Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Woher sollten diese Leute, die der Schlacht entronnen waren, diese Details wissen?
In keiner großen Schlacht der Weltgeschichte sind je ALLE Unterlegenen restlos umgekommen. Es hat IMMER Überlebende gegeben. Bezogen auf Arminius muss es die schon aus reiner Bosheit gegeben haben. Arminius und seine "Spießgesellen" können doch unmöglich gewollt haben, dass der arme, greise Augustus in Rom sich grämte, weil er nicht wusste, wo seine Legionen geblieben waren! Der Sieg der Germanen gegen die Römer konnte nur durch Römer publik gemacht werden. Es GAB Überlebende, die in allen Einzelheiten berichten konnten, was wie abgelaufen war.

Nein, man sollte auch den Tacitus nicht auf die Goldwaage legen. Und wer weiß, vieleicht führte Germanicus nur seine Heeresgruppe an die Ems zurück und Caecina hat einen anderen Weg von vorneherein genommen...
Das ist ja der große Irrtum, der hier immer wieder durchschimmert. Die Germanicus-Legionen sind nie in EINER Kolonne marschiert. Das war ein komplexer Feldzug, bei dem viele, viele Teileinheiten jeweils ganz spezielle Aufgaben hatten. Nehmen wir nur mal die Truppen, die per Schiff ins Kampfgebiet gebracht und von dort wieder abgeholt wurden. Glaubt jemand, dass Germanicus die Ems hochfuhr, von dort abmarschierte und seine Schiffe unbewacht zurückgelassen hat? :winke:

MfG
 
In keiner großen Schlacht der Weltgeschichte sind je ALLE Unterlegenen restlos umgekommen. Es hat IMMER Überlebende gegeben. Bezogen auf Arminius muss es die schon aus reiner Bosheit gegeben haben. Arminius und seine "Spießgesellen" können doch unmöglich gewollt haben, dass der arme, greise Augustus in Rom sich grämte, weil er nicht wusste, wo seine Legionen geblieben waren! Der Sieg der Germanen gegen die Römer konnte nur durch Römer publik gemacht werden. Es GAB Überlebende, die in allen Einzelheiten berichten konnten, was wie abgelaufen war.
MfG

Nein, nein.:winke:
Das meinte ich garnicht. Natürlich hat es Überlebende gegeben. Aber woher sollten die diese Details wissen? Die werden doch schnellstens getürmt sein und sich nicht noch die Rede, die Arminius auf irgendeiner Tribüne gehalten hat angehört haben, bzw. in Ruhe mit angesehen haben, wie dieser seine Martergruben hat ausheben lassen.=)
 
Woher sollten diese Leute, die der Schlacht entronnen waren, diese Details wissen?

Teilweise sind Legionäre aus der Varusschlacht von Germanicus und seinen Generälen befreit worden.

In keiner großen Schlacht der Weltgeschichte sind je ALLE Unterlegenen restlos umgekommen. Es hat IMMER Überlebende gegeben. Bezogen auf Arminius muss es die schon aus reiner Bosheit gegeben haben. Arminius und seine "Spießgesellen" können doch unmöglich gewollt haben, dass der arme, greise Augustus in Rom sich grämte, weil er nicht wusste, wo seine Legionen geblieben waren! Der Sieg der Germanen gegen die Römer konnte nur durch Römer publik gemacht werden.

Oder durch andere Germanen, wie Marbod. :rechts: Varus' Schädel machte eine Reise vom Ort der Varusschlacht nach Boiohaim nach Rom.
 
ich habe irgendwo (weiß aber nicht, wo das war) gelesen, daß Kalkriese nicht der Endpunkt der Schalcht war, sondern daß die angegriffenen Römertruppen lädiert weitermarschiert sind.

