Gründung Roms

xlSPQRlx

Mitglied
Hallo Freunde der Geschichte,
Ich bin neu hier und habe vor längerer Zeit schon mein Interesse an Geschichte entdeckt, ist aber ein klein bisschen verflogen, aber als ich jetzt das Forum hier entdeckt habe ist es wieder stark entfacht. :O
Ich interessiere mich sehr für die röm. Geschichte und habe mir vor kurzem auch Literatur, mehr oder weniger, für den Einstieg in die röm. Geschichte besorgt.

Jetzt tut sich bei mir die Frage auf, wie genau die Gründung Roms und die Vereinigung zu einem Volk von statten ging.
Ich hoffe ihr könnt mir das nochmal genau erklären, auch wenn euch das vielleicht zu langweilig ist, oder diese Thema schon oft angesprochen wurde. Ich habe jedoch über die Suchfunktion nichts gefunden.
Ich freue mich auf hilfreiche Antworten! :O
Danke schon mal im Vorraus,

xlSPQRlx
 
Ich enttäusche Dich nur ungern, aber die Frage nach der Gründung Roms ist ungeklärt und mangels zuverlässiger schriftlicher Zeugnisse leider wohl auch für immer unklärbar. Es gibt natürlich einige Gründungssagen (falls sie Dich interessieren, kann ich Dir einen Überblick präsentieren), aber über die wahren Umstände der Gründung gibt es nur Spekulationen. Sogar der Gründungszeitpunkt ist unbekannt; Theorien schwanken zwischen dem 9. und dem 6. Jhdt. v. Chr. Eine Theorie besagt, dass Rom durch den Zusammenschluss eines latinischen und eines sabinischen Dorfes entstand (das könnte sich in der Sage widerspiegeln, dass der sagenhafte erste König von Rom, Romulus, zeitweise zusammen mit dem Sabiner Titus Tatius regierte), aber auch das ist nur Spekulation.

Siehe auch hier: Founding of Rome - Wikipedia, the free encyclopedia
 
Okay, ich habe schon früher mal eine Zusammenstellung für den Privatgebrauch verfasst:

Die Geschichte von Romulus und Remus, wie sie von Livius und in ähnlicher Form auch von Dionysios von Halikarnassos erzählt wurde, kennt wohl jeder. In der Zeit vor diesen beiden Autoren existierten jedoch noch andere, stark abweichende Gründungsmythen. Ich möchte hier einen kurzen Überblick geben:

Schon etliche griechische Autoren befassten sich mit der Gründung Roms:
Der griechische Geschichtsschreiber Kallias von Syrakus (um 300 v. Chr.) schrieb, trojanische Flüchtlinge seien nach Italien gekommen, und dass die Trojanerin Rhome den König Latinos geheiratet und ihm drei Söhne, Rhomos, Rhomylos und Telegonos, geboren hätte. Die Söhne gründeten Rom und benannten es nach ihrer Mutter.
Xenagoras (Lebenszeit unbekannt) schrieb, dass Odysseus und Kirke drei Söhne, Rhomos, Anteias und Ardeias, hatten, von denen jeder eine Stadt gründete, die er nach sich benannte: Rom, Ardea und Antium.
Dionysios von Chalkis (vermutlich 4. Jhdt.) schrieb, dass Rom von Rhomos gegründet worden sei, der vermutlich ein Sohn des Askanios, des Sohnes des Aineias, oder eines gewissen Emathion gewesen sei.
Kephalon von Gergis (ein Pseudonym für Hegesianax von Alexandria) schrieb, Aeneas habe vier Söhne gehabt, Askanios, Euryleon, Rhomylos und Rhomos, von denen Rhomos Rom gegründet habe.
Auch Demagoras von Samos und Agathyllos von Arkadien schrieben die Gründung Roms einem Rhomos, Sohn des Aineias, zu.
Andere berichteten, Rhomos sei der Sohn von Italos und Leukaria, der Tochter des Latinos, gewesen.
Hellanikos (5. Jhdt.) und Damastes von Sigeion (ca. 400) berichteten, Aineias sei mit Odysseus nach Italien gekommen und habe Rom gegründet, das er nach der Trojanerin Rhome benannt habe. Diese Rhome sei der ständigen Reisen überdrüssig gewesen und habe daher die anderen Frauen angestiftet, die Schiffe anzuzünden.
Der Philosoph Aristoteles schrieb, dass heimkehrende Griechen mit gefangenen Trojanerinnen nach Latium verschlagen worden seien. Die Trojanerinnen hätten die Schiffe verbrannt, und da die Griechen nicht fähig gewesen seien, neue zu bauen, hätten sie eben dort bleiben müssen.
Antiochos von Syrakus (2. Hälfte 5. Jhdt.) berichtete, Rom habe sogar schon vor dem Trojanischen Krieg bestanden.
Die Geschichte von der trojanischen Herkunft scheint von den Griechen Süditaliens erfunden worden zu sein, die die wachsende und mächtiger werdende Stadt in ihren Kulturkreis einbinden wollten.

