Reichskloster

stst

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Hallo,

Ich habe eine Frage zum Begriff "Reichskloster". Stimmt es, dass ein Kloster, das das Immunitäts- und Schutzprivileg erhielt, zum Reichskloster wurde und damit direkt dem Kaiser unterstellt war?


Vielen Dank schon im Voraus.
 
ich glaube nicht, dass das so pauschal stimmt.

Auch Klöster die definitiv NICHT dem Kaiser unterstanden, sondern dem hl. Stuhl, erwirkten sich Schutzbriefe weltlicher Herrscher.

Wie hätten sich Mönche denn alleine gegen mögliche Aggressoren wehren können, wenn ihnen nicht weltliche Schutzmächte zur Seite gestanden wären?
 
Hallo,

Ich habe eine Frage zum Begriff "Reichskloster". Stimmt es, dass ein Kloster, das das Immunitäts- und Schutzprivileg erhielt, zum Reichskloster wurde und damit direkt dem Kaiser unterstellt war?


Vielen Dank schon im Voraus.

Wesentliche Merkmale der Reichsklöster wurden seit den Ottonen die grafengleiche Gewalt des Hochvogts im Immunitätsbereich und eine den Bistümern analoge Ausstattung mit Hoheitsrechten, wodurch die Reichsklöster in die Lage versetzt wurden, dem König materiell und moralisch vielfältig zu dienen.

Allerdings entstanden durch die vom Episkopat und Adel geförderten Reformtendenzen nach 1050 Rechtsformen, die ohne Übergabe an den König auskamen und somit nicht mehr zu neuen Reichsklöstern führten. Da sich die immunitäts- und vogtfreien Zisterzienserklöster mit einem allgemeinen Königsschutz begnügten und rechtlich dem Papst unterstanden, konnten sie - und später andere Klöster - keine Reichsklöster mehr sein, deren Merkmal ja gerade der Königsdienst war. Somit blieb der Kreis der Reichsklöster dauerhaft auf die alten benediktinischen Abteien beschränkt, deren Bestand sich im 11./12. Jh. durch Vergabungen an Bischöfe stark reduzierte.

Wenn ein Kloster wie die Fürstpropstei Ellwangen neben der Eigenschaft als Reichskloster sogar fürstlichen Rang erwarb, so ist das nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Ellwangen war ursprünglich Reichsabtei der Benediktiner und wurde 1459 in ein Chorherrenstift unter Beibehaltung seines alten Ranges umgewandelt.
 
Allerdings entstanden durch die vom Episkopat und Adel geförderten Reformtendenzen nach 1050 Rechtsformen, die ohne Übergabe an den König auskamen und somit nicht mehr zu neuen Reichsklöstern führten. Da sich die immunitäts- und vogtfreien Zisterzienserklöster mit einem allgemeinen Königsschutz begnügten und rechtlich dem Papst unterstanden, konnten sie - und später andere Klöster - keine Reichsklöster mehr sein, deren Merkmal ja gerade der Königsdienst war. Somit blieb der Kreis der Reichsklöster dauerhaft auf die alten benediktinischen Abteien beschränkt, deren Bestand sich im 11./12. Jh. durch Vergabungen an Bischöfe stark reduzierte.
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Ergänzend hierzu:

Ausgelöst durch die Klosterreform in Frankreich (Cluny) ab 990 n. Chr. folgte eine sehr ähnlich gelagerte Reform auf deutschem Boden, die Hirsauer Reform. Hirsau erwarb sich sowohl einen päpstlichen als auch einen kaiserlichen Schutzbrief, nebst einem Freiheitsbrief des Kaisers (Hirsauer Formular), welcher das Kloster direkt Rom unterstellte und aus der Eigenkirchenherrschaft des Vogtes befreite - und das am Vorabend des Investiturstreits (!) Von Hirsau aus wurden etwa zwei duzend Klöster im Sinne der Hirsauer Reform errichtet und etwa 100 bestehende Klöster südwestdeutschen Raum reformiert und ebenfalls Rom unterstellt. Alle Klöster der Hirsauer Reform waren Benediktinerabteien. Die Zisterzienser kamen erst später.
 
