Demokratie im HRR im 17./18.Jh.

Brissotin

Aktives Mitglied
Ich habe mal einen gewollt streitbaren Titel für den Thread gewählt.

Ich weiß ja, dass viele selbst den britischen Verhältnissen im 18.Jh. den Demokratiebegriff nach ihrer Auffassung nicht zubilligen wollen.

Dennoch bin ich auf der Suche nach demokratischen Elementen in den Verfassungenen von Staaten/Reichsständen innerhalb des HRR.

Zumindest in den Zünften fanden sich wohl, so sie nicht vom Magistrat obrigkeitlich dirigiert wurden, demokratische Elemente. Auf dem Lande fanden Wahlen in den Gemeindeversammlungen statt, welche je nach Region Entscheidungsträger auserkoren, welche zumindest für das dörfliche Zusammenleben Entscheidungen treffen durften.

Ich denke mal, das ist ein ziemlich weites Thema. Und nebenbei bitte ich gleich mal darum, es nicht gleich wegen eines zu eng gefassten Demokratiebegriffes abzuwiegeln.:winke:
 
Ich habe mal einen gewollt streitbaren Titel für den Thread gewählt.

Ich weiß ja, dass viele selbst den britischen Verhältnissen im 18.Jh. den Demokratiebegriff nach ihrer Auffassung nicht zubilligen wollen.

Dennoch bin ich auf der Suche nach demokratischen Elementen in den Verfassungenen von Staaten/Reichsständen innerhalb des HRR.

Zumindest in den Zünften fanden sich wohl, so sie nicht vom Magistrat obrigkeitlich dirigiert wurden, demokratische Elemente. Auf dem Lande fanden Wahlen in den Gemeindeversammlungen statt, welche je nach Region Entscheidungsträger auserkoren, welche zumindest für das dörfliche Zusammenleben Entscheidungen treffen durften.

Ich denke mal, das ist ein ziemlich weites Thema. Und nebenbei bitte ich gleich mal darum, es nicht gleich wegen eines zu eng gefassten Demokratiebegriffes abzuwiegeln.:winke:



Eine Steilvorlage?
die erlaufe ich lässig.
Württemberg Tübinger Vertrag 1514
 
Zuletzt bearbeitet:
Wer wählte da wen?

Das Volk den Herzog. In freier und geheimer Wahl, unter mindestens 5 Kandidaten. Neuwahl alle 5 Jahre, Wiederwahl einmal möglich.=)

Wo lagen genau die demokratischen Elemente?

In Tübingen, im Schlosskeller, neben dem großen Fass.


Jaaaa, wer lesen kann ist klar im Vorteil.
Und der Trend zum Zweitbuch, neben dem ev. Kirchengesangbuch, ist ungebrochen.

Auffällig: Recht, Waffen zu besitzen (wie in England)

das war ähnlich wie heute, der Besitz eines Rasiermessers führte zu hohen Gefängnisstrafen, es sei denn man war Rasierer.

und Vorraussetzung der Freiwilligkeit hinsichtlich der Werbung von Truppen.
Um aus den Höhen der Polemik wieder in die Niederungen der Realität zurück zukommen: Die Urahnen unserer Demokratie Anno 1848/49 hielten das Volksheer, die allgemeine Wehrpflicht als sicheren Garant gegen Fürstenwillkür
 
Dennoch bin ich auf der Suche nach demokratischen Elementen in den Verfassungenen von Staaten/Reichsständen innerhalb des HRR.

Für die Eigenossenschschaft verweise ich auf diesen Artikel über Demokratie:

Demokratie

Zumindest in den Zünften fanden sich wohl, so sie nicht vom Magistrat obrigkeitlich dirigiert wurden, demokratische Elemente. Auf dem Lande fanden Wahlen in den Gemeindeversammlungen statt, welche je nach Region Entscheidungsträger auserkoren, welche zumindest für das dörfliche Zusammenleben Entscheidungen treffen durften.

Zünfte in den eidg. Städten müsste ich noch genauer anschauen.

Ich denke mal, das ist ein ziemlich weites Thema. Und nebenbei bitte ich gleich mal darum, es nicht gleich wegen eines zu eng gefassten Demokratiebegriffes abzuwiegeln.:winke:

Es gibt ja keinen so eng gefassten Demokratiebegriff, da es verschiedene Demokratien gibt.

Vielleicht müsste man die Element definieren, damit man vom gleichen spricht.
 
Für die Eigenossenschschaft verweise ich auf diesen Artikel über Demokratie:

Demokratie
Aber die Eidgenossenschaft gehörte ja eigentlich nicht mehr zum Reich oder Teile doch noch? Oder meinst Du die Zeit vor 1648, falls wir erst damit eine offizielle Lösung der Schweiz aus dem Reichsverband verbinden? (Bezeichnenderweise hatte die Schweiz ja eine weiße Insel zwischen den Reichskreisen schon im 16.Jh. gebildet.)
 
