Verfemte im Mittelalter

Am Rande der mittelalterlichen Gesellschaft stand der Henker. Er war nicht nur für die Hinrichtungen, Leibes- und Ehrenstrafen, sowie die Folter zuständig, sondern auch für das vergraben von verendeten Tieren und das entleeren der Toiletten.
In größeren Städten beaufsichtigte er Personen die solche niedrigen Arbeiten verrichten mußten.
Er lebte am Rande der Stadt, nicht selten in unmittelbarer Nähe zum Bordell. Er verdiente dabei ein Zugeld als "Hurenwirt", sorgte aber gleichzeitig für die Sauberkeit und Gesundheit der "Hübschlerinnen".
Bei aller gesellschaftlicher Ablehnung schlichen doch bei Nacht Menschen zu ihm, um sich Knochenstückchen, Leichenfett o.ä. zu besorgen.

Die "Hübschlerinnen", oder auch Dirnen, lebten ebenfalls gesondert. Das Bordell einer Stadt unterstand dem Rat und wurde vom Scharfrichter beaufsichtigt. Die Damen mussten zwar eine bestimmte Summe Geldes entrichten, galten aber als freie Frauen und durften die Kirche besuchen. Bei hohen Besuchen oder Festlichkeiten wurden sie auf Kosten der Stadt neu eingekleidet.

Die Türmer galten als ehrlos, obwohl sie für die Stadtverteidigung wichtig waren.
Auch Schäfer galten als unehrlich. Warum dass so war, hat die Forschung bis heute nicht belegen können.
Müller galten ebenfalls als ehrlos. Sie betrieben Ihr Gewerbe häufig ausserhalb der Städte an Bachläufen, außerdem wurde ein Mühlrad ohne Nägel gefertigt, also verfugt. Sie wurden daher der Magie verdächtigt.

Schneider galten auch als ehrlos, da sie verdächtigt wurden, von den Stoffen zu stehlen oder mehr zu berechnen.
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Der Henker I.
Weil der Henker natürlich in enger Beziehung zur Henkersmahlzeit steht, schreibe ich über den Henker noch ein paar Informationen.

Das Bild des Henkers, so wie wir es heute vor Augen haben, entstammt vorwiegend der wild-romantischen Vorstellung des 19.Jahrhunderts: der hochgewachsene, düstere Mann, in Schwarz gekleidet, das Richtschwert in der Hand. Der Mann, der ein wohliges Grausen über den Rücken jagt, auf Grund seiner muskulösen Erscheinung ein heimlicher Frauenschwarm und Frauenverführer.

Doch nichts an dieser wild-romantischen Darstellung, die sehr wohl erotische Untertöne enthält entspricht der Realität.

Der Henker war, wie bereits erwähnt, ein wichtiger Mann in der städtischen Gesellschaft und der Meister seines Fachs. Er stand seinen Gesellen, darunter dem Zuchtmeister, vor und auch den Lehrlingen. Das waren in der Regel Familienangehörige, Verwandte oder Kinder aus anderen Henkersfamilien. Diese Familien, besser Sippen, waren in der Regel über Heirat untereinander verwandt: sie nannten sich "Vetter" und veranstalteten u.a. regelmäßige Zusammenkünfte, bei denen Erfahrungen ausgetauscht wurden.
 
Die Aufgaben des Henkers waren vielfältig: angefangen von der Wasenmeisterei,die Reiningung der Toiletten und die Aufsicht über das städtische Bordell.
Sowie die Ausführung der vielfältigen Ehren- und Leibesstrafen, dazu gehörte auch die Folter. Paradox: nach der Folter mußte der Henker den Gefolterte heilkundliche Pflege, angefangen von Salben bis zum einrichten der Knochen angedeihen lassen. Und zwar solange, bis der Mensch in der Lage war, weitere Folterungen über sich ergehen zu lassen.
Die Todesstrafe in ihren verschiedenen Formen bildete im Alltag eher die Ausnahme.
Manche Henker betrieben, um ihre Einnahmen zu erhöhen, sogar ein Gasthaus.
Es war auch durchaus üblich, den städtischen Scharfrichter an andere Gemeinden quasi zu vermieten, gegen ein saftiges Geld natürlich.

