Glaubwürdigkeit von Herodot

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Biotop

Gast
Glaubwürdigkeit

Hi

Habe gerade Herodot bei amazon bestellt. Ein Freund hat mir davon abgeraten, da er ihn nicht für glaubwürdig und für einen großen Phantasten hält. Seine Historien seien Schund... .
Frage: Kann das von den Usern hier so bestätigt werden ? Ist Herodot wirklich unglaubwürdig, und sein Werk untauglich ?

MfG

Biotop
 
Tatsächlich wurde er mal als der größte Lügner aller Zeiten von der Wissenschaft bezeichnet.

Immer mehr bestätigen sich allerdings seine Berichte, sodaß von einem Lügner keiner mehr spricht. Eher werden seine Berichte heute durch die Forschung ergänzt.
 
Glaubwürdigkeit

Hallo Biotop

Ein Lügner war er bestimmt nicht. Vieles aus seinen Büchern wird als wahr betrachtet.
Zu historischen Mythen sucht er immer wieder einen historischen Kern, der als wahr betrachtet werden kann. Zum Beispiel bem Raub der Europa.
Insofern sind einiges von ihm Testen, das meiste aber historisch fundiertes.
Viele Grüsse
obwalden
 
Hi

Danke für die bisherigen Antworten.
Wie steht die heutige Geschichtswissenschaft zu ihm ? Ist er für diese als Quelle tragbar ?
Weiß jemand, welche Aussagen seiner Historien heutzutage ( ein bekanntes Beispiel vielleicht ) als richtig postuliert wurde, und welche als falsch ?

Und warum bezichtigte man in vorher als " Lügner "?

Fragen über Fragen.

MfG

Biotop
 
Warum er vorher ein Lügner war und jetzt nicht mehr? Früher waren die ärcheologischen Beweise einfach nicht da. Heute teilweise.
Zum Beispiel der Turm von Babylon. Außer in der Bibel und bei Herodot steht nirgendwo etwas darüber. Ich glaub in den 80igern? hat man in Bagdad das Fundament ausgegraben.

Oder die ganze Kroisos- Geschichte.

Einfach selber lesen und mit dem aktuellem Stand der Forschung vergleichen. :)

Ich für meinen Teil finde Herodot absolut interesant. Ich hoffe, du hast die Kröner- Ausgabe bestellt. Ist von der Übersetzung am besten.
 
Lügner ist ein bißchen extrem. Er war halt ein Kind seiner Zeit und der griechischen Prägung. Daher schreibt er "griechisch" und stellt die Thematik aus der griechischen Sichtweise dar.
 
Hi

@Titus Livius

Ja, die Kröner- Ausgabe ist es glaube ich. Kann mich erinnern, daß der Einband weiß- orange ist, und einen sitzenden Perser abbilodet..hm.., müßte eigentlich Kröner sein. Ich weiß jedenfalls, daß auch dies von meinem Freund kritisiert wurde, da diese Ausgabe seit über 30 Jahren woll nicht überarbeitet wurde. Angeblich.

Auch das Beispiel Babylon, wurde mir " unter die Nase " gehalten, die Beschreibungen bei Herodot seien maßlos übertrieben und grotesk.

Auf jeden Fall werde ich ersteinmal selbst lesen. Gibt es eventuell Literatur, die eben diese " Diskrepanz " behandelt?

@ Leopold Bloom

Kannst Du mir vielleicht schreiben, wer ihn hauptsächlich als Lügner darstellen wollte ?

Sorry, für die vielen Fragen:)

MfG

Biotop
 
Biotop schrieb:
@ Leopold Bloom

Kannst Du mir vielleicht schreiben, wer ihn hauptsächlich als Lügner darstellen wollte ?

Sorry, für die vielen Fragen:)

MfG

Biotop


Macht nix, die vielen Fragen. Wie gesagt finde ich Lügner übertrieben. Aber mal ein Beispiel: Er hat die persische Geschichte und Tradition der Achämeniden deutlich negativer dargestellt als diese tatsächlich war. Das lag aber m.E. nicht unbedingt am bösen Willen sondern schlicht daran, dass die Perser zu der Zeit die "Erbfeinde" der Griechen waren.

