Wie groß war das medizinische Wissen im 18. Jahrhundert?

Cliomara

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Das 19. Jahrhundert war in der Medizin ein Jahrhundert der bahnbrechenden Fortschritte. Als Beispiele seien nur die Erfindung der Narkose und die Bekämpfung des Kindbettfiebers genannt.

Wie groß war hingegen das Wissen eines Arztes im 18. Jahrhundert? Ist es übertrieben zu behaupten, dass der Absolvent einer medizinischen Fakultät um 1750 herum kaum mehr wusste als ein erfolgreicher Absolvent aus dem 15. Jahrhundert? Hatte er in der Regel nicht mehr zu bieten als Aderlass und Klistier?
 
Wie groß war hingegen das Wissen eines Arztes im 18. Jahrhundert? Ist es übertrieben zu behaupten, dass der Absolvent einer medizinischen Fakultät um 1750 herum kaum mehr wusste als ein erfolgreicher Absolvent aus dem 15. Jahrhundert? Hatte er in der Regel nicht mehr zu bieten als Aderlass und Klistier?
Ja, ist es. Die Grundsteine für die Fortschritte des 19. Jahrhunderts wurden im 18. Jahrhundert gelegt. Geburtshilfe, Chirurgie und Zahnmedizin wurden ärztliche Instanzen. Die erste wissenschaftliche Betrachtung der Geburtshilfe (van Deventer: "Neues Hebammenlicht") stammt aus dem 18. Jahrhundert, genauso wie die Erfindung der Geburtszange (so konnte ein Zerstückeln des Kindes im Mutterleib zur Vermeidung eines Wehensturms vermieden werden) genauso wie die künstliche Einleitung von Geburten erstmals im 18. Jahrhundert durchgeführt wurde. Haller veröffentlichte seine Anatomischen Tafeln, auf denen Blutgefäße und Organlage eingezeichnet waren und die lange Zeit das Standardwerk der Pysiologie waren. Erst so wurden OPs möglich. Die Nerven wurden entdeckt. Die Zusammenhänge von Mundpflege und Karies sowie schwerwiegenden oft auch tödlichen Zahnentzündungen wurden aufgezeichnet.
 
Leider bin ich da kein Fachmann, würde aber empfehlen nach den Namen wie "van Swieten" (wichtig für Österreich) googeln. Wichtig war v.a. eine Ordnung des Gesundheitswesens, und dass dieses unter eine wissenschaftliche Aufsicht gestellt wurde. (Im Zusammenhang mit einem der van Swietens wäre auch Johann Lukas Boër zu nennen.)

Ich müsste mal schauen, wie das mit dem Chirurgenwesen war. Glaube aber, dass sich dort auch mehr und mehr einstellte, dass die Chirurgie von Fachmännern betrieben wurde.
 