Jetzt habe ich ein Interview mit Herrn Schlüter vom Oktober 2008 folgendes gelesen:

Wie oben bereits erwähnt, fassen wir m. E. mit den bisherigen Befunden und Funden in der Kalkrieser-Niewedder Senke höchsten den letzten und Teile des vorletzten Tages des Kampfgeschehens. Wir müssen also damit rechnen – darauf deuten erste Funde ja auch schon hin –, dass das Defileegefecht, das die Germanen den Römern geliefert haben, bereits weit östlich des Engpasses begonnen hat. Genauere Aussagen werden erst nach einer intensiven Prospektion in Verbindung mit Sondierungsgrabungen möglich sein. Wie die Befliegungen durch Otto Braasch in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts gezeigt haben, ist die Luftbildarchäologie wegen der weitgehenden Überlagerung der vermuteten Kampfbereiche urch bis zu einen Meter mächtige Plaggenesche selten in der age, hier hilfreich zu sein.


gibt es denn hier Erkenntnisse, wie weit die Fundspuren westlich von Kalkriese noch reichen?

Laut diesem Artikel scheinen die Spuren westlich von Kalkriese einfach aufzuhören.



 
Endlich etwas Neues zur „Legio Prima Augusta“:

Wolfgang Schlüter äußert in dem von Carolus verlinkten Interview 2008, dass die „Legio Prima Augusta“ unter diesem Ehrennamen in augusteischer Zeit in Germanien stationiert war.

„Zudem wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass die legio prima Augusta 19 v. Chr. in Hispanien aufgelöst wurde sowie ihren Ehrennamen einbüßte und erst 14 n. Chr. von Germanicus wieder neu aufgestellt wurde.
Offensichtlich ist ihre Auflösung jedoch schon sehr viel früher wieder rückgängig gemacht worden. Die Erste Legion erhielt sowohl ihren Adler als auch ihren Ehrennamen zurück und ist an die germanische Front verlegt worden, wo sie 12 bis 9 v. Chr. an den Feldzügen des Drusus teilnahm und spätestens 6 n. Chr. in Mainz (Mogontiacum) stationiert war.“

Eine bisher vermutete Umbenennung von AUGUSTA in GERMANICA vor dem Jahr 15 n.Chr. wird von Schlüter nicht mehr erwähnt.

Zur Erinnerung:
In Kalkriese wurde auf dem Mundblech einer Schwertscheide die Ritzinschrift LPA gefunden. Von Tacitus wissen wir, dass diese Legion unter Caecina 15 n.Chr. an den pontes longi kämpfte.

„Von den Legionen wählte er die fünfte für die rechte, die einundzwanzigste für die linke Flanke, die erste für die Spitze der Marschkolonne die zwanzigste als rückwärtige Deckung gegen eine etwaige Verfolgung aus.“ (Tac. Ann. I , 64)

„Er (Caecina) stürzte herab und wäre umzingelt worden, wenn nicht die erste Legion sich dem Feind entgegengeworfen hätte.“ (Tac. Ann. I, 65).

Für die pontes longi ist es sicher, dass die LPA dabei war, ihre Teilnahme an der Varusschlacht kann dagegen nur vermutet werden.
 
Endlich etwas Neues zur „Legio Prima Augusta“:

Wolfgang Schlüter äußert in dem von Carolus verlinkten Interview 2008, dass die „Legio Prima Augusta“ unter diesem Ehrennamen in augusteischer Zeit in Germanien stationiert war.

Offensichtlich ist ihre Auflösung jedoch schon sehr viel früher wieder rückgängig gemacht worden. Die Erste Legion erhielt sowohl ihren Adler als auch ihren Ehrennamen zurück und ist an die germanische Front verlegt worden, wo sie 12 bis 9 v. Chr. an den Feldzügen des Drusus teilnahm und spätestens 6 n. Chr. in Mainz (Mogontiacum) stationiert war.“

Zur Erinnerung:
In Kalkriese wurde auf dem Mundblech einer Schwertscheide die Ritzinschrift LPA gefunden. Von Tacitus wissen wir, dass diese Legion unter Caecina 15 n.Chr. an den pontes longi kämpfte.

Für die pontes longi ist es sicher, dass die LPA dabei war, ihre Teilnahme an der Varusschlacht kann dagegen nur vermutet werden.

Interessant wäre es zu wissen, woher Prof. Schlüter seine neuen Erkenntnisse über das "Was, Wann, Wo & Wohin" der Legio Prima Augusta hat. Ist das jetzt eine nur wohl begründete Vermutung oder hat man in letzter Zeit vielleicht neue Inschriften gefunden, die diese Fragen beantworten?

