Troia und der Untergang der Stadt

@ravenik: Das wollte ich auch nicht sagen. Ich war nur durch die Diskussion in dem anderen Thread etwas beeinflusst. Aber du musst zugeben, dass die Herrschaft der mythenumwobenen Hyksos in Ägypten und die Zeit der sogenannten "Seevölker" überraschend viele Gemeinsamkeiten aufweisen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Lieber Ogrim, Dörpfeld war aber auch gar kein Archäologe, sondern Architekt.
Es stimmt, was man über den Klassischen Archäologen sagt, auch ich, obwohl aktiv auf Grabungen, mache meine Arbeit, nachdem der Fund aus dem Boden heraus ist, das heißt, ich sehe mich als wissenschaftlichen Auswerter (ich könnte aber zur Not auch eine Stratigraphie lesen:winke:).
Das liegt aber auch heutzutage mit daran, daß man ja eigentlich versucht, so wenig wie möglich auszugraben, Notgrabungen werden in den Ländern von den dort zuständigen Antikenverwaltungen durchgeführt.

Zu Deinen Ausführungen zur Unterstadt: da hat Schliemann doch gar nicht gegraben, soviel wird er da nicht zerstört haben. Du hast vollkommen recht, allzu lange hat sich die Archäologie nur auf Tempel und Paläste konzentriert, vielleicht war es aber auch gut, daß nicht unsere Altvorderen mit ihren Methoden sich auf die Wohnstädte stürzten. Die Stadmauern übrigens umfassen öfter auch einen leeren Raum, um einen Fluchtraum für die Bevölkerung der Umgebung zu schaffen, siehe Athen oder Syracus. (OK, das ist später)
Und bei dem Vortrag vom Korfmann hat er so gar nichts zur Unterstadt gehabt, er hat nur gezeigt, wo die Amerikaner eine Nekropole angestochen haben, und bis dahin hat er einfach seine Siedlung gezogen.
 
Die Nekropole war doch schon länger bekannt, oder irre ich?

Du hast Recht, es gibt immer wieder auch Beispiele - ich nehme jetzt mal die gesamte Siedlungsforschung - in denen leerer Raum umbaut wird. Da werden häufig Gründe genannt wie Fluchtraum in Krisenzeiten oder auch Platz für Viehhaltung/Anbauflächen, was ich fast wahrscheinlicher finde.

Trotzdem haben in dem Bereich, den Korfmann wahrscheinlich machen konnte, bislang kaum Grabungen stattgefunden.

Tatsächlich haben "unsere Altvorderen" in diesen Gebieten kaum je gegraben. Und an der Idee ist ja auch was dran: Sieh dir an, wie sich die Wissenschaft in den vergangenen zwanzig bis dreissig Jahren entwickelt hat, wir konnten damals noch nicht mal einen Pollen bestimmen, geschweige denn schlüssige Datierungen für naturwissenschaftliche Proben entwickeln.

Wer heute etwas aus dem Boden zieht, muss sich bewusst sein, dass er damit die Erkenntnisse von Jahrhunderten zerstört. Überall.

Ich will auch nichts ausgraben, um es zu zerstören, da setze ich lieber auf unsere Nachfolger, die mit besseren Methoden graben. Hoffentlich haben die dann auch noch die Ehrfurcht, gewisse Teile für spätere Zeiten aufzusparen.

Übrigens, Dörpfeld ist für mich einer der ersten richtigen Archäologen, vielleicht musste man damals Architekt werden, um ein guter Archäologe zu sein. Geologe hat wohl nicht mehr ausgereicht. Ausserdem hat er als einziger Schliemann wirklich Paroli geboten, und das finde ich immer gut. Besser, als zustimmen, um gelobt zu werden.
 
Ja in allen Punkten. Die Nekropole war, glaube ich, in den sechziger oder siebziger Jahren (?) angegraben worden.

