Vogtländischer Krieg 1354-57

Dackelhasser

Aktives Mitglied
Vogtländischer Krieg ? Wikipedia

Ich habe ein paar Fragen zum vogtländischen Krieg von 1354-57.
In diesem verloren die Vögte (Namensgeber für das Vogtland) mehr oder weniger ihren gesamten Einfluss. siehe Wikipedia

Nun meine Fragen:
1. Warum hat der Krieg so lange gedauert? Das Vogtland ist doch nicht so groß. War das wirklich ein Krieg oder eher eine Reihe von militärischen Strafaktionen?

2. Wie intensiv wurden die Auseinandersetzungen geführt? Also, wieviel Soldaten waren daran beteiligt? Gibt es irgendwo Opferzahlen?

3. Warum wurden die Vögte denn nicht vollständig aufgerieben oder vertrieben, sondern behielten einen stark eingeschränkten Rest ihrer alten Macht? Was passierte mit denen, die während des Krieges gefangen wurden? Wurden die eingesperrt, getötet oder gegen Auflagen laufen gelassen.

4. Hatte die Pest eventuell Einfluss auf den Kriegsverlauf?

5. Ist die Sache mit dem Raubrittertum wahr oder war das nur ein vergeschobener Grund. Falls es wirklich sowas wie Wegelagerei gab, wer war bedroht? Die Handelsroute von Leipzig nach Böhmen?


Es sind ein paar sehr spezielle Fragen. Vielleicht kann mir jemand trotzdem mit Quellenangaben oder 'ner Antwort weiterhelfen.

Andreas
 
In diesem verloren die Vögte (Namensgeber für das Vogtland) mehr oder weniger ihren gesamten Einfluss.

Hauptsächlich traf der Herrschaftsverlust die Plauener - die Älteren mit dem Haus Mühltroff (weniger das Haus Plauen) sowie die Jüngeren Vögte Reuß von Plauen zu Greiz.
Hof und das Regnitzland gingen den Weidaern verloren, während die Geraer verschont blieben.

Einen Brocken an Einfluss haben die Vögte bereits nach der Thüringer Grafenfehde (1342-1346) verloren - nämlich die Reichsunmittelbarkeit.

3. Warum wurden die Vögte denn nicht vollständig aufgerieben oder vertrieben, sondern behielten einen stark eingeschränkten Rest ihrer alten Macht?

Die Frage kann ich Dir auch nicht beantworten.
Aber noch "aufsehenerregender" war die Situation nach dem Schmalkaldischen Krieg 1547. Da wurden den Geraer Herren und den Jüngeren Vögten Reuß (das Haus Weida und das Haus Mühltroff sind vorher ausgestorben) alle Herrschaften abgenommen - außer die Herrschaft Kranichfeld.
Der Witz ist, dass die Herrschaften an den böhmischen Kanzler, dem (Titular) Burggrafen von Meißen - Heinrich IV. von Plauen gingen.
So waren die "hier" verlorenen Gebiete bald wieder in der ursprünglichen Hand. (Wobei die der Geraer Herren dann mit zu den Reußen gingen, weil die Geraer Vögte 1550 ausgestorben sind.)

Dass die Wettiner auffällig und "zeitlebens" an der Oberhoheit in Thüringen, nach dem Aussterben der Ludowinger und dem Erhalt des thüringer Landgrafenamtes, "gearbeitet" haben, lässt sich auch an dem "Schicksal" der Mansfelder zeigen (wiki):