In etlichen Passagen kommen die Perser schlecht weg. Er beschreibt den Siegfrieden des Artaxerxes in Kleinasien und Zypern, unterschlägt aber, dass die Perser keinesfalls Religion oder Kultur aufgezwungen haben.

Allerdings beschreibt er im Gegenzug auch sehr detailliert Kultur, Sitten und Gebräuche:



"Es ist nicht Sitte bei ihnen, Götterbilder, Tempel und Altäre zu errichten. Offenbar stellen sie sich die Götter nicht wie die Hellenen als menschenähnliche Wesen vor. Dem Zeus pflegen sie oben auf den Gipfel der Berge zu opfern, und zwar bezeichnen sie mit dem Namen Zeus das ganze Himmelsgewölbe. Sie opfern auch der Sonne, dem Mond, der Erde, dem Feuer, dem Wasser und den Winden.

Als höchsten Festtag feiert jeder Perser den Tag an dem er geboren ist. An diesem Tage will er ein reichlicheres Mahl einnehmen als sonst, und seinen Gästen jeweils ein Geschenk machen.

Den Wein lieben sie sehr. Sie pflegen im Rausch die wichtigsten Angelegenheiten zu verhandeln. Den Beschluß den man so gefaßt hat, trägt der Hausherr, in dessen Hause die Beratung stattfindet, am nächsten Tage, wenn die beratenden nüchtern sind, noch einmal vor. Ist man auch jetzt damit einverstanden, so führt man das beschlossene aus. Auch ein Gegenstand, den sie nüchtern vorberaten haben, in der Trunkenheit noch einmal erwogen.

Brot wird wenig gegessen, viel Zukost, und zwar in mehreren Gerichten. In Gegenwart anderer sich zu erbrechen oder Wasser zu lassen ist nicht Sitte. Darin sind sie streng.

Kein Volk ist fremden Sitten so zugänglich wie das persische. Sie finden medische Kleidung schöner als die ihrige und tragen sie infolgedessen. Alle Genüsse und Vergnügungen, die sie kennenlernen, führen sie auch bei sich ein.

Die Haupttugend ist Tapferkeit. Ferner gilt es als ein Verdienst, viele Söhne zu haben.

Sie unterweisen die Knaben vom fünften bis zum zwanzigsten Jahre; aber nur drei Dinge lernen sie; Reiten, Bogenschießen und Wahrheit sagen.

Diese Sitte lobe ich, ebenso die andere, daß nicht einmal der König einen Menschen wegen eines Vergehens erschlagen darf; überhaupt kein Perser an seinem Knecht aus einem bestimmten Anlaß eine tödliche Strafe vollziehen darf. Eine Bestrafung ist nur nach sorgfältiger Abwägung möglich.

Das Entehrendste ist bei Ihnen das Lügen. An zweiter Stelle steht das Schuldenmachen, weil ihrer Meinung nach ein Schuldner notwendigerweise in die Lage kommt zu lügen."


Aus: Herodot, "Reiligion und Sitten der Perser", Erstes Buch.


Vielleicht machts das etwas deutlicher. Ich halte die "Säuferepisode" z.B. für übertrieben. Auch, dass die Perser nur Reiten, Bogenschießen und Wahrheit gelehrt haben sollen, scheint für die bestimmende Hochkultur der damaligen Zeit an den Haaren herbeigezogen.
 
Deine Beschreibung passt sehr gut auf den Kröner. Warum er jetzt schlecht sein soll, nur weil er seit 30 jahren erscheint, keine Ahnung, denn die Übersetzung ist doch das entscheidende. Und ein guter Dolmetscher übersetzte vor 30 Jahren doch genau daselbe wie ein guter Dolmetscher heute auch.... .

http://wikipedia.t-st.de/data/Herodot
http://www.gnomon.ku-eichstaett.de/LAG/publikum.html

Mal ein Link, der sich hauptsächlich mit den Kimmeriern beschäftigt, die Herodot ja erwähnt hat.
http://www.kimmerier.de/start.htm


