Great Depression und Weltwirtschaftskrise - Auslöser und Rahmenbedingungen

@silesia
Das wäre wohl ein bißchen viel Keynes. :winke:
Das würde ich noch nicht als Argument gelten lassen. ;)
Die knapp 2 Mrd. Defizit p.a. würden über Ausgabenreduktionen bei den personalbezogen Staatsaufgaben 2 Mio. Arbeitslose on top bedeuten, zu den 6 oder 7 Mio. hinzu. Die Beschäftigung stürzte ohnehin 1929/31 von 31 auf 24 Mio. ab.

Mit der Durchhaltung der Staatsausgaben (ein Rückgang von über 1 Mrd. $ gab es ohnehin) hatte ich nicht Multiplikatoreffekte im Blick, sondern nur vorläufig stabilisierende Effekte.


Die indirekten Steuern und Zölle verhalten sich aus meiner Sicht sowieso konjunkturresistenter als die direkten Steuern.M.
Wie gesagt, das kommt auf die fiskalpolitische Ausgestaltung der indirekten Steuern, Technik (-> s.o. Allphasen...) und an die verknüpften an.
 
Das würde ich noch nicht als Argument gelten lassen. ;)

Provokation hat ja geklappt. :pfeif:

Mein Argumentarium, während in einer Krise bzw. auch nur einer konjunkturellen Delle die direkten Steuern sofort wegbrechen (zeitlicher Verzug infolge eventueller Differenz zwischen Entstehung der Steuerschuld und der tatsächlichen Steuerabführung), kann der Verbrauch nicht vollständig eingestellt werden. Natürlich hast Du recht, daß man die Einnahmenstruktur der indirekten Steuern (Frage: Auf welchen Verbrauch werden sie erhoben?) und der Zölle sich anschauen muß, bei den Zöllen kämen dann noch internationale Verträge hinzu (Meistbegünstigungsmechanismus).

Wirtschaftspolitische Instrumente insbesondere bei den direkten Steuern mal ganz außen vor gelassen (z.B.: Steuererlasse etc.), die es bei den indirekten Steuern nicht gibt/gab.

M.

P.S.: Wie hätte der Verbrauch von Zündhölzern in Deutschland abgesenkt werden können <= Inder Übertreibung liegt die Anschauung. :winke:
 
Provokation hat ja geklappt. :pfeif:
Bin halt gut dressiert.:D


Mein Argumentarium, während in einer Krise bzw. auch nur einer konjunkturellen Delle die direkten Steuern sofort wegbrechen (zeitlicher Verzug infolge eventueller Differenz zwischen Entstehung der Steuerschuld und der tatsächlichen Steuerabführung), kann der Verbrauch nicht vollständig eingestellt werden.
Das war und bleibt unbestritten.

Natürlich hast Du recht, daß man die Einnahmenstruktur der indirekten Steuern (Frage: Auf welchen Verbrauch werden sie erhoben?) und der Zölle sich anschauen muß, bei den Zöllen kämen dann noch internationale Verträge hinzu (Meistbegünstigungsmechanismus).
Die Zölle dürften sich aufgrund des unverzüglichen, drastischen Außenhandelsrückganges ähnlich wie das Aufkommen direkter Steuern verhalten.

Wie gesagt: bei den indirekten ist die übersetzte Geschwindigkeit eine Frage des Besteuerungsverfahren und der wichtigsten Bemessungsgrundlagen. Ich habe leider keinerlei Kennntis, die das US-VAT-System in den 1920ern aussah. In der BRD hatten wir bis 1967 eine Allphasen-Bruttoumsatzsteuer, die wesentlich höhere konjunkturelle Volatilität aufweist als eine Allphasen-Nettoumsatzsteuer. Wenn ein Großteil des Aufkommens wegen Ausgestaltung der Bemessungsgrundlagen nicht aus den "existentiellen" konsumtiven Bereichen stammt (Wohnung, Lebensmittel, etc.), müsste man sich das näher anschauen.

Mir ging es aber nicht um den feststellbaren Rückgang der indirekten Steuern, sondern um die Schließung der gesamten Einnahmenlücke zu den Ausgaben. Dort hatten wir einen Verschuldungsanstieg festgestellt.
 
Die signifikante Ausweitung der gesamten öffentlichen Schulden hat es gegeben (von. rd. 33/34 Mrd. in den 1920ern bis 1930, dann auf 42 Mrd. in 1932/+25% bzw. rd. 8 Mrd. 1929/32).
Wie passt das denn zur Redkution der Staatsverschuldung zwischen 1920 und 1930 von gut 25 Mrd. $ auf etwa 16 Mrd. $?

Mein Argumentarium, während in einer Krise bzw. auch nur einer konjunkturellen Delle die direkten Steuern sofort wegbrechen (zeitlicher Verzug infolge eventueller Differenz zwischen Entstehung der Steuerschuld und der tatsächlichen Steuerabführung), kann der Verbrauch nicht vollständig eingestellt werden. Natürlich hast Du recht, daß man die Einnahmenstruktur der indirekten Steuern (Frage: Auf welchen Verbrauch werden sie erhoben?) und der Zölle sich anschauen muß, bei den Zöllen kämen dann noch internationale Verträge hinzu (Meistbegünstigungsmechanismus).
Das würde ich nicht so unbedingt sagen, die direkten Steuern brechen zeitlich früher weg, sofern sie in unmittelbarem Zusammenhang zum Einbruch und seinen Folgen stehen, genauso wie die indirekten Steuern, die im Zusammenhang mit dem Einbruch und seinen Folgen stehen, nur dass diese eben zeitverzögerter einbrechen. Zudem macht es einen Unterschied, worauf die Steuern - unabhängig ob nun direkt oder indirekt - erhoben werden. Steuern auf Ausgaben des Grundbedarfs bspw. sind sehr konjunturunabhängig, Steuern auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit sind - ein Wegfall der Erwerbstätigkeit durh den konjunkturellen Einbruch vorausgesetzt - damit durchaus konjunkturabhängig.

P.S.: Wie hätte der Verbrauch von Zündhölzern in Deutschland abgesenkt werden können <= Inder Übertreibung liegt die Anschauung. :winke:
Durch die Benutzung von Feuerzeugen <= In der Kreativität liegt die Schlagfertigkeit :p Nein, ernsthaft: ich verstehe was du meinst und bin von Grundsatz her bei dir, meine aber dennoch, dass wir dazu detaillierter einseigen sollten.