In der deutschen Wikipedia steht auch die Verlegung der Legio Prima Augusta nach Mogontiacum. Als Quelle hierfür wird Jerome H. Farnum: The Positioning of the Roman Imperial Legions. BAR International Series 1458, Oxford 2005. S. 43-44. genannt. Hat einer der Forumskollegen den Farnum vielleicht auf seinem Nachttisch liegen?
 
Offensichtlich ist aber diese Legion wohl wirklich aufgelöst worden. Wenn dem so war, so sind die Angehörigen dieser Legion auf andere Legionen verteilt worden. Dies könnte eine mögliche Erklärung für dieses Mundblech in Kalkriese sein, ohne das man die Anwesenheit von Teilen der 1. Legion in der Varusschlacht annehmen müßte.
 
Von Bestattungen

Mehr als Vermutungen anzustellen, bleibt uns allen nicht übrig. Aber manche Vermutungen lassen sich ja nicht nur durch archäologische Funde sondern auch durch ein bisschen Lebenserfahrung untermauern. Versuchen wir das mal :fs:....

@Nachlässige Bestattungen:
Ich muss Flavius-Sterius mit seinem Einwand Recht geben, zu dem – hervorragend geschriebenen Vergleich der Mentalität von Soldaten bei unliebsamen Aufgaben heute, und seine Rückprojektion in die Antike. Es gibt trotz einiger Parallelen, gerade im religiösen Bereich gravierende Unterschiede!

Warum die von Germanicus mit der Bestattung der Varus-Legionäre beauftragten Soldaten wohl doch recht pietätvoll vorgegangen sein dürften, könnte man auf alten Volksglauben verweisen, der noch heute zumindest bekannt ist: Fast jede „Spukgeschichte“ berichtet von den Geistern unbestatteter und/oder rachsüchtiger Ahnen als Begründung für ihren „untoten“ Zustand. Es mag darauf hinweisen, wie tief derartiges Gedankengut auch nach Jahrtausenden noch im „Volksbewußsein“ verankert sei, aber letztlich ist dieser Hinweis kein Fakt und auch nicht Aussagekräftiger als die „Soldatengeschichte“. Dabei ist man im Kontext mit den Römern gar nicht auf derartige Spekulationen angewiesen!

