Leningrader Belagerung 1941/44

Auf der Rückseite des Schildes stand:

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, bezog sich dieses Schild auf die Kirischi-Brücke (kann mich aber irren). Heereskarte kann ich bei Interesse einstellen.

Kirischi-Brücke, Sektpropfen, Pogortje-Kessel, Erikaschneise, Mercedesstern, Wenglernase, Sinjawino-Höhen, Spasskaja-Polist, Oranienbaumer Kessel, Siedlung 5 sind Ortsbezeichnungen, die für Brennpunkte der Heeresgruppe Nord 1942/44 standen.
 
Da habe ich noch ein Liedchen ergoogelt, das speziell auf die Kämpfe abhebt:
Ich finde es prima, dass in einem Thread über die Leningrader Belagerung auch der Humor der Landser seinen Platz bekommt!:winke:
Hier noch ein Beitrag (nur ein Wort geändert):
... und bald darauf in Uniform auf Sonderurlaub kam,
das Panzerkäppi schiefgesetzt, das Ekazwo abnahm,
es zeigte und erzählte, wie er kurz vor Leningrad
12 Stalinorgeln, 50 Iwans plattgefahren hat,
Kumpanen, da, gesteht euch ein,
da wolltet ihr genau wie Horsti Schmandhoff sein.
Auch gut, oder?
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Humor der deutschen Landser ist sicherlich ein Aspekt dieser Belagerung, aber ich frage mich, ob dieselben Landser auch so humorvoll gewesen wären, hätten sie gewußt, welche Dramen sich in der eingeschlossenen Stadt abgespielt hätten.

Eine der Eingeschlossenen war die Schülerin Tatjana Nikolajewna Sawitschewa ? Wikipedia, die in ihren knappen Tagebucheinträgen lakonisch einträgt, wann ihre Familienangehörigen, Geschwister, Mutter, Großeltern u. a., sterben. Sie selbst wurde evakuiert und starb 1944 in einem Waisenhaus.

  • Schenja starb am 28. Dezember um 12.00 vormittags 1941 (28 декабря 1941 года. Женя умерла в 12 часов утра. )
  • Großmutter starb am 25. Januar, 3 Uhr nachmittags 1942 (Бабушка умерла 25 января 1942-го, в 3 часа дня.)
  • Ljoka starb am 17. März um 5 Uhr vormittags 1942 (Лёка умер 17 марта в 5 часов утра. )
  • Onkel Wasja starb am 13. April um 2 Uhr nach Mitternacht 1942 (Дядя Вася умер 13 апреля в 2 часа ночи. )
  • Onkel Ljoscha am 10. Mai um 4 Uhr nachmittags 1942 (Дядя Лёша 10 мая в 4 часа дня. )
  • Mutter am 13. Mai um 7.30 vormittags 1942 (Мама — 13 мая в 730 утра. )
  • Die Sawitschews sind gestorben. (Савичевы умерли. )
  • Alle sind gestorben. (Умерли все. )
  • Nur Tanja ist geblieben. (Осталась одна Таня. )
 
@ Carolus: Du hast sicherlich einerseits recht. Andererseits sollte man nicht vergessen, dass Humor in diesem Fall auch Galgenhumor war und den "Landsern" half, mit der täglichen Todesgefahr zu leben.

Er zeigt, dass viele Soldaten mental auch nicht auf die Bedingungen des Krieges in Russland vorbereitet waren. Und Humor war eine Art, sich überlebensfähig zu machen.
 
Der Humor der deutschen Landser ist sicherlich ein Aspekt dieser Belagerung, aber ich frage mich, ob dieselben Landser auch so humorvoll gewesen wären, ...

Da hast Du völlig recht, und das sollte nicht auf die Schiene geraten. Bei dem Schild vor der Kirischi-Brücke handelte es sich um Galgenhumor betr. die eigene Seite: es geht um das Verheizen im Kirischi-Brückenkopf.

Aus Sicht der einfachen Soldaten, die auf beiden Seiten in die Sümpfe und Gräben zwischen Wolchow, Tigoda, Newa, vom Ilmen- bis zum Ladogasee geschickt wurden, spielte sich der Stellungskrieg 1941/44 - ein "Verdun" in den Sümpfen -, ebenfalls als eine Tragödie ab. Weit über 1 Mio. Soldaten dürften hier gestorben sein.
 
Ich finde es prima, dass in einem Thread über die Leningrader Belagerung auch der Humor der Landser seinen Platz bekommt!in.
Auch gut, oder?