Die Kleidung des Henkers war vorgeschrieben, aber keinesfalls nur schwarz. Grün und rot wurden oft dazu verwendet. Man spricht zwar davon, dass die Kleidung dazu diente, die Begegnung mit dem Scharfrichter zu vermeiden, aber ich sehe es eher als die Bekleidung eines städtischen Bediensteten, der er im Grunde war.
Seine Frau und seine Familie unterlag keinem Kleiderzwang. Scharfrichter, die über ein gutes Einkommen verfügten, ermöglichten ihren Frauen teure Kleidung.

Das Scharfrichterhaus lag auch nicht immer außerhalb der Stadtmauern. In der Regel befand es sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum städt. Bordell und wurde von der Stadt gestellt. Dazu gehörte auch in der Regel eine große Wiese, um sein Vieh weiden zu lassen. Es wurde ihm auch gestattet, die gemeineeigennen Obstgärten und Wiesen zu nutzen. Dazu kam auch noch eine ansehnliche Menge Brennholz. Entlohnt wurde er auch in Geld, ausbezahlt nach einer genauen Gebührenordnung.
 
Der Henker III.

Ob es dem Scharfrichter tatsächlich verwehrt war, die Kirche zu besuchen, darüber ist sich die Forschung nicht ganz schlüssig. Es wird heute vermutet, dass dies stark mit der Person des Henkers verbunden war, d.h. ein Grobian, der sich brutal verhielt, mußte wohl eher vor der Kirche stehen.
Jedenfalls war es in der Regel so, dass die Scharfrichter ebenso kirchlich heirateten und ihre Kinder taufen ließen wie andere Bürger auch.
Manche Städte oder Standesherrschaften verlangten vom Scharfrichter sogar einen Beichtzettel, um sicherzustellen, dass er seine kirchlichen Pflichten nicht vernachlässigte. Es gibt sogar den historisch verbürgten Bericht, in dem ein Franziskaneroberer die Beichte des Scharfrichters hörte. Daraufhin wurde von anderen Priestern gegen ihn gehetzt. Die Franziskaner gingen dann kurzerhand ins Scharfrichterhaus, hüllten den Verstorbenen in eine Franziskanerkutte und setzten ihn im Kreuzgang ihres Klosters bei. Das galt als eine Ehre, um die sich sogar Könige bewarben!

Das Verhalten der Bevölkerung gegenüber dem Scharfrichter war doppelgesichtig:
auf der einen Seite vermied man beinahe ängstlich am Tage das Zusammentreffen mit ihm, doch in der Nacht schlichen sich viele zu ihm. Dort wurden dann Salben gekauft, Knochen eingerenkt; auch "magische" Dinge, wie etwa der Strick an dem der Verurteile gebaumelt hatte oder Haare desselben gekauft. Die Scharfrichterin verkaufte Seife aus Tierknochen, die Herstellung der Seife brachte wegen Geruchsbelästigung dem Henker von Wien Ärger ein, die Tochter, Musche genannt, legte in der Regel Karten.
 
Die Gebührenordnung des Scharfrichtes war von Stadt zu Stadt verschieden.
In Österreich wurde unter Maria Theresia allerdings eine allgemein verbindliche Gebührenordnung festgesetzt.
Einige Beispiele:

vorzeigen der Schnüre und Instrumente 15 Kreuzer

peinliche Frage 15 Minuten 15 Kreuzer
1 Stunde 1 Gulden

abhauen der Hand 30 Kreuzer

Errichtung des Scheiterhaufens 45 Kreuzer

usw.

In meiner Heimatstadt gab es für den Scharfrichter einige geradezu modern anmutende Bestimmungen:

Anstellung per Vertrag, mit beiderseitiger 1/4jährlicher Kündigungsfrist

Bezahlung in Geld (fester Betrag), Sachleistungen (z.B. Holz, Wein,etc.), Einnahmen aus den Gebühren

Bezug des Amtshauses

Urlaub (nach Absprache) um Angehörige besuchen zu können

Erlaubnis, vier Hunde und zwei Pferde halten zu dürfen (Privatgebrauch)

Erlaubnis, als Tierarzt zu arbeiten

Es wurde außerdem überprüft, ob er und seine Familie den Kirchenpflichten nachkam.