Auch römische Historiker beschäftigten sich schon vor Livius mit der Gründung:
Einige berichteten, Rom sei von Romulus und Remus gegründet worden, die Söhne des Aeneas gewesen seien.
Andere berichteten, Romulus und Remus seien Söhne einer Tochter des Aeneas gewesen, die nach der Ankunft in Italien dem Latinus als Geiseln gestellt worden seien. Als Latinus ohne männlichen Erben starb, seien ihm Romulus und Remus in einem Teil Latiums gefolgt, wo sie Rom gegründet hätten.
Andere berichteten, Aeneas, der die Herrschaft über die Latiner errungen habe, habe drei Söhne gehabt, Ascanius, Romulus und Remus. Nach seinem Tod hätten die drei das Reich aufgeteilt. Ascanius gründete Alba und einige andere Städte. Remus gründete die Städte Capua (benannt nach seinem Urgroßvater Capys), Anchisa (nach Anchises), Aeneia (auf dem Janiculum gelegen) und Rom, das er nach sich benannte.
Es wurde auch berichtet, Rom sei zwar kurz nach dem trojanischen Krieg gegründet worden, aber wieder verödet, und wurde schließlich 15 Generationen später von Kolonisten aus Alba unter der Führung von Romulus und Remus wiederbesiedelt.
Ennius hielt den Romulus für einen Enkel des Aeneas, Q. Fabius Pictor hingegen ließ bereits mehrere Generationen zwischen Aeneas und Romulus liegen.
Livius schrieb übrigens auch die Gründung seiner eigenen Heimatstadt Patavium (=Padua) dem Trojaner Antenor zu. Interessanterweise wird das aber auch in der Aeneis erwähnt, sodass es nicht unbedingt eine Erfindung von Livius sein wird, es sei denn Vergil hat von Livius abgeschrieben. Ich könnte mir aber vorstellen, dass vielleicht beide die Info bereits aus Catos verlorengegangenem "Origines" hatten, das auch etliche solcher Gründungssagen enthalten haben soll.

Kompliziert war auch die Frage, wann denn Rom nun eigentlich gegründet wurde. Da gab es verschiedene Datierungen:
Timaios (ca. 345-ca. 250) datierte sowohl die Gründung Roms als auch Karthagos in das 38. Jahr vor der 1. Olympiade (813 v. Chr.).
Der Senator Lucius Cincius Alimentus (210 Praetor) datierte die Gründung Roms in das 4. Jahr der 12. Olympiade (729 v. Chr.).
Quintus Fabius Pictor datierte sie in das 1. Jahr der 8. Olympiade (748 v. Chr.).
Cato der Ältere datierte sie auf 432 Jahre nach dem Trojanischen Krieg. (Da der Fall Trojas traditionell auf 1183 v. Chr. datiert wurde, wäre das 751 v. Chr.).
Dionysios von Halikarnassos datierte die Gründung in das erste Jahr der siebenten Olympiade, als in Athen Charops sein erstes Jahr als Archon amtierte, also 752 v. Chr.
Durchgesetzt hat sich schließlich die Datierung des berühmten römischen Gelehrten Varro, wonach Rom am 21.4.753 v. Chr. gegründet wurde.