Als die Erben von Ernst II. den Besitz der Vorderorter Linie 1563 erneut teilten, rief dies die Gläubiger der Mansfelder auf den Plan. Die gräfliche Familie war derweil durch reichen Kindersegen, zahlreiche Kriege und Fehden, Umschwung der Kupferkonjunktur und übermäßige Verschwendung hoch verschuldet. Ihre Gläubiger erwirkten 1566 die Einsetzung einer Kommission durch Kaiser Maximilian II. zur Schuldenregulierung, die auf Betreiben von Kurfürst August von Sachsen durch Bevollmächtigte aus Kursachsen, Magdeburg und Halberstadt ersetzt wurde. Diese stellten Gesamtschulden der Grafen in Höhe von 2,75 Millionen Gulden fest, die 1579 schließlich die Sequestration zur Folge hatten. Sachsen nutzte die Lage der Mansfelder aus und erreichte nach längeren Verhandlungen den Abschluss der von ihnen betriebenen Bestrebungen zur Mediatisierung des Lehens. Die Wettiner gelangten somit 500 Jahre, nachdem sie ihr gaugräfliches Lehen unter Heinrich IV. an die Mansfelder verloren hatten, wieder in den Besitz desselben. Drei Fünftel gehörten nun zum Kurfürstentum, die anderen zwei Fünftel zu Magdeburg. 1580 war Mansfeld somit keine reichsunmittelbare Grafschaft mehr, da die Hoheit über die Regalien nicht mehr vom Kaiser, sondern von den jeweiligen Landesherren ausgeübt wurde. Diese setzten im Zuge der Zwangsverwaltung umgehend eigene Verwalter ein, die offiziell im Namen der Grafen handelten, tatsächlich aber die Interessen ihrer Auftraggeber vertraten.
Ein weiteres Beispiel: Warum heiratete Friedrich der Strenge wohl Katharina von Henneberg-Schleusingen? Bestimmt nicht wegen ihrer sanftigen Mitgrift (Coburg). :pfeif:

5. Ist die Sache mit dem Raubrittertum wahr oder war das nur ein vergeschobener Grund.

Raubritter? :rofl:
Dass Wettiner so kreativ sein können.
 
Nachdem ich gestern Abend in meiner Wohnzimmerbibliothek keine Antworten gefunden habe, war ich heute in der Bibo und hab nach Literatur gesucht.

1. Warum hat der Krieg so lange gedauert? Das Vogtland ist doch nicht so groß. War das wirklich ein Krieg oder eher eine Reihe von militärischen Strafaktionen?
Der Vogtländische Krieg war kein zusammenhängender Feldzug, sondern bezeichnet eine Reihe von militärischen und politischen Auseinandersetzungen von 1354-59. Der gesamte Krieg teilte sich in mehrere Phasen auf, die mehrfach unterbrochen wurden.
2. Wie intensiv wurden die Auseinandersetzungen geführt? Also, wieviel Soldaten waren daran beteiligt? Gibt es irgendwo Opferzahlen?
Interessante Frage, zu der ich allerdings nichts genaues gefunden habe.

3. Warum wurden die Vögte denn nicht vollständig aufgerieben oder vertrieben, sondern behielten einen stark eingeschränkten Rest ihrer alten Macht? Was passierte mit denen, die während des Krieges gefangen wurden? Wurden die eingesperrt, getötet oder gegen Auflagen laufen gelassen.
Ich vermute das lag daran, dass man offiziell wohl keinen Eroberungskrieg gegen die Vögte führte, sondern insgesamt gesehen die Territorialgewinne für Wettiner und König erstens unter dem Gesichtspunkt der Bestrafung stattfanden und zweitens durch mehr oder weniger gerechtfertigte Einziehungen von Lehen oder dem Tausch bzw. Kauf von Gütern stattfand.

