Gründung des deutschen Kaiserreichs 1871 : Anfang des deutschen Übels?

Das Übel war meiner Meinung nach, das die Reichsgründung nicht schon vorher statfand! Man hätte vieleicht gleich nach den Befreiungskriegen auf dem Wiener Kongress die Chance gehabt! Da wurde Europa neu geordnet.
Deutschland hätte vorher seine Kolonien gehabt und seine Position besser ausgebaut.
Vieleicht hätte mann im laufe der Jahre immer mehr Demokratie eingeführt. Es hätte, wenn überhaubt nur einen regionalen Krieg gegeben, der dann auch vorher stattgefunden hätte, ohne die Massenvernichtungswaffen des 1.Weltkrieges!
 
Das Übel war meiner Meinung nach, das die Reichsgründung nicht schon vorher statfand! Man hätte vieleicht gleich nach den Befreiungskriegen auf dem Wiener Kongress die Chance gehabt! Da wurde Europa neu geordnet.

Ein demokratisches Deutschland stand den Initiatoren der Revolution von 1848 ja auch vor Augen und es sah einiige Monate so aus, als ob ihre Maßnahmen vor dem Hintergrund der Frankfurter Paulskirche zum Erfolg führen würden. Leider haben die restaurativen Aktivitäten der herrschenden Fürstenhäuser diese Entwicklung unterbrochen, sodass kein vom Volk legitimierter Nationalstaat entstand, sondern einer der Fürsten unter Führung von Reichskanzler Bismarck. Wäre der Staat von 1848 Wirklichkeit geworden, so wäre uns der Erste Weltkrieg und mit ihm gleich der Zweite vermutlich erspart geblieben.
 
@Dieter

Da stimme ich dir voll zu!
Vieleicht wäre Deutschland zum großen Vorbild für andere Nationen geworden!
Demokratie und die industrielle Entwicklung zum friedlichen Miteinander.
1848 ist wirklich eine große Chance vertan worden!

Noch mal zurück zum "Übel".
Die Reichsgründung 1871 war für die anderen Großmächte ein Übel, da Deutschland nun nach ihrem "Platz an der Sonne" stebte.
Ich persönlich sehe eine ganz große Mitschuld Englands an dem 1.Weltkrieg!
Es fürchtete sich um ihr Empire wenn Deutschland stärker würde!
 
Noch mal zurück zum "Übel".
Die Reichsgründung 1871 war für die anderen Großmächte ein Übel, da Deutschland nun nach ihrem "Platz an der Sonne" stebte.

Zum "Übel" wurde das neue Deutsche Reich erst durch eine verantwortungslose Großmachtpolitik unter Kaiser Wilhelm II. sowie seiner Generalität. Natürlich pflegten alle europäische Großmächte seinerzeit eine imperialistische Politik, doch war die kaiserliche Regierung nach Bismarck in dieser Hinsicht besonders ungeschickt und verstand es in kürzester Zeit, das von Bismarck kunstvoll gewobene Netz von Bündnisverträgen und Beistandspakten zu zerstören. Am Schluss waren sowohl Frankreich als auch England und Russland verprellt, was schließlich den Anfang vom Ende bedeutete.

Ich persönlich sehe eine ganz große Mitschuld Englands an dem 1.Weltkrieg! Es fürchtete sich um ihr Empire wenn Deutschland stärker würde!

Die Kriegsschuldfrage ist bis zum heutigen Tag umstritten und wird kontrovers bewertet. Im allgemeinen gewinnt aber die Auffassung an Boden, dass der deutsche Anteil am Ausbruch des Ersten Weltkriegs besonders negativ zu bewerten ist. Insofern ist dieses Zitat aus Wikipedia korrekt:

Seit Abklingen der Fischer-Kontroverse wird laut Jürgen Kocka (2003)[71] und Gerhard Hirschfeld (2004)[48] ein entscheidender Beitrag Deutschlands zum Kriegsausbruch 1914 weitgehend anerkannt, jedoch differenzierter als bei Fischer auch aus den gesamteuropäischen Mächtekonstellationen und Krisensituationen vor 1914 erklärt.

Kriegsschuldfrage ? Wikipedia
 
Zum Ausbruch des Ersten Weltkrieg hatte jeder der Europäischen Großmächte seinen Anteil! Alle waren bereit!
Auch wenn Wilhelm 2 den Krieg nicht unbedingt wollte, aber er hat sich doch sehr tölpelhaft und naiv verhalten. Aber ich glaube das Militär wollte den Krieg und haben den Kaiser in diese Richtung beraten.

