Unrechtsbewußtsein und Gewissen im Mittelalter

Da gab es bis vor kurzem den "Mundraub", der meist nicht geahndet wurde.
Rein strafrechtlich mit Geldstrafe bzw. Freiheitsstrafe. Inwiefern es zu einer tatsächlichen Verfolgung nach Stellen eines Strafantrags kam, müsste man anhand einschlägigem Zahlenmaterial überprüfen. Heute spricht man dabei von Diebstahl bzw. Unterschlagung, mit gleichen Rechtsfolgen, wurscht ob Lebensmittel oder nicht.

Man kann einen Schritt weitergehen: Wenn mein Zuckerspiegel zu niedrig ist und mir schwindlig ist, und ich greife am Markt nach einem Brötchen oder Apfel, damit ich nicht umkippe, habe aber kein Geld dabei, ist das Diebstahl oder handelt es sich dabei um einen Notfall?
Rein strafrechtlich gesehen? Diebstahl...

Wäre der Händler verpflichtet mir zu helfen?
Dafür muss erstmal ersichtlich sein, dass du Hilfe brauchst, was nicht unbedingt gegeben ist, wenn dir nur schummerig wird, weil du grad Unterzucker hast.

Wenn er mir das Essen verweigert und ich habe einen schweren Kollaps, falle in Ohnmacht oder Ähnliches, gilt das dann als "unterlassene Hilfeleistung"?
Gegenfrage: auf der Landstraße steht ein Anhalter, den du aber nicht mitnimmst, am nächsten Tag wird er erschlagen im Straßengraben gefunden. Trägst du Mitschuld?

Ein anderes Beispiel: Eine Servicekraft steckt Lebensmittel oder Speisen ein, die das Restaurant vernichten würde/müsste. Ist das Diebstahl? Manchmal sind die Grenzen schwer zu ziehen.
Ja, eindeutig. Führt außerdem zu einer fristlosen Kündigung, nebst einschlägiger Sperrung der Lohnersatzleistungen.
 
Es wære zu untersuchen, ob es "Mundraub" irgendwann mal gegeben hat.
Edit: Es gab diesen Straftatbestand laut Wiki tatsæchlich, aber er wurde eben auch bestraft.

Graf/Dietherr/Bluntschli [1] geben an:
"Die Hungersnoth geht über alle Noth" und "die Noth sucht Brod, wo sie es auch findet." Alle Gesetzgebungen erachten daher den Diebstahl an Eßwaaren oder den sogenannten Mundraub in Zeiten großer Hungersnoth für straflos, soferne er sich nur auf die Leibesnothdurft und ihre nothwendigste Befriedigung beschränkt.
Für frühe Zeiten ist das wohl richtig. [2] Später wurde der Mundraub zwar für strafwürdig gehalten, aber man machte vielerorts ein Antragsdelikt daraus, was in etwa dem heutigen § 248a StGB entspricht.

Die meisten haben dafür Verständnis gehabt, auch noch in jüngster Zeit: "Unvergeßlich die Rede des Kölner Kardinals Frings über das Stehlen 1946. Man dürfe stehlen, wenn man ohne zu stehlen nicht überleben kann. Man nannte das Stehlen dann fringsen." [3]


[1] Deutsche Rechtssprichwörter, Nördlingen 1864, S. 392
[2] Zur Rechtfertigung des Mundraubs im 13. Jahrhundert siehe Handbuch Armut und soziale Ausgrenzung - Google Bücher
[3] Luise Rinser, Wer wirft den Stein? Stuttgart 1985, S. 23
 
Und genau jetzt sind wir auch da, wo ich schon die ganze Zeit hin will, danke jschmidt! (Sorry Caro, aber bei dir kam das anders an, auch wenn du es so gemeint haben magst)

Gleicher Sachverhalt und eine völlig unterschiedliche Beurteilung im Zeitverlauf. Nach Graf/Dietherr/Bluntschli ist Mundraub kein Diebstahl in "strafrechtlicher Hinsicht", es ist sogar nochmehr sogar Recht, sofern man zu verhungern droht, ob aber trotzdem jeder den Mundraub auch mit seinem Gewissen, also seinem Rechtsempfinden vereinbaren konnte, bliebe wohl dahingestellt (meine persönliche intuitive Einschätzung: nein nicht jeder konnte es mit seinem Gewissen vereinbaren) und ob Mundraub in gesellschaftlicher Hinsicht verurteilt wurde kann nicht allgemein formuliert werden, weil es dabei auch noch auf weitere Umweltfaktoren ankommt. Bspw. War es jemand, dem man die Armut "vergönnte"? Wer wurde bestohlen? Der Reiche Gutsbesitzer oder ein kleiner Häusler, der selbst gerade genug hatte um über die Runden zu kommen? Wurde Mundraub als Sünde gewertet? Hats jemand gesehen? Wenn ja: wer hat es gesehen? (passt auch zu [2] frei nach dem Motto, wo kein Kläger da kein Richter)
Zu [3]: auch hier würde ich wieder sehr stark differenzieren, wer was verurteilt und was nicht. Ich kenne das zumindest von mir selbst, dass ich manchmal Dinge miterlebe, die ich nicht gutheißen kann und dann auch tätig werde, dann sehe ich wiederum Dinge die ich nicht gut heiße und nicht tätig werde weil ich mich entweder nicht verantwortlich fühle, mir die Sache grundsätzlich zu unwichtig erscheint oder aber weil ein Einmischen meinerseits auch mit zuvielen Nachteilen für mich verbunden sein könnte. Gerade dein Zitat zu "Wer wirft den Stein", jschmidt, bezieht sich doch sehr stark auf ein persönliches Urteilen über Recht und Unrecht, abgekoppelt von moralischen oder juristischen Gegebenheiten und das kann immer nur subjektiv sein. Um ehrlich zu sein suggeriert der Titel auch stark ein "halt die Klappe, bist doch selbst nicht besser", was eigentlich nicht der Maßstab des Rechtsmepfindens und eines möglicherweise daraus resultierenden Handelns sein sollte.
 
