Karl V. – Letzter Kaiser des Mittelalters, erster der Neuzeit oder dazwischen?

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Mein erstes Thema will ich einer Frage widmen, die bereits Historiker-Generationen beschäftigt hat und die mir auch einige Probleme bei der Zuordnung dieses "Threads" bereitete (habe mich jetzt fürs Forum "Heiliges Römisches Reich" entschieden):

War Kaiser Karl V. (1500–1558) der letzte Kaiser des Mittelalters, war er der erste der Neuzeit oder stand er gleichsam zwischen den Zeiten?

Für alle drei Ansichten gibt es bedeutende Vertreter:

P. Rassow bekannte sich dezidiert zur Zuordnung als letzten mittelalterlichen Kaiser (vgl. seine Biographie mit dem bezeichnenden Titel "Karl V. Der letzte Kaiser des Mittelalters", Göttingen 1957).

Den Gegenentwurf lieferte K. Brandi bereits in den 30ern mit seiner berühmten Karls-Biographie (Kaiser Karl V., 5. Aufl., München 1959).

In der jüngsten Zeit hat man die beiden Extrempositionen verbinden wollen, so v. a. L. Schorn-Schütte mit ihrer viel beachtete Veröffentlichung "Karl V. Kaiser zwischen Mittelalter und Neuzeit", München 2000.

Gewiß spricht für jede der drei Positionen einiges. Wie seht ihr dies?
 
Diese Frage erscheint mir reichlich sinnlos. Man kann zwar ewig darüber diskutieren, aber der Nutzen ist gleich null. Was soll das besagen, ob er der letzte Kaiser des Mittelalters oder der erste der Neuzeit oder dazwischen war? Welchen Erkenntnisgewinn über Karl und seine Zeit soll das bringen?

Diskussionen über die Abgrenzung Mittelalter-Neuzeit hatten wir hier jedenfalls schon ein paar, vor allem:
http://www.geschichtsforum.de/f77/beginn-und-ende-des-mittelalters-16675/
http://www.geschichtsforum.de/f77/ende-des-mittelalters-9377/
 
Nun ja, es bringt zumindest den Erkenntisgewinn, ob das Denken Karls V. noch mittelalterlich oder bereits neuzeitlich geprägt war. Hier würde ich ganz klar ersteres meinen. Überhaupt erscheint mir Karl V. zuweilen so, als hätte er die Zeit zurückdrehen wollen. Sein Bruder Ferdinand I. war da schon viel "fortschrittlicher" und sah den Tatsachen ins Auge.

Unbestritten ist doch, daß die Zeit Karls V. eine Übergangszeit war. Wir finden hier viele Merkmale beider Großepochen. Die Idee eines universalen Kaisertums ist m. E. noch völlig mittelalterlich. In einer frühneuzeitlichen Welt mußte das wohl scheitern.

Überhaupt scheint mir die Überlegung einiger Historiker, eine eigene Epoche "Spätmittelalter/Frühe Neuzeit" anzudenken, durchaus nachvollziehbar. So hat die Universität Bielefeld etwa einen eigenen Arbeitsbereich für diese Zeit. Ich persönlich würde ja für eine neue Epoche von etwa 1346/47 bis 1555/58 plädieren, von der Wahl Karls IV. und dem Ausbruch der Pest bis zum Augsburger Religionsfrieden und der Abdankung Karls V. Die Vernetzung der Luxemburger und der Habsburger (Erbvertrag 1364) sollte man auf jeden Fall nicht aus den Augen verlieren, schufen die ja auch die Voraussetzungen für die spätere Donaumonarchie, die bereits unter Sigismund und Albrecht II. theoretisch bestand, dann endgültig ab 1526 mit Ferdinand I.

Die alte sture Epochengrenze 1500 halte ich jedenfalls für überholt und wenig hilfreich. Jemand, der sich mit dem 16. Jh. beschäftigt, etwa dem habsburgisch-französischen Gegensatz, muß ganz klar auch die Vorgeschichte kennen, und die liegt nunmal bereits im späten 15. Jh. (Burgundischer Erbfall 1477, Italienkriege ab 1494).
 
Unbestritten ist doch, daß die Zeit Karls V. eine Übergangszeit war. Wir finden hier viele Merkmale beider Großepochen.
Das würde voraussetzen, dass das Mittelalter und die Neuzeit jeweils in sich einheitliche, nur durch eine kurze Übergangszeit verknüpfte, Epochen waren, in denen sich jeweils nichts änderte. Zwischen dem Europa des Jahres 1200 und dem des Jahres 1400 hat sich aber auch jede Menge verändert, nicht nur zwischen 1400 und 1600.

Nun ja, es bringt zumindest den Erkenntisgewinn, ob das Denken Karls V. noch mittelalterlich oder bereits neuzeitlich geprägt war.
Wenn es so etwas wie ein "mittelalterliches Denken" überhaupt gab. Da steckt auf jeden Fall viel Klischee mit drin.

Überhaupt scheint mir die Überlegung einiger Historiker, eine eigene Epoche "Spätmittelalter/Frühe Neuzeit" anzudenken, durchaus nachvollziehbar. So hat die Universität Bielefeld etwa einen eigenen Arbeitsbereich für diese Zeit. Ich persönlich würde ja für eine neue Epoche von etwa 1346/47 bis 1555/58 plädieren, von der Wahl Karls IV. und dem Ausbruch der Pest bis zum Augsburger Religionsfrieden und der Abdankung Karls V. Die Vernetzung der Luxemburger und der Habsburger (Erbvertrag 1364) sollte man auf jeden Fall nicht aus den Augen verlieren, schufen die ja auch die Voraussetzungen für die spätere Donaumonarchie, die bereits unter Sigismund und Albrecht II. theoretisch bestand, dann endgültig ab 1526 mit Ferdinand I.
Das ist eine rein akademische Diskussion ohne jeden echten Erkenntnisgewinn. Ähnlich sieht es auch bei der "Spätantike" aus und der sinnlosen Diskussion, von wann bis wann sie dauerte. Geschichte ist ein Fluss, ein ständiges Werden und Vergehen. Jegliche Epochengrenze ist eine rein künstliche Abgrenzung, die ein Zäsur vorgaukelt, die es in dieser Form nicht gab. Daher ist dieses Epochendenken sogar schädlich, weil es den Blick auf Zusammenhänge verstellt.

Man sieht es ja bei der Diskussion über Karl V.: Er war ein Mensch, ein Individuum, das vielfältigen Einflüssen ausgesetzt war. Ihn und sein Umfeld sollte man erforschen. Wenn man ihn zu einem Kaiser des Mittelalters oder der Neuzeit oder einer Übergangsepoche macht, schubladisiert man ihn damit und zieht aus der Epoche, der man ihn zuordnet, Rückschlüsse auf ihn, die möglicherweise verfehlt sind.
 
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