Glaubwürdigkeit von Herodot

Ich würde mir nie erlauben, dich zu korrigieren. Die Frage wäre natürlich, ob die Gespräche irgendwo aufgezeichnet worden sind. Bei einer Ansprache an die Truppen oder bei einer formellen Kriegserklärung könnte ich mir das sehr gut vorstellen. Dann hätte aber für Herodot immer noch das Problem bestanden, an die Original-Texte heran zu kommen oder es hätte irgendeine Form von Rezension geben müssen. Und die kann ich nicht sehen und damit auch nicht belegen. Hier ist sicherlich Skepsis angebracht, vor allem, weil die Reden seinem Konzept so gut in den Kram passen.(1)

Ein anderer Punkt von Herodot, den ich so erstaunlich finde, dass ich ihn immer wieder mal zitiere, ist seine Behauptung, dass die Perser bereits einige Jahrzehnte vor den Griechen bei einem Dynastiewechsel darüber diskutiert hätten, ob man Monarchie, Oligarchie oder Demokratie als Staatsform annehmen solle(2). Herodot listet die Argumente für die einzelnen Staatsformen auf und berichtet, man habe sich für eine erbliche Monarchie entschieden, unter anderem, weil in der Demokratie zu viele mitreden und zu wenige Verantwortung tragen würden. Also ein Volk aus der heutigen Türkei(3) als "Erfinder" der Demokratie?? Das wäre doch eigentlich mal was neues für die Geschichtsbücher. Allerdings scheint man ihm auch hier nicht wirklich zu glauben, sonst gälten ja nicht die Griechen überall als "Erfinder".

(1) Genau so wars gemeint, das mache ich am Besten noch deutlicher.
(2) Das scheint mir recht unwahrscheinlich, welcher König würde denn ein seit Jahrtausenden bestehendes System umkrempelen und sich selbst dabei entmachten wollen? (obwohl das natürlich so eine Sache mit der Herkunft der Perser etc. ist)
(3)Auf die Perser bezogen meinst du bestimmt das Iranische Hochland?
 
Zu 3) ich denke natürlich immer an die Überquerung des Bosporus und daher an die heutige Türkei, aber wenn du es genau nehmen willst natürlich der gesamte vordere Orient inclusive des iranischen Hochlandes. Die Probleme mit den Griechen rührten aber doch von der direkten Nachbarschaft her, von der Durchquerung der Türkei findet sich bei Herodot zum Beispiel meines Wissens nichts. Interessanter Fakt übrigens.
Das zeigt erneut, dass Herodot immer dann berichtet, wenn die Beziehung zu Griechenland besteht. Allein deswegen ist er schon kein genauer Chronist, sondern bestenfalls Lokalhistoriker.
 
Armer Herodot

Ich finde schon die Überschrift dieser Diskussion merkwürdig. Ist Herodot ein Lügner? Lügen ist eine zielgerichtete Handlung. Und wen belügt er? Die armen Historiker von heute?

Jeder Althistoriker und Archäologe sollte einmal gelernt haben, was eine Quellenkritik ist, und wie man eine Quelle im Rahmen ihrer Entstehungszeit interpretieren sollte. Was werft Ihr Herodot vor? Daß er nicht objektiv war? Das ist niemand! Daß er seine Quellen nur unzureichend geprüft hat? Da hat er wohl in seinem Geschichtsstudium nicht aufgepaßt? Daß seine Kenntnis von fernen Ländern begrenzt war? Dies teilte er wohl mit allen Griechen seiner Zeit, die meisten düften noch weniger gewußt haben. Daß er Legenden erzählt? Dann müßtet ihr ihm auch vorhalten, daß er wahrscheinlich an die griechischen Götter glaubte, obwohl die auch nicht nachgewiesen sind.

Die Frage, ob man Herodot glauben kann oder nicht, ist viel zu allgemein und führt zu keiner Antwort. Man muß jeden einzelnen Sachverhalt genau überprüfen und dann sich entscheiden, wieviel man als gesichert annehmen kann.

Und, lieber Sasaki, wenn Du so schöne Artikel ins Netz stellst, rate ich Dir dringend zu einer Korrekturlesung, am besten von einem anderen als Dir selbst, weil man viele Fehler nicht mehr sieht. Wenn Du den Kalliasfrieden, der übrigens auch umstritten ist, schon auf 499/498 datierst, bleibt wenig Raum für die Perserkriege. Und noch ein sprachlicher Tip: Natürlich ist Herodot historisch, er ist nämlich schon tot.
 
Danke erstmal für deine Kritik.