...diese angesprochene Klosterreform veränderte im Übrigen auch prinzipiell alle "Reichsklöster" in ihrem Sinne. Die meisten der vorher so „privilegierten“ Klöster waren vorher Adelsstifte, wo nur adelige Insassen vollwertige Mitbrüder werden konnten und den „Bürgerlichen“ meist nur die Laienbruderschaft blieb. Die Reformbewegung aus Cluny setzte sich in Deutschland auch erst mit Verspätung in Gestalt der Hirsauer Reform durch. Durch den Streit zwischen Kaiser und Papsttum um die Einsetzung der Bischöfe (und damit auch vieler Äbte), welche im bekannten „Gang nach Canossa“ gipfelte, verloren die „Reichsklöster“, ebenso wie die „Reichskirche“ viel von ihren, die Königsherrschaft stabilisierenden Eigenschaften.

Viele wurden in der Folge später an Bischöfe vergeben oder selbst gefürstet – oder gar in Ausnahmefällen in Bistümer umgewandelt. Als „Reichsfürsten“ spielten sie eine eigene Rolle, oft im Widerspruch zur Meinung im eigentlichen Mönchskonvent (den Mönchsbrüdern des Ordens). Es kam sehr häufig zu Auseinandersetzungen zwischen Abt und Mönchen, da die Mönche die Mittel der Klöster oft für ihre Politik (ob für oder wider die Kaiser) einsetzten. In der Regel kam es zu einer „Gütertrennung“ zwischen Konvent und „Abt“ (als politischer Machtfaktor). Mönche klagten über ihre Äbte vor dem Kaiser (später dem Papst), dass sie „Hunger haben leiden müssen“, da die Äbte die Mittel für politische Ambitionen abgezweigt hätten. Häufig konnten sich noch mönchische Kapitelherren als weitere, mehr oder weniger unabhängige Kräfte in diesem Spiel etablieren und Besitz & Mittel an die jeweilige Funktion binden. Im reichen „Reichskloster“ Fulda lässt sich das gut ablesen, da schließlich der Abt in der eigenen Abtsburg residierte, die Mönche im Konvent saßen und Kapitelherren eigene Propsteien führen konnten (räumliche Trennung!).

Im „politischen Ernstfall“ mussten dann die Äbte – wie in der mittelalterlichen Ständegesellschaft üblich – mit den Kräften ihrer „Herrschaft“ verhandeln, welche Hilfe sie von Bürgerschaft(en), Ritterschaft, Konvent und Kapitelherren e.t.c. erhalten konnten. Das ist dann ein typisches Problem spätestens ab dem Hochmittelalter gewesen. Im Gegensatz zu vielen weltlichen Herrschaften waren die meisten kirchlichen Herrschaften in der frühen Neuzeit dann auch nicht in der Lage ihr politisches Gebilde dauerhaft zu zentralisieren und in effektive Fürstentümer umzuwandeln. Das gelang am ehesten, wenn sich der Abt oder Bischof der Reformation anschloss, ohne rechtzeitig vertrieben zu werden… Den alten, „karolingischen Königsdienst“ konnten die „Reichsklöster“ schon lange nicht mehr leisten. Bereits das Hochmittelalter veränderte das Kräftespiel innerhalb der Klosterherrschaften und auch das Wechselspiel mit den Kaisern ganz nachhaltig, was zu Konflikten auch zwischen den Äbten und ihren stärkeren Vasallen und der Ritterschaft führte, die selbst nach Reichsunmittelbarkeit strebten. Die Erhebung zu Reichsfürsten und die nachhaltigen Konflikte mit der Ritterschaft (Ministralien) begannen i.d.R. meist nach dem Jahre 1200.