Dieser Link beschäftigt sich mit der Frage des Pyramidenbaues nach Herodot und der mod. Forschung:
http://www.aegypten-zeitschrift.de/Ausgaben/3-1998/Pyramiden.htm

Bücher, die sich mit Herodot und seiner Ethnologie beschäftigen:
http://www.kovac-verlag.de/9-9.htm
 
Also, wenn man Herodot flüchtig liest könnte man den Eindruck gewinnen, das er Märchen erzählt. Aber sehr oft schreibt er selbst, das er bestimmte Fakten für unglaubwürdig hält, das er es aber aufschreibt, weil die Menschen in den Ländern es erzählen und selbst daran glauben. Deshalb halte ich seine Schriften für wertvoll, weil er sozusagen die damaligen Weltanschauungen konserviert hat. z.B. Babylon, unglaubwürdig wurde er deshalb, weil die Stadtmauer in gigantischen Größen wiedergeben hat, er selbst aber sagte, das er die Maße von Einheimischen habe, die von ihrer großen Vergangenheit erzählten.
 
Hi


Also Leute, ersteinmal möchte ich mich herzlich für das reichhaltige Feedback bedanken.
Finde ich wirklich Spitze. Danke !


@Leopold Bloom

Auch Dir vielen Dank, daß Du Dir die Mühe gemacht hast. Ich denke, Dein Beispiel veranschaulicht und beantwortet meine Frage wirklich treffend. Das Fazit für mich ist also, daß Herodot trotz einiger Ausschmückungen und Übertreibungen, also kurzum subjektiver Wahrnehmung, im allemeinem als glaubwürdig einzustufen ist.

@ Titus Livius


Auch Dir einen großen Dank für die Mühe, und den Links, werde sie aufmerksam lesen.
Nein, er meinte nicht die Übersetzung, sondern das die Fußnoten und Erklärungen, d.h. die Auslegungen veraltet seien, und nicht auf dem neusten Stand der Wissenschaft sind.

@all

Vielen Dank für die Antworten. Wünsche allen ein schönes Wochenende.

MfG

Biotop
 
Haaaalt

Herodot hat ausgedehnte Reisen nach Kleinasien, Syrien, Babylonien und Persien, im Osten die Küsten Thrakien, Makedonien im Norden, Kyrene (in Nordafrika) und Ägypten bis Elephntine im Süden, Sizilien und Unteritalien im Westen unternommen. Er ist also viel rumgekommen und hat somit viel gesehen und und erlebt. Darlegung der Erkundung war nach den einleitenden Worten der Zweck seines Werkes. Herodot wollte die Auseinandersetzung zwischen Asien und Europa, Barbaren und Griechen, die, (wie Leopold bereits schrieb) in den Perserkriegen ihren Höhepunkt fand, seit der Urzeit darstellen. Der Inhalt ist sehr bunt, die Geschichte der Lyder, Perser, Ägypter, Babylonier und Skythen wird mit ausführlichen volkerkundlichen Beschreibungen erzählt.

Besonders Gewicht wird wie schon gesagt wird auf die Züge der Perser gegen die Griechen gelegt. Für die Perserkriege ist Herodot unsere Hauptquelle. Aber ich glaube Herodot wollte uns nicht nur die historische Wahrheit vermitteln, sondern uns auch ein wenig mit seinen Geschichten unterhalten.

Fazit: Dein Macker weiß nicht wovon er spricht, lieber Biotop ;) . Bitte kaufen und lesen. Gehört bei jedem Freund der Antike ins Bücherregal.


P.S. @titus: wer ist denn schon titus_livius gegen Herodot! :p
 
Zuletzt bearbeitet:
Hi

@all

Guten Morgen.

@Alexandros

Danke für Deine Ausführungen. Ob mein " Macker " weiß wovon er spricht, werde ich wohl selbst ergründen müßen. Und mein " Macker " ist ein Freund, und nicht ein " Macker ";-)
Kurzum, ich wollte mich lediglich um die Glaubwürdigkeit seines Werkes erkundigen, und keinem auf den Schlips treten.