Der Totenkult hatte in der römischen Gesellschaft einen starken Stellenwert. Die berüchtigten „Aufmärsche der Ahnen“ bei Bestattungen eines Mannes aus höchsten senatorischen Kreisen, wie ihn Livius schildert, geben darauf einen Hinweis. Denn immerhin entstanden aus diesem Ahnenkult nicht nur die später so beliebten Gladiatorenspiele, sondern in ihnen wurzelte auch der gesellschaftlich/politische Anspruch der nächsten Generation!
Doch auch die „kleinen“ Leute haben nachweislich schon zu Lebzeiten danach gestrebt, einmal eine würdige Bestattung zu erhalten! Es gab im ganzen Reich entsprechende Kultvereine, in welche die Mitglieder regelmäßige Einzahlungen leisten mussten. Auch wenn dies teils eine schwere Belastung des eigenen Lebensstandards für wenig Begüterte war, schulterten sehr viele Menschen diese Last! Je nach genauer Selbstdefinition boten diese Kultvereine ihren Mitgliedern eine Bestattungsfeier, Gedenktafel, Leichenschmaus bis hin zu Gedächtnisfeiern (letzteres summarisch…) auch lange nach dem Tode!
Unter Legionärskreisen sind zahlreiche Grabmonumente bekannt, welche von Kameraden errichtet wurden, darunter auch solche für Tote, deren Leichen nie gefunden wurden (darunter auch jene, betreffend eines in der Varusschlacht gefallenen Zenturionen)! Es wird teils angenommen, dass sich unter den Legionäre ebenfalls Kollegien bildeten, deren Aufgabe ein korrektes Begräbnis für ihre Mitglieder war und dafür Beiträge verlangte. Analog also zu den oben genanten, privatgesellschaftlichen Gemeinschaften.
Rüpke nennt in einem Dekret für die Stadt Puteoli verschiedene Punkte über das öffentliche Bestattungswesen. Darunter auch ein Strafgeld von 60 Sesterzen für die Bestattungsunternehmer, wenn sie Leichen beim Transport herunterwerfen… Es gab in den Städten eine öffentliche, religiöse Infrastruktur für Bestattungen, wofür auch die entsprechend eingerichteten Gräberfelder an den Zugangsstraßen zu einer Stadt Beleg geben. Diese religiös/öffentliche Praxis „…ist weit entfernt von den soteriologischen Kulten, die eine erfreuliche, postmortale Existenz versprachen, aber doch ihre Voraussetzung: Ohne ordentliche Bestattung kein Leben der Toten – und keine Ordnung unter den Lebenden“
Vor diesem Hintergrund mögen die bekannten Grabreliefs und Grabstelen römischer Soldaten nachdenklich machen. Soldaten waren aufgrund ihres Berufes ständig mit dem Tod konfrontiert. Die pietas verpflichtete die Überlebenden, ihre im Kampf gefallenen Kameraden zu bestatten und Kulthandlungen vorzunehmen. Grabstätten wurden durch Grabmonumente dominiert. Genau dies hat Germanicus für die Toten der Varusschlacht durchführen lassen. Denn es hatte keine Überlebenden gegeben, welche diese Ehrenpflicht hätten ausüben können! Wenn sie überlebt hatten, waren sie geflohen oder Gefangene geworden! Die über Kameradschaften organisierten und auch finanzierten Kollegien, die für eine würdige Bestattung hätten sorgen können, waren (wohl mitsamt ihres angesparten Kapitals!) wie die Männer ein Opfer der Kämpfe geworden! Indem Germanicus diese Ehrenpflicht auf sich nahm, gab er seinen Soldaten wohl auch ein Zeichen, dass er selbst Tote seiner Armee nicht vergessen würde, wenn „irgendwas danebenging“. Es sonst war Praxis innerhalb der Legion, das für Gefallene, die nicht hatten geborgen werden können, auch Scheingräber (Zenotaphe) errichtet wurden – was natürlich ebenfalls Sache von Kameraden/Kameradschaften war! Diese Praxis ist durch Jahrhunderte hinweg festzustellen. So wurden im 1. Jht. Stelen-, im nächsten Jahrhundert Altäre und im dritten Jahrhundert cupulae (halbrunde Platten) für die Toten errichtet, ganz vergleichbar der zivilen Praxis. Gleichgültig, ob die Monumente für Gefallene, oder für „im Bett“ gestorbene Kameraden bestimmt waren.

Hält man sich diese Punkte vor Augen, ist die von mir gestellte Frage nach einer „Beschäftigungsmaßnahme“ des Germanicus für seine Truppen wohl eindeutig mit „Nein“ zu beantworten. Den an der Bergung der Toten beteiligten Gruppen könnte eher ein gewisser Eifer unterstellt werden, waren sie doch Anfangs gar nicht so begeistert in die „tiefen und gefährlichen Wälder“ vorzudringen, die erst wenige Jahre zuvor einem ganzen, ruhmreichen und großen Heer zum Verhängnis geworden war!
Bleibt die Frage nach den eher verstreut bei Kalkriese gefundenen Knochengruben? Könnten sie trotzdem eine Arbeit römischer Soldaten aus dem Heere des Germanicus gewesen sein? Nach dem Oben gesagten auf dem ersten Blick wohl weniger.
Vielleicht ist es möglich, dass weniger motivierte Auxilien Urheber dieser „Resteentsorgung“ gewesen sind? Denkbar- und auch wohl wahrscheinlicher ist aber die Überlegung, dass mit der Errichtung des zentralen Tumulus samt der dort durchgeführten religiösen Riten der pietas bereits Genüge geleistet war. Für die „Knochenreste“ mag der Tumulus bereits als Zenotaphe gedient haben, bei dem die notwendigen Riten dafür bereits miterfüllt waren, vielleicht reichte es dann aus, die Gebeine von der Erdoberfläche zu entfernen, indem man sie in Gruben verscharrte?
 