4. Hatte die Pest eventuell Einfluss auf den Kriegsverlauf?
Auch hier: keine Ahnung.
5. Ist die Sache mit dem Raubrittertum wahr oder war das nur ein vergeschobener Grund. Falls es wirklich sowas wie Wegelagerei gab, wer war bedroht? Die Handelsroute von Leipzig nach Böhmen?
Es gibst schon Hinweise darauf, dass die Geschichte so ganz unwahr vielleicht doch nicht ist. Am 25. September 1354 befahl König Karl IV. der Stadt Erfurt, den Markgrafen von Meißen bei Feldzügen zu unterstützen, wenn "er oder sine brudere decheine schedeliche lute, roubere oder echtere angrifen". Ich würde es übersetzen als: 'er, oder sein Bruder schädliche Leute, Räuber oder Geächtete angreifen'. Ein Aufgebot Erfurter Bürger sowie Verbündete aus Mühlhausen und Nordhausen zogen alsbald gegen die Herren von Lobdeburg-Elsterberg, die mit den Vögten verbündet waren und zerstörten die Stadt Elsterberg. Auserdem sollen sie 12 angebliche Räuber hingerichtet haben, was allerdings nicht in zeitgenössischen Quellen, nur in Chroniken festgehalten wurde. Jedenfalls zeigt die schnelle Bereitschaft zum Feldzug, dass die Erfurter sich womöglich doch einer Bedrohung ihrer Handelswege ausgesetzt sahen und der Vorwurf des Landfriedensbruches der vom Gebiet Lobdeburg-Elsterberg ausging, keine Erfindung gewesen sein muss.
Und auf dem Reichstag zu Metz Ende 1356 begründete Karl IV. (jetzt Kaiser) die Eingliederung der Herrschaft Plauen ins Königreich Böhmen mit Raubüberfällen und Rechtsbrüchen, die von diesem Gebiet ausgegangen sein sollen: "...rapinas et spolia, strages et seditiones innumeras ac periculosa discrimina, quibus perigrinis ac viatoribus transitus vetebatur..." Ich kann zwar kein Latein, habe es aber mal laienhaft, mit Hilfe eines Internetwörterbuches, versucht zu übersetzen: "Vergewaltigungen und Räubereien, Zerstörungen und unzählige Aufstände, sowie verschiedene Gefahren, vor welchen sich fremde Reisende scheuen" (Bessere Übersetzungen sind hochwillkomen.)

Zum Nach- und Weiterlesen:
"Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1382", Sächsisches Staatsarchiv, 2006

(detaillierte Darstellung vom Verlauf des Krieges)
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen lieben Dank für die Hinweise Artorius. :winke:


Am 25. September 1354 befahl König Karl IV. der Stadt Erfurt, den Markgrafen von Meißen bei Feldzügen zu unterstützen, wenn "er oder sine brudere decheine schedeliche lute, roubere oder echtere angrifen". Ich würde es übersetzen als: 'er, oder sein Bruder schädliche Leute, Räuber oder Geächtete angreifen'. Ein Aufgebot Erfurter Bürger sowie Verbündete aus Mühlhausen und Nordhausen zogen alsbald gegen die Herren von Lobdeburg-Elsterberg, die mit den Vögten verbündet waren und zerstörten die Stadt Elsterberg. Auserdem sollen sie 12 angebliche Räuber hingerichtet haben, was allerdings nicht in zeitgenössischen Quellen, nur in Chroniken festgehalten wurde. Jedenfalls zeigt die schnelle Bereitschaft zum Feldzug, dass die Erfurter sich womöglich doch einer Bedrohung ihrer Handelswege ausgesetzt sahen und der Vorwurf des Landfriedensbruches der vom Gebiet Lobdeburg-Elsterberg ausging, keine Erfindung gewesen sein muss.

Zu Lobdeburg-Elsterberg ein recht interessanter Aspekt:

Vor der Mitte des 14. Jahrhunderts stand die Linie Elsterberg an der Spitze des Abwehrkampfes des osterländischen Adels gegen den Aufbau des wettinischen Territorialstaates, aber schon 1354 geriet sie unter wettinische Lehnshoheit.
lobdeburg

Weiterhin: So unscheinbar klein und einflusslos waren die Vögte auch nicht. Beispielhaft lässt sich das daran erkennen, dass Heinrich II. Reuß von Plauen zu Greiz (1289-1350) 1324-1328 Vormund des Markgrafen Friedrich des Ernsthaften war!

Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Vögte mit den Lobdeburgern verbündet waren, da man letzteren auch des öfteren in der Stammtafel begegnet.

Kurios ist aber an der Stelle, dass der König gegen die Lobdeburger aufrief und dann begann die Vögte zu bestrafen.

(Zumal der Landgraf Friedrich der Strenge die Klage erhob. Dessen Vater Friedrich der Ernsthafte hatte die Königskrone zu Gunsten Karls abgelehnt.)