Mir ging es aber nicht um den feststellbaren Rückgang der indirekten Steuern, sondern um die Schließung der gesamten Einnahmenlücke zu den Ausgaben. Dort hatten wir einen Verschuldungsanstieg festgestellt.
Ich glaube ich habe irgendwo ein Chart oder eine Statitik zu den ungefähren Ausgabenanteilen des US-Staatshaushalts, auf Grundlage der Mittelverwendung lässt sich ggf. mehr ableiten, als durch Spekulationen zur Schließung der Einnahmelücke (dauert nur wieder ungefähr ne Woche bis ich wieder dazu komme, hier zu antworten :still:).
 
Wie passt das denn zur Redkution der Staatsverschuldung zwischen 1920 und 1930 von gut 25 Mrd. $ auf etwa 16 Mrd. $?
Oben die Zahlen betrafen neben dem Bundes- auch die Staatenhaushalte, also gesamte öffentliche Verschuldung.

Völlig richtig, 1920/28 gab es einen Abbau der Verschuldung, auch in der Gesamtbetrachtung. Wir hatten oben den schnellen Schuldenanstieg in der Krise 1929/32 im Fokus.


Steuern auf Ausgaben des Grundbedarfs bspw. sind sehr konjunturunabhängig, Steuern auf Ausgaben im Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit sind - ein Wegfall der Erwerbstätigkeit durh den konjunkturellen Einbruch vorausgesetzt - damit durchaus konjunkturabhängig.
Die Differenzierung nach der fikalpolitischen Konzeption der Steuern (insbes. der indirekten) ist absolut notwendig, wenn es um Konjunkturempfindlichkeiten geht. Deshalb oben der Hinweis auf die Bemessungsgrundlagen und die Besteuerungsmechanik. Ich hatte das am Beispiel Investitionsgütersektor/Allphasen-Bruttoumsatzsteuer erläutert.
 
Ich glaube ich habe irgendwo ein Chart oder eine Statitik zu den ungefähren Ausgabenanteilen des US-Staatshaushalts, auf Grundlage der Mittelverwendung lässt sich ggf. mehr ableiten, als durch Spekulationen zur Schließung der Einnahmelücke (dauert nur wieder ungefähr ne Woche bis ich wieder dazu komme, hier zu antworten :still:).

Das ist ein beachtliches Problem.

Zunächst einmal wären Bundesausgaben, Staaten und Gemeinden aufzubrechen. Der Bundeshaushalt USA umfasste etwa 4-5 Mrd. US$.

Davon entfielen 2,7 Mrd. (1930) auf Zins- und Tilgungslasten, Pensionsfonds, Veteranenbüros, eine weitere Mrd. auf Kriegs- und Marineministerium, zusammen also 3,7 Mrd. Der Rest betraf die übrige staatliche Verwaltung.

Bei den Staaten und Gemeinden waren die größten Posten Bildungswesen, Wohlfahrt, Verkehrswesen, Justizwesen. Der wichtigste Einnahmenquelle in diesen Bereichen waren Vermögensteuern.

(zusammen also: Bund: 4,5, Einzelstaaten 3,8, Gemeinden > 30.000 EW: 2,8 für das das Jahr 1930)
 
Ich denke, wir sollten die Ausgabeseite ersteinmal außen vor lassen, die ist noch komplizierter als die Einnahmenseite.

Bei wirtschaftshistorischen Statistiken habe ich die Erfahrung gemacht, ohne klare gemeinsame Datendefinition läuft da manches schief; und die Birne schaut den Apfel an, beide stellen fest, soweit entfernt sind wir ja gar nicht, boah aber die Kirsche ist zwar Obst, gehört die zu uns? ;

Als Anregung, vllt. könnten wir uns auf folgende Datenreihen inhaltlich einigen:

- Einnahmen des Bundes (bitte nicht gleich eine Inflationsbereinigung anmahnen)
- Einnahmen des Bundes zwischen 1920 und 1933/34
- Einnahmen des Bundes in diesem Zeitraum aus:
> direkten Steuern
> indirekten Steuern
> Zöllen
- Zahlungs- bzw. Leistungsbilanz außen vor lassen, außer Zölle

US-Bundesstaaten bleiben außen vor, als auch die Kommunen, ebenso eventuell bestehende Sonderetats.

Könntet Ihr Euch mit diesem, zugegebenermaßen, sehr puristischen Ansatz anfreunden?

Dann den Verschuldungsgrad, ebenfalls wieder Bund.

Damit hätten wir eine hohe Korrelationsfähigkeit der Datenbasis, logisch alles in US-$.

Wäre dieser Vorschlag o.k. für Euch?


M.
 
Erst mal vielen Dank Euch allen für die tollen Daten bzw. Links.

Aufgefallen ist mir die erhebliche Schuldentilgung des Bundes in den 20er Jahren, und dabei insbesondere der sprunghafte Anstieg von ca. 500 Mio. USD pro Jahr bis 1925 auf fast 1 Mrd. USD in 1927. Ich habe mir dann mal, Silesias Link folgend, das Statistische Jahrbuch der USA für 1930 angesehen, und festgestellt, dass über die gesamten 20er-Jahre der Bestand an Bundesanleihen im Banksystem in etwa konstant bei knapp 4 Mrd. USD lag. Die Rückzahlung der Kriegsanleihen betraf also fast vollständig Nichtbanken - vermutlich v.a. inländische private Haushalte (wenn US-Banken gerade mal für 4 Mrd. Staatsanleiehen halten, dürften ausländische Banken in noch viel geringerem Maße dort investiert gewesen sein).

Wir haben also zwischen 1926 und 1928 einen erheblichen Liquiditätszufluss an private Haushalte, insgesamt wohl über 2 Mrd. USD, aus der Rückzahlung von Kriegsanleihen. Und wir reden hier über zwangsweises Entsparen - das Geld war ja bis dahin sicher und zinsbringend angelegt.