MfG

Biotop
 
Welcher Autor hat in der Antike so geschrieben wie heute? Damals war es üblich mitunter zu übertreiben. Oder auch was dazu zu dichten. Und die damalige Gegenwart im Kontext zu sehen, war schon aus technischen Gründen nicht möglich. Was Herodot schrieb, ist genauso wahr, wie das, was in der Bibel steht. Dieses Buch wird heute so lange auseinander gepflückt, bis man alle Stellen in der Bibel irgend einem Ereignis zu ordnen kann. Somit wird es dann immer zu diesem "Körnchen Wahrheit" kommen.
 
Herodotus

Ja hallo erstmal. Nach betätigen der Suchfunktion fand ich keinen Thread zu ihm. Sehr verwunderlich wenn ihr mich fragt, gilt er doch als "Vater der Geschichte". Hoffe nur das ich ejtzt nich blind war :still:
Würd gleich mal eine Einleitende Frage stellen: Zurzeit beschäftige ich mich mit einer Hausarbeit rund um die Darstellung der antiken Tyrannis in Herodots Historien. Kennt ihr irgendwelche Sekundärliteratur die ihr dazu empfehlen würdet? Mir stehen Momentan zur Verfügung:

-Journal of Ancient History: Politics and Belief in Herodotus Heft 58
-Rollinger, Robert: Herodots Babylonischer Logos - Eine kritische Untersuchung der Glaubwürdigkeitsdiskussion
-Bichler, Reinhold und Rollinger, Robert: Herodot
-Bleckmann,Bruno (hrsg.): Herodot und die Epoche der Perserkriege
-Asheri,Lloyd, Corcella: A commentary on Herodotus Books I-IV (hierzu eine zusätzliche Frage: mir sind nur 3 Bücher Herodots bekannt auch in den hiesigen Bücherläden sind nur 3 vorhanden respektive bestellbar)
 
Herodot: Historiker oder Lügner

Ja, ich weiß, dazu gab es schon mal ein Thema. Ich möchte aber wegen zwei Gründen ein neues aufmachen: Das alte ist im Römerforum (passt Herodot dahin?) und 2. Soll es hier verstärkt um die pro und contra Argumentation bezüglich der Historizität Herodots gehen. Ich selbst habe für http://geschichte-wissen.de/ demletzt einen kleinen Aufsatz geschrieben und möchte nun mit ein paar Experten weiter einen Meinungsaustausch betreiben (so deutllich damit man mich auch versteht).

Hier nochmal der Text:

27.12.10
Herodot




Eine Frage die sich schon viele Historiker, und in diesem Fall auch wir, sich gestellt haben ist ob Herodot wirklich so historisch ist wie oftmals, in näherer und fernerer Vergangenheit, behauptet bzw. bestritten wurde. Seit ca. 20 Jahren ist eine nicht endende Debatte im Gang, Liebhaber und Gegner Herodots suchen Beweise um ihn zu bestätigen oder zu widerlegen, doch auch schon vor ca. 2400 Jahren gab es Kritik, ausgesprochen von einem Kollegen, Thukydides beim Namen. Lucian nannte Herodot sogar einen "Lügner". Bekanntlich nimmt der Bericht über die Perserkriege einen Großteil seines Werkes ein, ohne ihn ist es fast unmöglich dieses Thema zu behandeln, aber nur mit ihm kommt man oft auf die falsche Spur, es können sich Trugschlüsse und Verwechslungen bilden, denn so frei, wie Herodot seine Berichte von Beeinflussung wünschte, sind sie tatsächlich nicht. Auch er bekam Informationen von Leuten die eine ganz eigene Meinung über dieses Thema hatten. Besonders möchten wir uns mit Hilfe des Buchs : Herodot und die Epoche der Perserkriege - Realität und Fiktionen, herausgegeben von Bruno Bleckmann, orientieren, welches eine hervorragende Grundlage zur Forschung in diesem Gebiet gibt.