Und auf dem Reichstag zu Metz Ende 1356 begründete Karl IV. (jetzt Kaiser) die Eingliederung der Herrschaft Plauen ins Königreich Böhmen mit Raubüberfällen und Rechtsbrüchen, die von diesem Gebiet ausgegangen sein sollen: "...rapinas et spolia, strages et seditiones innumeras ac periculosa discrimina, quibus perigrinis ac viatoribus transitus vetebatur..." Ich kann zwar kein Latein, habe es aber mal laienhaft, mit Hilfe eines Internetwörterbuches, versucht zu übersetzen: "Vergewaltigungen und Räubereien, Zerstörungen und unzählige Aufstände, sowie verschiedene Gefahren, vor welchen sich fremde Reisende scheuen" (Bessere Übersetzungen sind hochwillkomen.)

Hätte der Kaiser exakte Vorkommnisse angebracht, die unübersehbar auch darauf hindeuten, dass den Plauenern eine Schuld zukommt, dann hätte ich ihm vielleicht geglaubt. :D
Aber so?
1. Die Verallgemeinerung der begangenen (?) Straftaten.
2. Den Kaiser kümmert die Sorgen des kleinen Reisenden?
3. Ein Zufall, dass die schönsten Gebiete (Plauen und Hof jeweils mit "Anhang") gerade betroffen waren.
4. Plauen direkt unter die böhmische Krone wanderte.
...

Kennt denn jemand ähnliche Beispiele? Also, dass einem relativ kleinem Geschlecht Raubrittertum vorgeworfen wurde und als Folge dessen große Teile des Herrschaftsgebiets abgenommen wurden?
 
Vielen Dank für die Antworten.

Einen Brocken an Einfluss haben die Vögte bereits nach der Thüringer Grafenfehde (1342-1346) verloren - nämlich die Reichsunmittelbarkeit.

Bekanntlich wurden die Vögte für ihre Verdienste um den Aufbau des Vogtlandes und dessen Besiedelung zu Vögten ernannt. Wenn ich mir den Wiki-Artikel ansehe , dann stimmt da was nicht.
Die kommen unter die Oberhoheit der Wettiner, und beginnen gleich darauf mit den erwähnten Missetaten. Wollten sie sich "auf mittelalterliche Art" an ihrem neuen Lehnsherrn rächen, weil sie sich über den Tisch gezogen fühlten und deshalb Handel und wirtschaftliche Entwicklung störten?
Außerdem müsste den Vögten, die ohnehin noch in mehrere Linien aufgeteilt waren, doch sehr schnell klar geworden sein, dass diese "Nadelstiche" nichts bringen, sondern letztlich nur zum Verlust ihrer Herrschaft führen. Wenn mehrere "Strafaktionen" durchgeführt wurden, bedeutet das ja, dass beim ersten (oder zweiten bzw. dritten) Mal zwar ein paar Burgen niedergebrannt wurden, dies jedoch keinen nachhaltigen erzieherischen Eindruck hinterlies und dass es Grund für folgende weitere "Strafaktionen" gab.


Raubritter? :rofl:
Dass Wettiner so kreativ sein können.

Eine Stadt wie Erfurt, die sich vermutlich nur ungern mit den Wettinern verbündete, würde sich nicht unbedingt an so einer Aktion beteiligen, wenn sie sich nicht ernsthaft in ihren Interessen geschädigt fühlte. Kostet schließlich eine Menge Geld, und den Machtgewinn bekommen andere.


Es kam ja zu der seltsamen Situation, dass z.B. Plauen erst mal böhmisch wurde, südlich davon gelegene Orte aber wettinisch.
Da hat sich vermutlich jeder das gegriffen, was er militärisch erobern konnte.
Aber immerhin muss es eine Art Verständigung mit den Vögten und ein Interesse am Fortbestand des Geschlechts gegeben haben, denn in geringem Umfang behalten die Vögte ein paar Territorien und tauchen später sogar in anderen Positionen wieder auf.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die kommen unter die Oberhoheit der Wettiner, und beginnen gleich darauf mit den erwähnten Missetaten. Wollten sie sich "auf mittelalterliche Art" an ihrem neuen Lehnsherrn rächen, weil sie sich über den Tisch gezogen fühlten und deshalb Handel und wirtschaftliche Entwicklung störten?