Es ging mir eigentlich weniger um den Humor, mehr um die Heftigkeit der Kämpfe in einer gottverlassenen Gegend, deren Sinnlosigkeit in dem Liedchen und dem Schild zum Ausdruck kommt.
Damit korrespondiert jener genannte Aufsatz des ehemaligen Rotarmisten doch sehr.
Die Akten, Fakten, was sonst so zu an Dokumenten und Aufzeichnungen zu kriegen ist, bleibt dagegen doch seltsam "steril".
Oder sehe nur ich das so?

Nachdem die biologische Falle auch hier am Zuschnappen ist, verlangen nmM solche Zeitzeugen-Aussagen erhöhte Aufmerksamkeit. In wenigen Jahren werden sie nicht mehr zu bekommen sein.

Leider konnte ich den Aufsatz gestern nicht finden, die Hefte der Kriegsgräberfürsorge sind dünn, und die Ordnungslage meiner Unterlagen ebenfalls:rotwerd:
 
Zuletzt bearbeitet:
Aus Sicht der einfachen Soldaten, die auf beiden Seiten in die Sümpfe und Gräben zwischen Wolchow, Tigoda, Newa, vom Ilmen- bis zum Ladogasee geschickt wurden, spielte sich der Stellungskrieg 1941/44 - ein "Verdun" in den Sümpfen -, ebenfalls als eine Tragödie ab. Weit über 1 Mio. Soldaten dürften hier gestorben sein.

Jener Rotarmist (der gut über die deutschsprachige Literatur informiert schien) schrieb davon, dass diese Schätzungen seiner Ansicht nach zu niedrig wären, sie würden zu wenig berücksichtigen, dass die sowjetische Führung Leningrad ähnlich wie Stalingrad als Prestigeobjekt sah, und die Angriffe überaus rücksichtslos (gegen die eigenen Truppen) geführt worden wären. Riesige Verluste an Menschenleben völlig unnötig entstanden wären.

Da hast Du völlig recht, und das sollte nicht auf die Schiene geraten. Bei dem Schild vor der Kirischi-Brücke handelte es sich um Galgenhumor betr. die eigene Seite: es geht um das Verheizen im Kirischi-Brückenkopf.

Vielleicht habe ich mich da aus persönlichen Gründen etwas in die "falsche Richtung" gewagt.
Sorry, sollte es so sein.
 
@ Carolus: Du hast sicherlich einerseits recht. Andererseits sollte man nicht vergessen, dass Humor in diesem Fall auch Galgenhumor war und den "Landsern" half, mit der täglichen Todesgefahr zu leben.

Er zeigt, dass viele Soldaten mental auch nicht auf die Bedingungen des Krieges in Russland vorbereitet waren. Und Humor war eine Art, sich überlebensfähig zu machen.


Gut auf dem Punkt gebracht. Nur frage ich mich, ob dieser Galgenhumor der Landser vor dem Hintergrund dieser ungeheuren Tragödie, der vielen Toten, Platz in solch einer Diskussion hat?
 
Gut auf dem Punkt gebracht. Nur frage ich mich, ob dieser Galgenhumor der Landser vor dem Hintergrund dieser ungeheuren Tragödie, der vielen Toten, Platz in solch einer Diskussion hat?

Disclaimer:
Mein Vater hat sich am Wolchow die Malaria geholt, an der er 1972 verstorben ist.
Seine Kriegserzählungen waren in aller Regel, selbst noch aus Kurland und den letzten Kriegstagen, das übliche, vielleicht noch etwas positiver als üblich. Zumindest in meinem Empfinden.
Ganz anderes dagegen die vom Wolchow.
Er waren offensichtlich für ihn die schrecklichsten Erlebnisse.

Deshalb wollte ich dies etwas aus der "Sterilität" der Dokumente hervorholen.
 
Als ich die Verse las
Wo die Überläufer kamen an der Zahl
weil dem Iwan blieb vor Hunger nur die Wahl,
zu verrecken oder räumen uns das Feld,
da ist unsere Heimat ist der Arsch der Welt.
war ich ein wenig verwirrt, und dass silesia anbot, den Standort des Schildes auf einer Heereskarte zu zeigen, hat daran nichts geändert. Ich habe mich dann dafür entscheiden, die "Humor"-Schraube noch etwas weiter zu drehen mit dem Auszug aus einem Lied von Franz-Joserf Degenhardt. (Dafür habe ich je einen roten und grünen Stern kassiert.)