Inhalt:




1. Herodot und seine Darstellung vor den Perserkriegen


1.1 Der nahe Osten und Ägypten vor den Perserkriegen
1.2 Griechenland vor den Perserkriegen


2. Die Perserkriege


2.1 Vom Ionische Aufstand bis zum Ende des Xerxeszugs
2.2 Athen, Sparta und andere Poleis


3.Zusammenfassung und Schlusswort







1. Herodot und seine Darstellung des nahen Ostens und Ägyptens


1.1 Die Zeit vor den Perserkriegen


4 der 9 Bücher von Herodot handeln von der Zeit vor den Perserkriegen, zumindest wenn wir den Ionischen Aufstand, welcher in Band 5 behandelt wird, als den Anfang dieses dann knapp 50 Jahre dauernden und 499/498 mit dem Kalliasfrieden endenden Konflikts sehen wollen dessen Ablauf in den restlichen 5 Büchern behandelt wird.
Dabei handelt das erste Buch von den Lydern, speziell unter Krösus und der Unterwerfung Kleinasiens, Babylons und der Massageten durch die Perser, das zweite von Ägypten und das 3te und 4te von den Persern unter Kambyses sowie Dareios mit deren Feldzügen. Zusätzlich nützt er aber zahllose Ausschweifungen um über andere Völker und deren Sitten zu berichten.


Wir können allgemein annehmen, dass Herodot bei Berichten über Geschichte, die weit vor seiner Geburt spielte, auf immer ungenauere Angaben und Erzählungen angewiesen war. Sollte er die Reise nach Ägypten, tatsächlich unternommen haben war er wohl kaum in der Lage wirklich (alt-)Ägyptisch zu lesen und weder ihm noch einem möglichen Dolmetscher dürfte ein so breites Spektrum an Informationen zugänglich gewesen sein wie es Ägyptologen heute möglich ist. Unvollständige Berichte, die er von Einheimischen aufgeschnappt haben dürfte, wurden vermutlich mit eigenen Vorstellungen ergänzt. Es ist ihm allerdings gelungen, die Pyramiden von Gizeh den richtigen Herrschern zuzuordnen ( Cheops, Chephren und Mykerinos ) und ihren Sinn herauszufinden, auch wenn er sie zeitlich falsch, nach Ramses II., einordnete. Je ferner das Land ist desto merkwürdiger werden Herodots Berichte, was auch nicht weiter verwundert, da er, wie gesagt, oft auf mündliche Überlieferung und dementsprechend auf Sagen und Legenden angewiesen war. So berichtet er z.B. :


Am heißesten aber brennt die Sonne [in Indien] früh am Morgen, nicht wie bei anderen mittags, sondern sie steht über ihnen bis zur Zeit, da man den Markt verläßt. In dieser Zeit aber brennt sie viel ärger als mittags in Hellas, so daß die Leute dort, wie man erzählt, die Zeit über im Wasser stehen.(1)


Mit Sicherheit können wir davon sagen, dass das Quark ist, wenn auch nicht der größte, denn an einer anderen Stelle berichtet er von Ameisen, so groß wie Hunde, die in Indien nach Gold schürfen. Doch je näher der Ort, den er beschreibt, Griechenland ist, desto zutreffender werden seine Berichte. Einige Angaben über die Perser decken sich mit Keilschriftafeln, Jahreszahlen oder ähnliches stimmen ungefähr überein. Natürlich ist auch hier sein Werk von griechischer Propaganda beeinflusst, das ließ sich, trotz sicherer Anstrengung Herodots, die er uns hin und wieder zeigt wenn er Informationen für unglaubwürdig erklärt, nicht vermeiden.




1.2 Griechenland vor den Perserkriegen


In Griechenland sind Herodots berichte, wie schon erwähnt, um einiges genauer, als wenn er von den fernen Völkern Asiens berichtet. Dennoch müssen wir beachten, dass Herodots Werk stark von der athenischen Propaganda seiner Zeit geprägt ist, zu sehen ist das am Beispiel des Peisistratos, dem Tyrann von Athen. Herodot ist der erste der nach gut 100 Jahren über ihn erzählt, natürlich stellt dieser ihn und seine Tyrannis meistens schlecht dar, so lässt er z.B seine Geburt mit Unheil bringenden Zeichen verbunden sein. Dennoch gilt er den meisten Historikern als Quelle und ein Großteil unseres Wissens wird erstmals von ihm vermittelt und spätere Berichte decken sich teilweise mit dem seinen, so z.B. der von Aristoteles über besagte Tyrannis. Die Spartaner stehen auch nicht immer in gutem Licht dar, was sich später noch verstärkt, vielleicht auch ein Nebeneffekt der zerrütteten athenisch-spartanischen Beziehung am Ende des 5. Jh. v. Chr. Dies könnte aber auch mit einer schlechten Informationslage über die Spartaner zu tun haben, die sowohl er, wie auch Thukydides, als geheimnistuerisch bezeichnet und beispielsweise Kleomenes von den Spartaner gegen Ende als verrückt abgetan wurde und Herodot keine genaueren Untersuchungen möglich waren.