Wenn ich anmerken darf: das Wiederholen der Nennung des LPA-Mundblechs macht die "Legio Prima Augusta" zwar zu einem solide scheinenden, aber trotzdem nur zu einem Faktoid. Es gibt fast unendlich viele alternative Lesungen – und die Abkürzung I für "Prima" ist ebenso wahrscheinlicher, handelte es sich denn um diese.
 
Offensichtlich ist aber diese Legion wohl wirklich aufgelöst worden.

Nein. Laut Prof. Schlüter bestand die "Legio Prima Augusta" zum Zeitpunkt der Germanienfeldzüge des Drusus (12 v.Chr.) bereits wieder unter ihrem alten Beinamen.

„Zudem wurde lange Zeit davon ausgegangen, dass die legio prima Augusta 19 v. Chr. in Hispanien aufgelöst wurde sowie ihren Ehrennamen einbüßte und erst 14 n. Chr. von Germanicus wieder neu aufgestellt wurde.
Offensichtlich ist ihre Auflösung jedoch schon sehr viel früher wieder rückgängig gemacht worden. Die Erste Legion erhielt sowohl ihren Adler als auch ihren Ehrennamen zurück und ist an die germanische Front verlegt worden, wo sie 12 bis 9 v. Chr. an den Feldzügen des Drusus teilnahm und spätestens 6 n. Chr. in Mainz (Mogontiacum) stationiert war.“

Ob sie an der Varusschlacht teilnahm, kann nur gemutmaßt werden. Dass sie an der Schlacht an den pontes longi teilnahm ist dagegen gesichert.

Tatsache ist, dass in Kalkriese die Inschrift einer Legion gefunden wurde, die nachweislich an der Schlacht an den pontes longi teilnahm.
Ein Fundstück einer Legion, die nachweislich an der Varusschlacht teilnahm, gibt es in Kalkriese nicht.
 
Wenn ich anmerken darf: das Wiederholen der Nennung des LPA-Mundblechs macht die "Legio Prima Augusta" zwar zu einem solide scheinenden, aber trotzdem nur zu einem Faktoid. Es gibt fast unendlich viele alternative Lesungen – und die Abkürzung I für "Prima" ist ebenso wahrscheinlicher, handelte es sich denn um diese.


Das Mundblech der Schwertscheide mit besagter Inschrift wurde 1992 in Kalkriese gefunden und 12 Jahre später, also 2004, der Öffentlichkeit präsentiert.
In dieser Zeit hatte Frau Mª Paz García-Bellido das Kürzel LPA als "Legio Prima Augusta" aufgelöst. Auch Prof. Rainer Wiegels schließt sich dieser Deutung an. In Fachkreisen gilt es als gesichert.
Aber selbstverständlich steht es grundsätzlich jedem Laien offen, eine eigene Lesart von LPA zu finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Nachlässige Bestattungen:
Ich muss Flavius-Sterius mit seinem Einwand Recht geben, zu dem – hervorragend geschriebenen Vergleich der Mentalität von Soldaten bei unliebsamen Aufgaben heute, und seine Rückprojektion in die Antike. Es gibt trotz einiger Parallelen, gerade im religiösen Bereich gravierende Unterschiede!