Vom Wortsinn her ist ja jeder, der sich mit der Vergangenheit beschäftigt, ein Archäologe. Und auf einer Ausgrabung ist ein Archäologe heutzutage zwischen Architekten, Geologen, Naturwissenschaftlern usw. meist recht einsam :cry:

Die Beziehung zwischen Schliemann und Dörpfeld würde ich gar nicht so sehr als System Paroli charakterisieren, sondern eher als eine "wunderbare" Ergänzung. Im übrigen mag ich Schliemann, der war besser, als sein Ruf heute glauben macht.
 
Naja, da kann man geteilter Meinung sein.
Er war ein Genie, das stelle ich nicht in Frage, aber in Troja war er - als Zug der Zeit, wenn auch spät - nur auf der Suche nach Schätzen und der Bestätigung seiner eigenen Thesen. Er hat sich jedenfalls bemüht, und das DAI hat ihm mit Dörpfeld den besten Forscher der Zeit auf diesem Gebiet zur Seite gestellt. Auch wenn Virchow, ein Universalgelehrter, nicht viel von seinen Grabungen gehalten hat.
Mich stört einfach die finanzielle Ausrichtung seiner Grabungen.
Und die Fotos seiner Gattin mit antikem Schmuck machen es auch nicht besser.

Und: Es ist verstörend, dass Schliemann der einzige war, der aus eigener Anschauung die Grabungen von Mykene und Troja vergleichen konnte. Was würde ich heute für diese Anschauung geben.
 
Naja, da kann man geteilter Meinung sein.
Er war ein Genie, das stelle ich nicht in Frage, aber in Troja war er - als Zug der Zeit, wenn auch spät - nur auf der Suche nach Schätzen und der Bestätigung seiner eigenen Thesen. Er hat sich jedenfalls bemüht, und das DAI hat ihm mit Dörpfeld den besten Forscher der Zeit auf diesem Gebiet zur Seite gestellt. Auch wenn Virchow, ein Universalgelehrter, nicht viel von seinen Grabungen gehalten hat.
Mich stört einfach die finanzielle Ausrichtung seiner Grabungen.

Hmm, dann will ich mal meinen Teil der Meinung darstellen. Eine finanzielle Ausrichtung seiner Grabungen kann ich nicht erkennen, er hat ja nicht daran verdient, sondern im Gegenzug viel eigenes Geld hineingesteckt. Daß er das konnte, schaffte ihm durchaus auch Neider, und mich stört, daß hier oft mit zweierlei Maß gemessen wird. Theodor Wiegand hatte auch reichlich Geld durch seine Hochzeit mit einer Siemenstochter zur Verfügung, und gilt heute als Säulenheiliger. Genauso wie Virchow, der ja auch nicht frei von Irrtümern war.
Nein, ein Genie war Schliemann sicher nicht. Schon eher ein Aufschneider, doch seine archäologischen Unternehmungen, gemessen am Zeitgeist, waren nicht so verdammenswert. Er hat Keramik untersucht und hat Vergleiche europaweit in den Museen unternommen, als dies noch ein Novum war, wenn man sich mal anschaut, wie zeitgleich in Pergamon oder Olympia gearbeitet wurde, da war die Fundkeramik Nebensache. Und ich würde nicht sagen, daß er Schätze gesucht hat, vielmehr ging es ihm um Siedlungsarchäologie. Als er in Berlin um Unterstützung bat, hat ihn Ernst Curtius abschlägig beschieden, alldieweil in Troja nicht genügend Statuenfunde zu erwarten wären.
Daß er seine Thesen untersuchen wollte, naja, das mache ich auch. Und nicht das DAI hat ihm Dörpfeld zur Seite gestellt, er hat ihn sich geholt. Das DAI hatte ja keine Möglichkeit, Schliemann etwas vorzuschreiben.
Ich denke, die negativen und positiven Seiten halten sich bei ihm die Waage. Negativ: der Schliemanngraben, ja, da stimme ich zu, aber da lag er im 19. Jh. nicht so weit weg von gängiger Praxis. Und daß er sein Troja finden wollte und zunächst mal alles andere weggeschaufelt hat: da kenne ich heute eine Reihe von Grabungen im Vorderen Orient, wo das römische Material auch nur als störend empfunden wird. (Und manchmal auch so behandelt :weinen:)
 
Also gut, dann raffe ich mich nochmal auf, um den Säulenheiligen mit dir wieder auf den Thron zu setzen. Alleine schon seine sprachlichen Fähigkeiten, sein Engagement und seine erfolgreiche Arbeit machen ihn schon ein Stück weit zu einem genialen Typ, "Genie" nehm ich mal zurück. Danke für deinen Hinweis bezüglich Dörpfeld, das hatte ich bislang anders gesehen.