Du meinst, dass die Vögte schuldig sind? Durch was siehst Du Deine Meinung bestättigt?

Eine Stadt wie Erfurt, die sich vermutlich nur ungern mit den Wettinern verbündete, würde sich nicht unbedingt an so einer Aktion beteiligen, wenn sie sich nicht ernsthaft in ihren Interessen geschädigt fühlte. Kostet schließlich eine Menge Geld, und den Machtgewinn bekommen andere.

Das Handeln der Stadt Erfurt bezog sich, wie wir von Artorius wissen, auf die Machenschaften der Lobdeburg-Elsterberger.

Warum sollte sich Erfurt nur ungern mit den Wettinern verbündet haben?

Der Stadt wird es weniger um Machtgewinn in Form von territorialen Zugewinn gegangen sein.
Eher um die zukünftigen Erträge aus dem Handel, die dann wieder (besser) fließen würden, wenn die Route gefahrlos und ohne Verluste zu bestreiten ist.
Da kann ich mir vorstellen, dass die "einmaligen" Kosten etwas in den Hintergrund der Prioritäten gestellt wurden.
 
A)
Hätte der Kaiser exakte Vorkommnisse angebracht, die unübersehbar auch darauf hindeuten, dass den Plauenern eine Schuld zukommt, dann hätte ich ihm vielleicht geglaubt.
Aber so?
1. Die Verallgemeinerung der begangenen (?) Straftaten.
2. Den Kaiser kümmert die Sorgen des kleinen Reisenden?
3. Ein Zufall, dass die schönsten Gebiete (Plauen und Hof jeweils mit "Anhang") gerade betroffen waren.
4. Plauen direkt unter die böhmische Krone wanderte.
...

Kennt denn jemand ähnliche Beispiele? Also, dass einem relativ kleinem Geschlecht Raubrittertum vorgeworfen wurde und als Folge dessen große Teile des Herrschaftsgebiets abgenommen wurden?
A) Meines Erachtens war so eine summarische Rechtfertigung für ein Vorgehen usus. Vergehen wurden seltener aufgeschlüsselt. Da hatte der Kaiser wahrscheinlich was besseres zu tun und zum anderen war damals der Informationsfluss auch nicht so präzise.
B) Grundsätzlich hat de jure den Kaiser alles zu kümmern, was dem Landfrieden als einem der primären Verfassungsgrundlagen zuwider lief. Waren diese "kleinen Reisenden" sogar eventuell Bürger von Reichsstädten oder wichtige Kaufleute (und eben nicht kleine "Bauern") kann ich mir sogar sehr gut vorstellen, wie deren Companions dem Kaiser in den Ohren lagen. =)
"Beschwernisse" aller Art, wurden auch gern als Ausrede angebracht, wenn man irgendwie Kaiser und Reich nicht beispringen wollte (Nach dem Motto: "Wir können keine Truppen mehr stellen, da uns die bösen Plauener Herren gänzlich ruiniert.")

Das alles ändert nichts daran, dass es auch sein kann, dass die Gründe des Kaisers, wie Du es annimmst, vorgeschoben gewesen sein können. Richtig ist bestimmt, dass der Kaiser als König von Böhmen nicht ganz unparteilich gewesen sein kann.
C) Tja, das konnte sich der Kaiser als oberster Richter wohl aussuchen, welche Gebiete betroffen waren. :still:
 
A) Meines Erachtens war so eine summarische Rechtfertigung für ein Vorgehen usus. Vergehen wurden seltener aufgeschlüsselt. Da hatte der Kaiser wahrscheinlich was besseres zu tun (...)

Was ihn aber auch nicht gerade glaubwürdig erscheinen lässt. (Das hatte er als Kaiser auch nicht nötig, aber naja. :D)

Hätte sich bspw. ein Kurfürst massiv gegen ein geltendes Recht verhalten, wie wäre dann die "Begründung" des Kaisers ausgefallen - genauso inhaltsarm?

Das alles ändert nichts daran, dass es auch sein kann, dass die Gründe des Kaisers, wie Du es annimmst, vorgeschoben gewesen sein können.