Quelle: Stadtarchiv Memmingen
 
Die Aufgaben des Henkers waren vielfältig: angefangen von der Wasenmeisterei,die Reiningung der Toiletten und die Aufsicht über das städtische Bordell.
Sowie die Ausführung der vielfältigen Ehren- und Leibesstrafen, dazu gehörte auch die Folter. Paradox: nach der Folter mußte der Henker den Gefolterte heilkundliche Pflege, angefangen von Salben bis zum einrichten der Knochen angedeihen lassen. Und zwar solange, bis der Mensch in der Lage war, weitere Folterungen über sich ergehen zu lassen.
Die Todesstrafe in ihren verschiedenen Formen bildete im Alltag eher die Ausnahme.
Manche Henker betrieben, um ihre Einnahmen zu erhöhen, sogar ein Gasthaus.
Es war auch durchaus üblich, den städtischen Scharfrichter an andere Gemeinden quasi zu vermieten, gegen ein saftiges Geld natürlich.



Die Kleidung des Henkers war vorgeschrieben, aber keinesfalls nur schwarz. Grün und rot wurden oft dazu verwendet. Man spricht zwar davon, dass die Kleidung dazu diente, die Begegnung mit dem Scharfrichter zu vermeiden, aber ich sehe es eher als die Bekleidung eines städtischen Bediensteten, der er im Grunde war.
Seine Frau und seine Familie unterlag keinem Kleiderzwang. Scharfrichter, die über ein gutes Einkommen verfügten, ermöglichten ihren Frauen teure Kleidung.

Das Scharfrichterhaus lag auch nicht immer außerhalb der Stadtmauern. In der Regel befand es sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum städt. Bordell und wurde von der Stadt gestellt. Dazu gehörte auch in der Regel eine große Wiese, um sein Vieh weiden zu lassen. Es wurde ihm auch gestattet, die gemeineeigennen Obstgärten und Wiesen zu nutzen. Dazu kam auch noch eine ansehnliche Menge Brennholz. Entlohnt wurde er auch in Geld, ausbezahlt nach einer genauen Gebührenordnung.

Die meisten Scharfrichter, die eine festbesoldete Stelle bekleideten, konnten es zu Wohlstand bringen, wobei der "Stücklohn" für Exekutionen und Folterungen vermutlich weit weniger einbrachte, als die Tätigkeit als viel konsultierte Veterinäre und Heilpraktiker. Wegen ihrer anatomischen Kenntnisse waren viele Scharfrichter überaus geschickt, und es musste der Scharfrichter ja einen Delinquenten nach der Tortur gesund pflegen, um ihn möglichst erbaulich zum Tode zu bringen. Ein Dlinquent der vorher verstarb, war eine Blamage für die Obrigkeit, ebenso wie eine verpatzte Hinrichtung des Henkers.

Es forderte dieser Job nicht nur eiserne Nerven, sondern auch große Gschicklichkeit und Körperkraft. Es ist von vielen Henkern überliefert, dass sie den Druck nur mit Akohol aushielten. Der Scharfrichter war der Mensch, mit dem der "arme Sünder" am häufigsten Umgang in seinen letzten Tagen hatte, und bei einer erfolgreichen, "erbaulichen" Exekution war es sehr wichtig, dass der/die Delinquentin mitspielte, vor allem wenn die Hinrichtung mit dem Schwert erfolgte. Ein Verurteilter der hysterisch schrie, nicht stillhielt, machte die Angelegenheit auch für den henker schwierig, der eine verpatzte Hinrichtung nicht nur nicht bezahlt bekam, sondern noch befürchten musste, von der Menge misshandelt oder gelyncht zu werden.
 
Am Rande der mittelalterlichen Gesellschaft stand der Henker. Er war nicht nur für die Hinrichtungen, Leibes- und Ehrenstrafen, sowie die Folter zuständig, sondern auch für das vergraben von verendeten Tieren und das entleeren der Toiletten.
In größeren Städten beaufsichtigte er Personen die solche niedrigen Arbeiten verrichten mußten.
Er lebte am Rande der Stadt, nicht selten in unmittelbarer Nähe zum Bordell. Er verdiente dabei ein Zugeld als "Hurenwirt", sorgte aber gleichzeitig für die Sauberkeit und Gesundheit der "Hübschlerinnen".
Bei aller gesellschaftlicher Ablehnung schlichen doch bei Nacht Menschen zu ihm, um sich Knochenstückchen, Leichenfett o.ä. zu besorgen.