Zu der finanziellen Ausrichtung: Ein Händler wie Schliemann wäre nicht in dieses Unternehmen gestartet, wenn er nicht wenigstens seinen Einsatz wieder bekommen hätte. Und auf die Fotos seiner Frau mit dem Schmuck aus dem Priamos-Schatz gehst du wohl absichtlich nicht ein, ebenso nicht auf die Umstände, unter denen viele Funde die Türkei und auch Griechenland verlassen haben. Kann man natürlich alles auch als Zug der Zeit werten, in Ägypten waren die Verhältnisse ja auch nicht anders, wie man an der Geschichte des Raubs (ja!) der Nofretete sehen kann.

Negativ: der Schliemanngraben, ja, da stimme ich zu, aber da lag er im 19. Jh. nicht so weit weg von gängiger Praxis.
Das sehe ich wieder anders. Zu dieser Zeit war die Höhe archäologischen Ausgrabungswesens aus der Geologie entlehnt, und dort waren die Methoden erheblich feiner und genauer als das, was Schliemann an den Tag gelegt hat.

Man muss ihm allerdings zugute halten, dass er mit seinen Ausgrabungen auch Pionierarbeit geleistet hat, aber hätte er früher auf fachmännische Hilfe zurück gegriffen, wären auch die Ergebnisse sicherlich genauer.

Und zum Vergleich in Museen: Das war damals doch nicht wirklich neu, spätestens seit dem Dreiperiodensystem von Thomsen und den fast zeitgleichen Arbeiten von Montelius war der Vergleich von Sammlungsgegenständen üblich. Würde ich mal frech sagen.

Und dein letzter Satz zeigt mir, dass du ein intimer Kenner der Probleme aktuellen (deutschen?) Ausgrabungswesens im Mittelmeerraum bist. Ich musste selber schon bildschöne byzantinische Häuser und Fussböden weitgehend undokumentiert abreissen, weil wir danach nicht gesucht hatten. Traurig. Nicht viel Besser als die Fehler von Schliemann.
 
Zu der finanziellen Ausrichtung: Ein Händler wie Schliemann wäre nicht in dieses Unternehmen gestartet, wenn er nicht wenigstens seinen Einsatz wieder bekommen hätte. Und auf die Fotos seiner Frau mit dem Schmuck aus dem Priamos-Schatz gehst du wohl absichtlich nicht ein, ebenso nicht auf die Umstände, unter denen viele Funde die Türkei und auch Griechenland verlassen haben.
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Zu dieser Zeit war die Höhe archäologischen Ausgrabungswesens aus der Geologie entlehnt, und dort waren die Methoden erheblich feiner und genauer als das, was Schliemann an den Tag gelegt hat.
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Man muss ihm allerdings zugute halten, dass er mit seinen Ausgrabungen auch Pionierarbeit geleistet hat, aber hätte er früher auf fachmännische Hilfe zurück gegriffen, wären auch die Ergebnisse sicherlich genauer.

Und zum Vergleich in Museen: Das war damals doch nicht wirklich neu, ...

Lieber Ogrim, Dein Aufraffen soll nicht unbemerkt bleiben. Ich will hier nicht den Schliemannexperten geben, aber der Direktor des Schliemannmuseums in Ankershagen, Reinhard Witte, war mein erster Geschichtsdozent, und da ist einiges an Interesse wachgeblieben.