Jenner begann etwa 1796 mit der ersten "Pockenimpfung" in England.
Edward Jenner 1749-1823 GB
Der Landarzt Jenner, der als Sohn eines Geistlichen in Gloucester geboren wurde und mit 13 Jahren seine Lehre bei einem Chirurgen begann, wurde später zu einem Schüler des berühmten John Hunter.
Er befasste sich mit den Pocken, die immer wieder als Epidemien auftraten, und viele Menschen töteten oder entstellten. Inspiriert wurde er durch eine in der Türkei und dem Orient praktizierte Pockenimpfung, bei der von Erkrankten gewonnenes Serum verwandt wurde, und von einem alten Volksglauben, der besagte, dass Knechte und Mägde, die an einer Form der Kuhpocken erkrankt waren, gegen die Pocken immun waren.
Durch seine sorgfältigen, fast 20 Jahre dauernden Recherchen fand er diesen Glauben bestätigt, so dass er es im Jahre 1796 zum ersten mal wagte, einen Menschen mit Kuhpocken zu infizieren.
Dieser fünfjährige Junge erkrankte erwartungsgemäß an einem leichten Hautausschlag, der jedoch rasch abheilte. Ein zwei Monate später injiziertes Pockenpräparat führte nicht zu einer Erkrankung mit den Pocken.
Die Schutzimpfung oder die "Vakzination", wie Edward Jenner sie nannte,
war geboren.
Dazu sollten noch zwei Dinge erwähnt werden. Erstens, dass Edward Jenners Erfindung durchaus nicht unumstritten war. Für viele Ärzte stellte eine Einmalbehandlung eine Bedrohung ihres Einkommens dar und sie setzten sich durch Verleumdung zur Wehr. Da jedoch die Angst der Menschen vor den Pocken größer war als diese üblen Nachreden und Karikaturen, setzte sich die Pockenschutzimpfung immer weiter durch.
Ein Arzt ging sogar so weit, eine der Kuhpockenkulturen in Jenners Krankenhaus mit Pocken zu verseuchen.
Und Zweitens, dass Edward Jenner den eigentlichen Grund der Infektionen noch nicht erkannt hatte. Die Rolle, die die Mikroorganismen bei der Ansteckung spielten, war noch nicht entdeckt.
Dennoch stellte Jenners Arbeit einen entscheidenden Durchbruch in der Medizin und der objektiv beobachteten Wissenschaft dar. Ebenso ebnete sie den Weg zur Bakteriologie und zu allen anderen Impfungen.
Und das Lachgas als Narkosemittel
Sir Humphry Davy 1778-1829 GB
Der Engländer Davy entdeckte 1799 die Wirkung von Lachgas als Narkosemittel. Davy liebte es, unbekannte Chemikalien Geruchs- und Geschmackstests zu unterziehen. Als er das Gas Stickoxyduhl (Lachgas) einatmete, lachte und schluchzte er fast bis zur Bewusstlosigkeit. Die narkotisierende Wirkung des Lachgases fiel ihm sofort auf. Erstmals wurde Lachgas 1844 von dem amerikanischen Zahnarzt Horace Wells eingesetzt.
Und dann war da noch John Hunter, der dafür sorgte, dass etlichen Soldaten Gliedmassen erhalten blieben, die man sonst amputiert hätte.
John Hunter 1728-1793 GB
Er war der britische Chirurg, der sowohl den Grundstein für die experimentelle Medizin, als auch für die Transplantationsmedizin gelegt hat.
Trotz seiner einfachen Schulbildung wurde er durch sein handwerkliches Geschick schnell ein geübter Chirurg, der neue Behandlungsmethoden entwickelte (z.B. die Behandlung von Schusswunden oder Sehnenrissen) und darüber publizierte.
Seiner Arbeit ist es zu verdanken, dass von der Amputation als Regelbehandlung von Schusswunden abgewichen wurde.
So konnte die Zahl der Kriegsversehrten deutlich gesenkt werden, was zur direkten Folge hatte, dass die Zahl derer sank, die auf Almosen angewiesen waren.
 
Jenner begann etwa 1796 mit der ersten "Pockenimpfung" in England.

Und das Lachgas als Narkosemittel

Und dann war da noch John Hunter, der dafür sorgte, dass etlichen Soldaten Gliedmassen erhalten blieben, die man sonst amputiert hätte.


Meines wurde bereits 1721 in England eine Pockenschutzimpfung durchgeführt. Es konnte damals die Pockenepidemie zurückgedrängt werden, und es war der Erfolg der Impfung nicht zuletzt Caroline von Ansbach Bayreuth, der Gattin Georg II. und damaligen Fürstin von Wales zu verdanken, die sich selbst impfen ließ und damit andere ermutigte, sich ebenfalls impfen zu lassen.
 
Leider bin ich da kein Fachmann, würde aber empfehlen nach den Namen wie "van Swieten" (wichtig für Österreich) googeln. Wichtig war v.a. eine Ordnung des Gesundheitswesens, und dass dieses unter eine wissenschaftliche Aufsicht gestellt wurde. (Im Zusammenhang mit einem der van Swietens wäre auch Johann Lukas Boër zu nennen.)

Ich müsste mal schauen, wie das mit dem Chirurgenwesen war. Glaube aber, dass sich dort auch mehr und mehr einstellte, dass die Chirurgie von Fachmännern betrieben wurde.


Die Chirurgie genoss im Allgemeinen keine allzu große Wertschätzung innerhalb der Medizin. Die Kunst der Feldscher und Wundärzte beschränkte sich meist darauf, Amputationen vorzunehmen. Neben Swieten verdient auch Giovanni Alessandro Brambilla erwähnt zu werden, denn auf seine Iniative hin eröffnete Joseph II. 1784 das Josephinum, das 1784 als Ausbildungsstätte für Chirurgen gegründet und allen anderen medizinischen Fakultäten gleichgestellt wurde. Allerdings wurde das Josephinum nach dem Tod des Kaisers stark vernachlässigt und beherbergt heute eine medizin- historische Sammlung.
 
Ihr habt beide Recht, Caro bezieht sich mit ihrem Hinweis auf die neue Impfmethode der Vaccination, also der Immunisierung durch Kuhpocken, was du meinst, Scorpio, ist die Immunisierung mit Variola-Viren, die von Lady Montagu aus der Türkei "mitgebracht" wurde, sich aber aufgrund der Unsicherheit der Methode nie durchgesetzt hat.
 
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