Grundsätzlich fällt also einmal auf, dass die früheren Historiker die Gründung Roms sehr bald nach dem Trojanischen Krieg ansetzten. Das konnte aber so nicht stimmen, da Troja ca. 1200 zerstört, Rom aber der Sage nach erst um 753 gegründet wurde. Ursprünglich gab es zwar tatsächlich die Sage, Aeneas oder ein Sohn von ihm habe Rom gegründet. Als man dann aber die chronologische Unmöglichkeit erkannte, wurden als Überbrückung die Könige von Alba Longa eingeschoben, die von Aeneas abstammen sollten und von denen Romulus abstammen sollte.
Das hier sind sie: (Namen und Regierungsdauer weichen bei den einzelnen antiken Autoren - Dionysios von Halikarnassos, Livius, Ovid, Eusebius - geringfügig voneinander ab)
Ascanius (=Iulus), der Sohn von Aeneas, 38 Jahre lang
Silvius Postuumus, der Halbbruder von Ascanius, Sohn von Aeneas; oder der Sohn von Ascanius, 29 Jahre lang
Aeneas Silvius, der Sohn von Silvius Postumus, 31 oder 39 Jahre lang
Latinus Silvius, der Sohn von Aeneas Silvius, 50 oder 51 Jahre lang
Alba Silvius, der Sohn von Latinus Silvius, 39 Jahre lang
Atys (=Epytus, Capetus), der Sohn von Alba Silvius, 26 Jahre lang
Capys, der Sohn von Atys, 28 Jahre lang
Capetus (II.), der Sohn von Capys, 13 Jahre lang
Tiberinus, der Sohn von Capetus, ertrunken, 8 Jahre lang
Agrippa Silvius, der Sohn von Tiberinus, 35 oder 41 Jahre lang
Romulus Silvius (=Allocius, Allades, Acrota), der Sohn von Agrippa Silvius, vom Blitz erschlagen, 19 Jahre lang
Aventinus, der Sohn von Romulus Silvius, 37 Jahre lang
Proca, der Sohn von Aventinus, 21 oder 23 Jahre lang
Numitor, der Sohn von Proca, rasch von Amulius gestürzt
Amulius, der Sohn von Proca, ermordet, 42 Jahre lang
Numitor (2.) 11 Jahre lang
Romulus und Remus waren Enkel von Numitor.

Die Geschichte von Aeneas, wie sie in der Aeneis Vergils erzählt wurde, ist wohl allgemein bekannt. Livius und Dionysios von Halikarnassos erzählten sie jedoch abweichend, vor allem kam bei ihnen Dido, die Königin von Karthago, nicht vor. Diese stammte ursprünglich auch aus der griechischen Mythologie, hatte dort aber nichts mit Aeneas zu tun. Anscheinend wurde die Verbindung erst von Vergil hergestellt.

Im Folgenden möchte ich daher kurz die Versionen von Livius und Dionysios von Halikarnassos erzählen:

Livius:
Aeneas segelte nach dem Fall Trojas zuerst nach Makedonien, dann nach Sizilien und schließlich nach Latium. Latinus, der König der "Aborigines" genannten Einwohner, brach mit seinem Heer auf, um die ungeliebten Ankömmlinge zu vertreiben. Es kam entweder zur Schlacht, die Latinus verlor, woraufhin er Frieden schloss und dem Aeneas die Hand seiner Tochter Lavinia gab, oder aber es wurden gleich ein Vertrag und die Verschwägerung beschlossen. Aeneas gründete eine Stadt, die er nach seiner Gattin Lavinium nannte, und aus der Ehe ging der Sohn Ascanius hervor. (Achtung! Bei Vergil ist Ascanius der Sohn von Aeneas' erster Gattin Kreusa!) Der Rutulerkönig Turnus, der früher mit Lavinia verlobt gewesen war, akzeptierte seine Zurücksetzung aber nicht und griff an. Latiinus fiel in einer Schlacht. Aeneas folgte ihm als König. Er verschmolz Aborigines und Trojaner zu einem neuen Volk, den Latinern, und gewann den Krieg. Ihm folgte sein Sohn Ascanius, der Alba Longa gründete.

