Frauen als NS-Täterinnen

Das meinte ich auch nicht. Aber viele Mörder müssen doch im Ehebett geplaudert haben.

Das ist zum Beispiel ein Punkt, welcher in der altern Forschung immer ausgeblendet wurde. Das eben die Mörder auch Ehefrauen, Freundinnen, Mütter etc. hatten.

Zum Beispiel die Ehefrauen der SS-Männer die in den Ostgebieten waren, besuchten ihre Männer. Solche Besuche sind durch Zeugenaussagen dokumentiert. Wenn eine Ehefrau ihren Mann besuchte, der im Osten seinen Einsatz tat, dann besichtigte sie die Ghettos und bediente sich an den Hinterlassenschaften der deportierten Juden. Pelzmäntel, Kleider, Schmuck und Tafelsilber. Die Frau von Hans Frank meinte dazu: "Nirgends gibt es schönere Korseletts als im Ghetto." Ein Überlebender des Ghettos Hrubieszow in Polen erklärte nach dem Krieg: "Es war damals allgemein bekannt, dass die Ehefrauen der Gestapobeamten und anderer deutscher Beamten sich an dem Vermögen der Juden, insbesondere Koffern, Kleidung und andern persönlichen Dingen bereicherten und diese Dinge mit nach Deutschland nahmen."

In den Akten des RuSHA steht auch, dass Frauen nach der Eheschliessung zu ihren Männern in den Osten reisten, auch wenn diese gerade im Einsatz waren. Browning geht davon aus, dass die Ehefrauen mit bekamen wenn die Polizeibataillone die Juden zusammentrieben um sie zu deportieren. Eine der Ehefrauen wurde als Zeugin nach dem Krieg befragt. Sie sagte zu der Aktion in Miedzyrzec (11 000 Juden wurden danach Treblinka deportiert und 960 Frauen, Kinder und Männer vor Ort ermordet) es war eine friedliche, fast idyllisch anmutende Umsiedlung in östlich gelegene Arbeitslager."



Quellen: Gudrun Schwarz. Eine Frau an meiner Seite. Ehefrauen in der SS-Sippengemeinde

Chistopher Browning. Ganz normale Männer. Das Reserve-Polizeibataillon 101 und die Endlösung in Polen.
 
Ich kann nur aus der eigenen Familie berichten. Opa als alter Sozialdemokrat war Eisenbahner und wurde nach Polen versetzt.
Erzählt hat er nix, aber düsterste Prognosen gehabt, "Wenn wir diesen Krieg verlieren..."
Er muss also einige Schweinereien im Osten mitbekommen haben, wenn er nicht sogar beteiligt war. Ich hab ihn nie fragen können, er fiel im Februar 45 in Ostpreussen.
 
Die Korruptionsverstrickungen sind ein gewichtiges Argument, um aus der geschichtsphilosophischen Argumentationskette heraus zu kommen ("Frauen als konstituierender Teil des totalitären nationalsozialistischen Machtsystems..." usw.). Ebenso aus der statistischen Analyse, die hierbei eher nicht hilfreich sein kann, da diese Taten einfach nicht erfaßt sind, wie sollten sie es auch, es hätte ja Anzeigen bzw. Meldungen bedurft und diese dann dort auch hätten erfaßt wären, dagegen sprächen prima facie Opportunitätsgründe.

Ich habe mal auf die Schnelle bei ARGUS rechercheriert:

http://startext.net-build.de:8080/barch/MidosaSEARCH/Bestaendeuebersicht/index.htm?search=SS-Hauptamt%20Gerichte&KontextFb=KontextFb&searchType=any&searchVolumes=all&highlight=true&vid=Bestaendeuebersicht&kid=9748A97934E04150A6A1092F0D9FFC99&uid=D0445C5871E9452ABCEEB7A9CF381030&searchPos=7

(siehe dort: NS 7, "SS- und Polizeigerichtsbarkeit"). Meine Überlegung dabei, Korruption wurde auch systemimmanent verfolgt. Insbesondere wenn sie bestimmte systemgefährdende Grenzen überstieg.


M.
 
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Die Korruptionsverstrickungen sind ein gewichtiges Argument, ...

Guter Hinweis!

Die Korrumpierung bezog sich dann auch nicht nur auf die persönlichen Bereicherungen aus dem SS-, Polizei- und sonstigem Verwaltungsumfeld in den besetzten Ländern, sondern es gibt einen weiteren Aspekt.