Aber die Eidgenossenschaft gehörte ja eigentlich nicht mehr zum Reich oder Teile doch noch? Oder meinst Du die Zeit vor 1648, falls wir erst damit eine offizielle Lösung der Schweiz aus dem Reichsverband verbinden? (Bezeichnenderweise hatte die Schweiz ja eine weiße Insel zwischen den Reichskreisen schon im 16.Jh. gebildet.)

Ja natürlich nicht. Denke aber gewisse Regionen könnten dennoch interessant sein. Solche Entwicklungen sind ja übergreifend und nicht auf "Grenzen" beschrenkt. Schau dir mal Graubünden an. Lies einfach mal den Text der verlinkten Seite, vor allem die ersten Seiten.

Dann könnte man einen Vergleich machen, was ich sehr spannend fände.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja natürlich nicht. Denke aber gewisse Regionen könnten dennoch interessant sein. Solche Entwicklungen sind ja übergreifend und nicht auf "Grenzen" beschrenkt. Schau dir mal Graubünden an. Lies einfach mal den Text der verlinkten Seite, vor allem die ersten Seiten.

Dann könnte man einen Vergleich machen, was ich sehr spannend fände.
Stimmt schon, Vergleiche sind interessant.:)
Und soooo viele Demokratien zum Vergleichen gab es ja auch nicht in Mitteleuropa.
 
Zuletzt bearbeitet:
@ Repo
Mal im Ernst: vielen ist der Begriff Stände oder ständische Verfassung nicht geläufig.

Ich habe schon gelesen, dass es auch Landstände mit Mitbestimmungsrechten im Falle von Reichsstädten gab. Das hieß dann, dass die Untertanen der Stadt auf dem Lande (Bauern, Handwerker etc.) eine wirkliche politische Vertretung gegenüber dem Magistrat in der (Reichs-)Stadt hatten.
 
Gemäß dem Vertragsverhältnis, welches seit dem Tübinger Vertrag zwischen Fürst und Land bestand, sollte die Erbhuldigung seitens der Untertanen erst geleistet werden, nachdem der Fürst zuvor des Landes Grundgesetze und Rechte beschworen hatte. Als verfassungsmäßiges Grundrecht galt, daß jeder Württemberger, selbst der Leibeigene ohne Abzug oder Nachsteuer und, ohne einer Erlaubnis zu bedürfen, auswandern konnte, daß jeder Württemberger nur durch den ordentlichen Richter verurteilt und nur in den gesetzlich bestimmten Fällen in Haft genommen werden durfte, nur die verfassungsmäßig mit den Ständen verabschiedeten Steuern zu bezahlen hatte und nur in Kriegs- und anderen Notfällen militärpflichtig war und auch dann nur mit Bewilligung der Stände und bloß für die Dauer des Kriegs. Das stehende Heer konnte daher im Frieden nur durch freiwillige Werbung ergänzt werden. Dagegen hatte jeder Württemberger das Recht, Wehr und Waffen zu besitzen.

Hier mal eine Zusammenfassung der im Tübinger Vertrages enthaltenen Grundrechte.

Demokratie (oder was man für einen embryonalen Vorzustand halten kann)
Der Aufstieg in die "Landstände" war über die jedem! zugängliche Bildung möglich.
Stichwort Landexamen
 
@ Repo
Mal im Ernst: vielen ist der Begriff Stände oder ständische Verfassung nicht geläufig.

Ich habe schon gelesen, dass es auch Landstände mit Mitbestimmungsrechten im Falle von Reichsstädten gab. Das hieß dann, dass die Untertanen der Stadt auf dem Lande (Bauern, Handwerker etc.) eine wirkliche politische Vertretung gegenüber dem Magistrat in der (Reichs-)Stadt hatten.

Es ist, bei näherem Hinschauen einiges an Demokratievorstufen zu finden.
Ich denke halt die Hofschranzen-Historiker des 19. Jahrhunderts, Wilhelm Blos spricht von den Leibdragonern, verstellen den Blick auf vieles.

Ich würde in Deine Untersuchung auf jeden Fall auch die Grundrechte mit reinnehmen.
Wie schrieb Christoph Martin Wieland 1793:
"....hätten wir nicht eine Verfassung, deren wohltätige Wirkung die nachteiligen bei weitem noch überwiegen, befänden wir uns nicht im wirklichen Besitz eines großen Theils der Freyheit, die unsere westlichen Nachbarn erst erobern mussten,...."

Ich bin mir sicher, dass wir da vieles an relativ unbekanntem finden können.

In der Bibel steht man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen.
 