Warum die von Germanicus mit der Bestattung der Varus-Legionäre beauftragten Soldaten wohl doch recht pietätvoll vorgegangen sein dürften, könnte man auf alten Volksglauben verweisen, der noch heute zumindest bekannt ist...
Wiederum bekenne ich, dass ich unmissverständlicher hätte schreiben sollen. Aber die Beiträge werden immer so elend lang... Dazu neige ich sowieso schon :red:. Die Anmerkungen von Dir und Flavius-Sterius sind unzweifelhaft richtig. Menschen betrauern Gefallene und haben den Wunsch, Denkmäler zusetzen. Mit höchster Pietät. Da werden noch 50 Jahre nach dem Ereignis Kerzen angezündet. Um jetzt mal persönlich zu werden: Meine Oma hat bis zu ihrem Tod gehofft, dass ihr Sohn (der war zum Zeitpunkt seines Todes 14 Jahre alt, Flakhelfer) doch noch irgendwann zurückkommt. Seine Kameraden haben ihn trotzdem an dem Ort liegenlassen, an dem er getroffen wurde. Denen war ihr eigenes Überleben in dem Moment wichtiger. Ich gehe davon aus, dass es den Germanicus-Legionären nicht anders gegangen ist. Die sind in bis dahin nie gekannter Stärke nach Germanien gezogen, haben "Völkermord" begangen, sind in Schlachten geraten, die es bis dahin in dem Ausmaß nicht gab, und konnten sich trotzdem nicht durchsetzen. Auch Caecina ist trotz des Großaufgebots unter seinem Kommando an den Rand einer Niederlage geraten. Von Soldaten, die zu einer Parade antreten und Ehrensalut schießen, kann man Pietät erwarten. Von Soldaten, die ums nackte Überleben kämpfen, nicht! Die "Bestattungsmission" des Germanicus war keine Parade. Sie war ein Vernichtungsfeldzug, der trotz aller Gewalt erfolglos blieb. Die Römer sind mit einem Aufgebot nach Germanien gezogen, das alles bis dahin dagewesene überstieg, und sie konnten sich trotzdem nicht durchsetzen. Mir kann niemand erzählen, dass die römischen Legionäre während dieses Feldzugs, den sie trotz dieser gewaltigen Heeresmacht nicht gewinnen konnten, angesichts der Knochen ihrer vor Jahren gefallenen "Kameraden" (wie viele haben da "Verwandte" verloren?) in sentimentale Verzückung verfallen sind. Das waren hartgesottene Berufssoldaten, die kurz zuvor gemeutert hatten, weil sie nach den vereinbarten 16 oder gar 20 Jahren Kriegsdienst noch immer nicht entlassen wurden. Ich habe schonmal drauf hingewiesen, aber ich tue es hier nochmal: Knapp 60 Jahre später haben Legionäre im römischen Bürgerkrieg ihre eigenen gefallenen Kameraden bedenkenlos auf dem Schlachtfeld liegenlassen. Da war Beute wichtiger als Pietät.


Tatsache ist, dass in Kalkriese die Inschrift einer Legion gefunden wurde, die nachweislich an der Schlacht an den pontes longi teilnahm.
Ein Fundstück einer Legion, die nachweislich an der Varusschlacht teilnahm, gibt es in Kalkriese nicht.
Mag sein, dass ich Deinen Beitrag jetzt unzulässig verkürzt zitiere, aber das ist Unsinn. Bei Kalkriese sind zahlreiche/zahllose Fundstücke ausgegraben worden, die auf die Anwesenheit von Legionären (und mithin "Legionen") hindeuten. An der Varusschlacht haben zweifellos ebenfalls Legionäre teilgenommen. Also besteht da kein Widerspruch... :pfeif:

In dieser Zeit hatte Frau Mª Paz García-Bellido das Kürzel LPA als "Legio Prima Augusta" aufgelöst. Auch Prof. Rainer Wiegels schließt sich dieser Deutung an. In Fachkreisen gilt es als gesichert.
Aber selbstverständlich steht es grundsätzlich jedem Laien offen, eine eigene Lesart von LPA zu finden.

Gilt das wirklich in Fachkreisen als "gesichert"? Soweit ich mich erinnere, ist schon umstritten, ob die Kratzer auf dem Blech überhaupt "LPA" bedeuten. Irgendwo habe ich gelesen, dass sie auch als "XIX" gelesen werden könnten, was auf eine Legio 19 hindeuten könnte (es ehrt die "Kalkrieser", dass sie das nicht als "Beweis" anführen). Dann ist umstritten, ob "LPA" für "Legio prima Augusta" stehen könnte. Dann ist umstritten, ob die "LPA" identisch ist mit der "Legio prima Germania" (LPG? Oh, Gott! Die Römer waren Kommunisten!).

Das Mundblech beweist gar nichts! Vor allem ist es kein Indiz dafür, dass bei Kalkriese die Schlacht bei den langen Brücken ausgetragen wurden. Das würde nämlich den Quellen widersprechen, wonach Caecina WESTLICH der Ems gekämpft haben muss. Übrigens drehen wir uns im Kreis.