Wenn ein schlechtes Gewissen eine Furcht davor ist einen Schaden, Verlust zu erleiden (soziale Ächtung), dann liegt die Zielsetzung der Emotion(schlechtes Gewissen, Furcht) in der Selbsterhaltung.

Ist das so ensteht ein schlechtes Gewissen, Reue, Scham nur aus Eigennutz.

Z.B. Reue. Gesetzt den Fall es gibt eine Situation in der es keine unmittelbaren sozialen Konsequenzen zu befürchten gibt, beispielsweise über ein Ereignis in der Vergangenheit, die betreffenden Personen befinden sich jetzt nicht mehr in einem gemeinsamen Umfeld.

Werteeinstellungen der Person die jetzt bereut, haben sich in der Zwischenzeit geändert.

Dann dürfte diese nach Klaus´These kein schlechtes Gewissen verspüren, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Vor- oder Nachteile zu befürchten hat.

(es sei denn, es wird intuitiv davon ausgegangen, das das gesamte Geschehen in einem gemeinsamen sozialen Umfeld wieder-erinnert wird, aber ich schätze mal, das ist nicht der Fall, im allgemeinen neigt das Gehirn , soweit ich weiß, zu Verdrängung)

Für mich ist Reue exemplarisch für Altruismus. Eventuell noch etwas mehr, da man nicht nur keinen Bonus, sondern eher noch ein unangenehmes Gefühl hat.

Hier kann man wiederum darstellen, das die Schadhaftigkeit einen (sozialdarwinistischen?) Antrieb hervorruft, welcher das gesamte Verhalten aller zu einem reuelosen Gemeinschaftsverhalten hinführen soll.

Das impliziert das ein kategorischer Imperativ von vornherein strukturell, automatisch in dem Gehirn verankert ist, d.h. eine Idee, Vorstellung einer Handlungsweise ,mach das nicht, damit das keiner macht´, da für einen selber, nur auf das Subjekt bezogen, es keinen Sinn macht (vergl. obiges Vergangenheits-Beispiel).

Zusammengefaßt, wenn die Person im unmittelbaren Umfeld keinen Nutzen von Reue hat, muß dieser in einem prognostizierten, hypothetischem (Gesellschaft als ganzes, wie funktioniert sie am besten, so das auch die einzelne Person den größtmöglichen Nutzen davon hat) sein.

Dagegen würde ich einwenden, das ich es für unwahrscheinlich halte das derartige logische Prozesse, intuitiv gegeben sind.
Allein schon der unterstellte Tatbestand der Begründung(....,weil...) und dessen angeschlossene Prämissen, kommt mir einem üblichen Ablauf im Nervensystem widersprüchlich vor.
So wie ich das mitbekommen habe entstehen Signale nach einer Gewichtung von afferenten und efferenten Impulsen, man steht quasi die ganze Zeit unter Dauerbeschuß, danach paßt, für mich laienhaft, "...,weil..."
nicht.

Gut, irgendwann beginnt eingefasste Logik zu wirken, also etwas muß es schon in Zusammenhang mit der Wirkungsweise von Nerven stehen, doch
für ein angeborenes Verhalten, ist es zuviel, meine ich, halbwissend postuliert.

Ein Argument wäre da noch Primärverhaltensabläufe, aus empirischer Beobachtung, heranzuziehen. Diese sind vorwiegend affekthaft, da fehlt mir der Bezug zu dem intuitiven( sehr früh automatisch entstandenem?) schlußfolgerndem Denken.

Der Nutzen von Reue kann unmittelbar sinnlos sein und ein prognostizierter besteht nicht(letzteres Eindruck meinerseits; wenn es einen neurologisch bestätigten Beweis für Sozialdarwinismus gibt, immer her damit).

Man kann jetzt sagen es gibt trotzdem einseitige Hilfe, ohne das der Helfende dabei einen Vorteil hat, denoch sehe ich Reue und Hilfe beide altruistisch verknüpft.

Unter dem altruistischen Gesichtspunkt wäre Reue spiegelverkehrt zu Hilfe.

