschied ist, das man im Kommunismus nicht nach Ethnien unterscheidet. Im Kommunismus schießt man sich auf Teile der Gesellschaft ein, zB die Aristokratie oder die Bougoisie. Aber nie wirklich auf Ethnien, wenn es auch bei manchen Regimen durchaus Ausnahmen gibt.
 
Irgendwie passt der anfängliche Zweifel von Goebbels an Hitler sowie seine teils entgegengesetzen Ansichten so gar nicht zum späteren Verhältnis, das überrascht mich gerade echt...auch das Hitler das so "hinnahm", und nicht genauso mit ihm abrechnete wie mit Röhm oder Strasser.
Interessant - aber vllt. fühlte er sich auch auf Goebbels Rhetorik - und Organisationsfähigkeiten angewiesen.
 
Zurück
Oben