Alexander der Große/Adolf Hitler

Ist es nicht durchaus ein Ergebnis, wenn man auf der einen Seite den Vernichtungskrieg gegen angeblich "rassisch Minderwertige" sieht, auf der anderen Seite die Einbindung der Besiegten, so dass sich die eigene Kerntruppe diesen gegenüber schon zurückgesetzt fühlt? Das lässt auch über 2 1/2 Jahrtausende einen Vergleich zu und man muss trotzdem nicht zu dem Ergebnis kommen, dass Krieg in der Antike ein Blümchenpflückausflug war.

Genau hier setzt mein methodisches Problem an. Natürlich ist es ein Ergebnis, aber wozu. Ich will mal überspitzt formulieren: Die Hauptwaffe der makedonischen Phalanx war die Lanze, die Hauptwaffe der Wehrmacht das Gewehr. Das ist ein Vergleich, das Ergebnis aber, die Aussage, ist gar nicht aus dem Vergleich entstanden. Ich stelle einfach zwei Fakten nebeneinander.
Ich wage mal eine Kurzdefinition, um meinen Standpunkt zu erläutern. Ein Vergleich stellt zwei Objekte nebeneinander, um Gemeinsamkeiten und UNterschiede zu verdeutlichen. Die Gemisnamkeiten helfen dem verständnis, wenn ich bei der einen Sache was nicht kapiere, kann ich aus der anderen ähnliche Schlüsse ziehen. Die Unterschiede zeigen das Besondere am einzelnen Objekt.
Wenn ich jetzt (vereinfacht, nicht, daß ich wieder gescholten werde) sage: Hitler führte einen Vernichtungskrieg, Alexander bemühte sich, die eroberten Völker zusammenzuführen, sind das zunächst zwei Feststellungen, die nicht daraus resultieren, daß ich den Vergleich gezogen habe, denn beide Bemerkungen können auch ohne den Bezug zum anderen Part bestehen. Deswegen kommen ja auch die allermeisten Forschungen zu Alexander dem Großen ohne den Bezug zu Hitler aus, und andersherum sicher ebenso. Dann passiert das, was hier schon gesagt wurde, dann kann ich Hitler mit jedem anderen vergleichen und festellen, es gab UNterschiede. Zum Verständnis des jeweiligen Objekts trägt das nichts bei.
Und damit wären wir beim Ausgangspunkt. Macht das Sinn, so eine Frage im Geschichtsunterricht zu stellen? Lernt man dabei was und begeistert die Kinder für die Geschichte? Oder sollte man die knappe Zeit, die der Lehrplan für das Fach Geschichte bereithält, nicht sinnvoller nutzen?

Ach ja, zum Krieg: Ich finde das sowieso problematisch, Kriege miteinander zu vergleichen (und die sind ja die Voraussetzung, um Völker zu unterwerfen), weil da sehr leicht die Gefahr besteht, ins Werten zu kommen. Machen wir uns nichts vor, niemand ist objektiv. Und wenn ich dann auf der einen Seite den schlimmsten aller Kriege habe, sind dann die anderen "nicht mehr so schlimm"? Nein, Krieg bleibt immer das furchtbarste Verbrechen des Menschen am Menschen. (Ich btte um Verzeihung, wenn diese Stellungnahme die Regeln des Forums überschreitet)

Also, alles in allem: dieser Vergleich hinkt vorn und hinten.
 
@hjwien

Diese Unterschiede resultieren aber nicht aus "Nützlichkeitserwägungen" sondern waren rassistisch begründet. Einem wichtigen historisch-soziologischem Merkmal des Nationalsozialismus. Zwischen "Unterwerfung" und "Unterwerfung und Vernichtung" besteht ein grundlegender Unterschied. Die Polen, Russen etc. sollten eben nicht nur unterworfen werden, sondern es war von Anfang an auf deutscher Seite klar, daß der Krieg im Osten ein Vernichtungskrieg war. Hinzu kam bei dem Krieg gegen die UdSSR der ideologische Aspekt.

M.

