Mustafa Kemal Atatürk

Toll, ich habe das 35 minütige Interview mit Klaus Kreiser, dem ersten deutschen Atatürk-Biographen von der Frankfurter Buchmesse auf der ZDF-Mediathek entdeckt: Klaus Kreiser auf dem blauen sofa Klaus Kreiser: "Atatürk" Eine Biographie C.H. Beck, München 2008 336 Seiten, 24,90 Euro Moderation: Wolfgang Hagen Gespräch mit Klaus Kreiser Der Interviewer macht nicht den Eindruck, er hätte die Biographie gelesen, vielleicht hat er ein wenig in der Wiki geblättert. Ausserdem hat er keinen Durchblick in die aktuelle Politik der Türkei, ist aber auch schwierig nebenbei bemerkt. Nur falls sich jemand fragt, was er für Fragen stellt. Und er betreibt auch manchmal die Unsitte, sich auf die nächste Frage zu konzentrieren, und somit die Antwort nicht mitzubekommen, und dann doppeltes zu erfragen oder Widersprüchliches zur vorigen Antwort. Prof. Klaus Kreiser ist nun auch nicht der unterhaltsamste Redner, vermeidet oft geforderte einfache holzschnittartige Kurzstatements zur aktuellen Politik, schweift manchmal ins zu Detailreiche ab. Trotz alledem, sehr interessante Infos zu Mustafa Kemal Atatürk, frisch aus den Archiven! hier als MP3 für unterwegs: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2008/10/15/drk_20081015_1036_8048079c.mp3 PS: Mist, schon wieder spinnt mein Browser und überträgt keine Formatierungen, weder [Enters], noch sind die Edit-Buttons aktiviert... :(
 
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1. @mods: ein Vorschlag: Wie wäre es, wenn wir den Thread, der schon lange weit über dem Thema der TV-Sendung hinausgewachsen ist, in das Subforum "Osm. Reich" verschieben? Wie wäre es, wenn wir den Titel von (französisch) Mustapha auf Mustafa ändern, damit google den Thread noch besser finden kann?

2. Wie es vielleicht schon bekannt ist, werden die Mediatheken und deren Videos in Kürze nicht mehr online anschaubar sein. Alle öffentlich rechtlichen Internetseiten dürfen fortan ihre Videos nur noch 7 Tage online stellen. Also schnell alles anschauen, z.B. obiges Interview mit Klaus Kreiser bezgl. Atatürk auf dem blauen Sofa, oder die Videos downloaden, z.B. auch von der interessanten ZDF Sphinx und Expeditionsreihe.
Ich habe gute Erfahrungen mit dieser leichten 2-Schritt-Methode machen können: ZDF Mediathek Videos einfach runterladen Dickbert Blog

Das dazugehörige kleine Freeware-Programm: getasfstream2206d2.exe per google suchen und downloaden. Bedenkt die Zeit, die dabei draufgeht, da ihr die Videos nur in Echtzeit downloaden könnt, also eine 45 minütige Doku dauert auch 45 Minuten Downloadzeit. :winke:
 
Folgendes Zitat aus Wikipedia finde ich bemerkenswert.

Bereits im Oktober 1933, beim Festakt zum 10-jährigen Jubiläum der Republik Türkei, sah Atatürk einen möglichen neuen Krieg in Europa voraus und legte sein Land für diesen Fall auf einen Kurs der Neutralität fest (Gülbeyaz, S. 211). Dem amerikanischen General Douglas MacArthur, der zur Manöverbeobachtung Anfang der 1930er Jahre die Türkei aufsuchte, gab er folgende Prophezeiung mit auf den Weg, die allerdings erst 1951 veröffentlicht wurde:
„Meiner Meinung nach wird das Schicksal Europas wie gestern auch morgen von der Haltung Deutschlands abhängig sein. Diese außergewöhnlich dynamische und disziplinierte Nation von 70 Millionen wird, sobald sie sich einer politischen Strömung hingibt, die ihre nationalen Begierden aufpeitscht, früher oder später den Vertrag von Versailles zu beseitigen suchen. Deutschland wird in kürzester Zeit eine Armee aufstellen können, die imstande sein wird, ganz Europa, mit Ausnahme von England und Russland, zu besetzen … der Krieg wird in den Jahren 1940/45 ausbrechen … Frankreich hat keine Möglichkeit mehr, eine starke Armee aufzustellen. England kann sich bei der Verteidigung seiner Insel nicht mehr auf Frankreich verlassen. Amerika wird in diesem Krieg genau wie im Ersten Weltkrieg nicht neutral bleiben können. Und Deutschland wird wegen des amerikanischen Kriegseintritts diesen Krieg verlieren …“
– Zitiert nach Rill, S. 124