2. Die Perserkriege




2.1 Vom Ionische Aufstand bis zum Ende des Xerxeszugs


Auch der Ablauf der Perserkriege ist von Herodot erstmals erfasst worden und dient, u.a. weil die Perser, was natürlich nicht unbedingt verwundert, ein ziemliches Geheimnis aus ihm gemacht haben, den meisten Historikern, so z.B. dem renommierten Althistoriker Dietmar Kienast, als Quelle. Auch Wolfgang Schuller berichtet:


Und dennoch – darff nicht doch die innere Stimmigkeit der Gesamtheit der Schilderung von Entscheidungssituationen in den Perserkriegen durch Herodot bis zum jeweiligen Beweis des Gegenteils das beneficium der historischen Wahrheit für sich beanspruchen?(2)


Andere antike Historiker, die über das Thema, meist einiges später, berichte und deren Bericht an einigen Stellen nicht mit dem Herodots übereinstimmen, werden hier meistens zugunsten letzterems beiseitegeschoben da dieser aus heutiger Sich bessere Informationen liefert.
Einige Dinge, die sich aus heutiger Sicht bestätigen lassen, sind u.a. Herodots Beschreibung der Marschordnung der 10.000 Unsterblichen. Seine Angaben, darunter die nach unten gerichteten Speere besagter Truppe, lassen sich mit diversen Reliefs die in Susa und weiteren Städten gefunden wurden decken. Weiter erwähnt er als einer der ersten die Aristeia, eine Belohnung für tapfere Kriegstaten die historisch gesichert ist. Außerdem sieht er den Datis-und Xerxeszug, im Gegensatz zum zeitgenössischen Denken, nicht nur religiös motiviert und erklärt, wenngleich er die Rache für das zerstörte Kybebe Heiligtum in Sardes immer wieder herausstreicht, mithilfe einer reproduzierten Rede Xerxes, dass es ihm auch um Land und Macht ging(3). Das Herodot mit seinem (religiösen) Rachegedanken vermutlich falsch liegt, lässt zweierlei schließen: Dass die Perser griechische Heiligtümer als Ausgleich für Sardes plünderten ist nicht so wahrscheinlich als das sie es einfach auf das Gold abgesehen hätten welches größtenteils in Tempeln zu holen war und dass Xerxes nach der Eroberung mancher Gebiete griechischen Göttern sehr wertvolle Opfergaben darbrachte, vermutlich um die dortigen Griechen für sich zu gewinnen. Die etwas weiter oben genannte Rede war mit Sicherheit genauso historisch wie die meisten andere Reden die Herodot zitiert, nämlich überhaupt nicht. Woher sollte Herodot den genauen Wortlaut persischer Gespräche wissen geschweige denn verstehen? Welcher Grieche hat schon private Gespräche des Xerxes belauscht und sich danach an Herodot gewannt? Auch hier meint W. Schuller, zur Verteidigung Herodots, dass die Reden symbolisch gemeint seien und keinesfalls von Herodot gewünscht war, sie in ihrem aufgeschriebenen sein für historisch zu halten.
Allerdings streite man sich zur Zeit über die Rolle das Themistokles. Von Herodot wird er immer wieder zum Retter Griechenlands postuliert indem er ihm im letzten Moment immer die richtige Entscheidung fällen lässt, so z.B. bei der Evakuierung Athens oder bei der Streitfrage ob die Seeschlacht bei Salamis oder am Isthmos geschlagen werden sollte (worauf wir später genauer eingehen wollen). Auch hier lassen sich aus heutiger Sicht schwer Entscheidungen treffen das Herodot eben einer der Wenigen war dem es möglich war auf Zeitzeugen oder ähnlich gute Quellen zurückzugreifen, alle anderen Historiker berichten deutlich später. Man ist sich aber fast einig, dass Themistokles eine wichtige Rolle im Perserkrieg einnahm. Über ihn wird auch berichtet, dass er von den Bewohnern Euböas bestochen wurde, um mit den Schiffen Griechenlands ihre Insel zu schützen. Von diesem Bestechungsgeld nahm er auch um seinerseits Eurybiades, der das Oberkommando über die Flotte hatte und Adeimantos, einen korinthischen Befehlshaber von der Richtigkeit dieses Vorhabens zu „überzeugen“. Diese Bestechung, Themistokles soll etliche Talente Silber bekommen haben, war aus 2 Gründen vermutlich nicht möglich: Woher sollte Euböa das Geld haben und wie sollte eine Bestechung in diesem gewaltigen Ausmaß unbeobachtet von Statten gehen (es sollen ca. 700kg Silber gewesen sein)? Weiter sind die viel zu hohen Angaben über die Anzahl der persischen Streitkräfte kaum realistisch. Mehrere Millionen nennt Herodot, die Verpflegung und die Unterkunft einer solchen Armee wäre unmöglich (heutzutage schwankt man zwischen 90.000-400.000 Mann) .