Zu England:
England war schon immer Eifersüchtig auf Länder die im Begriff waren Großmacht zu werden! z.B. Der Kampf im 16 Jahrhundert gegen Spanien oder der jarhundertlange Kampf mit Erzrivale Frankreich! Da ging es doch immer im die Vormachtstellung!
Ab 1871 wurde Deutschland Großmacht auf dem europäischen Festland. Solange Frankreich und Russland dadurch gebunden war, war es für England noch in Ordnung. Aber als Deutschland begann Ambitionen in Übersee zu haben und besonders nach der Aufrüstung der Marine war Deutschland eine Gefahr für England.
Wenn man bedenkt, das Deutschland in relativer kurzen Zeit die (vieleicht) stärkste Macht auf dem Festland war, ist es verständlich das England fürchtete, Deutschland könnte auch sehr schnell weltweit mächtig werden.

Deshalb ist es meine Meinung, das England alles versucht hat um Deutschland auszuschalten!
 
Zum Ausbruch des Ersten Weltkrieg hatte jeder der Europäischen Großmächte seinen Anteil! Alle waren bereit!
Auch wenn Wilhelm 2 den Krieg nicht unbedingt wollte, aber er hat sich doch sehr tölpelhaft und naiv verhalten. Aber ich glaube das Militär wollte den Krieg und haben den Kaiser in diese Richtung beraten.

So ist das wohl!

Zu England:
England war schon immer Eifersüchtig auf Länder die im Begriff waren Großmacht zu werden! z.B. Der Kampf im 16 Jahrhundert gegen Spanien oder der jarhundertlange Kampf mit Erzrivale Frankreich! Da ging es doch immer im die Vormachtstellung!

Als insulare Macht war England zu seiner eigenen Sicherheit darauf angewisen, auf See eine starke Stellung seiner Flotte zu behaupten, um Invasionen der Britischen Inseln auszuschließen. Was den Konflikt mit Spanien angeht, so hat Spanien mit seiner Großen Armada im Jahr 1588 England angegriffen und nicht umgekehrt. Der spanische König Philipp II. wollte sich dafür rächen, dass Königin Elizabeth die Protestanten in Frankreich und den Niederlanden unterstützte und zudem Kaperfahrten englischer Piraten gegen spanische Schiffe mit Silber- und Goldtransporten aus der Neuen Welt duldete und insgeheim sogar unterstützte. England war eine Handelsnation und daher stets daran interessiert, dass Handel und Wirtschaft ohne kriegerische Katastrophen florierten.

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) hat sich England ganz legitim seiner Haut gewehrt. Großbritannien sah in Frankreich seinen Hauptkonkurrenten und versuchte, diesen vor allem in den Kolonien zu schwächen. Da Georg II. in Personalunion auch Kurfürst von Hannover war, musste er zugleich versuchen, diese Herrschaft gegen einen möglichen französischen Angriff zu sichern. Der Kampf verlagerte sich rasch auf die Weltmeere und dort auch auf Nordamerika und Indien, wo Frankreich wegen der englischen Überlegenheit sein ganzes Kolonialreich verlor.

Ab 1871 wurde Deutschland Großmacht auf dem europäischen Festland. Solange Frankreich und Russland dadurch gebunden war, war es für England noch in Ordnung. Aber als Deutschland begann Ambitionen in Übersee zu haben und besonders nach der Aufrüstung der Marine war Deutschland eine Gefahr für England.
Wenn man bedenkt, das Deutschland in relativer kurzen Zeit die (vieleicht) stärkste Macht auf dem Festland war, ist es verständlich das England fürchtete, Deutschland könnte auch sehr schnell weltweit mächtig werden.

Deshalb ist es meine Meinung, das England alles versucht hat um Deutschland auszuschalten!

Was du schilderst, sind ganz normale politische Reaktionen Großbritanniens. Es war stets an einer "Balance of Power" interessiert, also an einem Gleichgewicht der Kräfte auf dem europäischen Kontinent. Somit unterstützte es stets die nach seiner Meinung schwächeren Staaten gegen stärkere. Das aufgerüstete Deutsche Reich und Österreich-Ungarn boten zusammen eine beeindruckende kontinentale Heeresmacht, zudem trieb Deutschland den Flottenbau voran. Das musste zu einem Bündnis Englands mit Frankreich (und später Russland) führen, wozu es dann mit der entente cordiale ja auch kam.
 
