Mein Problem ist heraus zu finden worin genau die Kritik am Vietnamkrieg lag?
Mir ist bewusst, dass die Brutalität in dem Krieg sehr hoch war doch ich kann mir nicht vorstellen, dass das der einzige Grund ist?!
Thanepower hat dir die europäische Seite der Proteste bereits beleuchtet. In den USA kam noch hinzu, daß in diesem Krieg viele Wehrpflichtige eingesetzt wurden. Die Einberufung konnte jeden jungen Mann treffen und ein Ersatzdienst war meiner Erinnerung nach nicht vorgesehen. Das Verbrennen des Einberufungsbefehls war also bereits eine Straftat. Wer sich der Einberufung durch Flucht ins Ausland entzog (vor allem Kanada, Schweden; ich meine, in einigen Fällen auch Holland), galt als Deserteur.
Es gab natürlich Personen, die nicht eingezogen wurden, weil ihre Familien dies durch Einflußnahme verhinderten (siehe zb G.W. Bush).
Weitere Proteste in den USA und Europa löste zb die Strategie der US-Army aus, weite Gebiete in Vietnam zu entlauben. Hierfür wurde das Pestizid Agent Orange eingesetzt. Hiervon waren jedoch auch US-Soldaten betroffen. (Die dem Agent Orange ausgesetzten Soldaten mußten nach dem Krieg jahre/jahrzehntelang um die Anerkennung ihrer Erkrankungen sowie auch für Genschädigungen bei ihren Kindern die Anerkennung als Kriegsfolge zu erreichen.)
Die US-Army setzte ebenfalls Napalm ein (lies hierzu mal bei Wikipedia rein), wodurch es auch unter der südvietnamesischen Zivilbevölkerung viele Opfer gab (es gibt ein heute noch sehr bekanntes Foto eines Mädchens, dem durch Napalm die Kleider verbrannt sind und das nackt und weinend flüchtet).
Diese Einsätze, zusammen mit der weit verbreiteten Wertung des Vietnamkrieges sozusagen als Kolonialkrieg (bzw. um zu verhindern, daß auch Südvietnam sozialistisch wird), stieß damals weithin auf Kritik. Aber auch die in den USA geübte Praxis, verstärkt Angehörige ethnischer Minoritäten einzuziehen, war ein Kritikpunkt. Afroamerikaner und Indianer waren überproportional von der Einberufung betroffen (google mal rum, es gibt Statistiken dazu). Die Ausweitung der Kriegshandlungen auf benachbarte Länder ist ein weiterer Punkt.
Die Opposition gegen den Vietnamkrieg wurde aber auch von einer Anzahl ehemaliger Soldaten unterstützt, den 'Veterans against the War'.
Die Protestbewegung entstand natürlich auf bereits vorhandenen Grundlagen, sowohl in den USA wie in Europa. Pazifistische Strömungen hatte es bereits seit Jahrzehnten gegeben.
Ein weiterer Aspekt dieser Protestbewegung waren die Forderungen nach Bürgerrechten bzw Gleichberechtigung seitens der Afroamerikaner, die in den 1960er Jahren sehr stark wurde. Du scheinst dich mit dem Thema mehr auf den Krieg zu stützen, solltest diesen Bereich mE aber nicht völlig vernachlässigen, da es durchaus Berührungspunkte gibt. Sänger wie Pete Seeger oder Woodie Guthrie, die linke Einstellungen hatten, waren seit Jahren bzw Jahrzehnten aktiv, andere wie Joan Baez oder Country Joe kamen dazu. Auch StudentInnen engagierten sich für die Civil Rights, zb im SDS (Students for a Democratic Society). Sie fuhren zb in Regionen, in denen Afroamerikanern gesetzwidrig das Wählen unmöglich gemacht wurde (teils wurden in den Südstaaten zb unterschiedliche Tests für weiße und schwarze Bürger eingesetzt, die sich in die Wählerlisten eintragen wollten; teils wurden Afroamerikaner auch mit Gewalt davon abgehalten, sich zu registrieren. Da in den USA nur wahlberechtigt ist, wer in diese Listen aufgenommen wurde, konnte alle diejenigen nicht wählen, denen man die Registrierung nicht gestattete) und unterstützten wahwillige Afroamerikaner bei der Registrierung (hierbei gab es unter den Freiwilligen auch Todesopfer).
Die Protestbewegung zog hier auch durchaus Parallelen zwischen dem Krieg in Vietnam (gegen Nichtweiße) und der Behandlung ethnischer Minoritäten im eigenen Land.
In dieser Zeit trat auch bei diesen eine Radikalisierung auf. So kam es zb zur Gründung der Black Panther Party (ursprünglich als Selbstverteidigungsgruppe der schwarzen Ghettos gedacht sowie zur Nachbarschaftshilfe dort), der Young Lords (ähnliche Gruppe der Puertoricaner). Gleichzeitig gab es in California und im Südwesten eine starke Bewegung unter den Latinos (die den eigentlichen Schimpfnamen 'Chicano' als Eigenbezeichnung verwendeten), die um gewerkschaftliche Organisierung, bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne, gesellschaftliche Anerkennung kämpften. Wichtig wäre da der Name Cesar Chavez, der der bekannteste gewerkschaftsorientierte Protagonist der Chicanos war. Ebenfalls mit hinein hier gehört das AIM (American Indian Movement), jedoch auch zeitlich davor liegende Aktionen wie die Besetzung der ehemaligen Gefängnisinsel Alcatraz durch Indianer.
Auch im Zusammenhang mit den Civil Rights griff die Protestbewegung auf frühere Traditionen zurück und ließ zb alte Lieder der Arbeiterbewegung wieder aufleben (zB: I dreamt I saw Joe Hill today), erinnerte sich aber auch der Opfer unter den Arbeitern (Sacco und Vanzetti - siehe zb Joan Baez: Here's to you, Niccola and Bart - zwei anarchistischen Arbeitern, Emigranten aus Italien, die 1927 für einen Banküberfall hingerichtet wurden, den sie nicht begangen hatten).