Die Dienststellen, Nachrichtenübermittlungen, Schreibabteilungen der front-rückwärtigen Verwaltung waren mit Frauen besetzt, Hunderttausende. Etwas zugespitzt zur Anschaulichkeit: Heydrich-Vermerke sind nicht von ihm selbst getippt worden, und kursierten auch in den Aktenverteilern selbst bei vertraulicher Klassifierung nicht in "Handakten". Das gilt ebenso für Berichte von Einsatzgruppen, Deportationen, Schriftverkehr mit Reichsbahn, Personen- und Mordlisten etc.

Den Bogen kann man weit spannen, zB bis hin zu den Untersuchungen über die Rolle der Finanzverwaltungen, siehe zB
http://www.geschichtsforum.de/f66/beschlagnahmung-exklusiver-autos-den-30er-jahren-berlin-26212/

... oder die "Männerdomäne" Auswärtiges Amt, das selbstverständlich im Bürodienst Frauen beschäftigte, die dann solche Reiseberichte verwalteten, Spesen anwiesen, oder die Memos verteilten:
http://www.geschichtsforum.de/f138/...-der-dienstreise-liquidation-von-juden-35206/
 
Guter Hinweis!

Die Korrumpierung bezog sich dann auch nicht nur auf die persönlichen Bereicherungen aus dem SS-, Polizei- und sonstigem Verwaltungsumfeld in den besetzten Ländern, sondern es gibt einen weiteren Aspekt.
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Die Finanzämter wurden schon genannt.
Die Versicherungen.
Die Schweine haben ja tatsächlich die Lebensversicherungen der ermordeten/noch zu ermordenden Juden eingezogen.
Die Einwohnermeldeämter.
Saßen ja auch überwiegend Frauen.
Bauämter
Irgendwo ist uns doch schon die Baugenehmigung für die Gaskammer in Dachau untergekommen. Wird es in Hartheim, Auschwitz usw. auch gegeben haben.
 
Das waren aber jetzt alles Verbrechen mit einer eher "inaktiven" Rolle der Frau.

Mir ist ein anderer Fall bekannt, mit "aktiven" Frauen, den es ähnlich vermutlich zu hunderten gegeben hat.

Ein Soldat ist auf Urlaub, überzieht diesen ein paar Tage. Läuft täglich in Uniform spazieren.
Die Nachbarinnen, "kann das sein, mein Mann war schon so lange nicht mehr da..." Rennen zur Polizei.

Todesurteil. Vollstreckung per Plakat an den Litfass-Säulen verkündet.

Vielleicht sollte man noch erwähnen, ein stadtbekannter ehemaliger Kommunist
(Zwei seiner Kinder, heute alte Männer, sind mir persönlich bekannt.)
 
Ich glaube, diese Dame ist auch noch nicht erähnt worden, obgleich ihre pädagogischen Schriften in der BRD bereits 1949 schon wieder nachgedruckt wurden und ihre Erziehungsratgeber bis in die 70er Jahre weite verbreitung fanden.

Johanna Haarer ? Wikipedia
Danke, die Dame kannte ich bisher nicht, erschreckend allerdings die Veröffentlichungsdaten ihrer Werke:
Es gab häufige Neuauflagen, zuerst im kirchlich-evangelischen Verlag Lätare, Nürnberg 1949[6], ab 1951 ohne die härtesten NS-Begriffe beim Carl-Gerber-Verlag, Nürnberg[7], dort zuletzt eine angeblich "Völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage" im März 1996.
 
Mich schockiert, dass diese Person in Gesundheitsämtern gearbeitet hat bis zu ihrer Pension 1965 (!!!!!) ...

Zeigt mir mal wieder, wie gerne man in der Nachkriegszeit den "Altnazis" die Ämter nur so hinterhergeworfen hat.. Erschreckend, wirklich.


Da wundere sich nochmal einer, dass wir heutzutage immer noch so viel braunes Gesocks im Land haben ... :still:
 
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Mich schockiert, dass diese Person in Gesundheitsämtern gearbeitet hat bis zu ihrer Pension 1965 (!!!!!) ...

Zeigt mir mal wieder, wie gerne man in der Nachkriegszeit den "Altnazis" die Ämter nur so hinterhergeworfen hat.. Erschreckend, wirklich.