Vielleicht habe ich mich da aus persönlichen Gründen etwas in die "falsche Richtung" gewagt. Sorry, sollte es so sein.
"Sorry" auch von mir aus.

Zur Frage, was unter "Humor" verstanden werden darf, hat Beetle unter http://www.geschichtsforum.de/f55/galgenhumor-38427 einen Thread eröffnet. Darauf gehe ich hier nicht mehr ein.

Aber die anschließende Diskussion hat ja auch sachlich-wertende Aspekte angesprochen. Ich nenne nur zwei:

  • den Hinweis, dass die Landser ja nicht gewußt haben, "welche Dramen sich in der eingeschlossenen Stadt abspielten" (#63)
  • den Vergleich von Leningrad mit Verdun und die Charakterisierung der 3-jährigen Belagerung als "Tragödie ... für die einfachen Soldaten auf beiden Seiten" (#65)
Zu 1. Man darf das Argument "Davon haben wir nichts gewußt" nicht von vornherein verwerfen. Zu diskutieren wäre, ob es zutrifft. Und wenn sie es doch gewußt hätten - hätte das an ihrer Handlungsweise und an ihrer Art von "Humor" etwas geändert?

Zu 2. In vielen Threads dieses Forum - auch ganz allgemein in der Literatur - wird der Rußlandfeldzug als "Vernichtungskrieg" bezeichnet. Ich bitte um Verzeihung, wenn es spitzfindig klingt, aber: Wo, z.B. auf welcher Befehlsebene, hört der Vernichtungskrieg auf und wo beginnt die Tragödie? (Oder läuft beides stets nebeneinander her?)
Nehmen wir nochmal den reich belohnten GFM Ritter von Leeb: Ist er Protagonist in einer Tragödie? Unterscheidet er sich insoweit nicht von Repos Vater?

Auch der Hinweis auf die beiden Gegner, die sich nach dem Krieg in Leningrad trafen, beschäftigt mich. Waren beide gleichermaßen Opfer einer "Tragödie" und konnten sie auch deshalb "dicke Freunde" werden?
 
Zuletzt bearbeitet:
...
Auch der Hinweis auf die beiden Gegner, die sich nach dem Krieg in Leningrad trafen, beschäftigt mich. Waren beide gleichermaßen Opfer einer "Tragödie" und konnten sie auch deshalb "dicke Freunde" werden?

Moin

Zu dem konkreten Beispiel kann ich nur sagen, dass sich mein Vater ganz eindeutig auf der Seite der Täter sah! Vielleicht machte gerade dies dem russischen Gegenüber leichter, ihn auch als Opfer wahrzunehmen?!

Gruß
Andreas
 
Zu 2. In vielen Threads dieses Forum - auch ganz allgemein in der Literatur - wird der Rußlandfeldzug als "Vernichtungskrieg" bezeichnet. Ich bitte um Verzeihung, wenn es spitzfindig klingt, aber: Wo, z.B. auf welcher Befehlsebene, hört der Vernichtungskrieg auf und wo beginnt die Tragödie? (Oder läuft beides stets nebeneinander her?)

Jeder Krieg ist zunächst einmal ein Vernichtungskrieg, bezogen auf die gegnerischen Streitkräfte. Das trifft auch für den Westfeldzug 1940 zu. Das ist natürlich nicht die von Dir angesprochene Diskussion bzw. Begrifflichkeit der Forschung zum Ostkrieg.

Die in der Literatur diskutierte "Grenzüberschreitung" betrifft das NS-Vernichtungsziel in Bezug auf die Zivilbevölkerung ("30 Mio. auslöschen")im Rahmen von Besatzungsherrschaft und Kriegführung sowie die Außerkraftsetzung von Regeln für gefangene Kombattanten etc.

Der Vergleich mit Verdun war übrigen auf das Kampfgeschehen "Wolchow, Tigoda, Newa, vom Ilmen- bis zum Ladogasee" - für die Front der Heeresgruppe Nord - bezogen.

Täter im Vernichtungskrieg gibt es nicht nur auf der Planungs- oder Weisungsebene. Es gibt sich auch "vor Ort", so auch im "Rückraum" der Heeresgruppe Nord (der in dem Sammelband zur "Grenzüberschreitung" angesprochen wird), als Kriegsverbrechen.
 