2.2 Athen, Sparta und andere Poleis


Herodot schildert die Beziehungen von Athen und Sparta so, dass Athen in einem besseren Licht und Sparta zwar als Elite aber auch Störenfried dasteht. So sprechen sich peloponnesische Admirale der griechischen Flotte dafür aus, Salamis zu verlassen um ihr Heimatland zu schützen, Themistokles kann dies nur durch die Drohung, seine Schiffe würden nicht folgen, verhindern. Natürlich war seine Entscheidung Herodot nach richtig da die Griechen diese Schlacht ja gewannen. Michael Zahrnt geht davon aus, dass diese Behauptung eine Folge spätere athenischen Propaganda ist und es zwar zu Meinungsverschiedenheiten, aber nie zu einem für die Griechen so gefährlichem Streit gekommen sei. Themistokles wäre nie ein so großes Risiko eingegangen. Erst indem er, so Herodot, zum Schein mit dem Großkönig operierte und dieser schließlich Angriff, kam es zur gemeinsamen Verteidigung. Weiter zeigt Herodot die Unentschlossenheit der Spartaner indem er sie kein Heer zur Befreiung des noch immer von Mardonios besetzten Athens schicken ließ und diese sich erst zur Hilfe entscheiden, als die Athener wiederholt mit Kooperation mit den Persern drohen. Zahrnt hält auch dies für unistorisch und Folge von späterer Prpaganda da für die Spartaner ein solches Risiko tödlich hätte Enden können.




3.Zusammenfassung und Schlusswort


Die Ergebnisse der bisherigen Forschung haben gezeigt, dass es sehr schwer ist Falsches aus Herodots berichten zu filtern da er eben einer der wenigen ist der über dieses Thema mehr oder weniger verlässlich berichtet und es keine persische Opposition gibt. Die meisten Fehler macht Herodot wenn er über Orte fern seiner Heimat und in weit zurückliegender Vergangenheit berichtet, viele andere seiner Berichte scheinen aber korrekt zu sein auch wenn man an einigen Stellen durch gesunden Menschenverstand Fehler und Beeinflussung durch seine Zeit erkennen kann. Die Einzigartigkeit seines Werks macht dieses aber besonders Wertvoll, Forschungen zu den Perserkriegen sind ohne ihn schlichtweg unmöglich.
Aber selbst wenn alles in seinem 9-teiligem Werk falsch wäre, so ist es doch hervorragend geschrieben, amüsant und in der Hinsicht auch interessant, dass es Aufschluss über das Denken, Lernen und Verarbeiten der Informationen in einer längst vergangenen Epoche gibt.