Nun, bei "Nützlichkeitserwägungen" hatte ich im Sinn, daß es ja zum Beispiel den Nichtangriffspakt mit UdSSR gab, daß man also, wenn es gerade nutzte, trotz der ideologischen Feindschaft, aus taktischen Gründen lavierte. Und, daß bei den Vernichtungen, die Du aufgezählt hast, die Vernichtung durch Arbeit mit dazukam, daß man also die Unterworfenen im Osten, wie auch viele KZ-Häftlinge, als billige Arbeitskräfte ausnutzen wollte.
 
Der historische Vergleich

Definitionen

Bloch:
„[…] aus einem oder mehreren verschiedenen sozialen Milieus zwei oder mehr
Phänomene auszuwählen, die scheinbar auf den ersten Blick gewisse Analogien
aufweisen, den Verlauf ihrer Entwicklungen zu beschreiben, Ähnlichkeiten und
Unterschiede festzustellen und diese soweit wie möglich zu erklären.“

Haupt/Kocka:
„Geschichtswissenschaftliche Vergleiche sind dadurch gekennzeichnet, dass sie zwei oder mehrere historische Phänomene systematisch nach Ähnlichkeiten und Unterschieden untersuchen, um auf dieser Grundlage zu ihrer möglichst zuverlässigen Beschreibung und Erklärung wie zu weiterreichenden Aussagen über geschichtliche Handlungen, Erfahrungen, Prozesse und Strukturen zu gelangen.“

Ziel und Funktion:
  • fragt nach Ähnlichkeiten und Unterschieden, Konvergenzen und Divergenzen
  • genauere Konturierung der sozialen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Prozesse, Institutionen, Regeln etc.
  • Schlussfolgerungen, anhand derer man die „Originalität“ verschiedener Gesellschaften freilegen kann.
  • wichtig: Distanzierung zu selbstverständlichen Annahmen und bekannten Geschichtsperspektiven, Selbstreflexivität des Forschers

Einheiten und Gegenstände:

1. zeitlich und räumlich weit voneinander entfernte Gesellschaften, bei deren Phänomenen sich ein gemeinsamer Ursprung und gegenseitige Beeinflussung ausschließen lassen

2. Nachbargesellschaften in derselben historischen Epoche, die sich gegenseitig beeinflussen und gemeinsamen Hauptursachen ausgesetzt sind

Einheiten: Regionen, Nationalstaaten, Kulturen, Zivilisationen
Inhalte: kurz- und langfristige Prozesse und Strukturen, Entwicklungstendenzen, Handlungs- und Deutungsbereiche

Gegenstände: gesellschaftliche Strukturen, Institutionen, Mentalitäten, Ereignisse, kulturelle und soziale Praktiken, Symbole, Normen, Werte, Deutungshorizonte

Arten des Vergleichs
nach Haupt/Kocka:
Diachroner Vergleich
Synchroner Vergleich
Kontrastiver Vergleich: genauere Erkenntnis entweder beider Vergleichsfälle
oder nur eines Vergleichsfalls, Ziel ist meist die Erkenntnis der eigenen
Geschichte

Verallgemeinernder Vergleich: Suche nach Übereinstimmungen mit dem Ziel, allgemeine Zusammenhänge zu erkennen

nach Kaelble:

Analytischer Vergleich
Aufklärender und urteilender Vergleich
Verstehender Vergleich
Identitätsvergleich
Historischer Zivilisationsvergleich

Literatur:
Haupt, Heinz-Gerhard/Jürgen Kocka (Hrsg.): Geschichte und Vergleich. Ansätze und Ergebnisse international vergleichender Geschichtsschreibung. Frankfurt/M. 1996
Kaelble, Hartmut: Der historische Vergleich. Eine Einführung zum 19. und 20. Jahrhundert. Frankfurt/M. / New York 1999
Bloch, Marc: Für eine vergleichende Geschichtsbetrachtung der europäischen Gesellschaften. In: Matthias Middell/Steffen Sammler (Hrsg.): Alles Gewordene hat Geschichte. Die Schule der Annales in ihren Texten. Leipzig 1994

Quelle: Uni Leipzig
 
Oder sollte man die knappe Zeit, die der Lehrplan für das Fach Geschichte bereithält, nicht sinnvoller nutzen?
Da würde ich Dir zwar unumwunden zustimmen, aber ich fürchte, dass das den Fragesteller nicht weiter hilft. ;)
Wir hatten schon mehrfach das Problem, dass dadurch, dass eine Frage zerredet wurde, die Diskussion weg von der eigentlichen Intention des Themenerstellers führte. Das finde ich nicht ganz fair.:winke:

