Homosexualität bei den alten Griechen

Hm, ich mag völlig falsch liegen, aber ich vermute, dass zu dieser Akzeptanz erst die Kultur fähig ist.

Gehen wir von den frühen Zeiten aus, in der die menschliche Population noch gering war. Würde eine homosexuelle Beziehung nicht die in dem fall knappe Ressource 'Mann' für eine Wohngemeinschaft verringern, die in ihrem Urzustand komplett auf das Überleben und die Fortplanzung ausgelegt war? Es würde also demnach geächtet werden.

Das ist nur eine Idee, überprüfen könnten das die Zoologen. Wie verhält sich zum beispiel ein Rudel Wölfe zu einem Individuum, das homosexuelle Verhaltensweisen zeigt?

Das Beispiel eines Wolfsrudels ist etwas unglücklich gewählt. Wenn wir uns aber das Sexualverhalten von Primaten ansehen, könnten wir vielleicht eher Rückschlüsse auf unsere "vorkulturellen" Vorfahren ziehen. Die Bonobos bauen z. B. durch Sex soziale Spannungen ab. Er dient auch als "Währung" zum Erwerb von Futter. Dabei spielen Alter, Rang und Geschlecht keine Rolle.

In der Frühzeit der Menschheit war, so glaube ich, nicht jedes Spermium heilig und ausschließlich zur Fortpflanzung gedacht. Das kam erst später.
 
Das ist nur eine Idee, überprüfen könnten das die Zoologen. Wie verhält sich zum beispiel ein Rudel Wölfe zu einem Individuum, das homosexuelle Verhaltensweisen zeigt?
Es ist schön, dass Du gerade die Wölfe als Beispiel bringst. Allerdings verhält es sich bei ihnen genau ungekehrt als Du vermutest. Im Rudel dürfen sich ausschließlich zwei Tiere paaren. Der Alphawolf und die Alphawölfin. Bei den restlichen männlichen Tieren finden häufig gleichgeschlechtliche Paarungen statt, da ihnen der Zugang zu den anderen Wölfinnen verwehrt ist.
Auch bei unseren nächsten Verwanden, den Bonobos (Zwergschimpansen) ist Homo-und Bisexualität an der Tagesordnung. Dort hilft sie Agressionen abzubauen und Streitigkeiten zwischen den Tieren zu verhindern.
Da haben sich wohl unsere Antworten etwas überschnitten
 
Stimmt, schlechtes Beispiel Wolfsrudel. Ich hatte nur die Soziale Struktur im Auge und nicht das Fortplanzungsverhalten.

Die Ausführungen richtung Affen-Verhalten lässt dann einige rückschlüsse zu.

In der tat scheint es dann wohl erst die Kultur zu sein, die es überhaupt zulässt, darüber zu reflektieren und es entsprechend zu bevorzugen/abzulehnen. Das war also vermutlich in der Frühphase bis weit richtung Antike nicht der Fall.
 
In der tat scheint es dann wohl erst die Kultur zu sein, die es überhaupt zulässt, darüber zu reflektieren und es entsprechend zu bevorzugen/abzulehnen. Das war also vermutlich in der Frühphase bis weit richtung Antike nicht der Fall.
Auch in der Antike scheint mir der Umgang mit der Homosexualität nicht überall gleich gewesen zu sein. So war es bei den Römern nie in dem gleichen Maße wie bei den Griechen akzeptiert. Es galt zwar nicht als Verbrechen, wurde auch heftig praktiziert, war aber doch etwas anrüchig. Solch freizügige, bildnerische Darstellungen homoerotischer Situationen wie bei den Griechen sind mir von den Römern nicht bekannt. Auch wird es in den Kaiserbiographien von Sueton eher negativ gewertet wenn ein Herrscher gleichgeschlechtlich veranlagt ist.
 
Wenn wir uns aber das Sexualverhalten von Primaten ansehen, könnten wir vielleicht eher Rückschlüsse auf unsere "vorkulturellen" Vorfahren ziehen. Die Bonobos bauen z. B. durch Sex soziale Spannungen ab. Er dient auch als "Währung" zum Erwerb von Futter. Dabei spielen Alter, Rang und Geschlecht keine Rolle.

Auch bei unseren nächsten Verwanden, den Bonobos (Zwergschimpansen) ist Homo-und Bisexualität an der Tagesordnung. Dort hilft sie Agressionen abzubauen und Streitigkeiten zwischen den Tieren zu verhindern.

Das ist doch arg reduziert! Andere Affenarten, selbst andere Schimpansenarten, haben ein ganz anderes Rollen- und Sozialverhalten.
 