Ich habe die Photos mit Sophia Schliemann und dem Goldschatz aus Troja nicht übergangen zum Zwecke des Verschweigens. Daß er ihr den Schmuck umgehangen hat, würde ich als menschliche Schwäche verstehen und ihn nicht verurteilen dafür; daß er ein kleiner Aufschneider war, wurde ja schon erwähnt. Man kann vielmehr sagen, daß es ein Rekonstruktionsversuch war, wie man ihn heute mit Modellen ähnlich gemacht hätte. Er hat halt seine Frau genommen.
Daß er das Gold illegal mitgenommen hat, ist klar, es gab ja auch einen Prozeß, in welchem er zur Zahlung von 10 000 Goldmark verurteilt wurde, er hat übrigens 50 000 Goldmark bezahlt.
Ansonsten würde ich aber nicht sagen, daß er viele Stücke unter dubiosen Umständen hat mitgehen heißen, in Troja galt die allgemein übliche Fundteilung, aus Griechenland hat er meines Wissens nichts mitgenommen, die Funde aus Mykene sind brav im Athener Nationalmuseum.

Auch wenn er als Kaufmann sein Vermögen unter fragwürdigen Umständen gemacht hat, als Archäologe hat er sein Vermögen ohne Gegenleistung eingesetzt, um seine historischen Interessen zu verfolgen. Wo hätte er denn daran verdienen sollen? Auch wenn seine Biographie teilweise geschönt ist und fragwürdige Abschnitte beinhaltet, daß er ein echtes Interesse, vielleicht schon als Kind, hatte, würde ich nicht anzweifeln.

Mit den Bemerkungen zur Grabungsmethodik meinte ich folgendes: Eine Ausgrabung mit hunderten Arbeitern durchzuführen, die mit Schaufel und Hacke großflächig loslegen, war auch in Pergamon und Olympia zunächst üblich, selbst dreißig Jahre später hat man in Baalbek noch ähnlich gearbeitet. Eine genaue Dokumentation der Stratigraphie war nebensächlich, obwohl es, wie Du sehr richtig gesagt hast, die Erfahrung dessen schon gab, gerade die britische und dänische Archäologie hat hier Vorreiterrolle. Aber fachmännische Hilfe in den 1870er Jahren ist so ein Problem, es gab ja noch keine entwickelte Grabungswissenschaft mit ausgebildeten Fachleuten, sondern die Pioniere, wie auch Schliemann, bereiteten das Feld.

Das ist auch der Punkt mit den Vergleichen in den Museen. Neu ist das nicht, auch die barocken Antiquare haben ja verglichen und Sammlungscorpora angelegt. Aber hier würde ich einen Unterschied postulieren zwischen neu und üblich. Und bis man die Keramik allgemein als Grundlage der Datierung begriffen hat und sie auf der Grabung auch entsprechend behandelt hat, dauerte es noch etwas. Obwohl man es schon wußte. Und hier war Schliemann ein Vorreiter

Ja, die deutsche Archäologie von heute. Spezialisten für Gebrauchskeramik kannst Du suchen wie Diogenes seinen wahren Menschen, mit der Laterne in Korinth. Da sind uns die Briten (schon wieder) weit voraus.

Um die byzantinischen Fussböden trauere ich mit Dir. :trost:
Gruß, hjwien
 
@Ogrim: Ich musste selber schon bildschöne byzantinische Häuser und Fussböden weitgehend undokumentiert abreissen, weil wir danach nicht gesucht hatten. Traurig. Nicht viel Besser als die Fehler von Schliemann.
Was, solche Barbareien gibt es immer noch?:eek: Das ist ja, als würde ich wie früher allgemein üblich Ornithologie mit der Flinte betreiben.
 
Beim lesen von der Sache mit dem Vulkanausbruch bin ich ein wenig stutzig geworden:
(Ich werfe diese These einfach mal als Laie in den Raum, bitte alles widerlegen, was zu widerlegen ist) könnte das nicht das metaphorisierte 'Pferd' von Troja sein?