Zu Gewehr und Lanze fiele mir zumindest ein, dass das eine eine primäre Fern- und das andere eine primäre Nahkampfwaffe ist, aber wohl beide auch als Nah- bzw. Fernkampfwaffe eingesetzt werden konnten.
Militärisch könnte man zumindest ein bisschen vergleichen, ob nun beide Feldherrenkönige/-herrscher oder so waren.
Meine persönliche Einschätzung ist aber auch, dass es nicht so viel bringt wie meinetwegen Dareios und Alexander, oder meinetwegen, um keinen Zeitgenossen von Alexander zu nehmen, Xerxes und Alexander zu vergleichen.
 
Zu Gewehr und Lanze fiele mir zumindest ein, dass das eine eine primäre Fern- und das andere eine primäre Nahkampfwaffe ist, aber wohl beide auch als Nah- bzw. Fernkampfwaffe eingesetzt werden konnten.
Eine Sarissa ist zum Werfen aber wohl doch etwas zu lang. Und wenn man die dann gar noch von der geschlossenen Phalanx aus werfen will ... :pfeif:
 
Nun, bei "Nützlichkeitserwägungen" hatte ich im Sinn, daß es ja zum Beispiel den Nichtangriffspakt mit UdSSR gab, daß man also, wenn es gerade nutzte, trotz der ideologischen Feindschaft, aus taktischen Gründen lavierte. Und, daß bei den Vernichtungen, die Du aufgezählt hast, die Vernichtung durch Arbeit mit dazukam, daß man also die Unterworfenen im Osten, wie auch viele KZ-Häftlinge, als billige Arbeitskräfte ausnutzen wollte.

@hjwien

Ja, richtig, klar wurde laviert. Nur die "Halbwertszeit" des Nichtangriffspaktes war im Spätsommer 1940 bereits erreicht und ideologisch sowieso von Anfang an.

Vllt. wiederhole ich mich und bitte um Entschuldigung, totalitäre, ideologisch geprägte Regime sind nicht mit dem "Maßstab" klassischer Machtpoltik messbar.

Zu Deiner Ergänzung "Vernichtung durch Arbeit" vollkommen d'accord, obwohl dieser "Gedanke" m.E. bei der Planung des Vernichtungskrieges keine Rolle spielte, sondern späteren kriegswirtschaftlichen Überlegungen entsprang.


M. :winke:
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wenn er jetzt einfach "Krieg wie jeder andere auch" führte, der Alexander, dann war das nicht so schlimm? Frag mal die Bewohner von Theben oder Tyros, wie sie ihre Ruinen gesehen haben.

Das hab ich nicht behauptet. Wie schon geschrieben war Alexander kein Heiliger. Während seiner Feldzüge war er ebenso zu Härte und Greul fähig, besonders vom Standpunkt seiner Feinde aus betrachtet. Doch letztlich hob sich seine Art der Kriegsführung nicht von den sonst üblichen Konventionen seiner Zeit ab.

Theben wurde nach Beschluss des korinthischen Bundes zerstört und seine Bevölkerung in die Sklaverei verkauft, nachdem es sich gegen den Bund erhoben hatte. Tyros und Gaza wurden hart bestraft aufgrund ihrer Weigerung sich dem neuen König Asiens, als der sich Alexander zu diesem Zeitpunkt bereits betrachtete, zu unterwerfen. Feindlichen Potentaten und Städten gegenüber, die sich rechtzweitig unterwarfen oder sich zumindest nach verlorenen Kampf ergaben gab sich Alexander insgesamt sehr milde. Städte wie Memphis, Babylon, Susa und übrigens auch Persepolis gingen so unbeschadet in seine Herrschaft über. Persische Militärs und Statthalter, die zuvor noch gegen ihn gekämpft hatten, fanden sich später in seinem Gefolge und in Positionen des Staates und Heeres wieder.