Allerdings frage ich mich, ob die Quellenlage hier besser ist, als bei seinem berühmten "Islam/Kadaver"-Ausspruch.
 
Das Zitat ist in der Tat bemerkenswert. Aus dem Kopf wusste ich seine Befürchtung um den Ausbruch eines großen Krieges, auch dass er den Zeitraum recht genau traf, aber so eine genaue Analyse hatte ich nicht mehr im Kopf. Wenn auch Rill oder Majoros nicht diiieee großen Leuchten sind, so sind sie durchaus zitierbare Autoren. Es wird im übrigen auch von Michael Winter 1997 hier zitiert: "Ich bin die Türkei": Seit 75 Jahren schwankt die demokratische Republik am Bosporus zwischen Militärdiktatur und Re-Islamisierung | Nachrichten auf ZEIT ONLINE Michael Winter ist vielleicht ein Orientalist der osmanischen Geschichte mit Schwerpunkt Mamluken und Ägypten? Ich habe leider keine Ahnung wer dieser Autor sein kann, da der Name so häufig auftritt. Aber Udo Witzens, auch ein Orientalist, zitiert diese Passage ebenso im gleichen Wortlaut. Scheint also korrekt zu sein, aber wer weiß...
 
...
Würde übrigens auch unseren Literaturtipps gut zu Gesicht stehen...:fs:

Klaus Kreiser: Atatürk. Eine Biographie. München (C. H. Beck Verlag) 2008...

Hier ergänzend noch einige Rezensionen, die Einblicke in den Inhalt gewähren:

Biografie: Klaus Kreisers Biografie des Mustafa Kemal Atatürk | Nachrichten auf ZEIT ONLINE

Visionen fr eine junge Nation (Kultur, Buchrezensionen, NZZ Online)

: General, Staatsmann, Oberlehrer - Politik - Feuilleton - FAZ.NET

Zusammenfassungen einiger Kritiken bei Perlentaucher.de:
Klaus Kreiser - Atatürk
 
Seine Verdienste um die Schaffung eines türkischen Nationalstaates mögen groß gewesen sein. Ich hab da aber doch mal eine Frage! Wieviel Menschen darf ich umbringen um als Mörder zu gelten? Reicht hier eine Million nicht oder gibt es da andere Maßstäbe.:motz: :grübel:


Soweit ich weiß reicht ein Mensch vollkommen aus.

Es kommt auf die Situation an denke ich, oder wie Atatürk es mal sagte:

"Solange nicht das Leben eines Volkes bedroht wird,ist Krieg immer Mord."
 
Da bin ich anderer Ansicht, aber das ist hier nicht das Thema. Die Frage ist, wie viele unfreundliche Aussagen es wohl über Atatürk gibt, aber die werden auf dieser Seite natürlich nicht wiedergegeben.
 
...ein zitat über atatürk stammt sogar von John.F Kennedy ...

Hast Du einmal reflektiert, was Kennedy während seiner Zeit auf
Motor Torpedo Boat PT-109 - Wikipedia, the free encyclopedia
so über Atatürk in Erfahrung bringen konnte?