In der direkten Nachkriegszeit waren nur die SS und die oberste Parteiführung Täter. Alle anderen waren unschuldig und hatten auch nie von irgendetwas gewusst oder sie waren im Widerstand. Für die echten Opfer war das natürlich pervers. Die Finanzämter z.B., die schon recht frühzeitig in die Ausplünderung z.B. von Juden offiziell involviert waren, schickten nach dem Krieg ihre Beamten in die Ämter für Wiedergutmachung. Hier wurden dann überlebende Opfer mit z.T. denselben Leuten konfrontiert, die sie 1938 - 40 ausgeplündert hatten, die nun von ihnen verlangten, eine Quittung für die Enteignung vorzulegen.
Und doch muss man auch sagen, wie hätten die beiden deutschen Staaten nach 1945 funktionieren sollen, wenn man alle Altnazis in die Wüste geschickt hätte? Es hätte nicht funktioniert. Woher hätte man die ganzen Beamten, Juristen, Lehrer etc. nehmen sollen? Wo doch schon die Funktionsträger in der Weimarer Zeit eher dem rechten Spektrum zuzuordnen gewesen waren, dann noch die unseligen zwölf Jahre und der Blutzoll des Krieges, also wie einen funktionierenden Staat aufbauen ohne das notwendige Knowhow?
Das macht es zwar nicht weniger pervers, aber vielleicht ein wenig verständlicher.
 
Und doch muss man auch sagen, wie hätten die beiden deutschen Staaten nach 1945 funktionieren sollen, wenn man alle Altnazis in die Wüste geschickt hätte?
In der SBZ schmiss man zunächst (1945/46) fast sämtliche Beamten aus dem Dienst, egal ob sie in der NSDAP waren oder nicht und ersetzte sie durch motivierte, aber meist nicht ausreichend qualifizierte Antifaschisten (meist sprich Kommunisten). Dabei schüttete man oft das Kind mit dem Bade aus. Die Übernahme von unbelasteten Sozialdemokraten und Bürgerlichen war eher eine Ausnahme an den Unis, wo man nicht einfach Dachdecker und Tischler auf die Lehrstühle setzen konnte. Immerhin, der spätere Verteidigungsminister Stoph war vorher mal Stabsgefreiter.
 
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Mich schockiert, dass diese Person in Gesundheitsämtern gearbeitet hat bis zu ihrer Pension 1965 (!!!!!) ...

Zeigt mir mal wieder, wie gerne man in der Nachkriegszeit den "Altnazis" die Ämter nur so hinterhergeworfen hat.. Erschreckend, wirklich.


Da wundere sich nochmal einer, dass wir heutzutage immer noch so viel braunes Gesocks im Land haben ... :still:

Noch ein Beispiel: Eva Justin, die Massgeblich an der Vernichtung der Sinti und Roma beteiligt war, arbeitete nach dem Krieg als Kinderpsychologin. Sie besass aber weder ein Examen noch hatte sie einen andern Abschluss in Psychologie.
Ihr Chef war Robert Ritter, Ritter war schon während des Dritten Reiches ihr Chef in der Rassenhygienische Forschungsstelle.
 
In der SBZ schmiss man zunächst (1945/46) fast sämtliche Beamten aus dem Dienst, egal ob sie in der NSDAP waren oder nicht und ersetzte sie durch motivierte, aber meist nicht ausreichend qualifizierte Antifaschisten (meist sprich Kommunisten). Dabei schüttete man oft das Kind mit dem Bade aus. Die Übernahme von unbelasteten Sozialdemokraten und Bürgerlichen war eher eine Ausnahme an den Unis, wo man nicht einfach Dachdecker und Tischler auf die Lehrstühle setzen konnte. Immerhin, der spätere Verteidigungsminister Stoph war vorher mal Stabsgefreiter.

@balticbirdy

Das ist ein Gründungsmythos der DDR. Natürlich wurden 1945/46 viele Beamte/Lehrer entlassen, kamen aber dann als "Spezialisten" wieder zurück. Selbst ich hatte noch in der POS einen Klassenlehrer der in der NSDAP war, einen Lehrer der war Fähnleinführer (gab er im Vollrausch zu, wir waren als Abiturienten wohl besser trainiert), einen Lehrer der Luftwaffenoffizier war und aufgrund seiner Stellung als Abnahme- und Testpilot mit Göring in Ostpreußen "verkehrte" und darüber auch im Unterricht erzählte.

Eine Aufstellung für die SBZ/DDR für ehemalige Parteimitglieder in herausragenden Positionen findest Du hier:

Liste ehemaliger NSDAP-Mitglieder, die nach Mai 1945 politisch tätig waren ? Wikipedia

Und die ist bestimmt nicht vollständig.

Um es auf die Spitze zu treiben, der Blockwart wurde "Hausbuchführer" und baute den Sozialismus mit auf und stand für Auskünfte an den ABV gerne zur Verfügung.