Die "Hübschlerinnen", oder auch Dirnen, lebten ebenfalls gesondert. Das Bordell einer Stadt unterstand dem Rat und wurde vom Scharfrichter beaufsichtigt. Die Damen mussten zwar eine bestimmte Summe Geldes entrichten, galten aber als freie Frauen und durften die Kirche besuchen. Bei hohen Besuchen oder Festlichkeiten wurden sie auf Kosten der Stadt neu eingekleidet.

Die Türmer galten als ehrlos, obwohl sie für die Stadtverteidigung wichtig waren.
Auch Schäfer galten als unehrlich. Warum dass so war, hat die Forschung bis heute nicht belegen können.
Müller galten ebenfalls als ehrlos. Sie betrieben Ihr Gewerbe häufig ausserhalb der Städte an Bachläufen, außerdem wurde ein Mühlrad ohne Nägel gefertigt, also verfugt. Sie wurden daher der Magie verdächtigt.

Schneider galten auch als ehrlos, da sie verdächtigt wurden, von den Stoffen zu stehlen oder mehr zu berechnen.
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Neben Henkern, Abdeckern, Prostituierten, Angehörigen des fahrenden Volks, zählten auch Müller, Schäfer oder Leineweber mancherorts als "unehrliche Gewerbe" Dass aber Schneider dazu zählten, wäre mir neu.


"Unehrlichkeit" und "Ehrlosigkeit" sollten nicht vermengt werden. Unehrlichkeit bezeichnet eine soziale, keine moralische oder juristische Etikettierung.

Es konnte ein Herr X, Scharfrichter sein, womit er ein "unehrliches Gewerbe" ausübte, aber keineswegs "ehrlos" wurde. Es war ein solcher Mensch nicht rechtlos, und er konnte sich juristisch dagegen zur Wehr setzen, wenn seine Ehre angegriffen wurde, wenn er beschuldigt wurde, wirkungslose Präparate zu überhöhtem Preis verkaufte. Es waren auch die "unehrlichen Berufe" trotz Diskriminierungen in die frühneuzeitliche Gesellschaft integriert, was die Angehörigen des fahrenden Volks, die Gauner und Vaganten nicht waren, die als "herrenloses Gesindel" jeden Rechtsschutz verloren und wie die Zigeuner de facto rechtlos waren.

Gleiches galt oder gilt für Strafgefangene, denen heute noch die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen werden, mochte auch das Zeitalter den Aufklärung die Resozialisierung des Delinquenten entdeckt haben.
 
@Scorpio: super, danke für Deine informativen Beiträge. Weißt Du noch mehr? Ich würde mich freuen, noch mehr zu lesen :)

In meiner Heimatstadt durfen die Scharfrichter immer als Tierärzte arbeiten.
Wenn sie jedoch ihre Kenntnisse Menschen angedeihen ließen, gab´s in der Regel großen Ärger, bis hin zur fristlosen Entlassung.
Viele gute Ärzte gingen später aus den Scharfrichterfamilien hervor.
 
Manche Henker betrieben, um ihre Einnahmen zu erhöhen, sogar ein Gasthaus.

Kannst du dazu eine Quelle nennen?
Ich glaube gelesen zu haben, das Scharfrichter/Henker in Gasthäusern nur aus für sie bestimmten Trinkgefäßen trinken durften und das man sich nicht gerade an ihrer Gesellschaft erfreute. Sprich keiner wollte an ihrem Tisch sitzen.
Ich geb ja zu, das eine eigene Kneipe diesen Umstand klever umging,
aber wenn schon niemand mit ihnen an einem Tisch sitzen wollte (ausser Kollegen), warum dann das von ihnen ausgeschenkte Bier trinken.
Oder waren diese Henker nur Besitzer, die andere arbeiten ließen?
 
@Sascha66: sicher! Koch, Tankred " Geschichte der Scharfrichter", Seite 171,
" Um 1699 wurde dem Meister Matheus Fux in Memmingen - wohl als Altenteil - eine Schenke bewilligt."