Mir fallen da die freien Bauerngemeinden in Friesland ein. Aus familiären Gründen ist mir da Land Wursten (zwischen Bremerhaven und dem heutigen Cuxhaven) das wesentliche Beispiel.
Da gab es im Mittelalter eine Regierung durch ein Gremium von 16 demokratisch gewählten Vertretern (wobei das Wahlrecht sich zeittypisch auf Männer mit Grundbesitz beschränkte).
Erst im 16. Jahrhundert wurde das Land dann vom Erzbischof von Bremen unterworfen (noch meine Oma hat sich geweigert, zum Einkaufen nach Bremen zu fahren - das war Feind).

Allerdings war das Land zwar de facto über Jahrhunderte reichsfrei, hatte aber nie offiziell den Status eines Reichsstands. Ich glaube aber nicht, daß Brissotin das bei seiner Frage als ausschließendes Kriterium gemeint hat.
 
Allerdings war das Land zwar de facto über Jahrhunderte reichsfrei, hatte aber nie offiziell den Status eines Reichsstands. Ich glaube aber nicht, daß Brissotin das bei seiner Frage als ausschließendes Kriterium gemeint hat.
Stimmt, es muss sich nicht um reichsständische Territorien handeln, welche auf oberer Ebene demokratische Strukturen aufweisen, sondern es geht generell um demokratische Strukturen innerhalb von reichsständischen Territorien bis runter zur Gemeinde.

Reichsdörfer:
Besonders interessant finde ich das Reichstal Harmersbach. Wie die Reichsdörfer auch, dürfte man im Reichstal auch seine Schultheißen etc. selbst gewählt haben. Seit 1718 war das Reichstal Harmersbach ganz offiziell unabhängig von der kleinen Reichsstadt Zell a. H..

Zu den Reichsstädten:
Schon Moser führte an
"daß die Reichsstätte in Schwaben meist Democratien ... seyen."
*
Man wird leicht zu der Ansicht kommen, dass der gute und überaus gelehrte Staatsrechtler Moser hier keine Demokratien im heutigen Sinne gemeint haben kann.
Fraglich ist, ob er sich damit auf die ursprünglichen reichsstädtischen Verfassungen bezog oder ob er die zeitgenössischen Entwicklungen mit der Etablierung von "Bürgerausschüssen" meinte, welche zunehmend häufiger wurden und die oligarchisch aufgebauten Magistrate überwachen sollten. 1753/58 entstand bspw. in Schwäbisch Gmünd ein Bürgersyndikat, welches die Finanzverwaltung überprüfen durfte und auch Mistpracherecht in diversen öffentlichen Angelegenheiten besaß.

*
Johann Jakob Moser: "Von der reichs-staettischen Regiments-Verfassung..." Mezler, Frankfurt, 1773
 
...Man wird leicht zu der Ansicht kommen, dass der gute und überaus gelehrte Staatsrechtler Moser hier keine Demokratien im heutigen Sinne gemeint haben kann. ...

Das ist klar.

Gab es aber innerhalb der "Standschaft" demokratische Entscheidungsprozesse? Egal wo, Reichsstandschaft, Landesstandschaft, Universität etc.

In der Überspitzung, one Institution, one vote.


M.
 
Gab es aber innerhalb der "Standschaft" demokratische Entscheidungsprozesse? Egal wo, Reichsstandschaft, Landesstandschaft, Universität etc.

In der Überspitzung, one Institution, one vote.
So ganz verstehe ich nicht, was Du meinst, befürchte ich.

In Universitäten gab es schon die Rektorenwahl. Man müsste schauen, ob die Wahl mehr Einfluss hatte als die obrigkeitliche Bestätigung.
Denn das ist immer wieder ein Knackpunkt in den Verfassungen von Landständen, wozu auch die Universität, wie in Vorderösterreich der Fall, zählen konnte.

Im Grunde kann es nur Einzelfälle geben, die man schildern kann.

Bereits Moser betonte, dass unter den Reichsstädten bspw. die Verfassungen deutlich unterschiedlich waren.

Wichtig für die südwestdeutschen Reichsstädte war der sogenannte Hasenrat, dessen Wirkung auf die Verfassung vieler Reichsstädte sich bis ins 18.Jahrhundert erstreckte. Hasenrat ? Wikipedia

Oder geht es Dir um demokratische Strukturen z.B. unter verschiedenen Reichsstädten, z.B. die Abstimmungen auf Städtetagen?
 
...So ganz verstehe ich nicht, was Du meinst, befürchte ich. ...

Sorry, mein Fehler. Neuer Anlauf. Wenn ein Landtag im Uz beriet, war der Abschied ein Konsens der unterschiedlichen Stände inkl. Landesherren - korrekt? Bevor der Landtag aber als Ergebnis einen Abschied bewilligen konnte, mußte nicht nur zwischen den Ständen und dem Landesherren sondern auch innerhalb der "Standeskurie" Einigkeit erzielt werden*. Dieses "innerhalb", ist m.E. mit Blick auf den Titel des Threads interessant.

Ich hoffe, dieses Posting ist klarer.


M. :winke:

* Lassen wir da einmal alle Sonderheiten vor.
 
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