Dionysios von Halikarnassos:
Nach dem Fall Trojas schloss Aeneas als Führer der Überlebenden mit den Achaiern einen förmlichen Vertrag, in dem ihm und seinen Leuten freier Abzug gewährt wurde. (Übrigens hat Aeneas bei Dionysios mehrere Söhne.) Zunächst segelte er nach Pallene auf Chalkidike, wo verbündete Thraker, die Krusaier, herrschten. Dort überwinterten die Trojaner und errichteten die Stadt Aineia, wo ein Teil zurückblieb. Dann segelten sie nach Delos, wo König Anios regierte. (Dessen Tochter Lavinia, eine Prophetin, begleitete einer Version zufolge fortan die Trojaner.) Die Reise ging weiter über Kythera, Arkadien, Zakynthos, Leukas, Ambrakia, Epirus und Sizilien. (Dionysios erwähnt allerdings auch noch abweichende Versionen.) Schließlich landete Aeneas in Italien. Latinus, der König der Aborigines, führte gerade Krieg gegen die Rutuler und hatte bereits mehrere Niederlagen erlitten. Latinus zog den Neuankömmlingen mit seiner Armee sofort entgegen. Doch dann schloss er auf göttliche Eingabe hin mit Aeneas einen Vertrag: Aeneas erhielt ein Stück Land, auf dem er die Stadt Lavinium gründete. Im Gegenzug mussten die Trojaner den Aborigines Waffenhilfe gegen die Rutuler leisten. Lavinium war nach Lavinia, der Tochter des Latinus, benannt; nach anderer Version nach Lavinia, der Tochter von König Anios von Delos, die während des Baus krank wurde und starb. Aeneas heiratete Lavinia, die Tochter des Latinus. Die Trojaner verschmolzen mit den Aborigines, nannten sich nun gemeinsam Latiner. Der Rutulerführer Tyrrhenus, ein Neffe von Latinus' Gattin Amata, war beleidigt, dass er nicht Lavinia bekommen hatte, und begann Krieg. In einer großen Schlacht fielen Latinus und Tyrrhenus, aber letztlich siegte Aeneas und herrschte fortan allein über die Latiner. Einige Jahre später verbündeten sich die Rutuler mit dem Etruskerkönig Mezentius gegen Aeneas, der in einer großen Schlacht spurlos verschwand, angeblich indem er unter die Götter versetzt wurde. Auf ihn folgte sein ältester Sohn Ascanius. Er musste einen weiteren Krieg gegen Mezentius führen und gründete eine neue Stadt, Alba. Auf ihn folgte sein Halbbruder Silvius (Sohn von Aeneas und Lavinia). Im Folgenden führte Dionysios nun die Könige von Alba auf. Numitors Enkel Romulus und Remus gründeten schließlich Rom als Kolonie Albas.
Den Beginn der Sage von Romulus und Remus stellte er auch leicht abweichend dar:
Numitor, der rechtmäßige König Albas, wurde von seinem Bruder Amulius gestürzt. Amulius ließ Numitors Sohn Aegestus ermorden und zwang Numitors Tochter Ilia (alias Rhea Silvia), Vestalin zu werden. Als Vestalin wurde sie jedoch vergewaltigt, entweder durch einen Verehrer oder durch Amulius oder durch einen Gott. Sie wurde schwanger und gebar Zwillinge. Über Ilias weiteres Schicksal gehen die Meinungen auseinander: Entweder wurde sie hingerichtet oder auf Bitten von Amulius' Tochter nur eingesperrt und später von ihren Söhnen befreit. Die Zwillinge wurden im Tiber, der über die Ufer getreten war, ausgesetzt, strandeten, als das Wasser zurückging, und wurden von einer Wölfin gesäugt. Hirten fanden sie; einer von ihnen, Faustulus, der die wahre Identität erahnte, zog sie mit seiner Frau auf; sie nannten sie Romulus und Remus. Die weitere Darstellung der Gründungsgeschichte folgt im Wesentlichen der bekannten von Livius. Einen Unterschied gibt es jedoch bzgl. des Todes von Remus: Romulus erschlug seinen Bruder nicht einfach wie bei Livius, sondern es kam zwischen den beiden zu einem Streit über den genauen Ort der Stadtgründung und die Benennung der Stadt. Numitor entschied, dass der Vogelflug entscheiden sollte; aber auch dessen Ergebnis sorgte wieder für Streit. Schließlich kam es zum bewaffneten Kampf zwischen den Anhängern der beiden Brüder, in dem Remus fiel. Faustulus hatte die Kämpfer zu trennen versucht und war dabei ebenfalls umgekommen. Als Alternativversion erwähnt Dionysios dann aber auch noch die von Livius bekannte mit dem Mauersprung.