Ich finde schon die Überschrift dieser Diskussion merkwürdig. Ist Herodot ein Lügner? Lügen ist eine zielgerichtete Handlung. Und wen belügt er? Die armen Historiker von heute?

Das ist natürlich überspitzt und dient lediglich als Leitfrage um in 2 verschiedene Richtungen zu argumentieren. Wie du sicherlich bemerkt hast behinhaltet das Werk Herodots einige Fehler, ob das Lügen sind hängt von dem für uns nicht mehr rekonstuierbarem Hintergrund ab. Wie im Text schon genannt wurde er u.a. von Lucian als Lügner "beschumpfen".


Jeder Althistoriker und Archäologe sollte einmal gelernt haben, was eine Quellenkritik ist

Wenn Herodot, wie oftmals behauptet, Historiker war, sollte er das wohl auch beherrscht haben.

Was werft Ihr Herodot vor

Kannst mich ruhig duzen. Ich werfe Herodot gar nichts vor, hab ich noch nie und werde es wohl auch nicht machen.

Daß er nicht objektiv war? Das ist niemand!

Zumindest sinds recht wenige, aber für Weltanschauung ist das nicht der richtige Ort

Daß seine Kenntnis von fernen Ländern begrenzt war?

Ich nehme an du hast meinen kleinen Text gelesen? Hast du ihn richtig verstanden? Dann ließ ihn nochmal (insbesondere das Schlusswort), es geht nämlich nur darum den Wahrheitsgehalt aus seinen Aussagen zu filtern, ich zumindest mag Herodot, und das er nicht objektiv berichtet habe ich mehrmals erwähnt.

Die Frage, ob man Herodot glauben kann oder nicht, ist viel zu allgemein und führt zu keiner Antwort. Man muß jeden einzelnen Sachverhalt genau überprüfen und dann sich entscheiden, wieviel man als gesichert annehmen kann.

Zu einem Ergebnis kann man wohl kommen, auch wenn es ein Kompromiss beinhaltet.

so schöne Artikel ins Netz stellst, rate ich Dir dringend zu einer Korrekturlesung

Danke für dein Lob. Ich selbst bin den Artikel mehrmals durch, ich habe auch jetzt nochmal ein paar Fehler entdeckt die ich im Nachhinein hier nicht mehr erbessern kann. An der Tastatur kann ich nicht ganz so doll schreiben aber du hast natürlich recht, Fehler dürfen keine drin sein.

Nochmal Danke für Kritik und Meinung,
Grüßles
 
Das ist natürlich überspitzt und dient lediglich als Leitfrage um in 2 verschiedene Richtungen zu argumentieren. Wie du sicherlich bemerkt hast behinhaltet das Werk Herodots einige Fehler, ob das Lügen sind hängt von dem für uns nicht mehr rekonstuierbarem Hintergrund ab. Wie im Text schon genannt wurde er u.a. von Lucian als Lügner "beschumpfen".
Lügen ist eine vorsätzliche Handlung. Wer lügt, verbreitet bewusst die Unwahrheit. Wer hingegen Unsinn schreibt, weil er es einfach nur nicht besser weiß, ist kein Lügner. Ein Lügner ist Herodot also nur, wenn er z. B. das persische Heer auf mehrere Mio. Personen berechnet, obwohl er es nicht selbst glaubte. Wenn er aber seine eigenen Angaben glaubte, dann ist er kein Lügner.

Wenn Herodot, wie oftmals behauptet, Historiker war, sollte er das wohl auch beherrscht haben.
Zu seiner Zeit gab es noch keine geschichtswissenschaftliche Disziplin mit ihrem Handwerkszeug. Herodot betrat weitgehend Neuland. Er konnte sich nicht an anderen Historikern ein Beispiel nehmen.
 
Wenn Herodot, wie oftmals behauptet, Historiker war, sollte er das wohl auch beherrscht haben.
Nein. Sollte er nicht. Nicht zwingend. Es wäre komplett falsch an Herodot - oder irgendeinen anderen antiken Historiker - Maßstäbe heutiger Zeit anzulegen. Damit wird man dem Werk Herodots sicher nicht gerecht.
 
Lügen ist eine vorsätzliche Handlung. Wer lügt, verbreitet bewusst die Unwahrheit. Wer hingegen Unsinn schreibt, weil er es einfach nur nicht besser weiß, ist kein Lügner. Ein Lügner ist Herodot also nur, wenn er z. B. das persische Heer auf mehrere Mio. Personen berechnet, obwohl er es nicht selbst glaubte. Wenn er aber seine eigenen Angaben glaubte, dann ist er kein Lügner.