Parallel dazu finden wir einen Anstieg der Einlagen im Bankensystem von knapp 49 Mrd. USD in 1925 auf 51 Mrd. USD 1927, und 53 Mrd. USD 1928. Detailliertere Statistiken gibt es leider nur für die Midgliedsbanken der Fed (ca. 70% des gesamten Einlagenvolumens). Dort entwickleten sich die Sichteinlagen wie folgt (Jahrbuch 1930, S. 258):

1926: 18,8 Mrd
1927: 19,0 Mrd, +1%
1928: 21,1 Mrd, +11% (!)
1929: 20,5 Mrd -3%

Also: Es gab 1928 ein ganz erhebliches Geldmengenwachstum (M1), und zwar offensichtlich vor allem als Folge aussergewöhnlich hoher Tilgung von Staatsschulden. Dass diese Mittel in erheblichem Umfang an die Börse gingen, ist klar - zum Konsum waren sie eh nicht gedacht, mit Immobilien war ja gerade der Golfkumpel in Florida auf die Nase gefallen, und Staatsanleihen wurden knapper, und damit teurer...
 
Hallo Augusto,

sollten wir nicht zunächst den von @melchior vorgeschlagenen Weg gehen und das Staatsbudget etwas strukturieren?

Ich versuche derzeit, einige Daten zusammenzustellen, bzgl. Einnahmenseite müßte das klappen.


Parallel dazu finden wir einen Anstieg der Einlagen im Bankensystem von knapp 49 Mrd. USD in 1925 auf 51 Mrd. USD 1927, und 53 Mrd. USD 1928. Detailliertere Statistiken gibt es leider nur für die Midgliedsbanken der Fed ...
Also: Es gab 1928 ein ganz erhebliches Geldmengenwachstum (M1),

Anmerkung vorab:
M1 bezieht sich auf Sichteinlagen der Nichtbanken (Die US-Definition inhaltlich entsprechend über stufenweise Größenklassen der SE, ->M2). Die von Dir verwendeten Daten basieren nach meinem Verständnis auf den kumulierten Meldungen des Bankensystems, wobei die Sichteinlagen von Banken und Nichtbanken zusammengefasst sind. Das wäre im ersten Schritt zu konsolidieren, nämlich um die aktivischen Ausweise von Interbankenforderungen zu kürzen. Weiterhin betreffen die gesamten Depositen von um die 50 Mrd$ zu über der Hälfte Termineinlagen (also M2). Der Effekt bei den Sichteinlagen 1926/29 der Nichtbanken ist vermutlich noch höher als von Dir beschrieben, nämlich Anstieg (SE der NB, aggregiert über alle Banken) von 18,8 auf 24,4 Mrd$.

Damit sind wir bei einem Problem, dass wir für die Betrachtung des Geld- und Kapitalmarktes aufschieben sollten: auf der "Aktivseite" sind die übrigen Anlagemärkte mit zu beachten (so zB die Kapitalexporte, aber auch der US-Kreditmarkt). Ansonsten sind keine direkten Schlüsse von den passivischen Betrachtungen auf Marktentwicklungen möglich. Übrigens stiegen in dem Zeitraum die herausgereichten Bankkredite (siehe oben SE) ebenfalls um rd. 6 Mrd$. Das nur vorab, wir sollten zunächst den von @melchior skizzierten Weg verfolgen. Es läuft nichts weg.:winke:
 
Hallo Augusto,

sollten wir nicht zunächst den von @melchior vorgeschlagenen Weg gehen und das Staatsbudget etwas strukturieren?

Ich versuche derzeit, einige Daten zusammenzustellen, bzgl. Einnahmenseite müßte das klappen.

Ich habe grundsätzlich kein Problem mit Melchiors Ansatz, weiss aber nicht, ob er uns weiterführt, weil er vermutlich von einer falschen Prämisse, nämlich der eines Staatsdefizits, ausgeht. In Wirklichkeit reden wir aber über die heutzutage fast unerhörte Tatsache eines über 10-jährigen Haushalstübershusses mit massiver Rückführung der Staatsverschuldung / Schuldenquote.


Die Zahlen hat Lili im Prinzip ja weiter oben schon geliefert, Genaueres lässt sich im 1930er Jahrbuch nachlesen auf S. 171 (Übersicht mit den von Melchior angesprochenen Daten für 1916-1929). Einnahmeseitig haben wir vier Hauptpositionen:
  1. Einkommenssteuer (knapp 60%)
  2. Zölle (ca. 13%)
  3. Verbrauchssteuern (ca. 15%) Hier dominiert die Tabaksteuer (ca. 11% der Gesamteinnahmen), dann Börsenumsatzsteuer (2 %), Vergnügungssteuer (Theaterkarten, Clubs, 0,8%),Alkoholsteuer (0,3%, aufgrund der Prohibition relativ niedrig), sowie diverse Bagatellabgaben. Bis 1928 war auch die Automobilsteuer nennenswert (knapp 2%);
  4. Sonstige Einnahmen (ca.13 %) - hier sind als größere Posten v.a. nennenswert (a) Zinseinnahmen aus dem Ausland (insbesondere GB, Frannkreich und Italien, 3,5%), b) Nutzungsgebühren / Einnahmen aus Sondergebieten (Panamakanal, Indianerreservate, Washington D.C., Schürfkonzessionen, 1,5%), c) Externe Schuldentilgung (v.a. Eisenbahnkredite des Bundes, 3-5%), d) Schenkungen / Nachlässe (1-3%) und e) Überschüsse von Bundesunternehmen, insbesondere Beamtenversicherung /-Pensionskasse (2%).
Der Schuldenstand findet sich auf S. 214. Hier noch mal die Daten, da sie (stichtagsbedingt?) von den von Lili genannten Zahlen abweichen (jeweils per 30.6., in Mrd. USD)

1924: 21,25
1925: 20,52 -0,73
1926: 19,64 -0,88
1927: 18,51 -1,03
1928: 17,60 -0,91
1929: 16,93 -0,67
1930: 16,19 -0,74

Also stetiger massiver Liquiditätszufluss an Nichtbanken, mit deutlicher Spitze in 1926-1928!

Anmerkung vorab:
M1 bezieht sich auf Sichteinlagen der Nichtbanken (Die US-Definition inhaltlich entsprechend über stufenweise Größenklassen der SE, ->M2). Die von Dir verwendeten Daten basieren nach meinem Verständnis auf den kumulierten Meldungen des Bankensystems, wobei die Sichteinlagen von Banken und Nichtbanken zusammengefasst sind. Das wäre im ersten Schritt zu konsolidieren, nämlich um die aktivischen Ausweise von Interbankenforderungen zu kürzen.