In Wahrheit entstand Rom wohl durch die Vereinigung von latinischen und sabinischen Siedlungen. Das könnte die Sage vom Raub der Sabinerinnen und von der gemeinsamen Herrschaft von Romulus und dem Sabiner Titus Tatius erklären.
Möglicherweise ist der Name "Rom" in Wahrheit von einem etruskischen Geschlecht namens Rumina abgeleitet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Prof. Dr. Pierre Grimal schrieb in Band 6 der "Fischer Weltgeschichte" ab S. 95 über die Gründung Roms Folgendes:

"Nach nationaler Überlieferung ist die Stadt Rom auf dem Palatin von Romulus mit Hilfe seines Bruders Remus gegründet worden, die beide dem Geschlecht der Könige von Alba entsprossen. Romulus soll mit einem Pflug die Furche gezogen haben, die das pomerium der künftigen Stadt abgrenzte, und dieses Gebiet soll die Form eines Quadrats oder zumindest eines Vierecks gehabt haben, das man Roma quadrata nannte. Aber über Lage und Ausdehnung dieser Romulus-Stadt gehen die Traditionen weit auseinander: Bald beschränkt man sie ausschließlich auf den Palatin, bald bezieht man Kapitol und Forum ein. Heute gilt es als wenig wahrscheinlich, daß es sich um eine wirkliche Stadt gehandelt habe, die zum Kern der urbs geworden sei. Tatsächlich entdeckte man schon früh, daß an der Stelle des künftigen Roms mehrere Dörfer gleichzeitig vorhanden gewesen sind. Das Dorf auf dem Palatin ist das bekannteste, aber es ist nicht das einzige, und heute kann man nicht einmal, wie das früher der Fall gewesen ist, annehmen, es sei eine Wohnstätte gewesen, von der die Toten ausgeschlossen waren, wodurch es dem klassischen Rom ähnlich geworden wäre, da man annehmen durfte, es sei von einem pomerium umgeben gewesen, in dessen Innerem, wie es in der geschichtlichen Epoche die Regel war, eine Bestattung untersagt war. Diese Hypothese, die nach den Ausgrabungen von Boni, der auf dem Forum den Friedhof der ›Palatinischen Stadt‹ gefunden zu haben glaubte, lange anerkannt worden war, hat keine Gültigkeit mehr, nachdem man auf dem Palatin selbst Gräber neben den Behausungen entdeckt hat.
Die geduldig analysierten Ausgrabungsergebnisse zeigen, daß der Boden Roms vielleicht seit dem 9. Jahrhundert v. Chr. von latinischen ›Feuerbestattern‹ bewohnt gewesen ist und, vielleicht gleichzeitig, von anderen Feuerbestattern, die als ›Sabiner‹ bezeichnet werden, und die nicht mehr aus dem Küstenstrich südlich der Tibermündung gekommen sind, sondern von den entferntesten Abhängen des Apennin
und zur Sprachgruppe der Osco-Umbrer gehörten. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß einige zahlenmäßig schwächere Kerne von Bevölkerungen, die vor der Ankunft der indoeuropäischen Ansiedler an dieser Stelle seßhaft gewesen sind, sich lange gehalten haben. Die menschlichen Behausungen, die ›Hütten‹, bedeckten nach und nach die verschiedenen Hügel, die Abhänge des Palatins in Richtung auf das Forum, die der Velia, die den Palatin zum Esquilin hin verlängerte, die Höhen des Fagutal, des Querquetual und des Viminal. Allgemein ist man sich einig, daß die Hütten auf dem Quirinal von Sabinern bewohnt waren, während der Süden des Forums vorwiegend der Bereich der Latiner gewesen sei. Natürlich sind solche Rekonstruktionen sehr hypothetisch und stellen nur Schemata dar, um die wenigen bekannten Tatsachen – so gut es geht – einzuordnen. Lange häuften sich die Begräbnisstätten in den tiefer gelegenen Teilen, auf dem Forum und am Fuße der Velia. Dann kam eine Zeit, in der die Behausungen der Lebenden die Gräber wieder bedeckten und man die Bestattungen auf dem Forum einstellte. Das geschah zu Anfang des 7. Jahrhunderts. Hundert Jahre später, gegen 575, erhielt das Forum seine erste Pflasterung, und diese Tatsache hat man als den eigentlichen ›Geburtsakt‹ der Stadt auslegen wollen.