[*]den Vergleich von Leningrad mit Verdun und die Charakterisierung der 3-jährigen Belagerung als "Tragödie ... für die einfachen Soldaten auf beiden Seiten" (#65)

Ich greife das nochmal auf, weil es zum Buch von Ganzenmüller und die Frage der Erinnerungskultur in Deutschland paßt. Hier liegt durchaus ein Problem begraben, was G. damit umschreibt, dass die Nachkriegs-Wahrnehmung in (West-)Deutschland fast durchgehend (nur) durch das Leid der Soldaten geprägt wurde.

Hierzu muß man vorausschicken, dass für die HGr. Nord "überproportional" viele Truppengeschichten und Traditionsverbände erhalten geblieben sind, da diese Heeresgruppe anders als "Mitte" und "Süd" nicht von zahlreichen totalen Zerschlagungen (etwa durch Kesselschlachten) betroffen war. Ganzenmüller weist auch auf die "Landser-Literatur" zu Leningrad/Wolchow hin, die zahlreiche Publikationen mit bekanntermaßen einseitigen Darstellungen hervorgebracht hat.

Ein anderes Phänomen ist Diskussion, die Mansteins Memoiren angestoßen haben: der Stoß auf Leningrad wird als einer der "Verlorenen Siege" bezeichnet. Walter Chales de Beaulieu (im Krieg Ia bei Hoepner) hat dem mehrere Bände zu Leningrad, Vorstoß der Panzergruppe 4 und Hoepner beigefügt. Auch in der revisionstischen Literatur wurden Verschwörungstheorien gegen Hitlers angeblich siegbringende Pläne (Schuld war natürlich das OKH) vorgetragen, die auf eine Wegnahme Leningrads zielten: das ist die "Moskau-Diskussion" um den Schwerpunkt der Operationsplanung.

Ganzenmüller wendet sich gegen diesen Fokus der Erinnerungskultur, und stellt ihm auch das gegenteilige, glorifizierende, fehlervertuschende Extrem der sowjetischen Geschichtsschreibung gegenüber. Somit sind die "deutschen Verluste" durchaus ein heißes Eisen der Debatte. Es geht also nicht um eine Betonung deutscher Verluste, sondern um die Korrektur des früheren Bildes. Das kann allerdings mE nicht dazu führen (und wird auch so von Ganzenmüller keineswegs zugespitzt), diesen Aspekt ganz auszublenden. Es geht vielmehr um das Ereignis der Belagerung in allen Aspekten.

Für die Heeresgruppe Nord vom Wolchow bis Leningrad gibt Haupt übrigens die Ausfälle 1942/43 mit knapp über 600.000 an, hinzu kommen weitere 4 Monate der Belagerung, insgesamt somit rund 750.000 bis Januar 1944. Die deutschen Todeszahlen dürften daher bei rund 200.000 liegen. Die sowjetischen militärischen Verluste sind Krivosheev zu entnehmen, das trage ich noch nach. Die zivilen sowjetischen Verluste dürften damit auch die militärischen der Kampfhandlungen überstiegen haben.
 
Ich greife das nochmal auf, weil es zum Buch von Ganzenmüller und die Frage der Erinnerungskultur in Deutschland paßt. Hier liegt durchaus ein Problem begraben, was G. damit umschreibt, dass die Nachkriegs-Wahrnehmung in (West-)Deutschland fast durchgehend (nur) durch das Leid der Soldaten geprägt wurde.
Ja, das Stichwort "Erinnerungskultur" ist goldrichtig! :winke:
Was ist der Fall? Die Wehrmacht greift auf Hitlers Befehl die Sowjetunion an, führt einen Vernichtungskrieg jenseits aller militärischen Konventionen, der 10 oder 15 Millionen Tote kostet, und wird schließlich besiegt. Inwieweit kann diese Ereigniskette in Bezug auf die Angreifer, d.h. die betroffenen deutschen Soldaten, als "Tragödie" bezeichnet werden?

Dass ich Unbehagen wegen dieser Begriffsverwendung verspüre, hat etwas mit der von Dir erwähnten Literatur à la Manstein zu tun, der den Begriff selbst des öfteren benutzt hat, z.B. in Bezug auf die 6. Armee von der "größten soldatischen Tragödie" spricht [1], und dem andere in diesem Wortgebrauch gefolgt sind [2]. Es würde mich interessieren, ob das auch Ganzenmüller tut, und wenn ja, in welchem Zusammenhang.