Ich erinnere mich sogar mal eine Doku gesehen zu haben, in der die These geäusert wurde,einige biblische Plagen liessen sich davon ableiten. Wenn es solche spürbare Auswirkungen auf Ägypten hatte, muss es auch irgendwie sich auf Kleinasien ausgewirkt haben.
 
Der Vulkanausbruch auf Thera war ein paar Jahrhunderte vor der Zerstörung Trojas. Außerdem: Wieso sollte man einen Vulkanausbruch zu einem Pferd metaphorisieren?

Hingegen lassen sich zumindest einige der biblischen Plagen in Ägypten zumindest theoretisch durchaus als Auswirkungen eines Vulkanausbruchs erklären. (Dass ein Zusammenhang theoretisch möglich ist, ist aber natürlich weder ein Beweis dafür, dass er wirklich bestand, noch dafür, dass es die biblischen Plagen in der historischen Realität überhaupt gab.)
 
Außerdem muß die Auswirkung eines Vulkanausbruchs nicht allseitig erfolgen, sondern hängt stark von Windrichtung und anderen atmosphärischen Einflüssen ab. Die isländische Aschewolke letztes Jahr trieb ja auch nur in eine Richtung.
 
Ich halte es ohnehin für sehr gewagt, von Vulkanausbrüchen auf den Untergang von Zivilisationen zu schließen. Natürlich gilt das z.B. für Thera selbst, aber in Entfernungen, wo sich der Ausbruch "nur" in Missernten äußert, ist diese Annahme problematisch.
Dass dies Hungersnöte, eventuell Unruhen zur Folge haben kann, ist klar. Allerdings sollten die relativ entwickleten Kulturen der damaligen Zeit mittelfristig damit klar gekommen sein.
Mir zumindest ist kein Fall bekannt, wo nachweislich eine höhere Kultur durch Naturkatastrophen untergegangen wäre.
 
Ich halte es ohnehin für sehr gewagt, von Vulkanausbrüchen auf den Untergang von Zivilisationen zu schließen. Natürlich gilt das z.B. für Thera selbst, aber in Entfernungen, wo sich der Ausbruch "nur" in Missernten äußert, ist diese Annahme problematisch.
Dass dies Hungersnöte, eventuell Unruhen zur Folge haben kann, ist klar. Allerdings sollten die relativ entwickleten Kulturen der damaligen Zeit mittelfristig damit klar gekommen sein.
Mir zumindest ist kein Fall bekannt, wo nachweislich eine höhere Kultur durch Naturkatastrophen untergegangen wäre.

:scheinheilig: Atlantis :devil:
 
Danke hiwen, der war lustig.

Die Idee, dass es sich beim Pferd von Troja um eine metaphorische Umschreibung einer Naturkatastrophe handelt, ist schon über 140 Jahre alt. Man verband es mit Poseidon, dem "Erderschütterer" und wollte deswegen ein Erdbeben oder einen Vulkanausbruch annehmen. Das blieb auch für längere Zeit der einzige Punkt soweit ich sehen kann, wo man den Untergang einer Stadt mit einer Naturkatastrophe verband. Ausser Helike übrigens, einer Stadt, die wohl nachweislich durch eine Flutkatastrophe untergegangen ist, aber in dieser Sache zieht wieder der Scherz mit Atlantis. Aus der gleichen Publikation stammen auch Berechnungen, dass eine damit verbundene Flutwelle eine Höhe von 100 Metern erreicht hätte.

Aufgenommen hat die Idee dann der Ausgräber von Thera, Marinatos, der eine solche Flutwelle für den Untergang der minoischen Kultur in Anspruch nahm.

Diese Diskussion hält im Endeffekt bis heute an, wobei sich die Mehrheit der Wissenschaftler weiterhin unkritisch an der - inzwischen sicherlich überholten - archäologischen Chronologie des bronzezeitlichen Mittelmeerraumes orientiert. Legt man die Daten der verschiedenen Naturwissenschaften (Eiskernbohrungen, Dendrochronologie, c14 und - wichtig hier - wiggle matching) zugrunde, dann zeigt sich, dass sich zwischen der alten Datierung "um 1550" (über Ägypten) und dem gleichen Ergebnis der Naturwissenschaften für das Jahr 1627 v. Chr. eine Lücke von ziemlich genau 77 Jahren auftut.