Und genau das wissen wir heute nicht mehr. Ich allerdings denke, dass Herodot mit den Falschangaben in seinem Werk bestimmt nichts böses vorhatte und die offensichtlichen Fehler eben in seiner Zeit nicht unbedingt offensichtlich waren.

Zu seiner Zeit gab es noch keine geschichtswissenschaftliche Disziplin mit ihrem Handwerkszeug. Herodot betrat weitgehend Neuland. Er konnte sich nicht an anderen Historikern ein Beispiel nehmen.

Um so erstaunlicher ist es dann wenn er Angaben die er erhalten hat für unwahrscheinlich erklärt. Ich hab die Stelle gerade nicht, schau wenn ich Zeit hab nochmal nach.

von der Durchquerung der Türkei findet sich bei Herodot zum Beispiel meines Wissens nichts

Ich bin mir nicht ganz sicher, berichtet er nicht auch von Xerxes Rast in Sardes?
 
Zuletzt bearbeitet:
Um so erstaunlicher ist es dann wenn er Angaben die er erhalten hat für unwahrscheinlich erklärt. Ich hab die Stelle gerade nicht, schau wenn ich Zeit hab nochmal nach.
Ja, solche Stellen gibt es. Aber was ist denn daran erstaunlich? Nur weil man kein studierter Historiker ist, muss man doch nicht unkritisch sein.

Ich bin mir nicht ganz sicher, berichtet er nicht auch von Xerxes Rast in Sardes?
7. Buch, 32. Kapitel. Vom Zug durch Kleinasien handeln die Kapitel 26-43.
 
Ein Problem bei Herodot ist noch, dass ihm das Verständnis für wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge fehlte. Politische Entwicklungen, z. B. Umstürze, führte er in der Regel auf die Willensentscheidungen von Einzelpersonen, die aus Machtgier oder dergleichen handelten, zurück, klammerte dabei aber aus, dass diese Handelnden durch Probleme ökonomischer oder sozialer Natur motiviert oder zumindest begünstigt wurden, indem sie ihnen Anhänger verschafften.
 
Ein Problem bei Herodot ist noch, dass ihm das Verständnis für wirtschaftliche und soziale Zusammenhänge fehlte. Politische Entwicklungen, z. B. Umstürze, führte er in der Regel auf die Willensentscheidungen von Einzelpersonen, die aus Machtgier oder dergleichen handelten, zurück, klammerte dabei aber aus, dass diese Handelnden durch Probleme ökonomischer oder sozialer Natur motiviert oder zumindest begünstigt wurden, indem sie ihnen Anhänger verschafften.

Anderseits beleuchtet er aber auch die guten Seiten mancher überwiegend schlecht dargestellter Personen: Hat nicht Herodot behauptet, dass Peisistratos die Kultur nach Athen geholt hat?
Man kann aber auch häufig religiöse Elemente bei ihm finden obwohl die Götter eigentlich nie mit eingreifen (oder irre ich mich?)
 
Herodot zitiert sehr oft Orakelsprüche, aber davon abgesehen spielt bei ihm göttliches Eingreifen keine Rolle, allenfalls in Form von Sagen.
 
Ich lese gerade ein Buch über die Lyder und bin auf eine interessante Stelle gestoßen:

"Die Herrschaft der Herakliden kam so an das Geschlecht des Kroisos, die sogenannten Mermnaden (...). Er (nicht Kroisos) stammte vpn Alkaios ab, dem Sohn des Herakles. (...) Diese übergaben den Herakliden die Herrschaft nach einem Götterspruch.(...)" (Herodot, 1, 7)

Das zeigt wohl wieder, dass

1. Herodot bei Ereignissen die weit zurückliegen auf Sagen, die zu seiner Zeit wohl anerkannt/geglaubt wurden, angewiesen war
2. Die Religion und auch die Götter, bzw. mythische Personen (Herakles...) eine Rolle spielen.


@Ravenik: Ich warte lieber noch ein bisschen ab damit du mir, bezogen auf deinen letzten Post, das Gegenteil beweisen kannst ;)
 
Ich hatte Deinen letzten Beitrag so verstanden, dass Du gemeint hättest, ob die Götter bei Herodot wie z. B. bei Homer unmittelbar, z. B. in einer Schlacht, eingreifen, indem z. B. bei den Thermopylen Ares und Athene höchstpersönlich reihenweise Perser töten.

Dass sich viele Dynastien und Adelsgeschlechter von Göttern oder zumindest Helden ableiteten, steht auf einem anderen Blatt. Derartige mythische Ursprünge hat Herodot zumindest nicht offen angezweifelt.
 
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