Das musste zu einem Bündnis Englands mit Frankreich (und später Russland) führen, wozu es dann mit der entente cordiale ja auch kam.

Interessanterweise wurde das Bündnis mit Frankreich durch den britisch-russischen Gegensatz forciert. Die größte Kriegsdrohung vor 1900 lag immerhin im "Great Game" zwischen Großbritannien und Rußland, gefolgt von britisch-französischen Gegensätzen.

1907 kam kein Bündnis mit Rußland zustande, sondern ein temporärer Interessenausgleich. Die neuere angelsächsische Forschung wendet dem erhebliche Aufmerksamkeit zu, um die Abläufe 1914 zu interpretieren. Der Interessenausgleich stand kurz vor dem Zusammenbruch, während zum Deutschen Reich gegenüber 1911/12 sogar eine gewisse Entspannung eingetreten war.

Die britischen Befürchtungen für die mittlere Zukunft lagen - sofern sich diese Linie erhärtet, wovon ich ausgehe - inzwischen bei Rußland und seinen Rüstungsprogrammen. Dazu muß man sich allerdings etwas von den älteren deutsch-zentrierten Betrachtungen der Konflikte (nicht bzgl. der Verursachungsdiskussion, sondern bezüglich der Rahmenbedingungen) lösen.

Dazu gibt es hier im Forum zahlreiche Diskussionsthemen.
 
Nun wird's nochmal offtopic, sei es drum. :fs:

Die Kriegsschuldfrage ist bis zum heutigen Tag umstritten und wird kontrovers bewertet. Im allgemeinen gewinnt aber die Auffassung an Boden, dass der deutsche Anteil am Ausbruch des Ersten Weltkriegs besonders negativ zu bewerten ist.
Die 'Kriegsschuld' wurde in Versailles fixiert, nicht zuletzt Fischer hat sie untersucht. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stand und steht aber immer das Deutsche Reich und sein Anteil am Kriegsausbruch. Mich würde mal interessieren, ob es solche Betrachtungen auch explizit für Großbritannien gibt? :confused:

Was den Konflikt mit Spanien angeht, so hat Spanien mit seiner Großen Armada im Jahr 1588 England angegriffen und nicht umgekehrt. Der spanische König Philipp II. wollte sich dafür rächen, dass Königin Elizabeth die Protestanten in Frankreich und den Niederlanden unterstützte und zudem Kaperfahrten englischer Piraten gegen spanische Schiffe mit Silber- und Goldtransporten aus der Neuen Welt duldete und insgeheim sogar unterstützte.
Mit anderen Worten wurde die Armada gesandt, um ein 'Piratenrückzugsgebiet' auszuschalten. Also eine Art Enduring Freedom der frühen Neuzeit. :)

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) hat sich England ganz legitim seiner Haut gewehrt.
Inwiefern denn das? :nono:
 
Die 'Kriegsschuld' wurde in Versailles fixiert, nicht zuletzt Fischer hat sie untersucht. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stand und steht aber immer das Deutsche Reich und sein Anteil am Kriegsausbruch. Mich würde mal interessieren, ob es solche Betrachtungen auch explizit für Großbritannien gibt? :confused:
Kriegschuldfrage:
In der Weimarer Republik war diese Frage der "vertraglichen Fixierung" ein Thema, als vermeintlicher Schlüssel der Reperationen, zur Wiederherstellung des gekrängten Nationalstolzes und als Verdrängungshilfe nach dem verlorenen Krieg, schließlich als innenpolitische Megaakeule gegen die so genannten "Systemverbrecher" aus Sicht der Ultrarechten bis zu den Nationalsozialisten.

In der Geschichtswissenschaft hat sich wohl niemand ernsthaft mit einer "vertraglichen Maßgeblichkeit" der Kriegsschuldfrage beschäftigt, lediglich mit Frage der Entstehungsgeschichte der Klausel und ihrer Bedeutung, zB
Steinmeyer, Gitta: Die Grundlagen der französischen Deutschlandpolitik 1917-1919.

