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1846 fällt der Karfreitag bei den orthodoxen, wie bei den lateinischen, Christen auf den gleichen Tag.
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Jetzt geht es also los.
Geschrei, Beschimpfung, Verunglimpfung, Handgreiflichkeiten hier und da und Faustschläge auch.
Geistliche, Mönche, Pilger geraten in Erregung.
Mit allerlei sakralen Gegenständen, wie Kruzifixen, Kelchen, Kerzen, Leuchtern, Weichrauchkessel, schlagen sie auf einander ein. Manche reißen sogar Holzteile aus der heiligen Kirche um damit den (christlichen) Widersacher in seiner physischen Funktionsfähigkeit nach Kräften zu beeinträchtigen.
Auch haben manche Messer und Schusswaffen eingeschleust.
Harter Kampf und Heiliger Zorn unterm Kreuz des Gekreuzigten.
Als endlich die Truppen des osmanischen Stadthalters dem Spuk ein Ende bereiten und in die Grabeskirche vorrücken, finden sie 40 Leichen vor.
Das ist jetzt etwas frei erzählt nach Orlando Figes (Crimea), der diese verrückte Story zur Einleitung seines Buches über den Krimkrieg macht.
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Nur als Randbemerkung, da die von Figes verwendeten Quellen immer spannend (nicht immer zitiert) sind.
Nebulös:
The humble petition of Thomas Brodigan, of Piltown House, in the county of Meath
Die Kirchengazette September 1946 macht sich das dann wohl zu eigen und berichtet über die "Londoner Gesellschaft zum Schutz der Christen unter Juden", die Auszüge der Petition wiederholt, obwohl die Orthodoxen die Bösen zu sein scheinen, während die Franzosen für die nicht minder bösen Katholiken und der Sultan (für alle, wenn eine seiner Wachen wie in Vorjahresberichten nicht mal einen Christen totschlägt) löblich Schutz anstreben, während das Empire faul und träge nix für seine Anglikalen tut. Da droht eben der nächste Kreuzzug.
September, S. 56
The Ecclesiastical gazette, or, Monthly register of the affairs of the Church of England
Vermutlich soll die Einleitung von Figes die Leser auf mitschwingende religiöse Wurzeln des Konfliktes einstimmen. Aber das gleitet dann in eine Themendiskussion ab.
(man könnte die vorlaufenden Konflikte in das Krimkrieg-Thema ausgliedern)
Wie silesia bemerkt betont Figes die religiöse Aufladung des Ursprungs dieses Krieges.
Dies insbesondere bezogen auf die 'Geisteshaltung' des Nikolaus I, der sich als spiritueller Erbe des untergegangenen Byzanz sieht und wesentlich daraus seine Legitimation ableitet,
zunächst Moldawien und die Walachei zu besetzen;
um von dort aus nach Byzanz selbst zu greifen,
also der Hauptstadt des Osmanischen Reiches - Konstantinopel.
Ein riskantes Unterfangen, erheblich beeinflusst durch die Vorstellung des Nikolaus Gottes Wille zu verrichten und somit den Allmächtigen selbst zum Verbündeten zu haben.
In der eher praktischen Umsetzung setzte Nikolaus, gestützt von Beratern, sowohl auf die Entfachung eines „Heiligen Zorns“ der Christen im OR, als auch auf einen Pan-Slavismus.
Dieser stellte es als wahrscheinlich vor, dass sich auch unter dieser Idee Erhebungen gegen das OR ergeben sollten.
Soweit teilweise und grob und ungefähr nach Figes -Crimea.
Es gab da schon einen Kreuzzugsgedanken.
Vielleicht auch in dem Sinne, dass der erste Kreuzzug das wurde was wir heute „viral“ nennen.
Doch der Urban entfachte ja mit dem Ersten Kreuzzug eher versehentlich einen Flächenbrand,
während die Strategie des Nikolaus eben auf diesen spekuliert. Und der soll heilig sein, der Flächenbrand, der nicht zu löschen ist.
So sehen die Zauberlehrlinge aus.