Person A= hilft; verspürt Reue
Person B= wird geholfen; erleidet von A einen Schaden

gibt Hilfe, kein Nutzen; verursacht Schaden, kein Nutzen

"kein Nutzen"(Altruismus) würde eine Achse darstellen, die sich jeweils nach entsprechenden ethischen Verhältnissen ausrichtet


Das letzte ist jetzt nicht weiter durchdacht, müßte man überprüfen, ob ethisch klassifizierte Situation überhaupt irgendwie zueinander in Relation gebracht werden, und wenn, wonach genau, weiterführend kann auch die selbst-auflösende Komponente von Reue (Reue soll nur erfahren werden, damit sie nicht erfahren wird; sie ist da, um anzuzeigen, das sie nicht da sein sollte) sein, aber die entscheidenden Faktoren, habe ich, glaub ich, oben genannt.

muß alles nicht stimmen, aber im Moment würd ichs so sehen
 
Ich bin ja absolut begeistert und sehr stolz und dankbar für diesen Pfad. Das wird eine abendfüllende Fundgrube, ich arbeite mich mal durch! :hoch:
 
Der sog. "Mundraub" hatte zunächst mal gar nichts mit Not, Beseitigung von Lebensgefahr oder etwas Derartigem zu tun. Es ging schlicht um den Diebstahl von Lebensmitteln zum sofortigen oder kurzfristigen Verzehr, auch ganz ohne Not, z.B. durch "Jugendbanden". Das wurde sehr wohl auch bestraft. Deshalb gab es ja den Paragrafen, damit keiner meinen sollte, das sei zu popelig und bliebe ohne Folgen. Allerdings konnte es, statt einer gerichtlichen Strafe auch eine Tracht Prügel durch den Geschädigten geben (illegalerweise).

Erfolgte der Gesetzesverstoss (wie auch sonst jeder andere) zum Schutz eines höherwertigen Rechtsguts, beseitigte dieser Notstand nicht den objetiven Verstoss, aber das subjetive Verschulden und man blieb (und bleibt) straffrei.

Wer an einem erkennbar in einer Notsituation befindlichen Menschen vorbei fährt, ohne zu helfen, macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. (Und nicht erst seit heute - damit der Mod nicht wieder modst)

Wie die katholische Kirche das Gewissen sieht (und auch nicht erst seit heute - bei deren Beharrungsvermögen):
Im Innern seines Gewissens entdeckt der Mensch ein Gesetz, das er sich nicht selbst gibt, sondern dem er gehorchen muß und dessen Stimme ihn immer zur Liebe und zum Tun des Guten und zur Unterlassung des Bösen anruft und, wo nötig, in den Ohren des Herzens tönt: Tu dies, meide jenes.
Denn der Mensch hat ein Gesetz, das von Gott seinem Herzen eingeschrieben ist, dem zu gehorchen eben seine Würde ist und gemäß dem er gerichtet werden wird (9). Das Gewissen ist die verborgenste Mitte und das Heiligtum im Menschen, wo er allein ist mit Gott, dessen Stimme in diesem seinem Innersten zu hören ist (10).
Im Gewissen erkennt man in wunderbarer Weise jenes Gesetz, das in der Liebe zu Gott und dem Nächsten seine Erfüllung hat (11). Durch die Treue zum Gewissen sind die Christen mit den übrigen Menschen verbunden im Suchen nach der Wahrheit und zur wahrheitsgemäßen Lösung all der vielen moralischen Probleme, die im Leben der Einzelnen wie im gesellschaftlichen Zusammenleben entstehen. Je mehr also das rechte Gewissen sich durchsetzt, desto mehr lassen die Personen und Gruppen von der blinden Willkür ab und suchen sich nach den objektiven Normen der Sittlichkeit zu richten. Nicht selten jedoch geschieht es, daß das Gewissen aus unüberwindlicher Unkenntnis irrt, ohne daß es dadurch seine Würde verliert.
Das kann man aber nicht sagen, wenn der Mensch sich zuwenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird.
aus: gaudium et spes
Das Bundesverfassungsgericht hat es ähnlich formuliert.
 
Ich finde es schwierig, eine religiös geprägte Zeit wie das Mittelalter mit dem 3. Reich zu vergleichen.
Daraus ergibt sich für mich dann die sehr große Frage nach den universal gültigen Werte und Normen und ob diese dem Menschen irgendwie doch angeboren sind oder ob es eine allgemein menschliche Kultur über alle Zeiten gäbe.


Ich finde es aus anderen Gründen sehr schwierig, aber nicht aus angegebenem. Beides hat eine metaphysische Grundlage, aber ich will die Diskussion hier damit nicht weiter ablenken und den schönen Mittelalterpfad zerstören.


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Für den Rest habe ich mich entschlossen, mich nicht der Zitatfunktion zu bedienen, sondern einen kleinen Essay abzuliefern. Oh, welch törichte Tat einer jungen Vergeistigten, sich an die Nachahmung des großen Montaigne zu machen. Der Vorhang hebt sich, Pathos an!