Die Interbankenforderungen werden für die Fed-Mitgliedsbanklen statistisch separat gezeigt, so dass die von mir genannten Zahlen M1 entsprechen. Als Beispiel das Jahr 1928:

"Demand deposits" 21,1 Mrd
"Time deposits" 13,5 Mrd
"US government deposits" 0,3 Mrd
"Due to banks" 4,2 Mrd
"Total deposits" 39,1 Mrd

Für die Nicht-Fed-Banken (v.a. Kreditgenossenschaften, Bausparkassen, Postbank, lokale Banken/Sparkassen etc.) ist keine Aufgliederung wie oben verfügbar. Vermutlich ist dort das passivische Interbankengeschäft vernachlässigbar - wir reden von klassischen Kapitalsammlern, die Liquiditätsüberschüsse an die "grösseren" Banken im Fed-System weiterleiten. (In den kumulierten Daten der Fed-Banken stehen konstant ca. 2,1 Mrd Aktivausweis "Due from Banks" einem passivischen Ausweis "Due to Banks" zwischen 4,2 und 4,6 Mrd gegenüber - die kleinen Kapitalsammler haben also regelmäßig Liquiditätsüberschüsse von 2-2,5 Mrd. USD in das Fed-System transferiiert).

Weiterhin betreffen die gesamten Depositen von um die 50 Mrd$ zu über der Hälfte Termineinlagen (also M2). Der Effekt bei den Sichteinlagen 1926/29 der Nichtbanken ist vermutlich noch höher als von Dir beschrieben, nämlich Anstieg (SE der NB, aggregiert über alle Banken) von 18,8 auf 24,4 Mrd$.

Für solche Aussagenn fehlen in den Stat. Jahrbüchern belastbare Zahlen, weil wir die Einlagenstruktur ausserhalb dier Fed-Mitglieder nicht kennen. [Habe gerade gesehen, da gibt es doch Daten, allerdings per 30.6 und nicht per 31.12., und lediglich als Jahresausweis, nicht als Zeitreihe. Struktur im gesamten Bankensystem ist etwa 45% Sichteinlagen, 55% Termineinlagen bei "Individual Deposits" (also wohl ohne Interbankengeschäft / Staatsgelder)]

Für M1 + M2 (Sicht- plus Termineinlagen von Nichtbanken) haben wir die folgende Entwicklung (Jahrbuch 1930, S.262, per 30.6., in Mrd. USD)

1924: 42,90
1925: 45,72 +6,6%
1926: 49,83 +9,0%
1927: 51,06 +2,5%
1928: 53,23 +4,2%
1929: 53,16 -0,2%

M1 alleine hat sich nach den Jahrbüchern 1826 (S. 254), 1928 (S.265), 1929 (S.257) und 1930 (S.261) wie folgt entwickelt (jeweils per 30.6).

1926: 18,75 (5,74 "unclassified" !)
1927: 23,86 + 27,3%
1928: 24,31 + 1,9 %
1929: 24,35 + 0,2 %

Damit sind wir bei einem Problem, dass wir für die Betrachtung des Geld- und Kapitalmarktes aufschieben sollten: auf der "Aktivseite" sind die übrigen Anlagemärkte mit zu beachten (so zB die Kapitalexporte, aber auch der US-Kreditmarkt). Ansonsten sind keine direkten Schlüsse von den passivischen Betrachtungen auf Marktentwicklungen möglich. Übrigens stiegen in dem Zeitraum die herausgereichten Bankkredite (siehe oben SE) ebenfalls um rd. 6 Mrd$. Das nur vorab, wir sollten zunächst den von @melchior skizzierten Weg verfolgen. Es läuft nichts weg.:winke:

Hier stimme ich Dir zu. Zunehmendes Geldangebot ist nur eine Hälfte, die Geldverwendung müssen wir uns noch mal genauer ansehen.

Wo ich aber gerade die Daten parat habe, schon mal als Merkposten für die Kapitalmarktbetrachtung: Ausländische (Kriegs-)Anleíhen im Besitz der US-Regierung (Jahrbuch 1930, S. 219, in Mrd. USD, per 30.6.):

1927: 10,91
1928: 10,90
1929: 10,90

Da ist also praktiisch gar nichts passiert!
 
@Augusto

"Ich habe grundsätzlich kein Problem mit Melchiors Ansatz, weiss aber nicht, ob er uns weiterführt, weil er vermutlich von einer falschen Prämisse, nämlich der eines Staatsdefizits, ausgeht. In Wirklichkeit reden wir aber über die heutzutage fast unerhörte Tatsache eines über 10-jährigen Haushalstübershusses mit massiver Rückführung der Staatsverschuldung / Schuldenquote. ..."

Erlaube mir bitte zu verknappen. Staatsverschuldung und Staatsdefizit sind suboptimale Vergleichsreihen, auch wenn ein Haushaltsüberschuß zum Abbau der Staatsverschuldung verwendet wird.

Hast Du ja auch dargelegt.

Erlaube mir bitte da die Anmerkung, in 1929 sollten wir nicht stoppen ("Bugwelleneffekt" oder auch "Tankereffekt").

"...Für M1 + M2 (Sicht- plus Termineinlagen von Nichtbanken) haben wir die folgende Entwicklung (Jahrbuch 1930, S.262, per 30.6., in Mrd. USD)

1924: 42,90
1925: 45,72 +6,6%
1926: 49,83 +9,0%
1927: 51,06 +2,5%
1928: 53,23 +4,2%
1929: 53,16 -0,2%..."

M1 + M2 bleibt relativ stabil. Die FED hat offensichtlich nichts getan, um die Geldmenge zu verringern oder die Aktivitäten der FED waren nicht ausreichend, falls es überhaupt ihr Ziel gewesen wäre.