Christopher Bischof






(1)Herodot 3,104
(2)Herodot und die Epoche der Perserkriege, S. 105 unten
(3)Herodot 7,8c






Quellen:
Die Groe Pyramide
Herodot: Historien
Herodot und die Epoche der Perserkriege, Herausgegeben von Bruno Bleckmann
Persisches Feuer von Tom Holland
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Jemand anderer Meinung/weitere Argumente?
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Bestätigung deiner Aussagen dient auch eine meiner Lieblingsstellen bei Herodot. Über den Ursprung des Weihrauches schreibt er, dass dieser in Sanaa von gefiederten Schlangen bewacht werde. Skelette solcher Schlangen haben sich meines Wissens nach bislang nicht gefunden. Allerdings ist die Gegend garnicht so weit von Griechenland weg, wenn man berücksichtigt, dass Herodot ohne Mühe bis nach Ägypten reisen konnte.

Über deine Ansichten zu den sprachlichen Möglichkeiten würde ich allerdings noch einmal nachdenken.
Die Palastordnung und die Tempelhierarchie im gesamten östlichen Mittelmeerraum machten gute administrative Kontakte notwendig und hierzu gehörten auch Übersetzungen der wichtigsten Sprachen. Eindrucksvollstes Dokument dieser Tatsache ist für mich der Stein von Rosetta, aber es gibt auch z. B. aus dem hethitischen Machtbereich zahlreiche Belege für Übersetzungen, sogenannte Bilinguen. Es dürfte Herodot also nicht schwer gefallen sein, qualitativ gute Übersetzer für die wichtigsten Umgangssprachen zu finden. Und bei dem Einfluss der Perser in dieser Zeit - warum sollten keine Übersetzungen der Rede im Umlauf gewesen sein? Wie gesagt, darüber würde ich noch einmal nachdenken. Man neigt manchmal zu sehr dazu, Kulturen, die zeitlich weit vor uns liegen, intellektuell zu unterschätzen.
 
Man neigt manchmal zu sehr dazu, Kulturen, die zeitlich weit vor uns liegen, intellektuell zu unterschätzen.

Als Hobbysumerologe unterschätzte ich niemanden. Ich habe damit u.a. gemeint, dass Herodot unmöglich den genauen Wortlaut von Privatgesprächen (die nicht aufgezeichnet wurden) des Xerxes mit seinen Beratern/ bzw. dem Gespräch zwischen Xerxes und Ephialtes wissen konnte.
Auch wenn Herodot einen guten Dolmetscher gehabt hätte, wie im Text erwähnt, hätte er wohl kaum die Möglichkeit gehabt die sehr alten Texte des alten Reichs zu "finden" oder zu entschlüseln, oder?
Wenn ich mich irre, bitte ich um Korrektur.
 
Ich würde mir nie erlauben, dich zu korrigieren. Die Frage wäre natürlich, ob die Gespräche irgendwo aufgezeichnet worden sind. Bei einer Ansprache an die Truppen oder bei einer formellen Kriegserklärung könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Dann hätte aber für Herodot immer noch das Problem bestanden, an die Original-Texte heran zu kommen oder es hätte irgendeine Form von Rezension geben müssen. Und die kann ich nicht sehen und damit auch nicht belegen. Hier ist sicherlich Skepsis angebracht, vor allem, weil die Reden seinem Konzept so gut in den Kram passen.

Ein anderer Punkt von Herodot, den ich so erstaunlich finde, dass ich ihn immer wieder mal zitiere, ist seine Behauptung, dass die Perser bereits einige Jahrzehnte vor den Griechen bei einem Dynastiewechsel darüber diskutiert hätten, ob man Monarchie, Oligarchie oder Demokratie als Staatsform annehmen solle. Herodot listet die Argumente für die einzelnen Staatsformen auf und berichtet, man habe sich für eine erbliche Monarchie entschieden, unter anderem, weil in der Demokratie zu viele mitreden und zu wenige Verantwortung tragen würden. Also ein Volk aus der heutigen Türkei als "Erfinder" der Demokratie?? Das wäre doch eigentlich mal was neues für die Geschichtsbücher. Allerdings scheint man ihm auch hier nicht wirklich zu glauben, sonst gälten ja nicht die Griechen überall als "Erfinder".
 
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