Mit anderen Worten wurde die Armada gesandt, um ein 'Piratenrückzugsgebiet' auszuschalten. Also eine Art Enduring Freedom der frühen Neuzeit. :)
Die Kaperei war eine, sagen wir mal halblegale Angelegenheit im Kontext der Zeit. Viele Seemächte betrieben das ein einkommensträchtigte "Hobby" in Staatsregie. So auch ein junger Staat =) , der sich doch tatsächlich in seiner sonst epochalen Verfassung folgendes für den Kongress vorbehielt:
"To declare war, grant letters of marque and reprisal, and make rules concerning captures on land and water"
Article One of the United States Constitution - Wikipedia, the free encyclopedia
Kaperungen waren ordinäre Ereignisse, mit hohem Belästigungsgrad und zivilisatorisch zunehmend ein Ärgernis, weswegen Kaperei dann auch 1856 geächtet wurde.
Pariser Seerechtsdeklaration ? Wikipedia
Wie hatten das alles mal hier:
http://www.geschichtsforum.de/f62/bewaffnete-handelsschiffe-im-1-wk-16739/

Wir sollten aber nicht in tagespolitische Vergleiche abgleiten. Die bringen auch wenig.:winke:


Großbritannien:
Kritische Betrachtungen von unterschiedlicher Qualität zur Verantwortlichkeit Großbritannien gibt es selbstverständlich. Dafür würde vorschlagen, ein eigenes Thema aufzumachen.
http://www.history.ac.uk/reviews/review/198

Ansonsten würde ich sehr vorsichtig mit der Frage des ius ad bellum, also auch der historischen Bewertung von Kriegsausbrüchen umgehen. Hier gibt es einen Bruch in der Betrachtung in der neueren Zeit, dessen Wendepunkt im 20. JH liegt.
Kriegsvölkerrecht ? Wikipedia

Ob man dem hier folgt, kann dahingestellt bleiben, aber es ist sehr plakativ formuliert:
"Historisch lässt sich die Unterscheidung zwischen eigentlichem Kriegsgrund (etwa Expansionsbestrebung eines Staates) und dem öffentlich als Kriegsanlass angegebenen Casus Belli bis auf den griechischen Historiker Thukydides im Peloponnesischen Krieg zurückführen."
Casus Belli ? Wikipedia
Da Großbritannien mit dem Kriegsanlaß (in diesem Sinne: Belgien) zunächst nichts zu tun hat, ließen sich mE für ein Extra-Thema zwei Aspekte herausschälen
a) Kriegsgrund
b) Fehler
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo,
schon die Fragestellung ruft bei mir Unmut hervor. Was macht denn das "deutsche Übel" aus?

Schon andere Teilnehmer haben angemerkt, dass die Reichsgründung nicht automatisch zu zwei Weltkriegen und zum Nationalsozialismus führen musste.

Oben ist auch betrachtet worden, dass 1871 europäische Gravitationszentren derart verschoben wurden, dass eine militärische Konfrontation quasi unausweichlich wurde. Das wäre eine recht sachlich-trockene Beschreibung von "Übel", wenn man mal ältere politiklastige Beschreibungen der Ereignisse oder neuere sozialwissenschaftliche außer Acht läßt.

Die Reichsgründung allein wird für 1871 nicht betrachtet werden können, sondern üblicherweise wurden die tatsächlichen ökonomischen Entwicklungen - das Wirtschaftswunder der Einigung - ergänzend und implizit als Konstante gesetzt. Das halte ich für unzutreffend.

In den folgenden 40 Jahren hat sich die ökonomische Positionierung des neuen Reiches grundsätzlich verschoben. Hierfür liegen einige (wesentliche) Wurzeln als notwendige Bedingung in der Einigung, das halte ich aber nicht für hinreichend. Auch mit diesen Wurzeln war der weitere Verlauf keinesfalls in irgendwelchen "Wirkungsketten" fixiert, sondern war vielmehr auch von Veränderungen der anderen Großmächte geprägt, die die vorher bestehenden Relationen verschoben haben. Und hierbei muss man sehen, dass selbst die Würdigung von ökonomischen Krisenphasen im Deutschen Reich umstritten sind, ebenso die Würdigung diverser ausländischer Entwicklungen (Stichwort: Great Depression, die Zusammenfassung mehrerer Zyklen, die Ursachen).

Eine über diese Dekaden geringfügige Verschiebung der Wettbewerbs- und Marktposition des Deutschen Reiches hätte in der Kumulation und im Rüstungswettlauf der Dekade vor dem Ersten Weltkrieg (bzw. 1904-1913) den ökonomischen (und höchstwahrscheinlich dann gesellschaftlichen) Kollaps des Deutschen Reiches gebracht. Dabei gehe ich davon aus, dass die Rüstungsfolgen des Doppelten Militarismus in den bekannten Ereignissen finanziell bereits auf Kante genäht waren, mehr war nicht finanzierbar.
 