Du bist sehr tief eingestiegen, wo würdest Du das Ziel unserer Diskussion sehen? Mein Krisenszenario, auf das sich meine Prämissen stützen sehen so aus:

- Ausweitung der Geldmenge durch die Geschäftsbanken
- Reaktion der FED durch Verknappung der Geldmenge (Achtung! Wir haben Goldstandard)
- Kurseinbuch
- Wertberichtigungen/Abschreibungen zumindest auf Lombardkredite
- Refinanzierungsbedarf der Geschäftsbanken
- Rückgang der direkten einkommensabhängigen Steuern
- leichterer Rückgang der Verbrauchssteueren
- daraus folgt, erhöhter Kapitalbedarf des Staates (hier Bund), da die Ausgaben relativ konstant sind
- höhere Nettokapitalaufnahme des Staates (siehe Graphiken in diesem Thread)
- Anwachsen der Verschuldung
- damit müßte M1 + M2 absinken, tut es aber nicht (1. Konflikt), ausländische Verschuldung dürfte eher zu vernachlässigen sein, laße mich da aber gerne eines besseren belehren
- ausländische Kriegsanleihen (Leistungsbilanz) bleibt relativ konstant (2. Konflikt)
- Inflation wird durch Goldstandard gleichsam ausgebremst (3. Konflikt)
- Entwicklung der Diskont- bzw. Rediskontsätze (Frage)

Nur so als Anregung.

Schönes Osterfest.



M.
 
Erlaube mir bitte da die Anmerkung, in 1929 sollten wir nicht stoppen ("Bugwelleneffekt" oder auch "Tankereffekt").

Du bist sehr tief eingestiegen, wo würdest Du das Ziel unserer Diskussion sehen?.

@ Melchior:
Mein grundsätzliches Ziel ist das Verständnis der Ursachen der "Great Depression". Für mich beginnt diese mit dem "Big Bang", deshalb würde ich dort auch erstmal Schluss machen. Die Frage, was passierte danach, bzw. wieseo führte eine simple Kurskorrektur an der Börse in die Weltwirtschaftskrise, ist ohne Zweifel ebenfalls hochinteressant. Ich persönlich würde diese Frage aber erst mal zurückstellen bzw. in einem separaten Thread behandeln, sonst wird es endgültig unübersichtlich.

Konkret ging es mir in meinen beiden letzten Beiträgen um die Frage / Kontroverse, die den Ausgangspunkt für die Anlage dieses Threads bildete, nämlich, ob der Big Bang technisch als Platzen einer durch Geldüberangebot hervorgerufenen Spekulationsblase verstanden werden kann. Diese Frage meine ich nun grundsätzlich bejahen zu können, auch wenn mich die zugrundelegende monetäre Mechanik überrascht hat, bzw. von mir noch nicht voll durchdrungen werden kann. Geldmengenwachstum infolge staatliches Schuldentilgung gehört nicht zu den Mechanismen, mit denen ich mich in Studium und Praxis bislang beschäftigt habe - umso spannender finde ich dieses Phänomen.

Die FED hat offensichtlich nichts getan, um die Geldmenge zu verringern oder die Aktivitäten der FED waren nicht ausreichend, falls es überhaupt ihr Ziel gewesen wäre.

Ja, genau. Das ist einer der Punkte der mich jetzt gerade beschäftigt. Dazu auch die Frage, was die FED überhaupt in 1926-28 hätte tun können (ausser höhere Staatsausgaben und weinger Schuldentilgung zu empfehlen).

Daneben hat eine Wirtschaftskrise nie allein monetäre Ursachen. Der realwirtschaftlichen Seite müssen wir uns auch noch nähern. Eine Arbeitshypothese, nämlich die vom demographisch bedingten Nachfragerückgang, habt Ihr vor meinem "Wiedereinklinken" ja schon wiederlegt. Lillis' These von den Verteilungsungleichgewichten bleibt dagegen weiter auf der Tagesordnung, wobei dann ein nächster Schritt wäre, die staatliche Schuldentilgung auf ihre Verteilungswirkungen hin zu analysiseren.

Weiterhin ist die gesamte Aussenwirtschaft noch zu beleuchten. So als Leitfrage: Warum konnte die unzureichende Binnennachfrage in den späten 1920ern nicht durch steigende Exporte kompensiert werden? Gab es tieferliegende Probleme in der Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie, etwa in Folge industriellen Wiedererstarken Deutschlands, Englands, vielleicht auch Japans?

Wie Silesia festgestellt hat, haben wir uns die Kapitalmärkte noch nicht systematisch angesehen. Die Kreditexpansion der Geschäftsbanken ist ein Thema hier. Auch die Kapitalverflechtungen mit dem Ausland müssen wir noch intensiver untersuchen.

Dies wäre so die Agenda aus meiner Sicht. Und wenn wir damit durch sind, können wir uns dann gerne auch der Zeit nach dem Big Bang zuwenden.

Mein Krisenszenario, auf das sich meine Prämissen stützen sehen so aus:

- Ausweitung der Geldmenge durch die Geschäftsbanken
- Reaktion der FED durch Verknappung der Geldmenge (Achtung! Wir haben Goldstandard)
- Kurseinbuch
- Wertberichtigungen/Abschreibungen zumindest auf Lombardkredite
- Refinanzierungsbedarf der Geschäftsbanken
- Rückgang der direkten einkommensabhängigen Steuern
- leichterer Rückgang der Verbrauchssteueren
- daraus folgt, erhöhter Kapitalbedarf des Staates (hier Bund), da die Ausgaben relativ konstant sind
- höhere Nettokapitalaufnahme des Staates (siehe Graphiken in diesem Thread)
- Anwachsen der Verschuldung
- damit müßte M1 + M2 absinken, tut es aber nicht (1. Konflikt), ausländische Verschuldung dürfte eher zu vernachlässigen sein, laße mich da aber gerne eines besseren belehren
- ausländische Kriegsanleihen (Leistungsbilanz) bleibt relativ konstant (2. Konflikt)
- Inflation wird durch Goldstandard gleichsam ausgebremst (3. Konflikt)
- Entwicklung der Diskont- bzw. Rediskontsätze (Frage).