MfG
 
Tatsache ist, dass in Kalkriese die Inschrift einer Legion gefunden wurde, die nachweislich an der Schlacht an den pontes longi teilnahm.
Ein Fundstück einer Legion, die nachweislich an der Varusschlacht teilnahm, gibt es in Kalkriese nicht.

Wenn die Legion an der Schlacht an den pontes longi teilnahm, dann nahm sie aber auch an der Bestattungsaktion auf dem Varusschlachtfeld teil. Kann man diesem Teil ansehen, ob es während der pontes longi Schlacht verloren wurde oder während der Bestattungsaktion?
 
(LPG? Oh, Gott! Die Römer waren Kommunisten!).

Oder sie betrieben Autogastankstellen.

Wenn die Legion an der Schlacht an den pontes longi teilnahm, dann nahm sie aber auch an der Bestattungsaktion auf dem Varusschlachtfeld teil. Kann man diesem Teil ansehen, ob es während der pontes longi Schlacht verloren wurde oder während der Bestattungsaktion?

So habe ich letztes Jahr auch noch argumentiert, bin aber nicht mehr unbedingt dieser Auffassung. Zu untersuchen wäre, ob das Mundblech Spuren ritueller Zerstörung aufweist. Wenn dem der Fall wäre, dann wäre ein Verlust bei der Bestattungsaktion wohl nicht gegeben.
 
Da hast du sicher Recht, nur ist von solchen Ergebnissen bislang nicht die Rede. Von daher spricht noch nichts gegen die Interpretation vom möglichen Verlust während der Bestattunsaktionen.
 
Oder sie betrieben Autogastankstellen.



So habe ich letztes Jahr auch noch argumentiert, bin aber nicht mehr unbedingt dieser Auffassung. Zu untersuchen wäre, ob das Mundblech Spuren ritueller Zerstörung aufweist. Wenn dem der Fall wäre, dann wäre ein Verlust bei der Bestattungsaktion wohl nicht gegeben.

Estimado Don Q.

no comprendo lo que quieres decir con esto ähm, weiß jetzt nicht, was Du damit sagen willst: Wieso sollte das Mundblech Spuren ritueller Zerstörung aufweisen? Beziehst Du Dich da auf die Entehrung dieser Legion damals in Spanien?
 
no comprendo lo que quieres decir con esto ähm, weiß jetzt nicht, was Du damit sagen willst: Wieso sollte das Mundblech Spuren ritueller Zerstörung aufweisen? Beziehst Du Dich da auf die Entehrung dieser Legion damals in Spanien?

Nein. Wiese es rituelle Zerstörungen auf, dann wäre es vermutlich von Germanen niedergelegt worden. Archäologen sprechen davon, dass die geopferten Gegenstände "getötet" wurden. Nehmen wir die Gesichtsmaske, das Wahrzeichen von Kalkriese. Man hat ursprünglich angenommen, dass sie kaputt gewesen sei und repariert werden sollte, von den Germanen beim Plündern übersehn wurde, weil sie in den Matsch gefallen sei. Heute nimmt man eher an, dass sie absichtlich zerstört und geopfert wurde. Wenn de,m so ist, dann würde das auch für andere Gegenstände gelten.
 
Nein. Wiese es rituelle Zerstörungen auf, dann wäre es vermutlich von Germanen niedergelegt worden. Archäologen sprechen davon, dass die geopferten Gegenstände "getötet" wurden. Nehmen wir die Gesichtsmaske, das Wahrzeichen von Kalkriese. Man hat ursprünglich angenommen, dass sie kaputt gewesen sei und repariert werden sollte, von den Germanen beim Plündern übersehn wurde, weil sie in den Matsch gefallen sei. Heute nimmt man eher an, dass sie absichtlich zerstört und geopfert wurde. Wenn de,m so ist, dann würde das auch für andere Gegenstände gelten.

Weißt du, wo genau man diese Reitermaske gefunden hat? Falls sie wirklich geopfert worden wäre, hätte man sie dann nicht in einem Hain oder sonstigem Heiligtum aufbewahrt?