Deutschland liegt in der Mitte Europas, und seit dem 30jährigen Krieg redeten die europäischen Großmächte ein Wort mit, wenn es um innerdeutsche Belange ging.

Ob also 1815 und 1848/49 ein deutscher Nationalstaat möglich war, hing auch von Frankreich, England und Russland ab. Die Rivalitäten der beiden deutschen Großmächte Österreich und Preußen wirkten sich ebenfalls negativ aus. Die europäische Politik wurde von diesen fünf Großmächten bestimmt, und erst die Niederlage Russlands im Krimkrieg führte zu einer Situation, in der Bismarck die kleindeutsche Lösung durchsetzen konnte.

Dass am 18. Januar 1871 eine halb-hegemoniale Macht in Europa gegründet wurde, steht außer Zweifel und wurde auch in europäischen Außenministerien zur Kenntnis genommen.

Natürlich kann man sich fragen, ob diese Reichsgründung von oben der Anfang für eine Entwicklung war, die in den Ersten Weltkrieg mündete. Einige Teilnehmer haben hier schon darauf aufmerksam gemacht, dass aus der Rückschau betrachtet sich immer Kontinuitätslinien aufdrängen. Dass der Historiker vom Rathaus kommt, macht ihn nicht unbedingt schlauer.

In meinen Augen ist die Reichsgründung kein so fundamentaler Einschnitt. Wenn man von Besonderheiten der deutschen Situation sprechen kann, dann würde ich hier hier den preußischen Verfassungskonflikt, die Trennung der Arbeiterbewegung vom Liberalismus und die Spaltungen und Konflikte innerhalb des organisierten Liberalismus nennen. Hier lagen die Wurzeln für innenpolitische Krisen des späten Kaiserreiches.

Dass ist aber kein Plädoyer für die Sonderwegsthese oder den Primat der Innenpolitik.
 
Das Deutsche Reich wurde allgemein akzeptiert und konnte auf dem diplomatischen Parkett gut auftreten. Problematisch wurde es erst, als die Bündnisstruktur sich verfestigte (bis in die 1880er gab es zwar Gegensätze zwischen den Großmächten, aber kaum Kriegsgefahr). Die zunehmenden Spannungen der kleinen Völker, die ihre Nationalitäten in eigenen Staaten (meist unter Zurückweisung der anderen Interessen, gerade in gemischt bewohnten Gebieten) verwirklicht haben wollten, führten zu wachsenden Problemen in Österreich-Ungarn und im Osmanischen Reich. Dazu kommt der immer größer werdende Unterschied zwischen agrarischen Gebieten und Industriegebieten. Gerade Russland hat hier zu kämpfen, während Deutschland, England und Frankreich (wenn auch unterschiedlich) Lösungen entwickeln. Dennoch liegt hier einer der Gründe für die wirtschaftliche Konkurrenz.

Solwac
 
Nachdem die "Hausaufgabenhilfe" abgeschlossen ist - das deutsche Übel ist viel älter als der Wilhelminismus.
Projekt Gutenberg-DE - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Kultur
;)
Der Klassiker aus den deutschen Anfängen:

Johann von Salisbury (1115-1180): "Wer hat denn die Deutschen zu Richtern über die Völker bestellt? Wer hat den plumben und ungebärdigen Menschen diesen Einfluß gegeben, daß sie nach Gutdünken den Führer über die Häupter der Menschensöhne bestimmen?"
 
Das Deutsche Reich wurde allgemein akzeptiert und konnte auf dem diplomatischen Parkett gut auftreten. Problematisch wurde es erst, als die Bündnisstruktur sich verfestigte (bis in die 1880er gab es zwar Gegensätze zwischen den Großmächten, aber kaum Kriegsgefahr).

Das Ding braucht Weile.:winke:

Die Welt drehte sich auch in der neuen Konstellation weiter, zB
George F. Kennan: Bismarcks europäisches System in der Auflösung - Die französisch-russische Annäherung 1875-1890 [eine Frage der Zeit, der Finanzen und der französischen Konsolidierung].

In den 1880ern prägte eine Kriegsgefahr den Rest der Provisorien, nämlich die russisch-britische. Das entlastete die mitteleuropäischen Lage, so dass sich die Aufmerksamkeit leicht zB auf das Mittelmeer lenken ließ. Und die deutsche Konjunktur der 1870er, Absprungbasis der späteren Jahre, befeuerten französische Reparationen.
 