Wie gesagt, die Diskussion über die Entwicklung nach den "Big Bang" würde ich gerne zurückstellen, bis wir geklärt haben, wie es dazu kam. Um Dich aber nicht ganz ohne Feedback zu lassen:
  • Die Kapitalmarktdynamik (Wertberichtigungen, Rückgang der Kreidtvergabe, Bankenkrisen, etc.) ist sicherlich relevant,
  • Die budgetäre Dynamik ist vermutlich auch (vor allem?) im Kontext keynesianischen 'deficit spendings' bzw. des 'New Deal' zu sehen. Die Stabilität der Verbrauchssteuereinnahmen ist mit übrigens inzwichen klar -es gibt kaum etwas krisenresistenteres als Tabaksteuereinnahmen,
  • Die aussenwirtschaftliche Dynamik (Protektionismus, Zusammenbruch des Welthandels) als wesentlicher Verstärkungsmechanismus der Krise fehlt völlig, auch die realwirtschaftliche Seite muss deutlich stärker beleuchtet werden.
  • Ob Inflation nun durch den Goldstandard ausgebremst wurde, oder infolge von Überproduktion / Nachfragerückgang, sollten wir erst mal offen lassen. Die Wirkung des Goldstandards habe ich eh noch nicht ganz durchdrungen. Ich tendiere aber dazu, ihn für überbewertet zu halten, weil er mittels Wechelzeichnung / -Diskontierung leicht 'auszuhebeln' war.
Dir ebenfalls schönes Osterfest, und Euch allen Dank dafür, dass eine solch anspruchsvolle Diskussion in diesem Forum möglich ist.
 
Oben die Zahlen betrafen neben dem Bundes- auch die Staatenhaushalte, also gesamte öffentliche Verschuldung.
Ah, ok, danke. Das war für mich nicht ganz ersichtlich.

Könntet Ihr Euch mit diesem, zugegebenermaßen, sehr puristischen Ansatz anfreunden?
Ich ja und ich gehe direkt mal in Vorleistung, soweit ich dazu Material habe bzw. finde. Den Staatshaushalt und dabei insbesondere die Steuern konnte ich einigermaßen aufschlüsseln (die entsprechenden Spalten sind eingeklappt), die Zölle sind in "Balance" enthalten, wozu ich bisher leider keinen Schlüssel gefunden habe. Ich arbeite mit den Originalbegriffen, weil eine Übersetzung aufgrund der deutschen Vorbelegung der Ausdrücke zu Bedeutungsverschiebungen führen würde. Zudem setze ich bereits ab 1914 an, weil es Theorien zur Weltwirtschaftskrise gibt, die einige der Ursachen bereits während der Zeit des 1. Weltkriegs sehen und ich führe die Zahlenreihe fort bis 1934 (dann müssen wir nach der Diskussion der Ursachen nicht nochmal alle Zahlen neu Zusammentragen um auf die Wirkung einzugehen). Und damit jeder mit den Zahlen spielen und v.a. ergänzen kann, der möchte, habe ich das ganze noch gezippt in Excel:
Anhang anzeigen WWK - Staatshaushalt USA.zip
 
Besten Dank an Lili für die weiteren Daten!

M1 alleine hat sich nach den Jahrbüchern 1826 (S. 254), 1928 (S.265), 1929 (S.257) und 1930 (S.261) wie folgt entwickelt (jeweils per 30.6)....
Mein grundsätzliches Ziel ist das Verständnis der Ursachen der "Great Depression". ...
Konkret ging es mir in meinen beiden letzten Beiträgen um die Frage / Kontroverse, die den Ausgangspunkt für die Anlage dieses Threads bildete, nämlich, ob der Big Bang technisch als Platzen einer durch Geldüberangebot hervorgerufenen Spekulationsblase verstanden werden kann. ...
Die Kreditexpansion der Geschäftsbanken ist ein Thema hier. Auch die Kapitalverflechtungen mit dem Ausland müssen wir noch intensiver untersuchen.

@Augusto: dann haben wir dieses Missverständnis geklärt. Mir ging es um den Anstieg der Sichteinlagen (für M1 fehlt die ZBGM von rd. 4 Mrd) von 18 auf 24 Mrd. Die Daten stimmen für die SE damit überein.

Ein Verständnisproblem habe ich nunmehr mit Deiner Wirkungskette: Reduktion Staatsverschuldung (vorwiegend im Nichtbanken-Gläubigerbereich) -> Anstieg demand und time deposits -> Wertblase an Immobilien-/Effektenmärkten [wenn ich das einmal so verkürzt darstellen darf]
1. mit @melchior würde ich den Anstieg M1 nicht isoliert betrachten, sondern in der Gewichtung hinterfragen (Realwirtschaft/Preise/Umlaufgeschwindigkeiten? in den betr. Zeiträumen)

2. inwieweit sind Rückflüsse der Staatsverschuldung innerhalb des FRS zu verzeichnen (welche Bedeutung spielte das neben den Anleihen 1916/20 für die Staatsverschuldung)?

3. die budgetierten Tilgungsleistungen der Staatsverschuldung lagen in den 1920 in Höhen bis rd. 500 Mio. $ p.a. Außerplanmäßige Tilgungen betrafen die Haushaltüberschüsse. Sind die aplm. Tilgungen vorwiegend im FRS erfolgt?

4. Die größten Probleme habe ich mit dem Verständnis von M1, was die Entstehung der Wertblase betrifft. Zunächst eine Unterbrechung Deiner oben skizzierten Wirkungskette:
Staatsverschuldung -> Tilgungsleistungen an Nichtbanken (Hypothese) -> Anstieg der Sicht- und Termineinlagen.

Hier liegt der Bruch. Sofern die Nichtbanken die Rückflüsse im Bankensystem anlegen, sind sie in den SE und TE gebunden. Die damalige Bedeutung von M1 bzgl. Kreditschöpfungspolitik (damit auch für die Immobilien-/Effekten-/Kredit-/Anleihemärkte) ist aufgrund der damaligen Mindestreservekonzepte zu untersuchen. Wir ziehen hier mE ein Geldmengenaggregat heran, was in den 1920ern wegen der geltenden MR-Sätze nur funktionale Verknüpfungen mit den für Wertblasen stehenden Märkten aufweist (oder umgekehrt: die beobachtete Kreditausweitung wäre bereits bei nur einem geringem Anstieg der SE/TE möglich). Die Ausdehnung von M1 (These: aufgrund der Tilgungen der Staatsverschuldung) steht damit zunächst nur zu einem Bruchteil mit dem Anstieg der Kreditvergabe in Verbindung.