Wo wollen wir diese 7 Jahrzehnte denn in unseren Chronologiesystemen unterbringen?

Die alte Idee von Marinatos hat in meinen Augen wieder einiges für sich. Bis Weihnachten 2005 hatte ich noch nie die Wirkung einer Tsunami gesehen, inzwischen ist es ein häufiges und jedesmal einschneidendes NAturereignis. Die Nachwirkungen und Schäden in Indonesien, in Japan oder Chile wird man noch Jahrzehnte sehen können und man müsste sie eigentlich für immer fassen können - archäologisch.

Aber warum haben wir das bislang nicht im Mittelmeer für die Bronzezeit geschafft?
Ich sag es euch - wir haben garnicht ernsthaft danach gesucht. Marinatos wurde von der Fachwelt belächelt, wie auch hier im Forum wurde mal unterstellt, dass Hochkulturen nicht durch Naturveränderungen untergehen könnten (da fallen mir aber einige Gegenbeispiele ein) und die Zusammenarbeit der Archäologie mit den Naturwissenschaften begann erst neu mit der c14 Datierung in den 50ern, seit dem hat sich viel nach vorne entwickelt.
Nach dem sicheren Ausweis der Baumringe reden wir über eine mehrere Jahrzehnte andauernde Periode mit aufeinander folgenden Missernten, und das in einer Kultur, die über wenig Lagerraum verfügte (im Vergleich mit Mitteleuropa gibt es kaum Speichergebäude, es fand wohl hauptsächlich eine Tempel/Palastwirtschaft statt).

Die Überreste von Flutwellen wurden inzwischen sicher für Israel und Ägypten nachgewiesen, sieht man sich das Ausbreitungsmuster von Tsunamiwellen an, dann hätte von der Welle der gesamte Mittelmeerraum betroffen sein müssen, durch die Form von Thera allerdings vielleicht der Westen etwas weniger als der Osten. Der Wind zur Zeit des Vulkanausbruchs soll in Richtung Osten geweht haben, Niederschlag aus der Thera-Eruption fand sich in türkischen Seen tief im Inland sowie bei Bohrungen im Mittelmeer und Schwarzem Meer. Es ist also garkeine Frage mehr, ob diese Katastrophe statt fand.

Die Frage für die Archäologen bleibt: Wo finden wir sie in unserem Material?
Und da hört sich die Idee von Marinatos besser an, als gar keine Lösung vorzuschlagen.
 
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....wie auch hier im Forum wurde mal unterstellt, dass Hochkulturen nicht durch Naturveränderungen untergehen könnten (da fallen mir aber einige Gegenbeispiele ein) ...

Nicht Naturveränderungen sondern Naturkatastrophen sind hier das Thema.

Dann würde ich aber doch um die Gegenbeispiele bitten.
 
Aber wie wahrscheinlich ist es denn, daß eine solche Naturkatastrophe dann als Metapher in das hölzerne Pferd gezwängt wurde. Mythologisch ist der Hinweis auf Poseidon widersprüchlich, denn er war als Erbauer der Stadt auf Seiten der Trojaner.
 
@stilicho, wenn wir hier über die Folgen von Naturveränderungen auf antike Zivilisationen diskutieren, dann leisten wir immer noch ein Stückchen Pionierarbeit. Bislang ist von Seiten der Historiker/Archäologen dieser Bereich stiefmütterlich behandelt worden, gute Untersuchungen sind rar. Derzeit geht der Trend unter jüngeren Forschern fast schon in eine katastrophische Sicht der Menschheitsgeschichte, was ich wiederum auch übertrieben finde. Nicht jeder Ausschlag der Klimakurve hat gleich traditionelle Kulturen vernichtet. Aber Thera ist eines der schlagkräftigsten Argumente dafür.
 
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