Das stimmt natürlich aber gerade Schimpansen sind uns in einer anderen Hinsicht sehr ähnlich. Sie schrecken nicht vor Mord an Hordenangehörigen zurück.

Stelle ich gar nicht in Abrede. Allerdings: Während der Gemeine Schimpanse zu Gewalttaten neigt, u.a. jagen aus Spaß, neigt der Zwergschimpanse Probleme mit sexueller Interaktion zu lösen. Wir können nun entweder feststellen, dass dieses Verhalten keine Rückschlüsse auf den Menschen zulässt, weil trotz naher Verwandtschaft (Gemeiner Schimpanse, Zwergschimpanse) zu verschieden, oder wir können uns aussuchen, was wir gerade brauchen. Ist halt die Frage, was methodisch sinnvoller ist.
 
Hm, ich mag völlig falsch liegen, aber ich vermute, dass zu dieser Akzeptanz erst die Kultur fähig ist.

Gehen wir von den frühen Zeiten aus, in der die menschliche Population noch gering war. Würde eine homosexuelle Beziehung nicht die in dem fall knappe Ressource 'Mann' für eine Wohngemeinschaft verringern, die in ihrem Urzustand komplett auf das Überleben und die Fortplanzung ausgelegt war? Es würde also demnach geächtet werden.

Normal war im antiken Griechenland die Bisexualität (zumindest bei Männern); neben den angesprochenen sexuellen Konktakten zwischen Männern war die Ehe mit einer Frau zum Zwecke der Zeugung von (ehelichem) Nachwuchs Normalität.

Ich bin mir nicht sicher, aber die Weigerung zu einer solchen Ehe könnte auch für einen griechischen Mann das gesellschaftliche Ende sein. Zumindest aus dem römischen Reich gibt es mWn Beispiele, die Männer und Frauen bei Ehelosigkeit bestraften.

Ganz im Gegensatz dazu stehen Wildbeuter-Gesellschafter, die unbedingt darauf angwiesen sind, ihre Zahl konstant zu halten, um das Revier nicht übermäßig zu beanspruchen. Das "Seid fruchtbar und mehret Euch!" ist eine Sache von auf Ackerbau beruhenden Gesellschaften.

Das ist nur eine Idee, überprüfen könnten das die Zoologen. Wie verhält sich zum beispiel ein Rudel Wölfe zu einem Individuum, das homosexuelle Verhaltensweisen zeigt?

Das dürfte weitestgehend uninteressant sein, da Wölfe nun mal keine Menschen sind. Gerade in sexuellen Fragen dürfte die Unterschiede zwischen den Spezies ausgepsrochen groß sein.

Unsere nächsten Verwandten (Bonobos und Schimpansen) unterscheiden sich untereinander vor allem durch ihre Sexualität. Zumindest die Bonobos haben keinerlei Schwierigkeiten mit homoerotischem Verhalten, ganz im Gegenteil...
 
Ich denke auch, dass uns hierbei unsere sozial doch sehr weit entfernten Tierverwandten nicht viele Rückschlüsse erlauben.

Wenn wir uns mal die Bisexualität ansehen, es muss doch einen Grund geben, warum diese in Athen bzw. in Griechenland generell weitgehend akzeptiert war, solange der Mann sonst alles korrekt macht (also sich fortpflanzt, usw.), es hingegen in Rom und vielen anderen Gesellschaften eher verpönt war. Und das trotz der großen Begeisterung für die griechische Lebensweise und der Übernahme fast aller kulturellen Inhalte..

Können die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Römern und Griechen dafür verantwortlich sein? Wenn ja, welche genau?
Wäre ein Schluss von imperialistischen Bestrebungen, Kultusauslebung, oder vielleicht sogar von "negativen Erfahrungen" durch der bei den Etruskern ausgelebten Bisexualität, zu simpel?

Vielleicht verhinderte die Abneigung gegenüber dem feindlichen Volk der Etrusker und gegenüber vieler ihrer Angewohnheiten (wie eben auch "zügelloserer" Umgang mit (Bi)Sexualität) die Einfuhr dieser "griechischen Praxis". Könnte ja gut sein, dass sie diese Angewohnheiten eben deshalb nicht wie sonst im Kunstbereich u.v.m. in Rom reproduzieren wollten.
 
Ich denke auch, dass uns hierbei unsere sozial doch sehr weit entfernten Tierverwandten nicht viele Rückschlüsse erlauben.

Wenn wir uns mal die Bisexualität ansehen, es muss doch einen Grund geben, warum diese in Athen bzw. in Griechenland generell weitgehend akzeptiert war, solange der Mann sonst alles korrekt macht (also sich fortpflanzt, usw.), es hingegen in Rom und vielen anderen Gesellschaften eher verpönt war. Und das trotz der großen Begeisterung für die griechische Lebensweise und der Übernahme fast aller kulturellen Inhalte..