MR-Konzeption in den USA seit 1917:
Sichteinlagen:
13% auf Sichteinlagen in den ZR-Städten
10% auf Sichteinlagen in den "Reservestädten"
7% auf Sichteinlage in den "Landstädten"
Termineinlagen:
3% in allen Städten.
Reservebank:
35% Golddeckung gegen ihre Bankdepositen.
Praktische Rechnung: 100$ in Gold bei einer "Reserve"bank -> 285$ als Maximum auf dem Reservekonto der Mitgliedsbank
-> 2197$ Kreditschöpfungsvolumen bei 13% MR-Satz auf Sichteinlagen bzw.
-> 4080$ Kreditschöpfungsvolumen bei Nicht-Reserve-Städten
-> 9520$ Kreditschöpfungsvolumen bei Termineinlagen

Damit wird bereits klar, dass die Verschiebung zwischen SE und TE in den 1920ern eine wesentliche Hebelwirkung auf die Kreditvergabe freisetzt, die - vgl. mit dem Volumen der SE von rd. 20 Mrd - theoretisch für eine Kreditverdoppelung ausreicht. Das "Problem" rückgeführter Staatsschulden" verblasst gegen diesen Kreditschöpfungsmultiplikator. Zu dem Kreditschöpfungsproblem gibt es eine zeitnahe Analyse von Reed, Federal Reserve Policy 1921-1930, die alle wesentlichen Vorgänge bereits aufzählt:

- allmähliche Umwandlung eines großen Teiles der SE in time deposits mit geringen Deckungserfordernissen
- ständige Ausdehnung des eigenen Effektengeschäftes der Banken (Fristentransformation, spekulativer Handel) ohne Eigenkapital-Unterlegung
- gleichzeitige Zunahme der Kreditgewährung der Banken zur Effektenspekulation (Maklerdarlehen)
- Herausbildung neuer Methoden der Konsumfinanzierung und des Abzahlungsgeschäfts -> Stimulation der Kreditnachfrage
- Häufung von Bankzusammenbrüchen in ländlichen Gebieten (s. o.: Hebelwirkung!), die das Bild der Bankenliquidität ungünstiger als in der Realität vorhanden erscheinen ließ
- steigende Konzentration in Bankwesen und Industrie -> Begünstigung der Eigenfinanzierung der Industrie ohne Inanspruchnahme des Reservesystems aufgrund der Verflechtungen.
- Durchbrechung des bis zum Weltkrieg zäh durchgehaltenen Verbots der Filialengründungen seitens der Staatenbanken und Stimulierung der Kreditnahfrage durch das Filialsystem.

Die Überlegungen sollen die Aussage oben präzisieren, dass die Betrachtung des Kreditschöpfungssystems und der Kredit-/Effekten-/Immobilienmärkte wohl kaum eine wesentliche Verbindung zu M1 und der oben dargestellten unwesentlichen Veränderungen von 33% (18 ->24 Mrd) belegt (bzw. Veränderungen der Aktiv-Volumina kaum erklären kann).

Auch reicht die Größenordnung des Abbaus der Staatsverschuldung angesichts der sonstigen Kapitalströme auf die Anleihe-/Anlagenmärkte der USA nicht aus, um hier eine entscheidende Bedeutung zu sehen. Allein 1926 wurde vom department of commerce der Kapitalzustrom aus dem Ausland auf 3 Mrd. $ geschätzt (anlagesuchende Mittel vom Londoner Geldmarkt, wohl verursacht durch die Zinsdifferenzen und die Pfundschwäche; zeitweise unter pari zum Dollar).
 
@Lili

Danke für die statistische Aufbereitung. :)

@silesia

Danke für die Zusammenfassung und Wertung.

Frage an die Mitdiskutanten und auf die Arbeitshypothese von Augusto eingehend, bitte um Korrektur, wenn ich was falsch interpretiere bzw. antizipiere.

Die FED erleidet die Krise, steuert sie aber nicht, zumindest nicht im Vorfeld des "Big Bang". Die Rückzahlung von Anleihen wäre sogar als "falsche Offenmarktpolitik" ex post zu werten. Die Abkoppelung der Kursentwicklung von den wirtschaftlichen Rahmendaten, Graphik weiter oben, hätte eine drastische Verknappung der Geldmenge erfordert (MR hoch, Lombardsatz hoch, Diskontsatz hoch, Eigenkapitalunterlegung der GB hoch <= natürlich den wirtschaftspolitischen Implikationen eingedenk), um die Geldschöpfung der GB mittels Giralgeld einzuschränken. Die Zinssätze hätten so hoch sein müssen, daß sie kurzfristige antizipierte Kursgewinne gleichsam "aufgefressen" hätten. Die Eigenkapitalunterlegung bei den GB so hoch, daß sie faktisch handlungsunfähig geworden wären, mit Blick auf die Giralgeldschöpfung. Die Vorgaben für Bewertungsrichtlinien der Banken mit Blick auf Immobilienpreise, so restriktiv, daß eine Refinanzierung mit Pfandbriefen unlukrativ wird ("Verbriefungen"). Dito Bewertungsrichtlinien für WP ("Lombard").

Das wäre das klassische Krisenszenario. Allerdings gibt es da auch einen Ziel-Mittel-Konflikt. Damit hätte sich auch die Binnenverschuldung des Staates extrem verteuert und die Kurse älterer Anleihen wären gefallen, und zwar finanzmathematisch im Verhältnis von aktuell hohem Zins zu niedrigern Zinsfuß älterer Anleihen. Damit wären bestimmt einige Pensionsfonds ins "rutschen" gekommen und ausländischen Investoren in Renten wäre das auch nicht angenehm gewesen.

M.
 
Zuletzt bearbeitet:
So habe ich die Wertung von Augustus auch verstanden, die Meinungsunterschiede habe ich oben deutlich gemacht.

Sowohl offenmarktpolitikähnliche Vorgänge bei der Reduzierung der Staatsverschuldung (hier eigentlich und lediglich eine Umverteilung der Liquidität über Steuereinnahmen -> Staat -> Tilgung) als auch die Zinssatzpolitik sind mE schwächere Effekte, da

a) die MR-Sätze für die Steuerung des Kreditvolumens unvollkommen waren
b) Hochzinspolitik weitere Auslandsanlagen angezogen hätte und Arbitrageeeffekte ausgelöst hätte (-> mindestens SE -> TE mit Folgen für die Mindestreserve und die Kreditschöpfung) und
c) Eigenkapitalunterlegung der Risikoaktiva mW nicht systematisch betrieben worden ist.