„Aus dem, was wir hier im Walde, aus dem wir kommen, erlebt haben, müssten wir irgendeinen Gewinn ziehen. Würdet ihr es für gut heißen, wenn wir uns um der fünf Bäume und der zehn durch ihre Blüten dargestellten Bedingungen willen jeden Tag einmal treffen, um Streitgespräche zu führen in der Art, wie sie uns die Dame der Intelligenz gelehrt hat, und wenn unser Streitgespräch sich so lange fortsetzen würde, bis wir alle drei uns zu einem einzigen Glauben und einer einzigen Religion bekennen, und bis wir uns darüber einigen können, wie wir einander am besten zu ehren und zu dienen haben,, so dass wir zu einem Einverständnis gelangen könnten? Denn Krieg, Mühsal, Missgunst, Unrecht und Schande hindern die Menschen daran, sich auf einen Glauben zu einigen.“

Man mag es kaum glauben, doch diese Zeilen stammen von Ramon Llull (1232-1316), einem christlichen Dichter. Diesem Satz vorangegangen ist eine Begebenheit, wie sie harmonischer nicht sein könnte. Ein muslimischer, ein christlicher und ein jüdischer Theologe treffen im Wald auf einen Heiden und jeder versucht ihn zu überzeugen, dass seine Religion die richtige sei. Als der Ungläubige sich entschieden hat und den Dreien freudig seinen Entschluss mitteilen möchte, bitten sie ihn zu schweigen, da dies den intellektuellen Disput zerstören würde und sie das der Wahrheit nicht näher bringen würde.

Ist das nicht im Grunde schon die Vorwegnahme des mehr als populär gewordenen Satzes von Sebastan Castellio „hominem occidere, non est doctrinam tueri, sed hominem occidere“? (Einen Menschen töten heißt nicht, eine Lehre verteidigen, sondern einen Menschen töten) Was anderes kann Llull gemeint haben, als er davor warnte, dass Krieg und Unrecht einem Glaubenskonsens abträglich ist?

Doch fahren wir weiter fort, werte Leser, nach Indizien zu suchen, dass beim mittelalterlichen Menschen doch so etwas wie ein Unrechtsbewusstsein vorhanden war.

Der Verweis auf zwei Bibelstellen, beschränkt sich auf die reine Nennung, man mag es mir verzeihen: Luk 6,27-36, Luk 6,37-38. Gegenbeispiele sind ebenfalls vorhanden und inwiefern hier Normatives mit der Realität in weiten Teilen übereinstimmt, ist eine andere Frage. Eine Rezeption fand in beide Richtungen statt. Man denke an Laktanz, der sagt: „Man muss die Religion verteidigen, doch nicht tötend, sondern sterbend; nicht durch Grausamkeit, sondern durch Leiden; nicht durch Verbrechen, sondern durch Glauben (...) Denn wenn du die Religion durch Blut, durch Böses verteidigen willst, so wird sie nicht verteidigt, sondern befleckt und vergewaltigt.“ Hier sind denke ich keine weiteren Erläuterungen notwendig. Also fahren wir fort im mittelalterlichen Theater und begeben uns weiter auf die Suche nach Menschlichkeit:

An welchem Ort wird wohl der christliche Gott eher vermutet als in der Zelle eines mittelalterlichen Mönches, dem noch dazu mit die edle Gabe mystischer Erlebnisse gewährt wurde? Wir befinden uns hinter Meister Eckhard und als wir ihm über die Schulter blicken erstarren wir angesichts der Zeilen, die er niederschreibt: „Die heidischen Meister hingegen gelangten durch Übung der Tugenden zu so hoher Erkenntnis, dass sie eine jegliche Tugend anschaulich genauer erkannten als Paulus oder irgendein Heiliger in seiner ersten Verzückung.“ Wir wühlen in seinen anderen Predigten und stoßen auf das: „Gott ist in allen Kreaturen gleich nahe.“

Doch waren Mönche nicht nur in der Lage, zu schnöder Toleranz aufzurufen, nein! Sie kritisierten auch die Kreuzzüge! So gesehen bei einem Tegernseer Mönch des 12. Jahrhunderts, der in seinem Ludus de Antichristo die Kreuzzüge als reine Aggressionskriege darstellt, bar jeder religiösen Legitimation.

Doch mögen diese Beispiele genügen, um zu widerlegen, dass es kein Unrechtsbewusstsein im Mittelalter gegeben habe. Hach, wie herrlich ist die Wissenschaftstheorie, sie lebe hoch! Hätte doch für die Falsifizierung einer Allgemeinheitsanspruch erhebenden Aussage ein Beispiel gereicht! Gedankt sei meinem geliebten Karl Popper und ich entschuldige mich für mein weibisches Geplapper. (Das Abschlusszitat dieses Beitrags wird die Feministinnen unter den Lesern wieder wohlgesonnen stimmen, sobald sie es identifizieren!)


Aber jetzt weiter in medias res. Die These ist widerlegt, jetzt geht es in schwammige Gebiete:

Viele kluge Menschen haben sich dazu geäußert, was es denn nun ist, das Unrechtsbewusstsein. Es wurde so vorgegangen, wie es der einzig richtige Weg ist – durch Argumente. Der derzeitige Stand der Wissenschaft produziert nur wenige Fakten, an denen man sich festhalten kann, will man auf diesem Gebiet argumentieren. Schwupps ist man immer wieder im Bereich der Metaphysik und jeder kann sich so seine Theorien zurechtlegen. Ob er damit nur sich selbst überzeugen kann oder ob der Funke auch auf andere überspringt, liegt ganz an der Konsistenz der Theorie, der Korrektheit der logischen Struktur, der Kommunikation und der Konterfähigkeit. (Hihi, ich habe es geschafft, vier große „Ks“ im letzten Satz unterzubringen und erweitere es um ein fünftes: Die Kontingenz der Zuhörer. Denn was ist einem Argument zuträglicher, als wenn es bereits von einer Vielzahl abgenickt wurde?)