Möglich, dass das Problem im Begriff selbst liegt. Alfred Weber schreibt [3]: "Man hat sich daran gewöhnt, das Wort tragisch wie eine Etikette an beinah jede anscheinend unheilbar dunkle Stelle des menschlichen Einzel- oder Gesamtschicksals zu heften. Es ist eine stark entwertete Scheidemünze geworden, auswechselbar etwa mit unentwirrbar traurig, unheilvoll oder bis zum Verzicht und Untergang schmerzlich."


[1] Verlorene Siege, S. 396
[2] Beispiele: Franz Kurowski (ebenfalls über Stalingrad), David Irving und Theo Osterkamp (über die Luftwaffe) usw.
[3] Das Tragische und die Geschichte. München 1959, S. 45
 
Ja, das Stichwort "Erinnerungskultur" ist goldrichtig! :winke:
Was ist der Fall? Die Wehrmacht greift auf Hitlers Befehl die Sowjetunion an, führt einen Vernichtungskrieg jenseits aller militärischen Konventionen, der 10 oder 15 Millionen Tote kostet, und wird schließlich besiegt. Inwieweit kann diese Ereigniskette in Bezug auf die Angreifer, d.h. die betroffenen deutschen Soldaten, als "Tragödie" bezeichnet werden?

Ich greife das nochmal auf, weil es zum Buch von Ganzenmüller und die Frage der Erinnerungskultur in Deutschland paßt. Hier liegt durchaus ein Problem begraben, was G. damit umschreibt, dass die Nachkriegs-Wahrnehmung in (West-)Deutschland fast durchgehend (nur) durch das Leid der Soldaten geprägt wurde.


Die Grundsatzdiskussion die Ihr hier einfließen lasst, müsst Ihr aber viel Grundsätzlicher beginnen, sonst lauft Ihr ebenfalls in die Irre.;)

Außer dem Einmarsch in Österreich ist das "Unternehmen Barbarossa" das einzige kriegerische Unternehmen bei dem die Wehrmachtsführung bei ihrem Führer war.
Es gab nichts, keinen Hauch von Opposition oder Widerstand. Auch nicht den Versuch dem Hitler seinen Plan auszureden.

Von den Erfahrungen von 14-17 her, glaubte man es mit einem Gegner zu tun zu haben, den man leicht besiegen konnte.


Auf der anderen Seite, die niedrigeren Dienstgrade, die sind ungefragt verreckt. Dass die Überlebenden sich ihre Erinnerungsliteratur dann aus ihrer Sicht, schufen - wer will darüber einen Stab brechen? Dass es keine objektive Geschichtsschreibung ist, unbestritten. Aber ich glaube dieser Anspruch wird auch nicht erhoben.


Weiter:
Ich habe gestern bei silesia von den 30 Millionen gelesen, die im eroberten Ostraum "zuviel" waren. (Göring nannte es in Nürnberg Unsinn aus Referentenbesprechungen)
Was heißt das? 30 Millionen? Das ist zuerst mal lediglich ein Zahlwort.
Und Ihr behandelt das auch so. Steril.
Vielleicht ist das für den Historiker unumgänglich.

Ich aber, ich muss mich dem anders nähern, so bekomme ich kein Gefühl für die Zahl, für das Ungeheuerliche.
Hier fehlt mir noch der Zugang, suche ich ihn noch. (Ich denke aber, ich finde ihn auch noch)

Vielleicht versteht man mich eher, wenn ich mit einem Beispiel komme, wo ich den Zugang inzwischen gefunden habe.
Im Holocaust kamen zwischen 3,5 und 6,5 Millionen Menschen um, das sind zunächst auch nur Worte, noch unschärfer durch knapp 100% Differenz.
Kann ich nichts mit anfangen.
Wenn ich mir aber verdeutlichen kann, dass gegenüber meinem Geburtshaus, im Haus des Lindenwirts, ein Ehepaar Habakuk wohnte, die mit Aussteuerwaren handelten, denen es unter Opfern noch gelang die beiden Söhne nach England zu schaffen, beide im August 41 umgebracht bei Riga.
Dann plötzlich habe ich das erste Fetzelchen des Zugangs.
Ist die Sterilität verflogen.
 
Der Fall "Leningrad" ist allerdings eben speziell, und zwar nicht wegen der Zeitdauer oder Art und Weise der Belagerung oder wegen der dort eingesetzten Waffen, sondern wegen der gegebenen totalen Vernichtungsbefehle vor der eigentlichen Belagerung. Diese Kriegsführung knüpft nicht ansatzweise mehr bei militärischen Zielen an.
Da hast Du völlig recht.
Allerdings waren diese Befehle im Konjunktiv - für den Fall einer Kapitulation.
Zu der ist es aber nie gekommen, die Stadt wurde militärisch gehalten.