In Wirklichkeit könnte eine Ausgrabungsschicht, ein Faktum rein archäologischer Art, gar kein unbestreitbares Zeugnis für eine so komplexe Erscheinung wie die Entstehung einer Stadt ablegen. Eine Stadt – und besonders die urbs, eine heilige Wesenheit – läßt sich nicht auf die materielle Realität einer Anhäufung der Häuser, aus denen sie besteht, zurückführen. Sie ist eine rechtliche Schöpfung, deren Existenz nur mittelbar erfaßt werden kann, da kein Text, kein eingehendes Zeugnis uns darüber Auskunft geben. Die ›geistige‹ Existenz Roms ist offensichtlich nicht zu trennen von der Besetzung des Forums und seiner Verwendung für die großen sozialen, religiösen und politischen Betätigungen, die zum Leben der Stadt gehören. Erinnerungen an ein palatinisches ›Forum‹ sind uns nicht überliefert. Vor der Stadt hat es vielleicht zwischen den Dörfern eine Art Bund gegeben, ähnlich dem, der alle Latiner um das Heiligtum von Alba scharte. Eine Spur dieser begrenzten, örtlichen Liga hätten wir in dem recht mysteriösen Septimontium-Fest, das noch in der klassischen Zeit am 11. Dezember gefeiert wurde. Die in diesen Bund eingeschlossenen latinischen Dörfer lagen sämtlich im Osten und Süden des Forums. Sie besaßen keine topographische Einheit und hätten zu keiner Zeit ein oppidum bilden können.
Das Forum dagegen ist ein geographischer Mittelpunkt, zu dem die Täler und die Hänge der Hügel hin streben. Es erfüllt alle notwendigen Voraussetzungen, um einen allgemeinen Versammlungsort zu bilden. Man hat seit langem bemerkt, daß sich in der Ausrichtung des Forums und der beiden Straßen, die es überqueren, Merkmale wiederfinden, die von den Römern für jede Stadtgründung als unabdingbar erachtet wurden: Nord-Süd-Richtung der Achsenstraße (cardo), Ost-West-Richtung der Hauptstraße (decumanus), Einfügung von Toren (Durchlaßstellen, die eher religiösen Wert hatten, als daß sie Tore in der Stadtmauer waren) in den vier Himmelsrichtungen, Zusammenballung der bedeutendsten Tempel der Stadtreligion, besonders des gemeinsamen ›Herdfeuers‹ der Vesta und der Wohnung des Königs (der noch als Priester gedacht ist), die noch heute existiert (regia). All das läßt vermuten, daß die ›Stadt‹ Rom erst mit der Besetzung des Forums als Gemeinwesen errichtet worden ist. Das kann vor der Herstellung eines Pflasters aus Steinplatten geschehen sein; über die näheren Umstände dessen, was man wohl die ›Gründung‹ Roms nennen kann, tappen wir fast völlig im Dunkeln. Gewisse Zeichen lassen vermuten, daß dieses Ereignis durch die Aktion der Etrusker ausgelöst worden ist, besonders die Richtung der städtischen Achsen und zweifellos auch die eigentliche Idee eines städtischen Gemeinwesens, das den Grund und Boden der Stadt unlöslich mit den geheiligten und politischen Einrichtungen verknüpft, die sein Wesen ausmachen. Es ist aber schwer zu entscheiden, ob diese Aktion sich von außen her vollzog, oder ob ihr eine militärische Eroberung vorausgegangen war. Die Tatsache einer politischen Herrschaft der Etrusker in Rom ist nicht zu leugnen; sie wird von den römischen Geschichtsschreibern selbst zugegeben, die die Dynastie der Tarquinier als etruskisch bezeichnen. Rom erlebte im 6. Jahrhundert – wie der größte Teil Mittelitaliens – eine etruskische Phase, und möglicherweise verdankt es diesem historischen ›Zufall‹ sogar seine Existenz als civitas."
Ich weise allerdings darauf hin, dass der Text aus den 60ern stammt, also nicht unbedingt den aktuellen Forschungsstand wiedergibt.
 