OK, habe mich heute noch mal eingelesen:

Als Folge der französischen Revolution hat sich das Selbstbewustsein der Nationen so weit entwickelt, das es sich zum Nationalismus steigerte und mann eine eigenen Staat wollte.
Schon in den Befreiungskriegen gegen Napoleon fühlten sich viele Deutsche zusammengehörig.
1848 scheiterte die Vision eines "Großdeutschland" also mit Österreich und Ungan daran, das sich Preußen nicht von den (katholischen) Habsburgern dominieren lassen wollte.
Mit den Einigungskriegen 1870/71, also den Kriegen gegen Österreich, Dänemark und schließlich Frankreich wurde dann die "kleindeutsche" Lösung ereicht: Das Deutsche Kaiserreich.

Quelle u.a.: Die Deutsche Geschichte, Band 3, Weltbildverlag

Bismarck hat mit seiner (schlauen) Bündnispolitik für den Frieden gesorgt. Wenn mann vom "Anfang des deutschen Übels" sprechen kann, ist es die Ablösung Bismarcks durch Wilhelm 2 und das er nicht mit einem Politiker, der seinen Weitblick hatte, ersetzt wurde. Sozusagen ein schleichendes Übel über Jahre hinweg!
 
Bismarck hat mit seiner (schlauen) Bündnispolitik für den Frieden gesorgt. Wenn mann vom "Anfang des deutschen Übels" sprechen kann, ist es die Ablösung Bismarcks durch Wilhelm 2 und das er nicht mit einem Politiker, der seinen Weitblick hatte, ersetzt wurde. Sozusagen ein schleichendes Übel über Jahre hinweg!

Das ist eine Sichtweise, die lange Tradition hat.

Auf der anderen Seite hat die neuere Forschung einiges dazu ans Tageslicht gebracht, dass Bismarcks System der Aushilfen am Ende war. Hinzu - nach Bismarcks eigenem Hinweis - ist ihm die Einbindung Großbritanniens nicht gelungen, was er wohl selbst als wesentlichen Fehlschlag gedeutet hat.

Sicher haben andere danach dieses Verhältnis zugespitzt.
 
Als Folge der französischen Revolution hat sich das Selbstbewustsein der Nationen so weit entwickelt, das es sich zum Nationalismus steigerte und man eine eigenen Staat wollte.

Uiuiui, das ist aber bis zur Unkenntlichkeit der Ereignisse verkürzt. Warum sollte auch als Folge der Frz. Revolution ein Nationalbewusstsein außerhalb von Frankreich entstehen? Erst durch die napoleonische Herrschaft, die einerseits vom Absolutismus befreite, andererseits aber ein Fremdherrschaft war, konnten - schon vorher existente - nationale Strömungen sich entfalten und z.T. auch radikalisieren. Dabei wird die napoleonische Herrschaft von den einzelnen Menschen der damaligen Zeit ganz unterschiedlich wahrgenommen.

1848 scheiterte die Vision eines "Großdeutschland" also mit Österreich und Ungarn daran, das sich Preußen nicht von den (katholischen) Habsburgern dominieren lassen wollte.
Es gab eine kleindeutsche Lösung, eine großdeutsche Lösung und eine großösterreichische Lösung. Preußen hätte die kleindeutsche Lösung favorisiert, Habsburg die großdeutsche Lösung. Die Großösterreichische Lösung dagegen hätte aus der Sicht der Mehrheit zu viele fremde Völker umschlossen.

Bismarck hat mit seiner (schlauen) Bündnispolitik für den Frieden gesorgt.
Aber erst nach 1871. Davor hat er - z.B. Emser Depesche - dafür gesorgt, dass Kriege vom Zaun gebrochen würden.

Wenn man vom "Anfang des deutschen Übels" sprechen kann, ist es die Ablösung Bismarcks durch Wilhelm 2 und das er nicht mit einem Politiker, der seinen Weitblick hatte, ersetzt wurde. Sozusagen ein schleichendes Übel über Jahre hinweg!

Gegenthese: Ein demokratisches Deutschland hätte vermutlich ganz andere Entwicklungschancen gehabt, parallel zur Troisième République hätte es vielleicht dieses ganze Erzfeindgetöse nicht gegeben.
 
. Und die deutsche Konjunktur der 1870er, Absprungbasis der späteren Jahre, befeuerten französische Reparationen.

Jaaaaaa, aaaaaber
1873 war schon wieder Schluss mit Konjunktur. War bis in die 1890er die erste "Große Depression"

Genau genommen wäre schon damals zu erkennen gewesen, dass die Reparationen mehr Schaden als Nutzen bringen.
 
Zurück
Oben