Viel Zustimmung erntete die Äußerung, dass es sich bei Moral und Gewissen nicht um etwas handelt, das dem Menschen per se innewohnt, sondern um etwas, das durch den Lebensraum anerzogen wird. (Hätte mich auch sehr gewundert, wenn hier Lorenz mit seinen ollen Gänsen lange Oberwasser in der Forschungsdiskussion behalten hätte.) Wenn wir also mit Begriffen wie Unrechtsbewusstsein hantieren, die sich eben aus der Moral und aus dem Gewissen ergeben, ist es gefährlich, anderen Voraussetzungen eben unsere enge Vorstellung davon überzustülpen. Das jedoch nur als Erinnerung, denn hier ist Evidenz gegeben. Allerdings brauchen wir diese Begriffe. „Die Grenzen der Sprache sind die Grenzen der Welt“ sagt Wittgenstein treffend. Ich liebe dieses Zitat, denn man kann es dem menschlich-persönlichen Bereich entreißen und es auf eine Metaebene heben. Für eine Diskussion brauchen wir Begriffe. Wenn wir über Unrechtsbewusstsein im Mittelalter diskutieren wollen, brauchen wir schlichtweg den Begriff „Unrechtsbewusstsein“. Es ist ein Begriff, der keiner empirischen Kategorie zuzuordnen ist und eben das macht ihn so schwierig.

Moral und Gewissen einem mittelalterlichem Menschen absprechen zu wollen, so weit ist niemand gegangen. Für mich zieht das Vorhandensein dieser beiden Entitäten (mir ist kein blöderes Wort eingefallen) zwangsläufig Unrechtsbewusstsein voraus. Das Gewissen als innere Stimme – daimonion wie Sokrates es nannte – die einem zuflüstert, wenn man die Moral verletzt. Und eben weil Moral nichts fixes jenseits von Raum und Zeit ist, hat auch das Unrechtsbewusstsein keinen im etymologisch ursprünglichen Sinne perfekten Status, sondern es mutiert ohne Unterlass. Ja, das muss es sein, was die Wandlungsfähigkeit des Unrechtsbewusstseins begründet, Heureka!

Die Finger werden schwach, der Geist braucht Erholung. Wird es eine Fortsetzung geben in diesem Theater? Zu viel ist ungesagt, zu viel schlummert. Es brennt auf den Nägeln, ob es denn wirklich die vernachlässigten Kinder des Mittelalters waren? (nächste Frage: Ist die Prämisse der These überhaupt haltbar?) Vielmehr scheint hier der Nominalismus der Tatverdächtige zu sein, doch dazu vielleicht an einem anderen Tag, zu einer anderen Stunde, in einer anderen Stimmung etwas mehr. Vielleicht nur so viel: Der Nominalismus war es, der die Eigenverantwortung in den Vordergrund rückt. Eine haarsträubende Theorie, die an den Grundfesten mittelalterlicher Weltordnung rüttelte und ihr letztendlich den Rücken kehrte.

Ich danke dem treuen Leser, der meinen Zeilen bis hierher gefolgt ist. Das Versprechen an die Feministinnen sei noch eingelöst, indem ich eine Entschuldigung anfüge:

„Doch ich bin in meiner Vergesslichkeit schon längst über das Ziel hinausgeschweift. Sollte ich in meinen Worten zu bissig oder geschwätzig gewesen sein, bedenkt immer, dass ich als Torheit und Frau zu euch gesprochen habe. Denkt aber auch an das wohl griechische Sprichwort, dass oft auch ein törichter Mensch ein treffendes Wort sagt, sofern ihr nicht etwa meint, das Wort beziehe sich nicht auf Frauen.“

Derjenige, der dieses Zitat (googeln verboten!) als erster Zuweisen kann, bekommt meine Anerkennung.
 
Ok, so bin ich bei dir, auch wenn ich persönlich die Beispiele etwas unglücklich gewählt finde. Wenn wir uns einen fiktiven Tatbestand rausgreifen, dann sollte es schon etwas sein, dass über einen sehr langen Zeitraum gesehen Unrecht ist/war. Mord oder Diebstahl bspw. Die 20 Jahre waren nur ein fiktives Beispiel von mir, um die Kurzlebigkeit moralischer Vorstellungen darzustellen (ich hatte kurz vorher einen Aufsatz zum § 218 in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts gelesen...).

Das sehe ich bei Mord, Diebstahl auch so, allerdings hatte ich gerade bei der Abtreibung erst den Gedanken, daran den Unterschied zwischen einem Universalrecht und einem Gesinnungswandelrecht zu untersuchen.
Wahrscheinlich bringt es uns nicht weiter, ein neues, auch tagespolitisches Faß aufzumachen, deshalb sollten wir besser bei der Tötung bleiben.

