lenin / wilson

buba

Neues Mitglied
weiss jetzt nicht obs das richtige forum ist (wegen wilson :)), aber: hab ein paar aufgaben zur sowjetischen geschichte, datunter lenins politik zu beantworten. etwas mühe habe ich mit: a) ist es berechtigt lenin und wilson auf eine stufe zu stellen? b) gleiche frage.. aus geschichtlicher perspektivität beantwortet?

hab bei a) dass zwar beide friedensabsichten, die sicherung des demokratismus, lenin aber v.a. auch innenpolitische absichten (stärkung des bolschewismus) beabsichtige, sowie dass lenin zwar aussenpolitisch diplomatisch vorging, inennpolitisch aber nicht (terror..). stimmt das so in etwa?

bei b) bin ich echt ratlos.. hoffe jemand kann mir da auf die sprünge helfen.. danke schonmal
 
Lenin dürfte mit den ersten beiden Dekreten den Nerv der Massen getroffen haben: Frieden und Beseitigung des Hungers - nicht vergessen darf man dabei: das Ziel lautet zu dem Zeitpunkt noch Weltrevolution.
Außenpolitisch will er Zeit gewinnen - siehe auch Frieden von Brest/Litowsk. Die Revolution in Russland steht laut Marxismus eigentlich nicht auf der "Tagesordnung", Russland hätte zunächst nach der Revolution im Februar den Kapitalismus in der Fläche durchsetzen müssen.
Tatsächlich kommt es in Folge des Weltkrieges zu einer Reihe von Revolutionen, die aber meist nicht den Sozialismus/ Kommunismus zur Folge haben.
Inwieweit Wilson mit seinen 10 Punkten Lenin kopiert hat, um genau diesen anwachsenden Einfluss der Linken in Europa einzudämmen versucht oder tatsächlich eine echte Nachkriegsordnung schaffen will, bleibt spekulativ. Die Ergebnisse der Pariser Vorortverträge zeigen jedoch, dass die Ideen Wilson gut gemeint, aber realitätsfern waren. Lenin wird in älteren Werken auch unterstellt, dass er es gut gemeint habe und erst Stalin nach seinem Tod oder bereits während seiner Krankheit alles stalinisert habe. Neuere (bereits spätsowj.) Forschungen zeigen jedoch, dass das System der Unterdrückung bereits unter Lenin angelegt wurde.
 
Lenin wird in älteren Werken auch unterstellt, dass er es gut gemeint habe und erst Stalin nach seinem Tod oder bereits während seiner Krankheit alles stalinisert habe. Neuere (bereits spätsowj.) Forschungen zeigen jedoch, dass das System der Unterdrückung bereits unter Lenin angelegt wurde.

Wobei, sofern ich richtig informiert bin, das Prinzip und System, politische Gegner in Strafgefangenenlagern zu halten bzw. zu verbannen, aus zaristischer Zeit übernommen wurde.
 
Das ist richtig. Siehe auch Biographien von Lenin und Stalin. Es darf aber in der Zeit nach der Revolution die ethisch/moralische Frage gestellt werden, ob eine Gesellschaft, die den Idealzustand des menschlichen Zusammenlebens erreichen will, auf diese Mittel zurückgreifen darf. Laut Marxismus formt die "Umwelt" den Menschen - was sollten da für Persönlickkeiten aus der Verbannung und den Gulags kommen?
 
Neuere (bereits spätsowj.) Forschungen zeigen jedoch, dass das System der Unterdrückung bereits unter Lenin angelegt wurde.

Das hört sich doch richtig spannend an. Welche neueren Forschungen sind das denn? Unterscheiden diese neueren Forschungen auch die Form der Gewaltanwendungen? Ein nicht unerheblicher Unterschied, wenn man sich die Biogrphien von Lenin und Stalin ansieht, also zumindest wenn man die zwei von Wolkogonow geschriebenen im direkte Vergleich betrachtet.