Man kann wohl davon ausgehen, daß beim Angebot einer Kapitulation Hitlers Befehle befolgt worden wären, d.h. die lokale deutsche Militärführung hätte dieses massive Kriegsverbrechen durchgeführt.

Aber dazu kam es nicht, die militärischen wie zivilen Opfer waren Folge von "normaler" Kriegsführung.
 
Die Grundsatzdiskussion die Ihr hier einfließen lasst, müsst Ihr aber viel Grundsätzlicher beginnen, sonst lauft Ihr ebenfalls in die Irre. [...] Ich aber, ich muss mich dem anders nähern [...]
Ich bin nicht sicher, ob wir von der gleichen Grundsatzdiskussion sprechen. Unbeschadet dessen - und auch ungeachtet naturgemäß unterschiedlicher Zugangsweisen zu Themen - unterstütze ich gern Deine Anregung, stets an die Menschen "hinter den Zahlen" zu denken, und werde diesen Aspekt fortan noch aufmerksamer verfolgen.

Ich habe gestern bei silesia von den 30 Millionen gelesen, die im eroberten Ostraum "zuviel" waren. (Göring nannte es in Nürnberg Unsinn aus Referentenbesprechungen)
Was heißt das? 30 Millionen? Das ist zuerst mal lediglich ein Zahlwort. Und Ihr behandelt das auch so. Steril.

Ich habe mich zum "Generalplan" und seinen geplanten Folgen gar nicht geäußert. Das Thema ist in diesem Forum dankenswerterweise schon oft angesprochen wurde, z.B. von Dir
2.) Wie definierst Du eigentlich "Lebensraum"? Damit ist doch nichts anderes gemeint als Ressourcen: die gewaltigen Industriegebiete, Öl aus Baku, Weizen aus der Ukraine, Rohstoffe, rohstoffe und nochmals Rohstoffe, riesige (Zangs-)Arbeiterheere. Eben alles was Deutschland so arg mangelte. Mindestens wenn man einen Weltkrieg führen wollte. Die "Wehrhöfe" sind doch nur "romantisierende Propaganda". Stichwort Generalplan Ost.
und sehr viel ausführlicher z.B. von Ursi [1] und Brushian [2]

Dass die Überlebenden sich ihre Erinnerungsliteratur dann aus ihrer Sicht, schufen - wer will darüber einen Stab brechen? Dass es keine objektive Geschichtsschreibung ist, unbestritten. Aber ich glaube dieser Anspruch wird auch nicht erhoben.
Von welchen Überlebenden ist hier die Rede? Silesia und ich haben u.a. Manstein genannt - der sehr wohl den Anspruch erhebt, "objektiv" zu sein, und dem das sehr viele Leser auch geglaubt haben.


[1] http://www.geschichtsforum.de/f68/berfall-auf-nl-polen-wo-sind-die-unterschiede-7332/#post229291
[2] http://www.geschichtsforum.de/f66/verfolgte-minderheiten-im-ns-system-18501/index2.html#post284716
 
Ich bin nicht sicher, ob wir von der gleichen Grundsatzdiskussion sprechen. Unbeschadet dessen - und auch ungeachtet naturgemäß unterschiedlicher Zugangsweisen zu Themen - unterstütze ich gern Deine Anregung, stets an die Menschen "hinter den Zahlen" zu denken, und werde diesen Aspekt fortan noch aufmerksamer verfolgen.


Hast Du als Kritik genommen. War aber so gar nicht gemeint.
Lediglich als Hinweis auf Möglichkeiten und Perspektiven.

Ich habe mich zum "Generalplan" und seinen geplanten Folgen gar nicht geäußert. Das Thema ist in diesem Forum dankenswerterweise schon oft angesprochen wurde, z.B. von Dir

und sehr viel ausführlicher z.B. von Ursi [1] und Brushian [2]
darum ging es mir nun gar nicht. Ich bewege mich hier in deutlich "tieferen" Regionen.

Von welchen Überlebenden ist hier die Rede? Silesia und ich haben u.a. Manstein genannt - der sehr wohl den Anspruch erhebt, "objektiv" zu sein, und dem das sehr viele Leser auch geglaubt haben.
Von den "Fusslatschern" "Befehlsempfängern" denen die ohne im geringsten "Herr ihres Schicksals" zu sein die Sache ausgelöffelt haben.