Für mich wäre zu untersuchen, was macht Tötung zu Mord im Mittelalter.
Folgende Ausnahmen fallen mir spontan ein:
-Kriegsrecht, Notwehr
- Status des Getöteten, Vogelfreiheit, Ungläubigkeit,
sozial untergeordnet, außerhalb der Gemeinschaft stehend
-Bestrafung


Das Gewissen ist ein soziales Gleichgewichtsorgan (Bert Hellinger)

Die Betonung liegt hier auf "sozial", betrifft also das Verhältnis zu anderen Menschen, nicht das zu einer göttlichen oder als Instinkt angeborenen Instanz.

Ein schlechtes Gewissen ist eher die Furcht vor sozialer Ächtung und nimmt die soziale Abstrafung vorweg (ist also gefühlsmäßig eine Schwester der Trauer).

Der Gegenstand des sozialen Abstrafens hängt aber von der Situation und vom außeren Umfeld ab, kann sich also relativ leicht ändern. Nackt durch die Stadt zu rennen führt zu sozialer Ächtung, aber 100 Meter weiter im Saunapark ist man so - in den Augen der sozialen Umwelt - korrekt gekleidet. Selbst die Beurteilung von schwerwiegendem Abweichen von sozialen Verhaltensweisen, wie Mord, erfährt in einer Kriegssituation eine andere Wertung durch die umgebenden Mitmenschen.

Wenn die soziale Komponente des Gewissens nicht überbetont wird, kann ich damit leben, so als Regulativ iSv "Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu".
Trotzdem würde ich gerne noch Beweise suchen, für ein intuitives Wissen des Menschen um Gut und Böse.
Nicht für solche Lappalien wie Falschparken sondern für die "Naturrechte", die in allen mir bekannten menschlichen Gemeinschaften gelten und gegolten haben.

Wenn ein schlechtes Gewissen eine Furcht davor ist einen Schaden, Verlust zu erleiden (soziale Ächtung), dann liegt die Zielsetzung der Emotion(schlechtes Gewissen, Furcht) in der Selbsterhaltung.

Ist das so ensteht ein schlechtes Gewissen, Reue, Scham nur aus Eigennutz.

Z.B. Reue. Gesetzt den Fall es gibt eine Situation in der es keine unmittelbaren sozialen Konsequenzen zu befürchten gibt, beispielsweise über ein Ereignis in der Vergangenheit, die betreffenden Personen befinden sich jetzt nicht mehr in einem gemeinsamen Umfeld.

Werteeinstellungen der Person die jetzt bereut, haben sich in der Zwischenzeit geändert.

Dann dürfte diese nach Klaus´These kein schlechtes Gewissen verspüren, da es zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Vor- oder Nachteile zu befürchten hat.

(es sei denn, es wird intuitiv davon ausgegangen, das das gesamte Geschehen in einem gemeinsamen sozialen Umfeld wieder-erinnert wird, aber ich schätze mal, das ist nicht der Fall, im allgemeinen neigt das Gehirn , soweit ich weiß, zu Verdrängung)

Für mich ist Reue exemplarisch für Altruismus. Eventuell noch etwas mehr, da man nicht nur keinen Bonus, sondern eher noch ein unangenehmes Gefühl hat.

Kannst du das an einem Beispiel erklären, ich bin unsicher, ob ich dich richtig verstanden habe.
 
Naja, da gibt es tausende mögliche Beispiele. Ein Schläger der im Jugendalter ohne Empathie drauflos geprügelt hat und nach zehn Jahren zum ersten Mal daran denkt, was es für denjenigen bedeutet haben könnte, den er schwer verletzte.
Sein bestehendes Umfeld könnte sogar Reue, in diesem Fall bei ihm ablehnen.

Aber ich will mich aus der Diskussion verabschieden. Da sind für mich noch zuviele Fragen offen, von denen ich vorher einen Ansatz haben will.

P.S.:

I Für mich zieht das Vorhandensein dieser beiden Entitäten (mir ist kein blöderes Wort eingefallen) zwangsläufig Unrechtsbewusstsein voraus. Das Gewissen als innere Stimme – daimonion wie Sokrates es nannte – die einem zuflüstert, wenn man die Moral verletzt. Und eben weil Moral nichts fixes jenseits von Raum und Zeit ist, hat auch das Unrechtsbewusstsein keinen im etymologisch ursprünglichen Sinne perfekten Status, sondern es mutiert ohne Unterlass. ..., das muss es sein, was die Wandlungsfähigkeit des Unrechtsbewusstseins begründet, ...

Warum ist Moral nichts fixes von Zeit und Raum?

Wenn Moral in Zeit und Raum ist, welche stoffliche Präsenz besitzt es?
 
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Und eben weil Moral nichts fixes jenseits von Raum und Zeit ist, hat auch das Unrechtsbewusstsein keinen im etymologisch ursprünglichen Sinne perfekten Status, sondern es mutiert ohne Unterlass. Ja, das muss es sein, was die Wandlungsfähigkeit des Unrechtsbewusstseins begründet, Heureka!