Es darf aber in der Zeit nach der Revolution die ethisch/moralische Frage gestellt werden, ob eine Gesellschaft, die den Idealzustand des menschlichen Zusammenlebens erreichen will, auf diese Mittel zurückgreifen darf. Laut Marxismus formt die "Umwelt" den Menschen - was sollten da für Persönlickkeiten aus der Verbannung und den Gulags kommen?

Natürlich darf die Frage gestellt werden, es darf aber auch die Frage gestellt werden, welchen Bezug obige Frage zur damaligen Kriegsgesellschaft um 1918 hatte. Ich befürchte wenig!

Wenn ich mich dunkel erinnere, war zu diesem damaligen Zeitpunkt gerade Bürgerkrieg und wenn ich mich weiterhin dunkel erinnere stimmen selbst konservative Historiker, wie beispielsweise Stökl, zu, dass die Gewaltanwendung der Weißen und der Roten sich nicht besonders unterschieden hat.

Was sollen in diesem historischen Kontext diese obigen oberflächlichen und moralisierenden Aussagen gemünzt auf einen Kontext der durch die Eskalation von Gewalt gekennzeichnet war?
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Frage darf nicht nur, sie muß gestellt werden.

Einerseits gibt es nie eine Stunde Null. Es gibt immer eine Vorgeschichte, die auch einen Teil der Ursachen in sich birgt, auch und gerade bei solchen massiven Umgestaltungen. Es gibt eine Vorgeschichte und jede Menge ernsthafte politische bzw. wirtschaftliche Gegner. Andererseits wurde gerade auch in diesem Punkt das neue System seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht.
 
Andererseits wurde gerade auch in diesem Punkt das neue System seinen eigenen Ansprüchen nicht gerecht.

- Welche Ansprüche meinst Du?
- Hat Lenin die für den Kontext der Machtdurchsetzung, konfrontiert mit den "Weißen" und externen Mächten, formuliert?
- Wer hat sie ansonsten in welchem Kontext formuliert?
- In welchen Situationen wurden diese Ansprüche verletzt?
- Welche objektiven Handlungsalternativen standen alternativ zur Verfügung?

Ich denke wir reden hier über eine Kriegs- bzw. Post-Kriegs-Situation, die in einen Bürgerkrieg überging.

Flowerpower kam erst ein paar Jahre später!:grübel:
 
Natürlich darf die Frage gestellt werden, es darf aber auch die Frage gestellt werden, welchen Bezug obige Frage zur damaligen Kriegsgesellschaft um 1918 hatte. Ich befürchte wenig!

Was sollen in diesem historischen Kontext diese obigen oberflächlichen und moralisierenden Aussagen gemünzt auf einen Kontext der durch die Eskalation von Gewalt gekennzeichnet war?

Der Unterschied besteht ganz einfach im Widerspruch zwischen Weltanschauung und Poilitik der Bolschwewiki: Einmal zur marxistischen Theorie, die bekanntlich die ökonomische Basis als Primär ansieht und dem Bestreben der Bolschewiki eine revolutionionäre Situation herbeizuschaffen und damit die Eskalation zu verstärken (Was den Deutschen ja nicht ungelegen kam.) Die Alternative hätte ganz einfach darin bestanden zu erkennen, dass eine Revolution zum Soz./Kommunismus nicht auf der theoretischen Tagesordnung steht. (Arbeitsproduktivität, Entwicklung des Proletariats, Organisationsgrad etc.) In der Endkonsequenz mündet (basiert) dieses "Nichtwahrhabenwollen" in Lenins Theorie der marxistisch - leninistischen Partei und ihrer Vorreiterfunktion in der Revolution und von dort zur Diktatur einer Partei (Spitze dieser. (vgl. Kritik von Rosa Luxemburg)).

An welcher Stelle der Geschichte dürfen moralische/ethische Aspekte außer acht gelassen werden? (= rhetorische Frage!)
 