Vergiss die Generals-Memoiren, wobei unter denen Manstein allerdings die Spitzenstellung einnimmt. :red:Schon der Titel.....
Und wer hat ihm die geglaubt? Der Carell?:D


Die oben genannten Perspektiven, damit meine ich eben nicht die Sichtweise der Generale
 
Zuletzt bearbeitet:
Dass ich Unbehagen wegen dieser Begriffsverwendung verspüre, hat etwas mit der von Dir erwähnten Literatur à la Manstein zu tun, der den Begriff selbst des öfteren benutzt hat, z.B. in Bezug auf die 6. Armee von der "größten soldatischen Tragödie" spricht [1], und dem andere in diesem Wortgebrauch gefolgt sind [2]. Es würde mich interessieren, ob das auch Ganzenmüller tut, und wenn ja, in welchem Zusammenhang.

Möglich, dass das Problem im Begriff selbst liegt. Alfred Weber schreibt [3]:

Die von Dir angesprochene Begriffsverwendung [bis hin zum "frühen" Irving, aber man könnte auch Masson oder vorher sogar Basil Liddell Hart bzgl. des Bildes der Wehrmacht nennen] ist ein Spiegelbild der Erinnerungskultur, so wie sie Ganzenmüller für die Nachkriegsjahre feststellt und gerade am Beispiel Leningrad im einseitigen Fokus rügt.

Ich würde G. nun nicht so verstehen, dass er den Aspekt des "Fußlatschers" (siehe Repos Hinweise auf die Soldaten im Graben und Rückraum) oder der Generalität ausblenden will. Er stellt die militärischen Ereignisse aber verstärkt in den Kontext der verbrecherischen Planungen, den Ansätzen ihrer Umsetzung ...

(-> siehe R.A.'s Beitrag, Ganzenmüller untersucht hier den Umgang der Führung mit dem Vernichtungsbefehl sozusagen an praktischen Auswirkungen: da wird überlegt, wie man der Truppe "das Schießen auf massenhaft anströmende Flüchtlinge 'ersparen' könne und gibt Anweisungen für das Schießen der Artillerie und fordert Minenfelder - wichtig auch die Hinweise auf dem Umgang mit Zivilbevölkerung im Kampfgebiet und die Ereignisse im Rückraum der HGr. Nord)

... und eben der Folgen für die Bevölkerung der Stadt. Dabei wird auch die Rolle des sowjetischen Oberkommandos untersucht. Das ist eine umfassende Betrachtung, und insofern ein wichtiger Unterschied.

Im Übrigen ist eine weitere Differenzierung angebracht, wenn von der HGr. Nord die Rede ist. 2/3 hatten mit dem eigentlichen nahen Belagerungsring und unmittelbar nichts zu tun, zB die Wolchow-Front im Südosten oder der schon zitierte Wolchow- bzw. Pogostje-Kessel mit General Wlassow darin. Indirekt diente dies natürlich der Abschirmung des Belagerungsringes, aber wo soll da die Grenze gezogen werden: in diesem mittelbaren/ausgeweiteten Sinne wäre auch die HGr Mitte einzubeziehen, die wesentliche Kräfte der Roten Armee auf sich zog. Wo soll die geographische Grenze gezogen werden, bei 100km oder 300km? Hier würde die Diskussion absurd.

Ganzenmüller gibt auch Details zu den zivilen Opfern: über 500.000 im ersten Winter Okt41/April42. Die Wehrmacht beschäftigte sich 1942 mit dem "unerwarteten" Ergebnis, dass die Stadt nicht im Winter durch Aushungerung gefallen war. Das war der Auslöser für die geplante Operation Nordlicht, für die Manstein mit Teilen seiner 11. Armee nach Leningrad verlegt wurde. Das Festlaufen der Operationen im Kaukasus und vor Stalingrad kam dazwischen. Die Vernichtungsbefehle - insbesondere für die Zivilbevölkerung - waren dieselben wie in 1941. Die Wehrmacht funktionierte indessen, allerdings mangels Potenzial nicht so, wie gewünscht. An der Zielsetzung, dass die Stadt "restlos zerstört werden müsse" (mehrfach von Hitler, und OKW), man zu "antiken Prinzipien" übergehen und zwecks "vollständiger Vernichtung" dabei "mit der blöden Masse an Material" arbeiten solle, änderte sich nichts.