Ich wollt dann noch mal wissen, wo früher, etwa während des trojanischen Krieges, das trojanische Reich war.
Vielleicht hat ja jemand einen Link zu einer Karte, mit dem Reich eingezeichnet, für mich.

Danke,
xlSPQRlx
 
Andrea Carandini - Die Geburt Roms

Andrea Carandiri, Die Geburt Roms, ist ein vielbeachtetes Werk über Roms Frühzeit aus archäologischer Perspektive.

Das trojanische Reich gab es nicht, und der trojanische Krieg ist ein Mythos, auf Karten somit schlecht zu verzeichnen. Es gab einen Ort, den wir heute als Troja bezeichnen, und dort gab es auch kriegerische Aktionen, und vielleicht haben die Rhapsoden, deren Erzählungen später unter dem Namen Homer zusammengefaßt wurden, einen solchen Ort als Vorbild gehabt. Aber ansonsten ist das Literatur.
 
Ich wollt dann noch mal wissen, wo früher, etwa während des trojanischen Krieges, das trojanische Reich war.
Vielleicht hat ja jemand einen Link zu einer Karte, mit dem Reich eingezeichnet, für mich.
So eine Karte kann es seriöserweise nicht geben. Wir müssen unterscheiden zwischen dem realen Troja und dem Troja der Sage.

Über das reale Troja weiß man fast nichts mit Sicherheit, vor allem nicht, wie bedeutend es wirklich war, da gibt es seit vielen Jahren einen Streit unter den Historikern und Archäologen. Demzufolge kann man auch nicht sagen, wie viel politischen Einfluss Troja auf seine Umgebung hatte, wie groß das Gebiet war, das es selbst kontrollierte, und ob andere Städte unter seiner Oberherrschaft standen. Eine (nicht unumstrittene) Theorie besagt, dass Troja (auch bekannt unter dem Namen "Ilios", das ursprünglich wohl "Wilios" hieß, ehe das W im Griechischen ausstarb) mit dem aus hethitischen Quellen bekannten hethitischen Vasallenstaat Wilusa identisch ist, aber auch da weiß man nicht, wie groß das von Wilusa beherrschte Gebiet war, außerdem stand es selbst unter der Oberherrschaft der Hethiter.

Das Troja der Sage war eine regionale Großmacht, die allerdings auch nur ihre nähere Umgebung direkt beherrschte, aber mehrere Vasallenstädte hatte und außerdem mit etlichen Völkern aus West- und Mittelkleinasien sowie Thrakiens verbündet war.
 