Alle diese Effekte zielen letztendlich auf den gleichen Kern, die damals unzureichende Steuerung des Kreditschöpfungsvolumens der Geschäftsbanken (während die Schöpfung an Zentralbankgeld durch den Goldstandard begrenzt war - was diese Konstellation interessant macht. Ich oute mich dabei als Borchert-Anhänger der "aktivischen" statt passivischen Mindestreservekonzeptionen)

Noch ein Nachsatz:
melchior schrieb:
die Kurse älterer Anleihen wären gefallen, und zwar finanzmathematisch im Verhältnis von aktuell hohem Zins zu niedrigern Zinsfuß älterer Anleihen.
Der Effekt ist richtig, allerdings abhängig nicht nur von Zinssatzdifferenz, sondern wegen der Diskontierung der Zinsvorteile auch von der durchschnittlichen Laufzeit der betreffenden Anleihen und dem geschätzten Wiederanlagezins, um den Barwert der Anleihen (= angenäherten Marktpreis, Bonität etc. unberücksichtigt) zu ermitteln. Zwar gab es noch keine Durationsanalysen, der Effekt wurde jedoch mE vom Markt grob eingepreist.
 
Derzeit sind (aus nachvollziehbaren Gründen) vergleichende Analysen von Wirtschaftskrisen wieder interessant geworden. Seit 80 Jahren wird inzwischen über Aspekte, Messung, Deutung und Handlungsalternativen in der Weltwirtschaftskrise 1929ff. gestritten.

Da gibt es im Speziellen zB den Streit um die Borchardt-These, bzgl. der Deflationspolitik Brünings. Ein weiteres aktuelles Streitfeld ist die Frage nach den kriseneskalierenden Ursachen. Hier gibt es die Tendenz, den Börsencrash und die nachfolgenden Kapitalmarktprobleme der USA in ihren globalen Wirkungen zu relativieren.

Insbesondere Ritschl (ähnlich Borchardt) vertritt stark die These, dass die eigentliche globale Krise durch den österr.-deutschen Bankenschock 1931 (dieser wiederum Folge der deutschen Verschuldung, der Inflationshysterie und des fehlenden Vertrauens in den Staat) in einer Erholungsphase nach 1929 ausgelöst worden ist. Daneben – um einen weiteren Trend aufzuzeigen – findet die These Zustimmung (Irwin/Eichengreen), dass die französische Goldpolitik als Schlüsselfaktor anzusehen ist (massive Goldhortung 1924/33 als Folge rezipierter Spekulationen gegen den Franc, Frankreich baute seinen Anteil an den globalen Goldreserven von 7% auf fast 30% aus!).

Wenig Beachtung findet allerdings in diesem Zusammenhang noch der Hinweis von James zu Bankenkrise, Goldreserven, Vertrauen und diktatorischen Krisenmaßnahmen. Borchardt ist zT vorgeworfen worden (nach inzwischen ghM zu Unrecht!), dass die NS-Staatsausgabenpolitik die revisionistische Sicht auf Brünungs Deflationspolitik widerlege. James diskutiert das an einem anderen Beispiel, dass hier neben die o.a. Erklärungsversuche zur Ausbreitung der Krise tritt: das Beispiel Italien.

Ausgangspunkt ist die Frage, wieso das italienische Bankensystem nebst Kapitalmarkt nicht ebenfalls 1931 – dem österr.-deutschen Beispiel folgend – zusammengebrochen ist. Die italienischen Kennzahlen zum Bankensystem waren ebenso schlecht wie die österreichischen, makroökonomische Daten zu BSP, Verschuldung, Geldaggregate etc. ähnlich oder schlechter wie die Vergleichsländer, in denen die Finanzmärkte kollabierten. Trotzdem tauchte hier das faschistische Italien – keinesfalls marktlich abgeschottet gegen die globalen Entwicklung - ohne vergleichbare Schäden unter der Krisenentwicklung durch.

Harold James bietet hier mehrere Gründe an: die Publizität von Bankdaten (Rechnungslegung) wurde rigoros abgewürgt, Bilanzen wurden unter Verschluss gehalten, Kapitalkontrollen wurden eingeführt, massive Propaganda befeuerte die Akzeptanz der öffentlichen Verschuldung (und sicherte die binnenwirtschaftliche Kreditaufnahmen) und unterdrückte Kritik sowie endlose Optionsdebatten, Preissteuerung.

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass James die Bedeutung der Kapitalströme, insbesondere deren Fristigkeitsstruktur, für die Interpretation der Weltwirtschaftskrise betont (Beispiel: die kurzfristige Auslandsverschuldung des Deutschen Reiches und die Abzüge in Folge der deutschen Bankenkrise 1931). Die Volatilität der (kruzfristigen) Kapitalströme taugt als "Fundamentalschock", der Demokratien wie Diktaturen, Staaten mit extrem expansiver Ausgabenpolitik wie solche mit Deflationspolitik, Staaten mit nachrangigen Kapitalmärkten wie solche mit Finanzmarktzentren, traf.

Fragt sich nur noch: Ursache oder Wirkung? ...:D
 
Eine weitere interessante ("Ritschl-nahe") Studie ist jetzt zu der Problematik der Kreditverwässerung durch Sekundärmärkte bei Immobilienkrediten erschienen.

An sich wurde der Markt für Immobilienkredite weniger als ein wichtiger Auslöser der Krise verortet. Das galt allerdings bislang nur, weil man den Primärmarkt mit harten Beleihungsgrenzen von 50 % der Immobilienwerte (max. Kreditfinanzierung von Kaufpreisen) im Blick hatte.

Die Subprime-Krise 2008 hat nun den Blick darauf gelenkt, das verfügbare Datenmaterial der 1920er ebenfalls auf einen "Sekundärmarkt" für Immobilienkredite zu untersuchen, sozusagen "junior loans" zu den erstrangig besicherten "seniors", im Ergebnis also eine Verwässerung der Beleihungsstruktur.

Studien aus anderen Richtungen belegen bei solchen "dilutions" einen deutlichen Anstieg sowohl des Ausfallrisikos der erst- wie nachrangig gesicherten Krediten (i.P. wegen der folgenden hohen Belastungen). Dieses Ausfallverhalten ist hier auch ähnlich. Dieser Effekt wurde bislang als Vorlauf der Krise unterschätzt.

Die Studie:
Postel-Vinay
Debt Dilution in 1920s America: Lighting the Fuse of a Mortgage Crisis
Journal of Economic History online early view 2016.
Debt dilution in 1920s America: lighting the fuse of a mortgage crisis - POSTEL-VINAY - 2016 - The Economic History Review - Wiley Online Library
 
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