Können die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Römern und Griechen dafür verantwortlich sein? Wenn ja, welche genau?
Wäre ein Schluss von imperialistischen Bestrebungen, Kultusauslebung, oder vielleicht sogar von "negativen Erfahrungen" durch der bei den Etruskern ausgelebten Bisexualität, zu simpel?

Vielleicht verhinderte die Abneigung gegenüber dem feindlichen Volk der Etrusker und gegenüber vieler ihrer Angewohnheiten (wie eben auch "zügelloserer" Umgang mit (Bi)Sexualität) die Einfuhr dieser "griechischen Praxis". Könnte ja gut sein, dass sie diese Angewohnheiten eben deshalb nicht wie sonst im Kunstbereich u.v.m. in Rom reproduzieren wollten.


Es ist vielleicht etwas sehr "biologistisch" aber eine Differenz ist, dass die griechischen Polis oft von Überbevölkerung bedroht waren, was man z.B. durch die gelegentliche Abwanderung und Gründung von Kolonien begegnete. Dieses war aber m.W. nur begrenzt möglich. Die Griechen wanderten ja anscheinend nicht gern ab, und die Kontigente die dieses tum mussten, waren nicht immer freiwillig.

Rom expandierte jedoch permanent und hatte kein Problem mit seinen Bevölkerungsüberschüssen.
 
Wir können nun entweder feststellen, dass dieses Verhalten keine Rückschlüsse auf den Menschen zulässt, weil trotz naher Verwandtschaft (Gemeiner Schimpanse, Zwergschimpanse) zu verschieden, oder wir können uns aussuchen, was wir gerade brauchen. Ist halt die Frage, was methodisch sinnvoller ist.
Ich bin auch nicht der Meinung dass das Verhalten bestimmter Arten auf menschliches Verhalten Rückschlüsse zulässt. Es war nur eine Antwort auf Skys Vermutung dass Homosexualität im Tierreich nicht akzeptiert ist.
 
Gehen wir von den frühen Zeiten aus, in der die menschliche Population noch gering war. Würde eine homosexuelle Beziehung nicht die in dem fall knappe Ressource 'Mann' für eine Wohngemeinschaft verringern, die in ihrem Urzustand komplett auf das Überleben und die Fortplanzung ausgelegt war? Es würde also demnach geächtet werden.
Die "knappe Ressource Mann" gibt es in frühen Gesellschaften nur in Bezug auf dessen Tätigkeit als Jäger/Krieger etc.
Fortpflanzen muß sich aber nicht jeder Mann - Vielweiberei oder Promiskuität reichen, um das Fortpflanzungsmaximum hinzubekommen.
 
Auch in der Antike scheint mir der Umgang mit der Homosexualität nicht überall gleich gewesen zu sein. So war es bei den Römern nie in dem gleichen Maße wie bei den Griechen akzeptiert. Es galt zwar nicht als Verbrechen, wurde auch heftig praktiziert, war aber doch etwas anrüchig. Solch freizügige, bildnerische Darstellungen homoerotischer Situationen wie bei den Griechen sind mir von den Römern nicht bekannt. Auch wird es in den Kaiserbiographien von Sueton eher negativ gewertet wenn ein Herrscher gleichgeschlechtlich veranlagt ist.

Die sehr freizügigen Bilder mit sexuellen Praktiken stammen aber fast ausschließlich aus einem relativ kurzen Zeitraum am Ende der Archaik.

Auch in Griechenland war Homosexualität teilweise offiziell anrüchig, in bestimmten, meist ionischen, Staaten mehr als in anderen. Bei manchen Philosophen und Schriftstellern, z.B. Platon oder Aristoteles, hatte sie einen negativen Beigeschmack, sofern es nicht die geistige Beziehung betraf und/oder den vorgegebenen athenischen gekünstelten Formen entsprach. Es bestand ja immer die Gefahr, daß der als Krieger und Bürger auf Siegertyp gebürstete Mann in den Ruf schwächlicher Hingabe geriet. Interessant ist hier z.B. auch, wie sich Poseidonios, der für ein römisch-griechisches Publikum schrieb, über homosexuelle Praktiken bei den Kelten aufregt.
 
Interessant, könnte also die prinzipielle Öffnung einer Gesellschaft zur idealisierten Homosexualität durch die leichte Überbevölkerung begonnen haben? Oder sind das zwei getrennte paar Schuhe und entstand eher aufgrund komplexer kultureller Vorgänge und Entwicklungen über lange Zeiträume hin?