Also, nochmal zur Gründung Roms:
Ich fasse jetzt mal im Allgemeinen zusammen, dass Rom "theoretisch" von den Etruskern "gegründet" und die Römer aus den Etruskern hervorgingen und die Vorfahren waren, oder? (Sorry, aber ich will eine ungefähre Erklärung haben, damit ich mir das etwas vorstellen kann)
Und was hat jetzt Romulus damit zu tun?
 
Nicht so ganz ...

Dass Rom von den Etruskern gegründet wurde, stimmt so vermutlich nicht. Es wurde nur eine Zeitlang von Königen etruskischer Herkunft regiert. Aber die ersten Bewohner Roms waren Latiner und wohl auch Sabiner, und auch später unter den etruskischen Königen scheint es keine große etruskische Einwanderung gegeben zu haben, jedenfalls blieb das Latinische die Sprache der Römer. Wie Rom wirklich gegründet wurde, ist unbekannt. Vermutlich entstand es durch Vereinigung mehrerer schon bestehender Siedlungen. Ob es jemals einen offiziellen "Gründungsakt" gab, weiß man nicht, aber irgendwie muss die neue Stadt unabhängig worden sein und zu ihrem König und Senat gekommen sein. Aber all das liegt völlig im Dunkeln.

Romulus ist der sagenhafte Gründer und erste König Roms, aber vermutlich keine historische Gestalt.
 
Nicht so ganz ...

Dass Rom von den Etruskern gegründet wurde, stimmt so vermutlich nicht. Es wurde nur eine Zeitlang von Königen etruskischer Herkunft regiert. Aber die ersten Bewohner Roms waren Latiner und wohl auch Sabiner, und auch später unter den etruskischen Königen scheint es keine große etruskische Einwanderung gegeben zu haben, jedenfalls blieb das Latinische die Sprache der Römer. Wie Rom wirklich gegründet wurde, ist unbekannt. Vermutlich entstand es durch Vereinigung mehrerer schon bestehender Siedlungen. Ob es jemals einen offiziellen "Gründungsakt" gab, weiß man nicht, aber irgendwie muss die neue Stadt unabhängig worden sein und zu ihrem König und Senat gekommen sein. Aber all das liegt völlig im Dunkeln.

Romulus ist der sagenhafte Gründer und erste König Roms, aber vermutlich keine historische Gestalt.

Perfekt! Danke!

Jetzt hab ich's verstanden. :yes:
 
Aber wie kam es denn dazu, dass etruskische Könige Rom regierten? Und vielleich vorher noch, wie war denn der Stand der Etrusker zu der Zeit der Gründung Roms, also wo waren sie angesiedelt?
 
In der Sage war es so, dass nach dem Tod von Ancus Marcius, dem vierten König von Rom, der seit längerem in Rom ansässige vornehme Etrusker Tarquinius Priscus zum König gewählt wurde. Wie es in der historischen Realität war, ist völlig unbekannt. Man weiß nicht einmal, ob Tarquinius Priscus wirklich existierte.

Zu den Etruskern siehe hier: Etrusker ? Wikipedia
 
Einen hundertprozentigen Beweis gibt es meines Wissens nicht. Aber die römische Überlieferung sprach eindeutig von etruskischen Königen, und das frühe Rom war definitiv starkem etruskischem Einfluss ausgesetzt. Auch unter den Etruskern selbst gab es Überlieferungen über eine etruskische Herrschaft über Rom, wie man z. B. aus einem etruskischen Grab des 4. Jhdts. weiß, das eine Wandmalerei und eine Inschrift enthält, die u. a. einen "Gnaeus Tarquinius Romanus" erwähnt. Daher wird allgemein davon ausgegangen, dass wirklich Etrusker über Rom herrschten, auch wenn man keine Details weiß.
 
Also ich hab in Wikipedia gelesen, dass Lucius Tarquinius Superbus (ein etruskischer König?) angeblich der letzte König Roms war. Warum sind dann auf einmal Konsuln gewählt worden, also warum ist plötzlich eine Republik entstanden? Gab es eine "Reformation"?
 
Zurück
Oben