Vermutlich hat er 1963 eine Tischvorlage des Außenministeriums abgelesen, was natürlich in keiner Weise deren Glaubwürdigkeit in Frage stellen soll, sondern lediglich einer kritischen Annäherung frönt. :devil:
 
Gute Idee, ich kenne nur positive Zitate über Atatürk. Was gibt es denn so an negativen Zitaten seitens Politiker der Welt?
 
Gute Idee, ich kenne nur positive Zitate über Atatürk. Was gibt es denn so an negativen Zitaten ... ?

Wenig, was seiner Lebensleistung sicher gerecht wird!

Kritisiert wird der Personenkult um ihn, den Atatürk schon zu Lebzeiten förderte, ferner seine Unduldsamkeit und mangelnde Kritikfähigkeit. Das sind aber alles Lappalien und Charakktereigenschaften, ohne die man vermutlich keine radikalen politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen bewirken kann.

Ohne Kemal Atatürk wäre die Türkei heute nicht das, was sie ist: ein im Vergleich zu den benachbarten muslimischen Ländern moderner säkularer Staat, mit guter Wirtschaftsleistung, wachsender Industrialisierung und einer kaum fanatisierten muslimischen Bevölkerung, die an der Schwelle zur EU steht.

Wenn die bekannten Defizite in der Justiz, der Minderheitenpolitik und bei einigen Menschenrechten behoben sind, dann ist die Türkei so, wie sie sich Atatürk einst wünschte.
 
Wenn die bekannten Defizite in der Justiz, der Minderheitenpolitik und bei einigen Menschenrechten behoben sind, dann ist die Türkei so, wie sie sich Atatürk einst wünschte.
Wie kommst Du denn darauf? Für die Vertreibung der griechischen Minderheit war er verantwortlich, und die Demokratie ließ auch zu wünschen übrig. Die Türkei ist wohl eher so, wie Atatürk sie sich wünschte.
 
Ich glaube, er wünschte schon einen demokratischen Staat mit mündigen Bürgern. (Es gibt dort ja durchaus Abstufungen, selbst heute noch, von Skandinavien, bis Südeuropa, gibt es mal mehr, mal weniger gut funktionierende Demokratien.) Sein Vorbild war ja Europa. Jedoch meinte er, dass wohl die bürgerliche Gesellschaft noch zu schmal wäre, um durch zu viel Demokratie (absolut freies Mehrparteiensystem) die zahlreichen Reformen mittragen zu können. Dafür waren einige Reformen zu radikal, geradezu revolutionär, aber seiner Meinung nach notwendig, um die aus den Trümmern des 600-jährigen Osmanischen Reiches entstehende junge türkische Republik zukunftsfest und -fähig zu machen.
Den wechselseitigen Austausch der Bevölkerungen zwischen Griechenland und der Türkei war wahrscheinlich eine der wenigen Möglichkeiten nach Jahren des Krieges eine rasche Befriedung im Lande zu erzielen, ohne das Risiko, weitere Unruhen und Opfer zukünftig beim Wiederaufbau des Landes zu haben. (zumindest bis in die 50er Jahre ging die Rechnung mehr oder minder auf, dann kam das Istanbuler Pogrom an den Griechen)

Im Westen war er letztlich alles in allem und angesichts seiner Zeit mit ganz anderen Staatslenkern (Franco, Stalin, Hitler, usw.) einer, der mehr Positives bewirkte, positiv im Auge des westlichen Betrachters. :)
Wenn wir negative Zitate von Staatsmännern über Atatürk suchen wollten, dann dürften wir wahrscheinlich weniger bei westlichen Politikern und gesellschaftlichen Größen suchen, sondern bei denen, die die Verlierer von Atatürk waren.