Interessant ist, dass dies überhaupt möglich war, idealisiert zu werden.
Die meiste Zeit wurde wohl jeder Homosexuelle komisch angeschaut, auch wenn er sonst noch eine Frau hat und tapfer im Krieg gekämpft hätte.
Da muss doch etwas passiert sein, warum aufeinmal dann eine Homosexualität gepaart mit den verklärten Werten und dem Ideal der Paideia nichts Negatives mehr darstellte..

Sicher werden wir das wohl nie herausfinden.

Kennt übrigens jemand von euch das Werk "Paideia" von Werner Jäger?
Hab das in der Bib. entdeckt und wollte es mir ausleihen, wenn da was zum Thema zu finden ist? Höchstwahrscheinlich schon, aber wenn jemand von euch da genauere Infos dazu hat, würde ich mich freuen.
 
Interessant, könnte also die prinzipielle Öffnung einer Gesellschaft zur idealisierten Homosexualität durch die leichte Überbevölkerung begonnen haben? Oder sind das zwei getrennte paar Schuhe und entstand eher aufgrund komplexer kultureller Vorgänge und Entwicklungen über lange Zeiträume hin?

Ich halte diese Idee von bdaian zwar für interessant, aber deswegen nicht für plausibel. Ich erinnere an den berühmten Satz des Demosthenes:

"Wir haben die Huren (hetairas) für die Lust, die Nebenfrauen (pallakas) zur täglichen Pflege des Körpers, die Ehefrauen (gynaikas) aber dazu, um uns legitime Kinder zu gebären und den Haushalt verlässlich in Ordnung zu halten."
Die Griechen werden sich, was Verhütung anging, zu helfen gewusst haben. Mit Fischblasen, Schafdarm oder Lederkondomen.
 
Eine große Überbevölkerung kann ich mir nicht richtig vorstellen. Die Kindersterblichkeit dürfte im antiken Griechenland kaum niedriger gewesen sein als im Rest der Welt. Auch die Bekämpfung von heute gut behandelbaren Krankheiten war nicht immer gegeben, Kriege dezimierten die Population, so dass die Bevölkerungszahlen ständig nach oben und unten geschwankt haben.
Wenn überbevölkerte Länder plötzlich auf Homosexualität umschwenken würden oder die Akzeptanz dafür steigen würde so wäre dieses Phänomen doch heute auch in Ländern wie Indien, China oder vielen afrikanischen Ländern zu beobachten. Stattdessen werden Homosexuelle nach wie vor in vielen dieser Länder verfolgt.
 
Eine große Überbevölkerung kann ich mir nicht richtig vorstellen.
Das ist diskutiert worden, die Übervölkerung wird aber inzwischen als erwiesen angesehen; vgl. Recht und Rationalität im frühen ... - Google Bücher

Mit den weiteren Hinweisen hast Du recht.

Mit Fischblasen, Schafdarm oder Lederkondomen.
Fürs klassische Griechenland gibt es keine Hinweise auf Kondome. Soweit mechanische Mittel in Frage kamen, hatte - Überraschung! - die Frau entsprechende Vorkehrungen zu treffen; vgl. Lust ohne Last: Geschichte der ... - Google Bücher
 
Solche Überlegungen wie Bekämpfung der Überbevölkerung erscheinen mir wenig wahrscheinlich zu sein. Das setzt ein biologistisches Denken voraus, das man für alte Zeiten nicht unbedingt annehmen kann. Außerdem diente die homosexuelle Betätigung nicht dem Ersatz, sondern wurde neben dem heterosexuellen Sex praktiziert, außer sicherlich von biologisch hundertprozentigen Homosexuellen.

Sexualität in der Antike war stark von Machtfragen beeinflußt. Praxis und individuelle Gefühle waren sicher nicht viel anders als heute, aber die nach außen herrschende Sexualmoral war anders. Der Mann stand im Mittelpunkt und zunächst war es nicht sonderlich wichtig, wen er sich für die Befriedigung der Sexualität hernahm, Frau oder Mann, solange er nicht der passive Teil war. Dazu kamen zahlreiche geistige Überprägungen, um bestimmte Formen von Beziehungen zu rechtfertigen und in die Gesellschaft einzubetten.

Man sollte daher am besten von einer eher bisexuell geprägten Gesellschaft reden.
 
Eine große Überbevölkerung kann ich mir nicht richtig vorstellen.

Natürlich gab es Phasen in der Antike, in der es in Hellas eine nicht unbedeutende Überbevölkerung gab; die Siedler, die im gesamten Mittelmeerraum Städte gründeten, sind da ein deutlicher Hinweis... ;)

Ich sehe aber keinerlei Zusammenhang zwischen Homosexualität und Bevölkerungswachstum; bzw halte das für ein Phänomen, dass nur in der Literatur vorkommt...
 
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