Es muß auch immer so gesehen werden, dass Scharfrichter "ehrlich" gemacht werden konnten. Bekannte Beispiele dafür sind Frantz Schmidt aus Nürnberg ( er erreichte dass Kindsmörderinnen nicht mehr ertränkt, sondern mit dem Schwert enthauptet wurden), der sich danach ein schönes Bürgerhaus baute; auch Valten Ma(l)tz aus Hamburg, der sich ein Haus baute und sich als hervorragender Tierarzt betätigte.
 
Kein Problem, helfe gerne weiter :)

Kann zwar sein, dass der Thementitel unglücklich gewählt wurde, aber ich denke, dass die Beiträge Informationen enthalten, die für den einen oder anderen interessant sein könnten.

Wir wollen unser Wissen doch teilen...
 
Zuletzt bearbeitet:
@Sascha66: sicher! Koch, Tankred " Geschichte der Scharfrichter", Seite 171,
" Um 1699 wurde dem Meister Matheus Fux in Memmingen - wohl als Altenteil - eine Schenke bewilligt."

Es muß auch immer so gesehen werden, dass Scharfrichter "ehrlich" gemacht werden konnten. Bekannte Beispiele dafür sind Frantz Schmidt aus Nürnberg ( er erreichte dass Kindsmörderinnen nicht mehr ertränkt, sondern mit dem Schwert enthauptet wurden), der sich danach ein schönes Bürgerhaus baute; auch Valten Ma(l)tz aus Hamburg, der sich ein Haus baute und sich als hervorragender Tierarzt betätigte.


Meister Franz Schmidt aus Nürnberg hinterließ ein Tagebuch, in dem er akribisch alle Leib- und Lebensstrafen auflistete, die er vollzog. Es handelt sich dabei um eine rechts- und kulturgeschichtliche Quelle von höchstem Rang. Schmidt setzte seinerzeit tatsächlich die Enthauptung zweier Kindsmörderinnen mit dem Schwert durch, die zuvor in Nürnberg ersäuft wurden. Gegner dieser Praxis argumentierten übrigens, dass Delinquentinnen durch hysterisches Verhalten eine Missrichtung verursachen könnten, doch Franz Schmidt hatte offenbar genug Vertrauen zu seiner Geschicklichkeit.

Dass Schmidt oder ein anderer namhafter Kollege öffentlich resozialisiert und ehrlich erklärt worden wäre, ist mir allerdings neu.

Es fanden die Scharfrichter aber schon recht früh prominente Fürsprecher, die die Notwendigkeit des Scharfrichteramts anerkannten und die Stigmatisierung der Henker abgeschafft wünschten, darunter auch Martin Luther, der den "Meister Hans" als "braven Mann" bezeichnete, dessen Handwerk bereits in der Bibel beschrieben wurde.

Ein eigenes Ritual der "Ehrlichmachung" war allerdings in den absolutistischen Armeen vorgesehen, wenn ein Angehöriger eines verfemten Berufes in die Armee aufgenommen wurde. Ein solcher Bewerber musste vor versammelter Mannschaft mit einem weißen Hut in der Hand vor den Regimentskommandeur und den Profoss treten und wurde nach einem formalisierten Dialog in die Truppe aufgenommen. Es durfte künftig bei Strafe des Spießrutenlaufens kein Soldat einem solchen Rekruten seine "unehrliche Herkunft vorhalten".

Auf einen anderen, skurilen Fund stieß ich bei der Materialsammlung für meine Magisterarbeit. In Marburg verstarb 1807 in der Haft der Gefangene Salomon Jacob, bei dem es sich in Wirklichkeit um den berüchtigten Räuber Abraham Picard handelte. Dieser hatte niemals gestanden und wurde nach seinem Ableben unter dem Galgen begraben. Die jüdische Gemeinde kaufte den Leichnam frei, sorgte für rituelle Bestattung, und da der Delinquent nie gestanden hatte, musste sein leichnam "ehrlich gemacht "werden". Dafür musste der Verstorbene exhumiert und von einem Mitglied des peinlichen gerichts, berührt und für "ehrlich erklärt werden.
 
Es fanden die Scharfrichter aber schon recht früh prominente Fürsprecher, die die Notwendigkeit des Scharfrichteramts anerkannten und die Stigmatisierung der Henker abgeschafft wünschten, darunter auch Martin Luther, der den "Meister Hans" als "braven Mann" bezeichnete, dessen Handwerk bereits in der Bibel beschrieben wurde.