Na als getreuer Untertan muss man doch dem eigenen Herrn zu Hilfe eilen! :ironie:
 
Du meinst, dass die Vögte schuldig sind? Durch was siehst Du Deine Meinung bestättigt?


Nein, ich entdecke nur ein paar Ungereimtheiten. Die werden 10 Jahre vorher von den Wettinern abhängig und beginnen nun (angeblich) mit Räubereien und was auch immer. Immerhin gibt es hier widersprüchliche Aussagen und Einschätzungen darüber, ob die Vögte nun was auf dem Kerbholz hatten oder nicht. Und das genau war ja eine meiner ursprünglichen Fragen. Schließlich muss es den Vögten klar gewesen sein, dass sie eine militärische Auseinandersetzung nicht gewinnen konnten.

Warum die Erfurter was gegen die Wettiner hatten? Aus dem Grund, aus dem viele mächtig gewordene (Hanse)Städte Probleme mit ihren jeweiligen Landesherren hatten. Unterschiedliche Ansichten über Handel, Steuern und Rechtsstatus. Aber vielleicht war eine Beteiligung an diesen Feldzügen eine gute Möglichkeit, dem Kaiser und den Wettinern einen Gefallen zu erweisen.
(Ist spekulativ)

Immerhin wurden hier lokale Herrscher durch militärische Auseinandersetzungen in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Profitiert haben Böhmen und die Wettiner.
 
Warum die Erfurter was gegen die Wettiner hatten? Aus dem Grund, aus dem viele mächtig gewordene (Hanse)Städte Probleme mit ihren jeweiligen Landesherren hatten. Unterschiedliche Ansichten über Handel, Steuern und Rechtsstatus. Aber vielleicht war eine Beteiligung an diesen Feldzügen eine gute Möglichkeit, dem Kaiser und den Wettinern einen Gefallen zu erweisen.
(Ist spekulativ)
So arg spekulativ nun wieder nicht. Karl IV. soll schon Friedrich II. den Ernsthaften mit 10.000 Silbermark die Entscheidung erleichtert haben, nicht mit Wittelsbacher Rückenwind bei der Königswahl anzutreten. Obendrein genoss Friedrich der Ernsthafte die Vorteile aus der Vormundschaft über die Mark Brandenburg, was er auch wiederum Karl IV. zu verdanken hatte.
Also ich würde sagen, dass dem böhmischen König durchaus ganz klar war, dass er die Wettiner, die ehedem zu Ludwig dem Bayer gehalten hatten, um jeden Preis gewinnen musste. Von daher wäre es nicht ganz unwahrscheinlich, dass auch hier bei dem Vorgehen gegen die Vögte im Vogtländischen Krieg etwas unsaubere Mittel unter Freunden (Wettiner und Luxemburger) zu Gange waren.

Mir scheint es mit dem Vogtländischen Krieg in der Tat, wie geschichtsfan07 andeutete, eine Art Wiederholung des Zwistes mit den anderen thüringischen Adeligen in der Grafenfehde (1342-46), nach welcher die Grafen von Weimar-Orlamünde auch ihre Reichsunmittelbarkeit kostete und unter die Lehensabhängigkeit der Wettiner zwang.

Diese Formulierung zu der Grafenfehde, mag auch auf den Vogtländischen Krieg zutreffen:
"Nach einigen Händeln um Erfurt konnte Friedrich 1338 einen Landfrieden in Thüringen erwirken. Durch Kauf und Verträge baute er seine Position immer mehr aus. So zwang er seine Gegner zu einem Verzweiflungsschritt, der sie zu Brechern des Landfriedens abstempelte."
*

So gesehen könnten die Übergriffe der Vögte auch eben eine Tat aus Verzweiflung gewesen sein.
Die Vögte mochten begriffen haben, dass ihr Wunsch nach Selbstständigkeit und dem Aufbau einer Landesherrschaft in der Konstelation, wo sie "gerieten jedoch mit ihren mächtigen Nachbarn wie zwischen Mahlsteinen aneinander."**
Das Vorgehen gegen die Vögte war offenbar dadurch begünstigt, dass es in eine Zeit fiel als
A) die Wettiner mit den Luxemburgern gut auskamen
B) keine schweren Konflikte mit Erfurt und anderen Mächtigen andauerten (die friedliche Zeit zwischen Wettinern und der Stadt wird eingerahmt von der Belagerung der Stadt durch Friedrich den Ernsthaften 1336 und dem Händel ab 1374 mit dem Einfall Adolfs von Nassau in Thüringen, auf dessen Seite Erfurt trat).