Die Verstrickung in Schuld war allgegenwärtig bis 1945. Nur die SBZ/DDR bot mit ihrem antifaschistischen (kommunistischen) Gründungsmythos ein Schild, hinter dem sich der "kleine" PG gut verbergen konnte. Und sie bot Halt, indem eingeübte Rituale weiterbestanden, erinnere Dich bitte an Fahnenappelle, Pionierhemden, FDJ-Hemden, vormilitärische Ausbildung usw. Solche Rituale erleichterten den Übergang von einem totalitären Regime in das nächste totalitäre Regime.

Dieser Gründungsmythos ist wahrscheinlich eines der hartnäckigsten Mythen der Neueren Geschichte.

M. :winke:

P.S.: Sorry, wenn ich in diesem Posting die wissenschaftlich gebotene Distanziertheit verletzte.
 
@Melchior, bitte beachte meine Formulierung:
In der SBZ schmiss man zunächst (1945/46) fast sämtliche Beamten aus dem Dienst...
Dass viele dieser Leute 5 Jahre später wieder in höheren Positionen saßen und warum das so war, steht auf einem anderen Blatt...

...einen Lehrer der war Fähnleinführer (gab er im Vollrausch zu, wir waren als Abiturienten wohl besser trainiert)
Ja und? Das war eine HJ-Funktion, wie alt war er damals wohl? Ich will es beantworten: Den Dienstgrad gab es beim nur beim Jungvolk, Alter max. 14.
Daraus jemandem einen Strick zu drehen ist genauso unsinnig wie der Kanzlerin ihre ehemalige FDJ-Funktion anzukreiden.
 
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Noch ein Beispiel: Eva Justin, die Massgeblich an der Vernichtung der Sinti und Roma beteiligt war, arbeitete nach dem Krieg als Kinderpsychologin. Sie besass aber weder ein Examen noch hatte sie einen andern Abschluss in Psychologie.
Ihr Chef war Robert Ritter, Ritter war schon während des Dritten Reiches ihr Chef in der Rassenhygienische Forschungsstelle.
Gleiches gilt für Jutta Rüdiger, erst oberste BDM-Führerin und nach dem Krieg dann Kinderpsychologin (allerdings fachlich nicht sonderlich beachtet, dafür aber praktizierend), obwohl sie nur Fachpsychologin war.

Hildegard Hetzer begutachtete "slawische" Kinder im Hinblick auf ihre Eignung zur Germanisierung in polnischen Kinderheimen. Nach dem Krieg war sie Professorin an verschiedenen pädagogischen und psychologischen Lehrstühlen und baute in den 50ern als eine der maßgeblichen Personen die Erziehungsberatungsstellen in Hessen auf.
 
@Melchior, bitte beachte meine Formulierung:


Dass viele dieser Leute 5 Jahre später wieder in höheren Positionen saßen und warum das so war, steht auf einem anderen Blatt...


@balticbirdy

Sorry, ich wollte Dich nicht verletzen. Vllt. wäre es besser gewesen, das Posting nicht zu adressieren. :friends:

Aber mit Deinem Posting bringst Du eine Facette in die Diskussion, wofür ich Dir danke, die ich hoch interessant finde.

- mentalitätsgeschichtliche Aufarbeitung der NS-Herrschaft im Vergleich SBZ/DDR und Bundesrepublik
- systemübergreifende Herrschaftsrituale
- Einbindung von "Herrschaftswissen" von "Eliten des NS-Systems" in den Wiederaufbau

M.
 
Sorry, ich wollte Dich nicht verletzen. Vllt. wäre es besser gewesen, das Posting nicht zu adressieren. :friends:
Wieso und wofür glaubst du dich entschuldigen zu müssen?
- mentalitätsgeschichtliche Aufarbeitung der NS-Herrschaft im Vergleich SBZ/DDR und Bundesrepublik
- systemübergreifende Herrschaftsrituale
- Einbindung von "Herrschaftswissen" von "Eliten des NS-Systems" in den Wiederaufbau

Sieh mal nach, ob wir diese Aspekte schonmal als Thread hatten. Wenn nicht - nur zu.
 
balticbirdy;532150Daraus jemandem einen Strick zu drehen ist genauso unsinnig wie der Kanzlerin ihre ehemalige FDJ-Funktion anzukreiden.[/QUOTE schrieb:
Niemand will diesem Lehrer "einen Strick drehen", zumal der als Lehrer ziemlich o.k. war, sondern es geht um die personelle und aufgabenbezogene Kontinuität zwischen den deutschen Diktaturen und den "sinnstiftenden Ritualen". Ist jedenfalls meine Sicht.

M.
 
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