1. Der Unterschied besteht ganz einfach im Widerspruch zwischen Weltanschauung und Poilitik der Bolschwewiki

2. Die Alternative hätte ganz einfach darin bestanden zu erkennen, dass eine Revolution zum Soz./Kommunismus nicht auf der theoretischen Tagesordnung steht. (Arbeitsproduktivität, Entwicklung des Proletariats, Organisationsgrad etc.) In der Endkonsequenz mündet (basiert) dieses "Nichtwahrhabenwollen" in Lenins Theorie der marxistisch - leninistischen Partei und ihrer Vorreiterfunktion in der Revolution und von dort zur Diktatur einer Partei

3. An welcher Stelle der Geschichte dürfen moralische/ethische Aspekte außer acht gelassen werden? (= rhetorische Frage!)

zu 3. Als erstem Punkt: Jegliche Forschung ist nicht frei von individuelle Werten. In einem anderen Zusammenhang hat mal F. Tieman in seiner Habilschrift den Begriff der "intentionalen Sozialforschung" geprägt in Anlehnung an die Feyerabends Vorschlag einer möglichst offenen Forschungs- bzw. Erkenntnistheorie.

Paul Feyerabend - Wikipedia, the free encyclopedia

Diese Überlegungen scheinen auf den ersten Blick Deine Position zu bestätigen. Auf den zweiten nicht mehr so eindeutig. Zumal sie hohe Maßstäbe an die Transparenz der eigenen Position anlegen in dem Sinne, dass sie sagen, "Ich bin subjektive, ich verdeutliche meine Position explizit und erlaube so, dass meine Ergebnisse bzw. Ergebnisse falsifiziert werden können.

Sollte Deine Position in diese Richtung tendieren, dann stimmen wir überein.

zu 1. Die theoretischen Positionen von Lenin oder z.B. Trotzki wurden noch teilweise im Exil formuliert und spiegeln noch den Elfenbeinturm wieder, in dem sich akademische Berufsrevolutionäre befinden, sofern sie fern der Heimat sind.

Die ganze Härte der damaligen Situation kommt in dem Begriff "Klassen-KAMPF" besonders deutlich zum Ausdruck. Das zerfallene Zarenreich war durch Chaos und Anarchie gekennzeichnet, in dem sich fast jeder mit fast jedem bekämpft hat.

Das gilt nicht nur für die unterschiedlichen Gruppierungen des linken Spektrums, es gilt auch für die unterschiedlichen monarchistischen bzw. "weißen" Gruppierungen (vg. z.B. Hobsbawn: Das Zeitalter der Extreme, 1994, S. 78ff).

Es ging lediglich und primär um das Erobern und den Erhalt der Macht. Das hatte nichts mit irgendwelchen "Weltbildern" über den fernen und anzustrebenden Endzustand einer kommunistischen Gesellschaft zu tun.

So schreibt beispielsweise Hildermeier (Hildermeier: Die Russische Revolution 1905-1921, 1989, S. 288), dass durch den "roten Terror" zwischen Ende 1917 und 1922 ca. 280.000 Opfer zu verzeichnen sind.

Diese Entwicklung wurde jedoch kontrovers in der damaligen Regierung diskutiert und Lenin in Kooperation mit Trotzki konnte sich gegen Kamenev und Bucharin durchsetzen.

Diese Situation bereitete jeoch Lenin durchaus ein Problem. Insgesamt ist die damalige Situation durch quasi "syndikalistische" Überlegungen, organisch verankert auf der Ebene der "Räte" gekennzeichnet. Verbunden mit diesen Überlegungen waren die Intentionen, die aktiv von Lenin verfolgt worden sind, beispielsweise auf der Ebene der Gerichte, das "Absterben" des Staates zu betrieben (vgl. Kolakowski: Die Hauptströmungen des Marxismus, Bd. 2, S. 523ff)

Als Widerpart zu dieser Entwicklung in Richtung einer kommunistischen Geselllschaft befand sich die Rolle der traditionellen Bourgeoisie. In der Regel wird Ihr die Rolle von Fachleuten zugestanden, die "Spezialisten". Besonders deutlich wird dieser Zwiespalt auch in der Roten Armee, in der zahlreiche zaristische Offiziere als Spezialisten ihren Dienst, teils freiwillig teils gezwungen, leisten. In diesem Zusammenhang bemerkte Lenin, dass man sie per Fusstritt aus der Tür zum Haus hinausbefördert und sie kommt zum Fenster wieder hinein.