Oder ist das so zu verstehen:"Weil Moral sich ändert, ist sie nicht statisch."?

"Das Unrechtsbewußtsein wandelt sich, weil die Moral sich wandelt."?
 
Warum ist Moral nichts fixes von Zeit und Raum?

Wenn Moral in Zeit und Raum ist, welche stoffliche Präsenz besitzt es?


Die zweite Frage erfordert empirische Beobachtungen und da kann ich Dir - ebenso wenig wie der Rest der Menschheit - keine Antwort darauf geben. Ich bin gerade noch am überlegen, ob etwas, das sich in Zeit und Raum befindet, überhaupt Stofflichkeit besitzen muss. (Hat ein Vakuum stoffliche Eigenschaften? Wie ist es mit den Universalien? etc. pp.; Vorschläge sind erwünscht, ich habe mir hierzu schlichtweg noch zu wenige Gedanken gemacht!)

...und eben weil man das nicht zählen oder messen kann, komme ich zu erster Aussage, die sich für mich aus dem ergibt, was man unter Moral versteht. Und hier sehe ich, dass die Moralvorstellung des 12. Jahrhunderts in Jerusalem eine andere war als heute, 26. März 2010, in Regensburg.
Ebenso wie die Moralvorstellungen 1960 eine andere war als zu gleicher Zeit am Gangesdelta.

Ich habe jetzt bewusst nicht von Moral, sondern von Moral-!vorstellung(en)!- gesprochen, um deutlich zu machen, dass eben die jeweilige Gesellschaft hier der maßgebliche Punkt ist. Um mit Dieser "homo-mensura-Sicht" der Dinge nicht nur den Sophisten Wasser auf die Mühlen zu kippen, habe ich dabei den Begriff der Moral, der nach platonischer Denke ja etwas nicht wandelbares ist, weil als Idee jenseits dieser Welt existent, außen vor gelassen. So bin ich hoffentlich niemandem auf den Schlips getreten und wünsche einen schönen Vormittag.

Herrlich, die Sonne scheint schon durch das Fenster!
 
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@Lili
Wie die Beispiele strafrechtlich zu sehen sind, ist meistens klar. Außer dem Händler, der erkennen müsste daß es einem schlecht geht und nicht hilft. Für mich wäre das unterlassene Hilfelleistung.

Nein, die Frage ist, wie eng oder großzügig sieht es die Gesellschaft, von dem offiziellen Gesetzeswerk einmal abgesehen. Was weiterführt zu der Frage, wenn es ein Dritter sieht, würde er in Aktion treten? Müsste er in Aktion treten?

Wenn mir einer, sagen wir zeitlich im Mittelalter, eine Kanne Milch stiehlt, die kurz vor der Tür abgestellt war, macht es für mich doch einen Unterschied, ob die Milch für dessen Kinder oder Geschwister ist, die am verhungern sind, oder ob die Milch weiterveräussert wird. Auch für den Bestohlenen ändert sich, wie du angedeutet hast, die Einstellung zu dem Diebstahl, wenn er selbst die Milch für seine Familie nötig braucht. Natürlich käme es auch für mich darauf an, ob ich die Sache erübrigen kann, ob mir de Diebstahl wirklich "wehtut".
Wobei Diebstahl in keinem Fall akzeptabel ist, wo man auch um Hilfe hätte bitten können.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Lili
Wie die Beispiele strafrechtlich zu sehen sind, ist meistens klar. Außer dem Händler, der erkennen müsste daß es einem schlecht geht und nicht hilft. Für mich wäre das unterlassene Hilfelleistung.

Nein, die Frage ist, wie eng oder großzügig sieht das die Gesellschaft, von dem Gesetzeswerk einmal abgesehen. Was weiterführt zu der Frage, wenn es ein Dritter sieht, würde er in Aktion treten?

Wenn mir einer, egal zu welcher Zeit, eine Kanne Milch stiehlt, die kurz vor der Tür abgestellt war, macht es für mich doch einen Unterschied, ob die Milch für die Kinder ist, die am verhungern sind, oder ob die Milch weiterveräussert wird. Auch für den Bestohlenen ändert sich, wie du angedeutet hast, die Einstellung zu dem Diebstahl, wenn er selbst die Milch für seine Familie nötig braucht. Natürlich kommt es für mich auch darauf an, ob ich die Sache erübrigen kann.
Wobei Diebstahl in keinem Fall akzeptabel ist, wo man auch um Hilfe hätte bitten können.
Wobei ich mich hierbei nach dem Gehalt für diesen Thread frage.
Wo ist da der Vergleich zu den Ansichten im Mittelalter?





Vielen Dank Luki für den langen, aber dennoch übersichtlich gestalteten Beitrag.
Soweit ich das einsehen kann, hängt Unrechtsbewusstsein mit Vernunft zusammen. Sind dafür christliche Normen ausschlaggebend, wie es mir einleuchtend erschiene, so ließe sich das für und wider der These verwenden, ob es ein Unrechtsbewusstsein gab.