Dazu interessant folgende Wiki-Artikel:
Ministeriale ? Wikipedia

Zu den Reichsklöstern ist folgender Link interessant.
Reichsprälat ? Wikipedia
 
stakkato

Ich sollte noch anmerken, dass diese Entwicklungen keinesfalls nur auf „Reichsklöster“ beschränkt waren, sondern einen meist allgemeinen Trend wiederspiegeln. Reichsklöster genossen halt eher die Aufmerksamkeit der Kaiser/Könige und Fürsten, sowie nicht zuletzt auch des Papstes. Einige privilegierte Klöster waren ja auch aus der allgemeinen, kirchlichen Organisation ihres Umfeldes herausgehoben, wodurch ihnen „ihre Bischöfe“ nicht so reinreden konnten, wie sie wollten. Prominentestes Beispiel für diese seltene Sonderstellung /Reichsunmittelbar & Kirchenunmittelbar im Kerngebiet) ist gewiss das Kloster Fulda, das sich daher direkt an den Papst wenden konnte. Eine gute Ausgangslage um viel später ein eigenes Bistum zu etablieren (mit dem Abt als Bischof!), obwohl hier so mächtige Gegenspieler wie das Fürstbistum Würzburg (deren Bischöfe sich auch Herzöge von Franken nannten) dagegen standen….

Was die Konflikte mit der Ritterschaft in solchen geistlichen Gebieten betrifft fand letztes Jahr eine Ausstellung zu interessanten Vorgängen des Jahres 1225 statt (ich war leider nicht dort…)
LWL - Ritter, Burgen und Intrigen - Aufruhr 1225 - Aufruhr 1225

Es ist zeitlich kein Zufall, dass diese Zeit von Umbrüchen und Versuchen zur Territorialisierung gekennzeichnet war, welche die Verhältnisse zu manchen Lehensrittern zerrütteten. Die Ritter- ob nun Ministeriale oder nicht, begannen verstärkt sich gegen diese Bestrebungen zu verbünden. Der Kampf sollte regional verschieden, unterschiedlich in Zeit und Erfolg verlaufen.
Reichsritterschaft ? Wikipedia
Eidechsenbund ? Wikipedia
Für die Klöster mit ihrem Streubesitz war dies die Zeit der „Entfremdung“, wo ihre entfernten Besitzungen häufig verloren gingen. Durch Gütertausch und andere Maßnahmen versuchten sie eigene, mehr geschlossen liegende Territorien zu gewinnen. – Was zu den besagten Konflikten mit den dortigen Adeligen und Rittern führen musste! Hier war jede Hilfe recht. 1220 wurde etwa die Abtei Fulda durch Kaiser Friedrich II. gefürstet – was die Territorialisierung quasi legitimieren musste (vergleiche die Jahreszahl mit den Vorgängen in Köln 1225!). Fulda ist auch ein schönes Beispiel, dass gut zu den Vorgängen in Köln 1225 passt. Reichsweite Wellen schlugen im Jahre 1271 die Ereignisse um die Ermordung des Fürstabtes Bertho und das damit verbundene Fehdewesen
Bertho II. von Leibolz ? Wikipedia
Kurz: Jene Klöster (vor allem die „Reichsklöster“), die mit Macht daran gingen, sich als Territorialfürstentümer zu etablieren, wurden mit den gleichen Problemen konfrontiert wie die übrigen großen geistlichen Fürstentümer, die einst eine der großen Stützen des Reiches gewesen waren. Eine Aufgabe, die sie nur unter starken Kaisern zu erfüllen in der Lage waren, da sie alleine meist zu schwach waren um mit den wirklich großen Adelsgeschlechtern (Fürsten) des Reiches zu rivalisieren. Die Reformation bot dann häufig die einmalige Gelegenheit, diesen Streit ein für allemal zu entscheiden!
…So mal mit mehr als Siebenmeilenstiefeln durch das Mittelalter gehetzt^^
 
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