Was den Kampf in Baktrien und Sogdien angeht muss berücksichtigt werden, dass diese Länder dem persischen Reich angehören und ihre Unterwerfung von Alexander als eine Selbstverständlichkeit angesehen wurde, für ihn als den Erben des Daraios III. Weiterhin hatte sich hier der harte Kern seiner Feinde zurückgezogen. Bessos wurde für seinen Königsmord letztlich hingerichtet und Spitamenes wurde von eigenen Leuten umgebracht.
 
Vllt. wiederhole ich mich und bitte um Entschuldigung, totalitäre, ideologisch geprägte Regime sind nicht mit dem "Maßstab" klassischer Machtpoltik messbar.

Sehe ich ein wenig anders. Relevant ist vermutlich die Unterscheidung, in welchem Umfang die Ideologie den "totalitären Machthaber" im Sinne einer Eigendynamik zwingt, eine bestimmte Außenpolitik zu fomulieren.

Nicht unwichtig erscheint mir auch die Frage, in welchem Maße ein Machthaber die Ideologie formuliert hat. Im Falle von Hitler kann man es bejahen, während im Falle Stalins eher von Interpretationen gesprochen werden kann, denn von originären Formulierung.

Das dürfte ebenfalls einen nicht unwichtigen Einfluß auf die Verbindlichkeit haben.

Im Falle von Hitler würde ich Dir zustimmen, dass bei der Operation Barbarossa die Ideologie Pate stand für die Zielsetzung. Nicht als fremdbestimmtes Zielsystem, sondern formuliert aus innerer Überzeugung.

Im Falle Stalins würde ich Dir widersprechen. In diesem Fall war er stark beeinflußt durch die identisch geprägte außenpolitische Wertebasis der politischen und militärischen Eliten. Und teilweise auch in deutlicher Distanz zur Verbindlichkeit von Ideologie für sein eigenes Handeln.

So stand für einen Schaposchnikow eine Revision der Grenze zu Polen nie in Frage und auch in Übereinstimmung mit z.B. Tuchatschewski. Und dieses konsensuale Wertesystem ist dann sicherlich auch Teil der Erklärung für die Identifikation der ex zaristischen Offiziere mit den Zielen der UdSSR.

Daneben war Stalin ein miserabler Außenpolitiker, wie man an den Aktionen in den dreißiger Jahren in Fernost relativ einfach ablesen kann.

Am deutlichsten kann man seine "realimperialistische Ausrichtung" der Außenpolitik vermutlich auch in der Projektion bismarckschen Gedankenguts auf Hitler im Vorfeld der Operation Barbarossa erkennen. Indem er einen Zweifrontenkrieg, mit Hinweis auf Bismarck, durch Hitler kategorisch in den Bereich der Phantasie verbannte.

Und an diesem Punkt sieht man den Unterschied zwischen einem ideologisch motivierten, außenpolitischen Vabanque-Spieler und einem auf Sicherheit bedachten "Aasgeier" der europäischen Politik, der auf seine Chancen wartete (bezogen auf das Jahr 1940/41).
 
Zuletzt bearbeitet:
Sehe ich ein wenig anders. Relevant ist vermutlich die Unterscheidung, in welchem Umfang die Ideologie den "totalitären Machthaber" im Sinne einer Eigendynamik zwingt, eine bestimmte Außenpolitik zu fomulieren.

Nicht unwichtig erscheint mir auch die Frage, in welchem Maße ein Machthaber die Ideologie formuliert hat. Im Falle von Hitler kann man es bejahen, während im Falle Stalins eher von Interpretationen gesprochen werden kann, denn von originären Formulierung.

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@Thane

Natürlich hast Du recht, auch totalitäre Staaten müssen außenpolitisch lavieren, auch wenn es wie z.B. bei dem "Nichtangriffspakt" auf beiden Seiten gleichsam zu einer "Überdehnung" der ideologischen Wertesysteme
kam.

Du sprichst im weiteren die ideologische Determinierung von zwei Diktatoren an und die "Handlungszwänge" die sich hieraus ergaben. Als Stichworte fielen mir da ein "Revolutionsexport/Weltrevolution" und "Lebensraum/Rassismus". Der Einfluß der Ideologie auf die Entscheidungen von Diktatoren in totalitären Regimes finde ich hochinteressant, vllt. sollten wir dazu einen gesonderten Thread starten.

M.
 
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