Z.B. kurdische Führer in anderen Gegenden des Nahen Ostens dürften kein gutes Haar an Atatürk nach dem Dersim-Aufstand gelassen haben. Vermute ich mal...
Z.B. Derwischorden dürften kein gutes Haar an ihm gelassen haben. Oder einige muslimische Geistliche oder Staatslenker könnten ihn vielleicht auch negativ beurteilt haben, sofern sie im Islam damals schon die Zukunft sahen. Was ja eher nicht der Fall war, da ja viele (arabische) Staaten ebenso wie Atatürk dem Westen nacheiferten und Nationalstaaten gründeten oder gründen wollten, sich säkularisieren wollten, wenn auch nicht so radikal mit dem Islam brechen wollten, wie Atatürk es tat, usw.
 
Wie kommst Du denn darauf? Für die Vertreibung der griechischen Minderheit war er verantwortlich ...

Die Aussiedlung der griechischen Minderheit war die Folge des griechischen Überfalls auf Türkei im Jahr 1919. Die griechische Regierung sah das sterbende Osmanische Reich, witterte Morgenluft und wollte die günstige Gelegenheit nutzen, das westliche Kleinasien zu erobern und Griechenland anzugliedern. Allerdings erwiesen sich die türkisch-osmanischen Streitkräfte stärker als gedacht, brachten der griechischen Invasionsarmee vernichtende Niederlagen bei und jagten sie bis 1922 aus dem Land. Der Krieg forderte gewaltige Opfer und brachte dem Griechentum an der kleinasiatischen Ägäisküste den Untergang.

Als Folge wurden 1,25 Millionen kleinasiatische Griechen und 500 000 griechische Türken analog zum Vertrag von Lausanne umgesiedelt. Schuld an dem Desaster trägt allerdings nicht Atatürk, sondern die griechische Regierung mit ihrer gescheiterten abenteuerlichen kleinasuatischen Invasion.

Die Zwangsumsiedlungen erfolgten im übrigen im Einvernehmen beider Regierungen!
 
Aber wohl kaum im Einvernehmen mit den vertriebenen Minderheiten. Darum geht es mir, nicht welche Regierung mehr Schuld trägt.
 
Natürlich trägt er die! Du tust ja geradezu so, als wäre er gezwungen gewesen, die Griechen zu vertreiben, nachdem Griechenland die Türkei angegriffen hatte. Mit demselben Recht könnte heute Kroatien alle noch auf seinem Gebiet lebenden Serben vertreiben. Einen zwingenden Vertreibungs-Automatismus gab und gibt es nicht.
 
Ravenik hat irgendwie Recht, alternativlos ist nur weniges in Gegenwart und Vergangenheit.

Hier hatte ich schon einmal einen interessanten Artikel zu der "kleinasiatischen Katastrophe" vorgestellt, und dort könnte man evtl. auch die genaueren historischen Umstände der beiderseitigen Vertreibungen weiter diskutieren?

http://www.geschichtsforum.de/f42/die-kleinasiatische-katastrophe-ein-unbew-ltigtes-trauma-16379/

Jedenfalls befand sich die türkisch-anatolische Bevölkerung in Aufruhr, nachdem sie gesehen hatte, wie die zurückweichende griechische Armee die "Politik" der verbrannten Erde betrieb und sich auch an der muslimischen Zivilbevölkerung Westanatoliens (Frauen, Kinder, Greise) verging und Massaker veranstaltete.
Ich glaube, erst gab es Überlegungen, dass innerhalb einer sehr kurzfristigen Zeitspanne die westanatolischen Orthodoxen daraufhin das Land verlassen sollten, denn die Armeeführung hatte wohl alle Hände voll zu tun, türkische Racheakte zu unterbinden (was nicht immer gelang, und trotzdem Teile der türkischen Armee ihrerseits nach Anblick der getöteten Muslime sich an den übrig gebliebenen orthodoxen Westanatoliern verging - übrigens wird letzterer, und nur dieser Aspekt öfters mal in Massenmedien und TV-Dokus gezeigt). Dieses war aber aus praktischen Gründen kaum zu bewerkstelligen, so dass dann ein geordneteres Verfahren angestrebt wurde. Aber so genau weiß ich die Umstände des Austauschs nicht mehr...
 
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