Auf der einen Seite stünde für mich (neben den Einflüssen des "guten alten Rechts") ein relativ überschaubares Gesetzbuch für die Moralvorstellungen: die Bibel.
Dabei will ich garnicht abstreiten, dass sich dort auch Widersprüchliches findet. (Rache, Vergebung, lieber gerichtet werden, als selbst zu Richten, Gewalt, Gebot der Gewaltlosigkeit...) So dehnbar das ist, so gibt es dennoch einen gewissen Halt und eine Orientierung wie mir scheint (ohne bibelfest zu sein:rotwerd:).


Auf der anderen Seite gibt es zwei Aspekte, die mir am offenkundigsten ins Auge springen:
1. Vergebung durch Buße. Wäre die Frage in wie weit das ein Massenphänomen gewesen sein kann, dass man gegen die Moralrichtlinien im sicheren Wissen um die Möglichkeit der Vergebung vor dem Höchsten Gericht verstieß.
Polemisches Beispiel: Ritter Sigbert von Bumpelshausen lauert seinem Vetter Kuno auf. Sigbert weißt, dass sein Pater, bei dem er ein Stein im Brett hat und dem er dafür alle Woche eine große warme Mahlzeit vorsetzt, ihm dafür die Absolution erteilen wird. Ritter Sigbert legt sich auf die Lauer und haut dem Vetter was auf den Detz, weil der mehrfach in Sigberts Fischteich uriniert und Sigbert damit geärgert hat.

2. Was ganz anderes: wir heutige Menschen, Dich Luki vielleicht ausgenommen, können schlicht nicht begreifen, dass das was der Masse der mittelalterlichen Menschen - oder was wir dafür halten - für Moral hielten, auch wirklich eine war.
Ein Beispiel, ein ziemlich gutes wie ich finde, führte timotheus mehrfach an, wenn es auf die Kreuzzüge zu sprechen kam:
3. Daran anknüpfend: Wenn der Unglaube bzw. die Ungläubigen die göttliche Weltordnung wirklich gefährdeten, so war es ein Werk des Glaubens, gegen sie zu kämpfen und sie sogar zu töten (man sollte natürlich grundsätzlich als Christ gar keinen Menschen töten, doch wenn gläubige Christen unter der Herrschaft Ungläubiger litten, so war es besser, ihnen zu helfen als dem tatenlos zuzusehen). So etwas heute zu verfolgen, stieße auf breite Kritik und würde erheblichen (pazifistischen wie übrigens auch kirchlichen) Gegenwind verursachen - und das zu Recht!

Tut mir leid, wenn das jetzt arg platt formuliert ist. Das ist für mich ein Nebenthema, das mich nur zu sehr reizte, um ihm ganz zu entsagen.:rotwerd:
 
2. Was ganz anderes: wir heutige Menschen, Dich Luki vielleicht ausgenommen, können schlicht nicht begreifen, dass das was der Masse der mittelalterlichen Menschen - oder was wir dafür halten - für Moral hielten, auch wirklich eine war.
Ein Beispiel, ein ziemlich gutes wie ich finde, führte timotheus mehrfach an, wenn es auf die Kreuzzüge zu sprechen kam:


Tut mir leid, wenn das jetzt arg platt formuliert ist. Das ist für mich ein Nebenthema, das mich nur zu sehr reizte, um ihm ganz zu entsagen.:rotwerd:


Nur ganz kurz, weil ich gleich ein wenig in die Sonne möchte, bevor sie weg ist:

Ich nehme mich da nicht aus, es sind Indizien, die zu einer Meinung verwurschtelt werden. Etwas zu durchschauen, das in seiner Komplexität weiter außerhalb des eigenen Horizonts liegt, ist mE nicht möglich. Ich weiß, es wird immer wieder von scheinbar besonders "Gesegneten" Gegenteiliges behauptet, aber die arbeiten auch nur mit Indizien; insofern ist das für ich nicht nachvollziehbar.

Und was den Rest betrifft: Anzunehmen, dass Menschen anderer Epochen ebenso wie wir eine Moral besaßen, dafür gibt es überzeugende Argumente. Oder anders: Was deutet darauf hin, dass der mittelalterliche Mensch keine Moral besaß? Zunächst wäre noch eine gründlichere Klärung des Begriffs notwendig, aber das spare ich mir, denn so sehr ich ihn auch drehe und wende, spontan fällt mir nichts ein, was den mittelalterlichen Menschen bar jeglicher Moralität dastehen lässt.
 
Wobei ich mich hierbei nach dem Gehalt für diesen Thread frage.
Wo ist da der Vergleich zu den Ansichten im Mittelalter?
Das ist es doch. Egal in welchem Jahrhundert hätte ich Diebstahl nicht für (gleichen) Diebstahl angesehen, sondern die Hintergründe erfragt, um ihn für mich zu be- oder verurteilen.

Ebenso das Eingreifen Dritter. Ich denke, das ist, wie Lili für sich selbst bereits beschrieben hat, unterschiedlich. So wird es auch im Mittelalter gewesen sein. Hatte man ein abgerissenes Kind vor sich, dass sich einen Apfel nahm, hat man vermutlich darüber hinweggesehen, nicht aber wenn es einen Beutel entwendete. Obwohl hier vermutlich die Reaktionen je nach Bürgerschicht mehr oder weniger scharf ausfielen.
 
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