War das notwendig die Notwendigkeit des Amtes anzuerkennen? Das lag doch aus mittelalterlicher/frühneuzeitlicher Sicht auf der Hand, oder nicht? Die Anerkennung der Notwendigkeit ist auch weit entfernt davon, diese Leute in die ständische Gesellschaft aufzunehmen und als Ehrliche anzuerkennen.
 
@Scorpio: super, danke für Deine informativen Beiträge. Weißt Du noch mehr? Ich würde mich freuen, noch mehr zu lesen :)

In meiner Heimatstadt durfen die Scharfrichter immer als Tierärzte arbeiten.
Wenn sie jedoch ihre Kenntnisse Menschen angedeihen ließen, gab´s in der Regel großen Ärger, bis hin zur fristlosen Entlassung.
Viele gute Ärzte gingen später aus den Scharfrichterfamilien hervor.


Vielleicht kennst du das noch nicht. zwar schon über 20 Jahre alt, aber immer noch gut lesbar:

Franz Irrsiegler, Arnold Lasotta, "Bettler und Gaukler, Dirnen und Henker- Außenseiter in einer mittelalterlichen Stadt

Irrsiegler und Lasotta beschränkten sich auf Köln, wobei die Quellen meist aus der frühen Neuzeit stammen.

ich entsinne mich nicht mehr des Titels, aber es gibt ein Buch das sich mit den Sansons beschäftigt, der Scharfrichterdynastie von Paris, die dieses Amt mehrere Generationen ausübten. Ein Sanson brachte 1757 den Attentäter Damiens zu Tode, der Louis XV. mit einem federmesser verletzt hatte und des Königsmordes angeklagt wurde. Ein anderer Familienangehöriger exekutierte Marie Antoinette u. a. VIPs.
 
War das notwendig die Notwendigkeit des Amtes anzuerkennen? Das lag doch aus mittelalterlicher/frühneuzeitlicher Sicht auf der Hand, oder nicht? Die Anerkennung der Notwendigkeit ist auch weit entfernt davon, diese Leute in die ständische Gesellschaft aufzunehmen und als Ehrliche anzuerkennen.

Die Fürsprecher der Scharfrichter, darunter auch Luther argumentierten, dass der Henker lediglich die Aufgaben der Obrigkeit ausführt und verurteilte Kriminelle aus der Welt schafft, bzw Leute, die sich gegen die gottgewollte Ordnung vergangen hatten.

Wenn die spätmittelalterliche, bzw frühneuzeitliche Gerichtsbarkeit das "Theater des Schreckens", das "Fest der Matern" benötigte, um den gestörten Rechtsfrieden wieder herzustellen, ist es doch durchaus folgerichtig, wenn dem Exekutor selbst die "Ehrlichkeit" nicht abgesprochen wird.

Dein Einwand führt aber zu einer wichtigen Frage nach den Ursachen der Unehrlichkeit, nämlich der Abgrenzung und Ausgrenzung nach unten und der Diffamierung konkurriender Berufe und Wirtschaftszweige. Mit der Durchsetzung staatlichen Gewaltmonopols und der Entstehung moderner Staatlichkeit, mit der Geburt des Gefängnisses ist offenbar auch eine Aufwertung des staatlichen Verfolgungspersonal verbunden.
 
Wieso gehörten Türmer zu den unehrlichen Berufen? Das sagt zwar auch Wikipedia aber gibt keine Begründung.
Türmer ? Wikipedia


Tatsächlich ist es recht verwirrend mit der "Unehrlichkeit", und es wies Ernst Schubert einmal darauf hin, dass es viele Gewerbe gab, die irgendwann einmal von anderen Zünften als "unehrlich" diffamiert wurden. dabei spielten nicht zuletzt auch handfeste wirtschaftliche Interessen eine Rolle. Bader, Feldscherer und Zahnärzte wurden teilweise missachtet. Von Türmern ist mir auch keine "Unehrlichkeit" bekannt, doch es könnte daraus resultieren, dass man niedere Beamte bzw Bedienstete wie Gerichtsdiener, Büttel, Gefängniswärter, Nachtwächter und Totengräber im allgemeinen zu den unehrlichen Berufen zählte.
 
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