An diesem Bild wird deutlich, dass Lenin zum einen einen deutlichen Widerwillen ihrer Rolle gegenüber empfand, er sich aber angesicht der Komplexität staatlichen Handels bewußt war, auf ihre Unterstützung nicht verzichten zu können.

Die Verselbständigung der Bürokratie und in der Folge auch der Nomenklatura ist sicherlich ein Kennzeichen der Machterhaltung durch Stalin und der KPdSU. Diese Entwicklung trat ein, obwohl Lenin und auch Trotzki davor gewarnt hat.

Kleiner Exkurs: Dieses Problem trifft man explizit an auf der Ebene der lange anhaltenden Diskussion über die Organisation der Roten Armee. Und es war vor allem Trotzki, der sich lange und erfolgreich gegen eine zunehmende Professionalisierung der Roten Armee aussprach, das Milizsystem präferierte und somit die Rolle der "Spezialisten" beschnitten hat.

In dem Maße wie die Ideologie des Marxismus-Leninismus die Veränderung der Gesellschaft forderte, erzwangen die innere und die äußere Bedrohung in der Folge des WW1 einen ausgeprägten Sinn für pragmatische Politik. Auf dieser Linie liegt ebenfalls die Einführung der NÖP, die einen deutlichen Bruch mit kommunistischen Prinzipien darstellte.

Diese Entwicklung ist der Hintergrund für mein Unverständnis, moralische Kategorien an die Politikformulierung Lenins und der Bolschewiki anzulegen.

In diesem Zusammenhang vertritt Hobsbawm die These, dass es der Verdienst der Bolschewiki gewesen sei, die staatliche Einheit Russlands erhalten zu haben.

Man mag in diesem Zusammenhang die Frage stellen, ob der Zweck die Mittel heiligt und die Beantwortung wird, und an diesem Punkt kommen die unterschiedlichen individuellen Positionen ins Spiel, unterschiedlich ausfallen.

zu 2. Oder die Frage aufzuwerfen, ob Marxens Fokussierung auf das Proletariat nicht ein wenig zu deterministisch war und bestenfalls gezeigt hat, dass der "Gang der Geschichte" sich nicht an Marxens Drehbuch halten wollte. :rofl:
 
Zuletzt bearbeitet:
Erstens - beachte die Definitionen "Klasse" und "Klassenkampf" (Findet sich in jedem DDR Lehrbuch Geschichte VuW etwa ab Klasse 6).
Zweitens widersprechen sich die Beiträge mehrfach: "Klassen-KAMPF" <=> "akademische Berufsrevolutionäre"; "in diesem historischen Kontext diese obigen oberflächlichen und moralisierenden Aussagen gemünzt auf einen Kontext der durch die Eskalation von Gewalt gekennzeichnet war" <=> Lenin als Opfer der Umstände, die Rolle der Bolschewiki im Frühjahr/Sommer wird dann außer acht gelassen. (vgl. o.)

"zu 2. Oder die Frage aufzuwerfen, ob Marxens Fokussierung auf das Proletariat nicht ein wenig zu deterministisch war und bestenfalls gezeigt hat, dass der "Gang der Geschichte" sich nicht an Marxens Drehbuch halten wollte. :rofl:" Sollte es sich hier um Humor handeln, tut es mir - aus zugegebener Maßen moralischen Gründen - leid, "ca. 280.000 Opfer" sind da eine Grenze.

Als endgültig Letztes zum themafernen Inhalt : In den "Drehbüchern" stehen Sachen, die würd ich heut noch akzeptieren. Ich bin mal ganz frei: "Es kommt nicht drauf an Historiker zu zitieren, man muss ..."
 
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