Die Maske selbst weist, wenn ich mich nicht täusche, keine größeren Beschädigungen auf, sieht man vom fehlenden Silberüberzug einmal ab. Für eine rituelle "Tötung" scheint mir das Stück noch zu gut erhalten. Als Germane, hätte ich das Teil wohl eher mit einem Schwert oder einer Axt malträtiert, als nur den Dekor zu entfernen (nicht dass ich große Erfahrung mit rituellen Opferzeremonien hätte ;)).

Ich vermutte, das Silber wurde beim Plündern herabgerissen und die Maske selbst dann entweder vergessen oder bewusst zurückgelassen, da man eh schon genug Eisen erbeuten konnte.
 
Weißt du, wo genau man diese Reitermaske gefunden hat?

Die jetzt schnell aufgefundene Information: In einem 180 m langen Schnitt auf dem Oberesch, in dessen Mitte (Hanel/Willer: Ins Visier genommen. In: Varusschlacht im Osnabrücker Land. 2009). Das müsste dann der Schnitt 7 sein, denn der ist als einziger Schnitt so lang. Wenn man "Mitte" wörtlich nimmt, dann müsste die Maske einige Meter nördlich des Walls gefunden haben.

Falls sie wirklich geopfert worden wäre, hätte man sie dann nicht in einem Hain oder sonstigem Heiligtum aufbewahrt?

Carnap-Bornheim hat in einem 1999 veröffentlichten Beitrag (den ich in diesem Thread schon mal bibliographisch zitiert habe) die Vermutung geäußert, dass der Wall nach der Schlacht zu einem Heiligtum geworden sei.

Die Maske selbst weist, wenn ich mich nicht täusche, keine größeren Beschädigungen auf, sieht man vom fehlenden Silberüberzug einmal ab. Für eine rituelle "Tötung" scheint mir das Stück noch zu gut erhalten. Als Germane, hätte ich das Teil wohl eher mit einem Schwert oder einer Axt malträtiert, als nur den Dekor zu entfernen (nicht dass ich große Erfahrung mit rituellen Opferzeremonien hätte ;)).

Ich vermute, das Silber wurde beim Plündern herabgerissen und die Maske selbst dann entweder vergessen oder bewusst zurückgelassen, da man eh schon genug Eisen erbeuten konnte.

Das entspricht auch dem, was Hanel/Willer meinen: Aufgrund eines Überangebotes an Metall hat man nur noch die besonders wertvollen Teile mitgenommen: "Es stellt sich die Frage, warum nicht die Helmmaske bzw. der komplette Helm vom Schlachtfeld fortgeschafft wurde. Das Silberblech hätte zu einem späteren Zeitpunkt in Ruhe entfernt werden können. Hier drängt sich die Vermutung auf, dass derjenige, der das Silberblech raubte, allein ein Interesse an dem Edelmetall hatte, das Eisen samt der Randeinfassung aus Kupferlegierung hatte somit zum Zeitpunkt der Plünderung keine Bedeutung. Wahrscheinlich ist, dass der germanische Plünderer wegen der großen Menge in erster Linie das Edelmetall einsammelte, während das Eisen, die Teile aus Kupferlegierung und selbst die verbliebenen Reste des Silberblechs eine untergeordnete Rolle spielten. So führte ein kurrzeitiger 'Überfluss' an Edelmetallen nach dem Schlachtgeschehen zu einer sehr selektiven Plünderungspraxis."
Hanel/Willer liefern das Gegenargument gegen diese besondere Form der selektiven Plünderung gleich mit: "Das Silberblech hätte zu einem späteren Zeitpunkt in Ruhe entfernt werden können."
Aufgrund dessen halte ich die Möglichkeit einer rituellen Zerstörung auch für gegeben. So schwer und sperrig kann die Gesichtsmaske nicht gewesen sein, dass man sie nicht im Ganzen mitgenommen hätte.
Auf der anderen Seite scheint es wiederum eine Art Sammelplätze gegeben haben, vielleicht ist die Maske also doch ein Zeugnis davon, dass auf den Schlachtfeld das Metall sofort sortiert wurde.
 
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