Zu den Auswirkungen der Pest habe ich nichts finden können. Die frühen 1350er waren auf jeden Fall eine schlimme Zeit für Thüringen durch die Pest.

Zur Dauer des Konflikts: Mich überrascht sie wenig. Artorius lieferte schon eine brauchbare Erklärung. Auch die Belagerungen, welche auch die Grafenfehde gekennzeichnet hatten, konnten evtl. einen Krieg in die Länge ziehen, wenn die Verteidiger nicht rasch überrumpelt wurden. Außerdem zog nicht selten ein hinhaltender Kleinkrieg einen solchen Konflikt noch stärker in die Länge, der auch andauern konnte, wenn die wesentlichen Bastionen einer Partei schon genommen worden waren - gerade durch sowas wie Überfälle.

* Hilmar Schwarz: "Die Wettiner des Mittelalters" Wartburg-Stiftung Eisenach u. Kranichborn Verlag, Leipzig 1994
S. 82
** ebenda: S. 96
 
Immerhin wurden hier lokale Herrscher durch militärische Auseinandersetzungen in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. Profitiert haben Böhmen und die Wettiner.

Immerhin erlebten die Vögte als Fürstenhaus Reuß eine Wiederauferstehung und wurden Ende des 18. Jh. sogar Reichsfürsten! Politische Bedeutung allerdings erlangte das Haus nicht mehr. Eben las ich gerade, dass aktuell noch eine Linie die Stürme der Zeit überlebt hat, nämlich die Reuß-Köstritz.
 
Vielen Dank an alle für die bisher sehr schöne Diskussionsrunde. :winke:

Ich denke auch, dass den Vögten klar gewesen sein dürfte, dass ein offensichtlicher Angriff auf die Wettiner keinesfalls gut enden kann.
Auf der anderen Seite ist es auch wieder vorstellbar, dass es ein Verzweiflungsakt nach dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit darstellen konnte.
Aber - die Grafenfehde endete 1346 und die wettinische Klage war zu Beginn des Vogtländischen Krieges 1354(?).
Falls sich die Vögte für einen Verzweiflungsakt entschieden haben, wäre es dann nicht sinnvoller die Aktion zeitnäher zu starten, als 8 Jahre später? (Das wird heute schwer zu rekonstruieren sein. :grübel:)
Warum wurden hauptsächlich große Teile der Plauener und Weidaer abgenommen und den Geraern nicht?
Könnte man darauf schließen, dass sich die Geraer anders verhielten als die Weidaer und Plauener?
Die späteren Linien der Reußen haben sich sehr isoliert betrachtet, was beispielhaft an der ungebrochenen Österreich-Treue der ä.L. und der eher zu Preußen hinneigenden j.L. dargestellt werden kann.
Ich kann mir gut vorstellen, dass es sich bei den Vorfahren, den Vögten, kaum anders verhielt.

In der Stammliste von Reuß Stammliste von Reuß ? Wikipedia, die besser nicht sein könnte, wird ersichtlich, dass die Vögte vor dem Vogtländischen Krieg Herrschaften ausschließlich kauften und erwarben und erbten oder sie innerhalb der ganzen Familie tauschte oder verkaufte.
Mit und nach dem Krieg lässt sich immer wieder lesen, dass einige Orte, Herrschaften oder Rechte nach "außen" überlassen oder verkauft wurden.
Dabei macht es den Eindruck, dass doch recht "ansehnliche" Herrschaften verkauft und weniger "bedeutende" gekauft und erworben wurden.
Kann man so heraus die These aufstellen, dass die Einfluss- und Machtzunahme durch das Abnehmen der großen einkunftsträchtigen Städte Plauen und Hof mit Umgebung auf lange Zeit gekappt werden sollte?
Mit der Idee: Wenn die großen Einkünfte entfallen, sind die Ausgaben nicht mehr zu begleichen, sodass darauf noch einige Herrschaften unweigerlich verkauft werden müssen.
Die Finanzierung kleiner Staaten war schwierig zu stemmen und oft häuften sich - schon ohne Zutun von außen - nicht gerade angenehme Schuldenberge an, die die tückische Ursache für die darauf foldende Bedeutungslosigkeit der Familien war.
 