noch ein anderer Aspekt:
Den randweisen militärischen Lagebetrachtungen von Ganzenmüller, etwa zur Situation der Roten Armee, oder etwa der Aussage, die Befreiung hätte ein Jahr früher erfolgen können und sei auf Stalins Interventionen und andere Prioritäten zurückzuführen, würde ich sehr skeptisch gegenüberstehen. Der Arbeit mangelt es dazu an der notwendig tieferen Betrachtung der militärischen Ereignisse und die Verflechtungen zu den weiteren Kriegsereignissen. Es wäre aber interessant, die Schwerpunktbildung Stalins zu hinterfragen und aufzuzeigen (so zB Frühjahr 1942 mit den Schwerpunkten Charkow, Demjansk und Leningrad, sowie den Reservenbildungen, aber das übergeht Ganzenmüller bei seinen Hypothesen leider komplett).

P.S. da hier noch nicht zitiert: Glantz, The battle for Leningrad 1941-1944
 
Zuletzt bearbeitet:
(-> siehe R.A.'s Beitrag, Ganzenmüller untersucht hier den Umgang der Führung mit dem Vernichtungsbefehl sozusagen an praktischen Auswirkungen: da wird überlegt, wie man der Truppe "das Schießen auf massenhaft anströmende Flüchtlinge 'ersparen' könne und gibt Anweisungen für das Schießen der Artillerie und fordert Minenfelder - wichtig auch die Hinweise auf dem Umgang mit Zivilbevölkerung im Kampfgebiet und die Ereignisse im Rückraum der HGr. Nord)





Ganzenmüller gibt auch Details zu den zivilen Opfern: über 500.000 im ersten Winter Okt41/April42. Die Wehrmacht beschäftigte sich 1942 mit dem "unerwarteten" Ergebnis, dass die Stadt nicht im Winter durch Aushungerung gefallen war. Das war der Auslöser für die geplante Operation Nordlicht, für die Manstein mit Teilen seiner 11. Armee nach Leningrad verlegt wurde. Das Festlaufen der Operationen im Kaukasus und vor Stalingrad kam dazwischen. Die Vernichtungsbefehle - insbesondere für die Zivilbevölkerung - waren dieselben wie in 1941. Die Wehrmacht funktionierte indessen, allerdings mangels Potenzial nicht so, wie gewünscht. An der Zielsetzung, dass die Stadt "restlos zerstört werden müsse" (mehrfach von Hitler, und OKW), man zu "antiken Prinzipien" übergehen und zwecks "vollständiger Vernichtung" dabei "mit der blöden Masse an Material" arbeiten solle.


Eine Diskussion zur Belagerung von Leningrad ist vor etlichen Jahren im NFH gelaufen (ist ja leider nicht mehr im Netz vorhanden)
die Überlegungen sind mir damals schon seltsam unwirklich vorgekommen.... Schneisen freilassen, für die ins Hinterland flüchtende Zivilbevölkerung.... wohin denn bitte hätte die Zivilbevölkerung flüchten sollen? Das ist sogar an Hand des berühmten Autoatlanten festzustellen, dass es da einfach nichts gibt.
Es ist für mich keine Frage, dass man 1941 versucht hätte diese Befehle umzusetzen, für 1942 habe ich meine Zweifel.
Inzwischen hat man händeringend Arbeitskräfte gesucht, die man im Jahr zuvor kaltlächelnd verhungern ließ. Die Situation war inzwischen eine ganz andere. Aber OK ist natürlich "was wäre wenn"


Im Übrigen ist eine weitere Differenzierung angebracht, wenn von der HGr. Nord die Rede ist. 2/3 hatten mit dem eigentlichen nahen Belagerungsring und unmittelbar nichts zu tun, zB die Wolchow-Front im Südosten oder der schon zitierte Wolchow- bzw. Pogostje-Kessel mit General Wlassow darin. Indirekt diente dies natürlich der Abschirmung des Belagerungsringes, aber wo soll da die Grenze gezogen werden: in diesem mittelbaren/ausgeweiteten Sinne wäre auch die HGr Mitte einzubeziehen, die wesentliche Kräfte der Roten Armee auf sich zog. Wo soll die geographische Grenze gezogen werden, bei 100km oder 300km? Hier würde die Diskussion absurd.

Da widerspreche ich aber entschieden. so wenig wie man Hoepners Entsatzversuch von Stalingrad trennen kann, so wenig kann man Wlassows Versuch von Leningrad trennen.
Zieh die Grenze wo Du willst, aber das gehört klar dazu,
 
Zurück
Oben