Hätte der Kaiser die Vögte nicht erstmal vor Gericht zitieren müssen (falls sie tatsächlich solche Aktionen durchgeführt hatten), statt gleich militärisch gegen sie vorzugehen?


Zu der zeitlichen Differenz von 8 Jahren; da könnte sich erst mal einiges an Übergriffen angehäuft haben, so dass nicht wegen einem sondern fortgesetzter Überfälle gehandelt wurde. (Wie es ja auch in der kaiserlichen Aufforderung steht.)

Es gibt zumindest ein Indiz (die mögliche Hinrichtung von 12 Räubern nach der Erstürmung von Elsterberg), dass hier wirklich Wegelagerei usw. betrieben wurde und Handlungsbedarf bestand. Andererseits passte das Geschehen sowohl den Wettinern als auch dem Kaiser wunderbar in den Kram.

Ich bedanke mich für die Antworten und die Literaturhinweise.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich denke auch, dass den Vögten klar gewesen sein dürfte, dass ein offensichtlicher Angriff auf die Wettiner keinesfalls gut enden kann.
Auf der anderen Seite ist es auch wieder vorstellbar, dass es ein Verzweiflungsakt nach dem Verlust der Reichsunmittelbarkeit darstellen konnte.
Aber - die Grafenfehde endete 1346 und die wettinische Klage war zu Beginn des Vogtländischen Krieges 1354(?).
Falls sich die Vögte für einen Verzweiflungsakt entschieden haben, wäre es dann nicht sinnvoller die Aktion zeitnäher zu starten, als 8 Jahre später?
Du meinst jetzt, warum sie sich nicht an der Grafenfehde auf Seiten der Adeligen gegen die Wettiner beteiligt haben?
Das ist schwer zu sagen. Vielleicht sahen sie zu dem Zeitpunkt auch ihre eigene Lage noch nicht als so gefährdet. War nicht auch ein Reuße damals einer der Berater des Landgrafen?:grübel: (Habe das Buch jetzt nicht zur Hand.)
Vielleicht war es dieser Heinrich II., der oben schon angeführt wurde. Vielleicht hielt der auch die anderen Reußen bis nach der Grafenfehde bei der Stange.
 
Du meinst jetzt, warum sie sich nicht an der Grafenfehde auf Seiten der Adeligen gegen die Wettiner beteiligt haben?

Nein, so habe ich das nicht gemeint. :D
Sondern: Durch die Grafenfehde, an der sie teilgenommen haben, haben die Vögte die Reichsunmittelbarkeit verloren - 1346.
Falls die Vögte darauf - als Verzweiflungstat - zu "Raubrittern" wurden und Händler und Reisende überfielen, ist mir nicht klar warum die wettinische Klage erst 1354 erhoben wurde.
Ich frage mich warum da ein Zeitraum von 8 Jahren steht, wenn man die Annahme trifft, dass die eventuellen Überfälle auf Händler und Reisende eine Vezweiflungstat auf 1346 war.
a) Unter einer Verzweiflungstat verstehe ich eine Handlung, die direkt der vorhergehenden folgt. Falls es so war, hätten sich doch, wie Dackelhasser vermutet, einige Überfälle angehäuft. Wieso rückt der Wettiner dann erst so spät mit der Klage heraus?
b) Falls die Vögte den ersten Überfall erst 1354 begangen haben sollten, dann kann das doch nicht mehr als Verzweiflungstat gesehen werden.

Weist Du jetzt, was ich mich frage? :)
 
Zurück
Oben